LVwG-650266/2/MZ/CG

Linz, 01.12.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des P A, geb X, vertreten durch H N Rechtsanwälte, G, B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 29.10.2014, VerkR21-641-2014/Wi,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid zur Gänze ersatzlos behoben.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 29.10.2014, VerkR21-641-2014/Wi, wurde der Beschwerdeführer (in Folge: Bf) gemäß §§ 24 Abs 4 und 8 Abs 2 FSG aufgefordert, sich bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck innerhalb einer Woche nach Rechtskraft des Bescheides amtsärztlich untersuchen zu lassen.  

 

Begründend führt die belangte Behörde wie folgt aus:

 

„Der Führerscheinbehörde wurde der Bericht der Polizeiinspektion Vöcklabruck vom 22.10.2014, B6/12700/2014-May, übermittelt. Aus diesem geht hervor, dass Sie gemeinsam mit P K am 30.07.2014 um 22.30 Uhr in 4840 Vöcklabruck, S, beanstandet wurden. Sie hatten zwei fertig gedrehte Joints und einen Crasher bei sich und gaben zu dass Sie die Joints konsumieren wollten. Bei Ihrer Vernehmung gaben Sie an, dass Sie vor vier oder fünf Jahren das erste Mal Cannabis konsumiert haben. Seither würden Sie zweimal im Monat einen Joint konsumieren. Sie hätten am S in Wien selbst schon Gras gekauft bzw. gemeinsam mit P K. Sie würden jedoch meist von Freunden etwas geschenkt bekommen. Der im Auto Ihrer Mutter sichergestellte „Crasher/Grinder“ gehöre Ihnen.

 

Der am 30.07.2014 bei der Polizei durchgeführte Drogenschnelltest verlief positiv auf THC.

 

Die Behörde hat rechtlich darüber erwogen:

 

Aufgrund des angeführten Suchtgiftkonsums bestehen gravierende Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Grundsätzlich wird festgestellt, dass durch den Konsum von Cannabis Beeinträchtigungen der Wahrnehmung, der Psychomotorik, der kognitiven und affektiven Funktionen hervorgerufen werden kann. Diese Beeinträchtigungen sind nicht mit dem sicheren Führen eines Kraftfahrzeuges vereinbar. Darüber hinaus kann sich bei regelmäßigem Konsum sehr wohl eine Abhängigkeit vor allem im psychischen Bereich entwickeln.

 

Der Besitz eines „Crashers“ ist auf jeden Fall hinweisend auf einen wiederholten Suchtgiftkonsum. Um abklären zu können, ob Sie nach wie vor zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet sind, war eine amtsärztliche Untersuchung anzuordnen.

 

Da die Abklärung des Gesundheitszustandes auf Grund dieses Sachverhaltes im Interesse der Verkehrssicherheit unbedingt erforderlich ist und ein weiterer Aufschub nicht zu verantworten wäre, musste die amtsärztliche Untersuchung unter Setzung einer kurzen aber für diese Maßnahme durchaus angemessenen Frist bescheidmäßig angeordnet werden.“

 

II.            Der Bf erhob im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde. Inhaltlich bringt der Bf im Wesentlichen vor, dass ein bloß geringfügiger Suchtmittelgenuss ohne Zusammenhang mit dem Lenken von Fahrzeugen die gesundheitliche Lenkeignung nicht berühre.

 

III.           a) Die belangte Behörde legte die rechtzeitig erhobene Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsaktes dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen; damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid zu beheben ist.

 

c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem im angefochtenen Bescheid dargestellten, unstrittigen Sachverhalt aus.

 

IV. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des FSG lauten idgF auszugsweise:

„Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder …

(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. …“

 

 

V. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Aufforderungsbescheid nach § 24 Abs 4 FSG nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung von Seiten der Behörde begründete Bedenken in die Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von KFZ derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine neuerliche Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann. Hierbei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige Bedenken sind in einem Aufforderungsbescheid nachvollziehbar darzulegen (VwGH 16.4.2009, 2009/11/0020 mwN).

 

Der Verdacht auf Suchtmittelabhängigkeit stellt unzweifelhaft – siehe in diesem Zusammenhang auch § 14 FSG-GV – einen Umstand dar, der einen Aufforderungsbescheid nach § 24 Abs 4 FSG (und in weiterer Folge bei bestätigter Abhängigkeit einen Entzug der Lenkberechtigung) rechtfertigt.

 

In concreto ist also die Frage zu beantworten, ob beim Bf eine Suchtmittelabhängigkeit indiziert ist. Wie vom Bf zugestanden wird, konsumiert er in etwa zwei Mal im Monat Cannabis. Der Bf hat seine diesbezügliche Verantwortung während des gesamten Verfahrens nicht geändert und es liegen – soweit ersichtlich – keine Hinweise auf einen häufigeren Konsum vor. Dass der Bf im Besitz eines Crushers bzw eines Grinders, dh einer Art „Kräutermühle“, ist, indiziert – entgegen der Annahme der belangten Behörde – nicht zwingend, dass er mit höherer als der von ihm angegebenen Frequenz Cannabis missbraucht.

 

Jeglicher (nicht medizinisch indizierte) Cannabiskonsum stellt unzweifelhaft einen Suchtgiftmissbrauch dar. Es ist der belangten Behörde auch beizutreten wenn sie festhält, dass durch den Konsum von Cannabis Beeinträchtigungen der Wahrnehmung, der Psychomotorik sowie der kognitiven und affektiven Funktionen hervorgerufen werden können. Im Hinblick auf den Genuss von Cannabis hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch bereits mehrfach ausgeführt, dass ein gelegentlicher Konsum den Verdacht einer Abhängigkeit nicht notorisch begründet (VwGH 24.4.2001, 2000/11/0231; vgl auch VwGH 23.5.2000, 99/11/034; ferner implizit VwGH 24.4.2001, 2001/11/0035). Ein „bloß“ zweimaliger Cannabismissbrauch im Monat vermag daher – ohne weitere Elemente – nicht per se als Abhängigkeitsbegründend angesehen zu werden. Zudem bedürfte es, um Bedenken an der gesundheitlichen Eignung zu begründen, nach der diesbezüglichen strengen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konkreter Feststellungen über die Zeitpunkte des Suchtmittelkonsums sowie der Menge des konsumierten Suchtmittels (vgl VwGH 22.3.2002, 2001/11/0342), was im vorliegenden Fall kaum möglich sein dürfte.

 

Bedenken an der gesundheitlichen Eignung des Bf zum Lenken von KFZ vermögen vor diesem Hintergrund aufgrund des nachweisbaren, von der Behörde als entscheidungsrelevant herangezogenem Sachverhalt, vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht erkannt bzw geteilt zu werden. In diesem Zusammenhang ist auch noch festzuhalten, dass der Suchtgiftmissbrauch des Bf in keinem Zusammenhang mit dem Lenken von KFZ gestanden ist. Die Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, ist daher ersatzlos zu beheben.

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da es sich bei der Frage, ob gerade beim Bf aufgrund seines konkreten Cannabiskonsums Bedenken betreffend die gesundheitliche Eignung zum Lenken von KFZ indiziert sind, um eine nicht über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage handelt und die vorliegende Entscheidung nicht von der einheitlichen, zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Markus Zeinhofer