LVwG-300465/7/KLi/TK/PP

Linz, 03.11.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Karin Lidauer über die Beschwerde vom 4.9.2014 des J.T., geb. x, x, vertreten durch die A.R.T., x, x, gegen den Bescheid des Bürger­meisters der Landeshauptstadt Linz vom 1.8.2014, GZ: 0005818/2012, wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 30.10.2012, GZ: 0005818/2012, wegen Übertretung des AuslBG, nach Durchführung einer öffentlichen münd­lichen Verhandlung

 

I. zu Recht   e r k a n n t :

 

1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abge­wiesen und der behördliche Bescheid vom 1.8.2014, GZ. 0005818/2012 bestätigt.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 

II. den   B e s c h l u s s   gefasst:

 

1. Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG wird die Beschwerde vom 3.4.2014 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 30.10.2012, GZ. 0005818/2012,  wegen  Verletzung des § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG als verspätet zurückgewiesen.

2. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

0. Zum Verfahrensgang:

 

0.1. Straferkenntnis vom 30.10.2012:

Mit Straferkenntis vom 30.10.2012, GZ. 0005818/2012 wurde dem Beschwerde­führer (in der Folge: Bf) vorgeworfen, er habe als handelsrechtlicher Geschäfts­führer der Firma P. GmbH, x, x, welche für die Erfüllung der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes keinen Bevollmächtigten bestellt hat, verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass von ihm als Arbeitgeber vom 1.8.2011 bis 7.10.2011 ausgehend vom Firmenstandort Herr F.D.M., geb. x, wohnhaft x, x, rumänischer Staatsbürger als Arbeiter, gegen Entgelt (Anspruch auf zumindest kollektiv­vertragliche Entlohnung § 49 ASVG) im Ausmaß von 38,5 Std. p.W. beschäftigt wurde, obwohl ihm für diesen Arbeitnehmer weder eine Beschäftigungs­bewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt noch eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder der Ausländer weder eine Arbeitserlaubnis noch einen Befreiungsschein oder eine „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ oder einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EG“ oder  einen  Nieder­lassungsnachweis besitze. Der Bf habe gegen § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z 1 lit.a AuslBG verstoßen.

 

Über ihn werde deshalb eine Geldstrafe von 2.000 Euro, für den Fall der Unein­bringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Stunden verhängt; ferner werde
er verpflichtet, einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von
200 Euro zu leisten.

 

In der Begründung des Straferkenntnisses wurde neben Wiedergabe des fest­gestellten Sachverhaltes auch ausgeführt, dass der Bf mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 13.7.2012 über das gegen ihn eingeleitete ordentliche Verwaltungsstrafverfahren informiert worden sei. Die Aufforderung zur Recht­fertigung sei am 8.8.2012 hinterlegt und somit ordnungsgemäß zugestellt worden. Der Bf habe eine Rechtfertigung nicht erstattet.

 

 

0.2. Antrag auf Wiedereinsetzung vom 3.4.2014:

Mit Eingabe vom 3.4.2014 stellte der Bf einen Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung bzw. Beschwerde gegen das zu Pkt. 0.1. dargestellte Straferkenntnis, verbunden mit einer Berufung bzw. Beschwerde gegen dieses Straferkenntnis.

 

In seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bringt der Bf vor, er lebe in einer Lebens- und Haushaltsgemeinschaft mit Frau A.M.N.J. Da der Bf beruflich bedingt während der Tagesstunden nicht zuhause sei, werde die Post von dessen Lebensgefährtin aus dem gemeinsamen Briefkasten behoben. Die Lebensgefährtin sichtete die Post und lege diese sodann dem Bf vollständig auf dessen Schreibtisch zur Durchsicht. Frau J. sei eine sehr verlässliche Person, weshalb sie stets peinlich genau darauf achte, dass der Bf sämtliche postalische Zusendungen erhalte. Auch sei sich Frau J. über die Wichtigkeit behördlicher Schriftstücke im Klaren und kenne auch die Bedeutung, der, in der Regel, gelben Hinterlegungsanzeigen. Aus diesem Grund sei es bislang niemals vorgekommen, dass sie eine Verständigung von einer Hinter­legung übersehen, irrtümlich nicht weitergeleitet oder irrtümlich entsorgt hätte.

 

Gegenständlich sei das Straferkenntnis GZ. 0005818/2012 vom 30.10.2012 beim Postamt, in L., hinterlegt worden und sei ab dem 6.11.2012 zur Abholung bereitgelegen. Bezüglich dieses Straferkenntnisses habe jedoch Frau J. im ganzen Monat November 2012 keine Verständigung der Hinterlegung im gemein­samen Briefkasten vorgefunden. Wie bereits ausgeführt, wären Frau J. aufgrund deren Umsicht, derartige Verständigungen auf keinen Fall entgangen. Der Bf habe sich sohin im Bezug auf das Straferkenntnis in völliger Unkenntnis über den Umstand der Hinterlegung befunden. Vielmehr habe der Bf erst durch die Zustellung der Bewilligung der Fahrnis- und Gehaltsexekution des BG Linz, GZ. 22 E 2288/14i Kenntnis über die Existenz des Straferkenntnisses erlangt.

 

Nach der Rechtsprechung stelle die Unkenntnis der Hinterlegungen ein unvorher­gesehenes/unabwendbares Ereignis und sohin einen Grund für eine Wiederein­setzung dar. Dies jedoch nur, wenn die Unkenntnis nicht auf einem Verschulden des Bf beruhe. Davon sei auszugehen, wenn die Verständigung von einer anderen Hauspartei oder dritten Personen entfernt worden sei, wovon hier auszugehen sei, da die Hinterlegungsanzeige durch die Lebensgefährtin nicht vorgefunden worden und von dieser sicher nicht übersehen worden sei. Wobei allgemein bekannt sei, dass sich, vor allem in städtischen Mehrparteien-Wohnhäusern, derartige Vorfälle ereignen würden und solche Verständigungen abhandenkommen könnten. Überdies sei noch erwähnt, dass nach der Recht­sprechung nicht einmal, wenn die Hinterlegungsanzeige von einem Haushalts­angehörigen behoben werde, und dieser den Adressaten nicht rechtzeitig davon in Kenntnis setzen würde, von einem Verschulden des Adressaten auszugehen wäre.

 

Der Beschuldigte sei daher in Folge unverschuldeter Unkenntnis der Verständigung von der Hinterlegung, durch ein unvorhergesehenes/un­abwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme der Berufung, in eventu der Beschwerde gehindert und erleide dadurch den Rechtsnachteil des Aus­schlusses der Berufung, in eventu der Beschwerde. Erst durch die Übermittlung des gegenständlichen Straferkenntnisses am 20.3.2014 sei der Hinderungsgrund weggefallen, womit Wiedereinsetzung binnen offener Frist beantragt werde. Der Beschuldigte habe erstmals vom Straferkenntnis am 20.3.2014 Kenntnis erlangt, weshalb die Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist rechtzeitig beantragt werde.

 

Als Beweismittel werde insbesondere die Vorlage einer eidesstattlichen Erklärung der Lebensgefährtin A.M.N.J. sowie die Vernehmung der Lebensgefährtin beantragt.

 

Ferner werde gleichzeitig die versäumte Prozesshandlung nachgeholt. Der Bf fechte den Bescheid zu GZ. 0005818/2012 vom 30.10.2012 der belangten Behörde zur Gänze an und erhebe des Rechtsmittel der Berufung, in eventu Beschwerde. Die Vorwürfe seien unberechtigt. Der Bf sei zwar handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fa. P GmbH gewesen, jedoch sei dieser für die An- und Abmeldung von Dienstnehmern sowie für die gesamten Personal­unterlagen nicht zuständig gewesen. Hiefür sei der weitere Geschäftsführer, M.H., zuständig gewesen, welcher auch die gesamte Korrespondenz mit der Lohnverrechnung (Steuerberatungskanzlei) durchgeführt habe. Verantwort­liches Organ für diesen Bereich sei sohin nicht der Bf, sondern M.H. Der Bf habe außerdem erst nachträglich von der Kontrolle Kenntnis erlangt, sodass er hier auch die notwendigen Unterlagen über Anforderungen beischaffen hätte können. Richtigerweise hätte sich die Behörde an den weiteren Geschäftsführer halten müssen. Der Bf sei nur für den Verkauf zuständig gewesen. Leider habe der Bf in der Folge feststellen müssen, dass M.H. und Mag. C.B. den Bf nur vorgeschoben hätten. Ihm sei diesbezüglich eine Beteiligung in Aussicht gestellt worden, wenn er die Geschäftsführung übernehmen würde. Das Unternehmen sei letztendlich in die Insolvenz geschlittert, wobei hier zahlreiche Haftungen auf den Bf zurückgefallen seien. Der Bf habe keine Möglichkeit gehabt, in irgendeiner Form gegenzusteuern, zumal er immer darauf vertraut habe, dass seitens des Geschäftsführers M.H. und des Gesellschafters und faktischen Geschäftsführers Mag. C.B., welcher den gesamten Zahlungsverkehr für das Unternehmen abgewickelt habe, die Personalunterlagen in ordnungsgemäßer Form geführt hätten, und zwar auch im Hinblick auf die Einhaltung der Bestimmungen nach dem AuslBG. Insofern treffe den Beschuldigten kein Verschulden und auch kein fahrlässiges Verhalten.

 

Darüber  hinaus  würden die Voraussetzungen für eine Ermahnung im Sinne des § 45 VStG vorliegen. Es sei jedenfalls kein Schaden entstanden. Weiters sei der Beschuldigte auch bereit, an der Klärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Im Sinne obiger Ausführungen bleibe das Verhalten des Beschuldigten daher bzgl. des in der Strafdrohung typisierten Schuld- und Unrechtsgehalts erheblich zurück. Es sei die Intensität der Rechtsgutbeeinträchtigung durch das Verhalten als gering anzusehen. Schließlich sei die verhängte Geldstrafe im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse des Beschuldigten erheblich überhöht. Dieser sei im Rahmen der vorgeworfenen Delikte Ersttäter, weshalb jedenfalls auch mit der Mindeststrafe das Auslangen gefunden hätte werden können.

 

Es werde daher beantragt, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge eine mündliche Verhandlung anberaumen, das angefochtene Straferkenntnis
GZ. 0005818/2012 vom 30.10.2012 ersatzlos beheben und das Verfahren ein­stellen; in eventu das Straferkenntnis dahingehend abändern, dass eine Ermahnung ausgesprochen wird; in eventu das Straferkenntnis dahingehend abändern, dass die ausgesprochene Strafe auf das gesetzliche Mindestmaß herabgesetzt wird.

 

 

0.3. Bescheid vom 1.8.2014:

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 1.8.2014, GZ. 0005818/2012 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 3.4.2014 gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Zustellungen an den Bf rechtswirksam erfolgt seien. Ein von einem Post­bediensteten ordnungsgemäß ausgestellter Rückschein über die Zustellung eines Poststückes durch Hinterlegung mache als öffentliche Urkunde Beweis über die Rechtswirksamkeit der Zustellung. Es sei Sache des Empfängers, Umstände vorzu­bringen, die geeignet seien, Gegenteiliges zu beweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen zu lassen.

 

Dem Vorbringen, bei seiner Lebensgefährtin, welche in den beruflich bedingten Abwesenheitsstunden seine Post aus dem gemeinsamen Briefkasten behebe und sichte, diese sodann auf den Schreibtisch zur Durchsicht lege, handle es sich um eine sehr verlässliche Person, welche stets peinlich genau darauf achte, dass der Beschuldigte sämtliche postalische Zusendungen erhalte und sie sich auch über die Wichtigkeit behördlicher Schriftstücke im Klaren sei und auch deren Bedeutung kenne, wodurch es niemals vorgekommen sei, dass sie eine Verständigung von einer Hinterlegung übersehen, irrtümlich nicht weitergeleitet oder irrtümlich entsorgt hätte, sei wie folgt entgegenzutreten:

 

Vorweg gehe dieses Vorbringen nicht wesentlich über die bloße Behauptung, keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden zu haben, hinaus, selbst wenn die dafür angebotene Zeugin bestätigen sollte, dass sie keine Hinterlegungsanzeige vorge­funden habe, wäre damit kein konkreter Umstand dargetan, der die Einlegung der Hinterlegungsanzeige in das Hausbrieffach widerlegen oder zumindest berechtigte Zweifel daran aufkommen ließe. Dem weiteren Vorbringen des Beschuldigten, dass davon auszugehen sei, dass die Verständigung über die Hinterlegung von einer anderen Hauspartei oder von einer dritten Person entfernt worden sei, da sie von der Lebensgefährtin wie erwähnt nicht vorgefunden worden sei und von dieser aber sicher nicht übersehen worden wäre, ist entgegen­zuhalten, dass im gegenständlichen Fall die Verständigung über die Hinterlegung laut Aufzeichnung des Zustellers im Hausbrieffach eingelegt worden sei.

 

In der Zusammenschau der vorliegenden Beweismittel stehe fest, dass an den Beschuldigten alleine über dieses Verfahren insgesamt drei Zustellungen mittels RSa ergangen seien. Alle der Behörde vorliegenden Rückscheine über die jeweilige Zustellung seien vom jeweiligen Zustellorgan ordnungsgemäß aus­gestellt und seien diese Zustellvorgänge unzweifelhaft nachvollziehbar. Es wäre völlig außerhalb der Lebenserfahrung, dass alle erwähnten Hinterlegungen ohne die jeweilige Benachrichtigung an den Beschuldigten durchgeführt oder die Benachrichtigungen in fremde Hausbrieffächer eingelegt worden seien. Auch sei die bloße Behauptung, die Hinterlegungsanzeigen wären von dritten Personen entfernt worden, mangels Beweisvorbringen nicht nachvollziehbar. Es hätten somit keine Anhaltspunkte gefunden werden können, an der Rechtmäßigkeit der Zustellurkunden zu zweifeln. Die vom Bf vorgebrachten Gründe würden daher nicht reichen, berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zustellungen, insbe­sondere des Zustellvorganges des Straferkenntnisses vom 30.10.2012 auf­kommen zu lassen.

 

Die beantragte Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorigen Stand sei somit, mangels Vorliegen der Voraussetzungen, nicht zu bewilligen gewesen.

 

 

0.4. Beschwerde vom 4.9.2014:

Gegen diesen Bescheid richtet sich die nunmehr verfahrensgegenständliche Beschwerde vom 4.9.2014. Mit dieser Beschwerde wird beantragt, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge eine mündliche Verhandlung anberaumen, den Bescheid der belangten Behörde vom 1.8.2014 zu
GZ. 0005818/2012 dahingehend ändern, dass dem Antrag auf Wiedereinsetzung Folge gegeben wird und dem Bf in die Frist zur Erhebung des Rechtsmittels der Berufung bzw. der Beschwerde gegen den Bescheid GZ. 0005818/2012 vom 30.10.2012 der belangten Behörde gemäß § 24 VStG iVm §§ 71 f AVG wieder einsetzen und über die Berufung bzw. Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde zu GZ. 0005818/2012 vom 30.10.2012 entscheiden; in eventu der belangten Behörde die Fortführung des gesetzmäßigen Verfahrens auftragen.

 

Der Bf bringt in seiner Beschwerde insbesondere vor, dass das angefochtene Straferkenntnis gegen den Bf aufgrund einer Übertretung des Ausländer­beschäftigungsgesetzes beim Postamt in L. hinterlegt und dort ab 6.11.2012 zur Abholung bereitgelegen sei. Da das Straferkenntnis beim Postamt nicht behoben worden sei, sei dieses am 21.11.2012 in Rechtskraft erwachsen. Aufgrund des rechtskräftigen Straferkenntnisses sei mit Vollstreckungsverfügung vom 14.3.2013 das Vollstreckungsverfahren eingeleitet worden. In der Folge sei beim Bezirksgericht Linz ein Exekutionsverfahren gegen den Bf eingeleitet und bewilligt worden.

 

Zu vorgenannten Zeitpunkten habe sich der Bf allerdings in völliger Unkenntnis in Bezug auf vorgenannte Schriftstücke befunden. Vielmehr habe der Bf erst durch die Zustellung der Bewilligung der Fahrnis- und Gehaltsexekution des BG Linz zu GZ. 22 E 2288/14i Kenntnis über die Existenz des gegenständlichen Straferkenntnisses erlangt. Unmittelbar nach Erhalt der Exekutionsbewilligung des BG Linz habe der Bf den Beschwerdeführervertreter mit seiner rechts­freundlichen Vertretung beauftragt. Dieser habe am 11.3.2014 ein Telefax an die belangte Behörde übermittelt, mit dem Antrag auf Zustellung des Strafer­kenntnisses zu GZ. 0005818/2012 samt Vollstreckbarkeitsbestätigung. Diesem Antrag hätte die belangte Behörde mit E-Mail vom 20.3.2014 entsprochen.

 

Daraufhin habe am 3.4.2014 der Bf einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbunden mit dem versäumten Rechtsmittel (Berufung bzw. Beschwerde) eingebracht. Mit Bescheid vom 1.8.2014 habe die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet abgewiesen. Diese Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages verkenne aller­dings die Rechtslage.

 

Der Bf habe mangels Kenntnisnahme des Straferkenntnisses zu GZ. 0005818/
2012 die Frist versäumt, gegen das Straferkenntnis das zu Gebote stehende Rechtsmittel der Berufung bzw. Beschwerde zu erheben. Da der Bf sohin in Folge Fristversäumnis das Rechtsmittel der Berufung bzw. Beschwerde nicht mehr einbringen könne, habe er einen Rechtsnachteil im Sinn von § 71 AVG erlitten. Aus diesem Grund habe der Bf den Wiedereinsetzungsgrund gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG geltend gemacht. Sohin, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen sei, die Frist für die Berufung bzw. Beschwerde einzuhalten und ihn daran kein Verschulden bzw. nur ein minderer Grad des Versehens treffe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes gelte ein Ereignis dann als unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet habe und mit zumutbarer Aufmerksamkeit auch nicht erwarten habe können. Voraussetzung für diesen Wiedereinsetzungsgrund sei also ein für die Versäumung kausales Ereignis. Nach der neuen ständigen Judikatur sei jedes Geschehen, insbesondere auch psychische Vorgänge (wie Vergessen, etc.) als relevantes Ereignis zu qualifizieren.

 

Der Bf habe in der Eingabe vom 3.4.2014 ausgeführt, dass er in einer Lebens- und Haushaltsgemeinschaft mit Frau A.M.N.J. lebe. Da der Bf beruflich bedingt während der Tagesstunden nicht zuhause sei, werde die Post im gemeinsamen Einvernehmen von dessen Lebensgefährtin aus dem gemeinsamen Hausbriefkasten behoben. Die Lebensgefährtin sichte in der Folge jeweils die Post und lege diese dann dem Bf vollständig auf dessen Schreibtisch zur Durchsicht. Frau A.M.N.J. sei eine sehr verlässliche Person, welche stets peinlich genau darauf achte, dass der Bf sämtliche postalischen Zustellungen erhalte. Auch sei sich Frau J. über die Wichtigkeit behördlicher Schriftstücke im Klaren und kenne auch die Bedeutung, der in der Regel, gelben Hinterlegungsanzeigen. Aus diesem Grund sei es bislang noch nie vorgekommen, dass sie eine Verständigung von der Hinterlegung übersehen, irrtümlich nicht weitergeleitet oder irrtümlich entsorgt hätte. Gegenständlich habe jedoch die Lebensgefährtin des Bf diesem keine Hinterlegungsanzeige betreffend das Straf­erkenntnis der belangten Behörde zu GZ. 0005818/2012 vorgelegt bzw. auch erinnerlich keine solche im Hausbriefkasten vorgefunden. Da zwischen den Lebensgefährten explizit vereinbart sei, dass Frau A.M.N.J. dem Bf jeweils wichtige postalische Schriftstücke vorlege und in diesem Falle der Bf vorgenanntes Straferkenntnis jedoch nie zur Kenntnis genommen habe, liege ein im Sinne der Rechtsprechung unvorhergesehenes Ereignis vor. Der Bf habe die Möglichkeit, dass seine Lebensgefährtin eine Hinterlegungsanzeige im Brief­kasten nicht vorfindet bzw. übersehen könnte, nicht in Betracht gezogen. Dies habe er bei gehöriger Aufmerksamkeit auch nicht müssen, da sie ihm wichtige postalische Zusendungen bislang immer vollständig vorgelegt habe.

 

Die belangte Behörde repliziere auf dieses Vorbringen im Wesentlichen, dass insgesamt mehrere Zustellungen mittels RSa ergangen seien. Dass alle der Behörde vorliegenden Rückscheine über die jeweilige Zustellung vom jeweiligen Zustellorgan ordnungsgemäß ausgestellt und diese Zustellvorgänge unzweifelhaft nachvollziehbar seien, weiters dass es völlig außerhalb der Lebenserfahrung wäre, dass alle erwähnten Hinterlegungen ohne die jeweilige Benachrichtigung durchgeführt worden seien. Die belangte Behörde argumentiere im Wesentlichen nur mit der Rechtmäßigkeit der Zustellvorgänge. Damit gehe die belangte Behörde jedoch auf die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG überhaupt nicht ein. Die Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges habe nämlich nichts damit zu tun, ob ein Ereignis als unvor­hergesehen anzusehen sei.

 

Wie bereits ausgeführt habe der Bf von den verfahrensrelevanten Schriftstücken keine Kenntnis erlangt. Da der Bf, wie bereits ausgeführt, aufgrund der Abmachung mit seiner Lebensgefährtin damit gerechnet habe, dass diese ihm wichtige postalische Schriftstücke jeweils abends zum Lesen vorlege und dies auch in der Vergangenheit immer getan habe, wäre das Ereignis der Unkenntnis der verfahrensrelevanten Schriftstücke für den Bf unvorhersehbar und kausal für den Umstand der mangelnden Kenntnisnahme. Möge der Zustellvorgang allen­falls rechtmäßig erfolgt sein, so ändert dies dennoch daran nichts, dass der Bf von den Schriftstücken keine Kenntnis erlangt habe. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre durch die belangte Behörde zu prüfen gewesen, ob ein unvor­hergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis vorgelegen sei.

Weiters sei nach § 71 AVG ein Wiedereinsetzungsgrund nicht zu beweisen, sondern lediglich glaubhaft zu machen. In diesem Sinne wurde als Bescheini­gungsmittel eine eidesstattliche Erklärung der Lebensgefährtin des Bf angeboten. Diese fand allerdings in der Bewertung des Wiedereinsetzungsgrundes durch die belangte Behörde keine Bedeutung. Dies, obwohl es sich bei Frau J. um eine mit den rechtlich geschützten Werten verbundene Person handle. Aus diesem Grund sei  per se davon auszugehen, dass sie sich über die Tragweite einer eides­stattlichen Erklärung im Klaren sei und eine solche nicht wider besseren Wissens abgebe. Dies sei allerdings durch die belangte Behörde in keiner Weise in Erwägung gezogen worden und die erwähnte Bescheinigung habe sohin in die Beurteilung durch die belangte Behörde offenbar in keiner Weise Eingang gefunden.

 

Weiters setze die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand voraus, dass die Partei an der Versäumung der Frist kein Verschulden oder lediglich ein minderer Grad des Versehens treffe, wobei dies nach dem Maßstab einer ordentlichen Prozess­partei zu bemessen sei. Da der Bf in Lebensgemeinschaft lebe und unter Tags arbeite, werde es wohl als Normalfall anzusehen sein, dass er sich abends die Post durch die Lebensgefährtin vorlegen lasse; zumal dies zwischen den Bf und seiner Lebensgefährtin auch so vereinbart und stets so gehandhabt worden sei. Der Bf habe berechtigt darauf vertrauen können, dass seine Lebensgefährtin die Hinterlegungsanzeigen, falls überhaupt vorhanden, bei Durchsicht der Post auffinden und ihm vorlegen würde.

 

Sollte Frau J. dennoch die relevanten Schriftstücke ausnahmsweise (was durch diese ausdrücklich bestritten werde) übersehen haben, so wäre dies als Verschulden der Frau J. zu werten. Da Frau J. dem Bf die Post abends regelmäßig zur Durchsicht vorlege, sei diese als sogenannter Bote zu qualifizieren. Das Verschulden eines Boten treffe allerdings nach der Recht­sprechung des VwGH nicht die Partei. Aus diesem Grunde scheide daher ein Verschulden des Bf an der mangelnden Kenntnisnahme der Hinterlegungsanzeigen aus.

 

Hätte die belangte Behörde § 71 AVG rechtlich richtig beurteilt und die Tatbestandsvoraussetzungen nacheinander und vollständig geprüft, so wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, dass sehr wohl ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben sei. In der Folge hätte die belangte Behörde den Antrag des Bf auf Einsetzung in den vorigen Stand bewilligen müssen.

 

 

I. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

 

I.1. Verfahrensgang:

 

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 13.7.2014 wurde der Bf von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG informiert. Diese Aufforderung zur Rechtfertigung wurde mittels RSa-Sendung übermittelt und fand ein Zustellversuch am 7.8.2012 statt; die Hinterlegung erfolgte am 8.8.2012. Nachdem der Bf diesen RSa-Brief nicht behoben hatte, wurde er nach Ablauf der Hinterlegungsfrist mit dem Postvermerk „Nicht behoben“ an die Behörde retourniert.

 

Mit Straferkenntnis vom 30.10.2012, GZ. 0005818/2012, wurde über den Bf die zu 0.1. dargestellte Verwaltungsstrafe verhängt. Dieses Straferkenntnis wurde mittels RSa-Brief übermittelt, ein Zustellversuch erfolgte am 5.11.2012 und die Hinterlegung am 6.11.2012. Das Straferkenntnis ist somit seit 21.11.2012 rechtskräftig.

 

Aufgrund des rechtskräftigen Straferkenntnisses wurde mit Vollstreckungs­verfügung am 14.3.2013 das Vollstreckungsverfahren eingeleitet. Die Vollstreckungsverfügung wurde mittels RSa-Brief, Zustellversuch am 19.3.2013 und Hinterlegung am 20.3.2013 zugestellt.

 

Am 11.3.2014 erging sodann durch den nunmehrigen Beschwerdeführervertreter per Fax der Antrag auf Zustellung des Straferkenntnisses, GZ. 0005818/2012, vom 30.10.2012 samt Vollstreckbarkeitsbestätigung vom 21.11.2012. In Entsprechung dieser Anträge wurde das Straferkenntnis am 18.3.2014 per E-Mail an den Beschwerdeführervertreter übermittelt. Mit Fax vom 3.4.2014 stellte der Bf sodann einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, verbunden mit der Berufung bzw. Beschwerde gegen das o.a. Straferkenntnis.

 

Der Antrag auf Wiedereinsetzung hat den zu Pkt. 0.III. geschilderten Inhalt. Der Bf beantragte ferner die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sowie die Vernehmung seiner Lebensgefährtin, der Zeugin A.M.N.J. Ferner bot der Bf als Beweis für das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes die Vorlage einer eidesstattlichen Erklärung seiner Lebensgefährtin an. Eine derartige eidesstattliche Erklärung wurde allerdings weder der belangten Behörde noch dem Landesverwaltungsgericht Oberöster­reich vorgelegt. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 27.10.2014 verzichtete der Bf auf die Vorlage einer derartigen eidesstattlichen Erklärung.

 

 

I.2. Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Bf lebt mit der Zeugin A.M.N.J. in Lebensgemeinschaft in x, x. Der Bf und die Zeugin verwenden das gemeinsame Hauspostfach.

 

Sowohl der Bf als auch die Zeugin beheben beim nach Hause kommen von der Arbeit die Post aus dem gemeinsamen Briefkasten. Normalerweise arbeitet der Bf Montag bis Donnerstag von 7.00 bis 17.00 Uhr und am Freitag bis Mittag. Die Zeugin verrichtet Schichtarbeit und kommt je nach Schichtplan in den Morgenstunden, zu Mittag bzw. nachmittags, etc. nach Hause. Die Post wird jeweils von derjenigen Person behoben, welche als erstes nach Hause kommt. Dies war auch im November 2012 zwischen den Lebensgefährten abgemacht.

 

Dem Bf ist nicht mehr erinnerlich, wann bzw. ob er im November 2012 einen Zustellnachweis im Hinblick auf das angefochtene Straferkenntnis erhalten hat. Ebenso wenig ist dem Bf erinnerlich, dass bzw. ob er andere Zustellnachweise im Hinblick auf die Aufforderung zur Rechtfertigung bzw. die Vollstreckungs­verfügung erhalten hat. Aufgrund des lange verstrichenen Zeitraumes kann dies der Bf nicht wiedergeben. Der Bf hat auch seine Lebensgefährtin nicht zu diesen Zustellvorgängen befragt, zumal er davon ausging, dass sich auch seine Lebensgefährtin – so wie er selbst – heute nicht mehr daran erinnern kann, welche Zustellereignisse im November 2012 stattgefunden haben.

 

Die Zeugin A.M.N.J. kann sich – sowie vom Bf angenommen – nicht mehr an Zustellvorgänge aus dem Jahr 2012 erinnern. Die Zeugin hat deshalb eine vom Bf bzw. von dessen Vertreter vorbereitete eidesstattliche Erklärung nicht unterfertigt. Diese eidesstattliche Erklärung hatte u.a. nachfolgenden Text zum Inhalt: „Ich habe jedenfalls im vorher angesprochenen Zeitraum November 2012 keine Hinterlegungsanzeigen des Magistrat Linz vorgefunden, weshalb ich diese meinem Lebenspartner auch nicht vorlegen konnte. Aus den genannten Gründen war es ihm sohin auch nicht möglich, vom Zustellvorgang Kenntnis zu erlangen, um sich die Schriftstücke abzuholen.“ Nachdem der Zeugin die Vorgänge aus dem November 2012 nicht mehr in Erinnerung waren, weigerte sie sich, diese eidesstattliche Erklärung zu unter­fertigen.

 

Der Bf wurde im gegenständlichen Verfahren als Geschäftsführer der Fa. P. GmbH wegen der oben dargestellten Verwaltungsübertretung bestraft. Der Bf schien zu dieser Zeit im Firmenbuch als Geschäftsführer auf. Über dieses Unternehmen wurde später das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Bf wurde von der P. GmbH entlassen. Im Zuge der Auseinandersetzungen einerseits wegen seiner eigenen Ansprüche, der Abwicklung des Insolvenzverfahrens sowie einer Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft waren zahlreiche Verfahren anhängig. In diesen Verfahren erhielt der Bf zahlreiche behördliche Schriftstücke, welche ihm tatsächlich zugestellt wurden. Der Bf handhabte die Zustellung der Gestalt, dass er alle Schriftstück – auch Zustellnachweise und Hinterlegungsanzeigen – einscannte und seinem Rechtsvertreter (dem Beschwerdeführervertreter) übermittelte, welcher ihn in sämtlichen Verfahren vertrat. Der Bf verfügt bereits über acht umfangreiche Aktenordner mit Schriftstücken. Der Bf kann nicht ausschließen, dass ihm die in Rede stehenden Hinterlegungsanzeigen doch übermittelt wurden und sich allenfalls in einem der acht Ordner befinden; selbiges gilt für das in Rede stehende Straferkenntnis.

 

Der Bf wurde darüber hinaus vom Finanzamt Linz (Hauptbahnhof) vorgeladen. Im Zuge dieser Vorladung fand eine zweistündige Vernehmung statt, in welcher der Bf die ihm vorliegenden Unterlagen dem Finanzamt vorlegte. Der Bf wurde vom Finanzamt auch darüber in Kenntnis gesetzt, dass es verwaltungsstraf­rechtliche Probleme wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes gebe. Bei dieser Vernehmung handelte es sich um eine solche vor dem Finanzamt und nicht vor der Finanzpolizei. Der Bf war in Kenntnis von den Verstößen der P. GmbH gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz.

 

Aufgrund der zahlreichen anhängigen Verfahren befand sich der Bf im November 2012 bzw. schon in der Zeit davor und auch danach in einem psychisch belasteten Zustand. Der Bf hatte zahlreiche Verhandlungstage bei verschiedenen Behörden zu verrichten.

 

 

I.3. Beweiswürdigung:

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich bereits schlüssig und widerspruchsfrei aus dem Akt der belangten Behörde, GZ. 0005818/2012. Insbesondere die Zustellvorgänge gehen aus diesem Akt hervor. Weitere diesbezügliche Erhebungen konnten unterbleiben.

 

Die Feststellungen zu den Hinterlegungsanzeigen an den Bf im November 2012 ergeben sich zunächst aus dessen eigener Aussage. Der Bf hat in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 27.10.2014 unumwunden zugestanden, sich an Zustellvorgänge aus dem Jahr 2012 nicht mehr erinnern zu können. In dieser Verhandlung hat der Bf auch seiner Lebensgefährtin zugebilligt, dass diese sich wohl ebenfalls nicht mehr an Hinterlegungsanzeigen an ihn erinnern könne, wenn nicht einmal er selbst dies noch wisse. Darüber hinaus hat der Bf auch ausge­führt, er habe seine Lebensgefährtin dazu nicht befragt. Umso erstaunlicher erscheint es, dass der Bf von seiner Lebensgefährtin forderte, diese solle eine von seinem Rechtsvertreter angefertigte eidesstattliche Erklärung unterfertigen, in welcher Erinnerungsvorgänge dokumentiert sind, obwohl sich die Lebens­gefährtin daran nicht erinnern kann.

 

Diesbezüglich hat die Lebensgefährtin des Bf am 21.10.2014 telefonisch mit dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich Kontakt aufgenommen, um mitzu­teilen, dass „im April ihr Lebensgefährte und sein Anwalt von ihr verlangt hätten, sie solle eine Erklärung über Postzustellungen im November 2012 unterfertigen, was sie verweigert habe, zumal sie sich an derartige Vorgänge nicht erinnern könne“.

Diese Angaben der Zeugin wurden in der öffentlichen mündlichen Verhandlung mit dem Bf erörtert, welcher daraufhin auf die Vernehmung seiner Lebens­gefährtin verzichtet hat. Im Zusammenhang mit dieser eidesstattlichen Erklärung brachte der Bf darüber hinaus vor, die belangte Behörde habe einen Verfahrens­mangel zu verantworten, zumal diese sich mit dieser – niemals vorgelegten – eidesstattlichen Erklärung nicht auseinandergesetzt habe. Dazu wird insbe­sondere vorgebracht, dass die Lebensgefährtin des Bf eine mit den rechtlich geschützten Werten verbundene Person sei, welche sich der Tragweite einer eidesstattlichen Erklärung bewusst sei und eine solche nicht wider besseres Wissen abgeben würde.  In Zusammenschau mit den Angaben der Zeugin, die eidesstattliche Erklärung nicht unterfertigt zu haben, stellt sich die Frage nach der inhaltlichen Richtigkeit dieser Erklärung.

 

Letztendlich gesteht der Bf selbst zu, keine Erinnerung zu den durchgeführten Zustellvorgängen bzw. Hinterlegungsanzeigen zu haben. Vielmehr mutmaßte der Bf sogar, dass sich die Hinterlegungsanzeigen oder die Straferkenntnisse in einem seiner zu dieser Angelegenheit angelegten Aktenordner befinden könnte.

 

 

I.4. Rechtslage:

 

§ 71 AVG regelt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde:

(1)        Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechts­nachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1.   die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft oder

2.   die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2)        Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei Kenntnis von der Zulässigkeit der Berufung erlangt hat, gestellt werden.

(3)        Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Hand­lung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4)        Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Handlung angeordnet oder die unrichtige Rechts­mittelbelehrung erteilt hat.

(5)        Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Wiederein­setzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

(6)        Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(7)        Die Wiedereinsetzung kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.

 

§ 24 Satz 1 VStG regelt, dass, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt, das AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren gilt.

 

 

I.5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hiezu erwogen:

 

Mit dem in § 71 AVG geregelten Rechtsbehelf soll der Partei die Möglichkeit gegeben werden, eine versäumte Prozesshandlung unter bestimmten Voraus­setzungen nachzuholen. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung nach § 71 Abs. 1 AVG hat zur Voraussetzung, dass die Partei einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt hat, weil sie entweder eine Frist oder eine mündliche Ver­handlung versäumte und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, die Versäumung entweder durch ein unvorhergesehenes oder durch ein unabwend­bares Ereignis verursacht wurde, und die Partei daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder wenn die Versäumung einer Rechtsmittelfrist auf einer fehlenden oder unrichtigen Rechtsmittelbelehrung beruht. Die Wiedereinsetzung ist dann zu bewilligen, wenn die Partei durch ein unvorhergesehenes oder durch ein unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen. Als Ereignis ist jedes Geschehen anzusehen. Nicht nur Abläufe in der Außenwelt, sondern auch ein innerer Vorgang, wie z.B. ein Irrtum oder Vergessen kann ein Ereignis sein (VwSlg 13.353 A/1991; VwGH 24.2.1992, 91/10/0251). Unvorhergesehen ist ein Ereignis, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme von zumutbarer Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (VwSlg 9024 A/1976 verst. Sen; VwGH 15.9.2005, 2004/07/0135). Unabwendbar ist ein Ereignis, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden kann (vgl. Hengst­schläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5, Rz 600, 605).

 

Gegenständlich ist insofern zunächst zu hinterfragen, worin ein unvorher­gesehenes oder unabwendbares Ereignis für den Bf gelegen sein soll. Dazu ist zunächst auf die Aussage des Bf selbst einzugehen, welcher angab, vor dem Finanzamt Linz eine zweistündige Vernehmung durchführen haben zu müssen, in welcher er auch von den Vergehen der P. GmbH gegen das AulBG in Kenntnis gesetzt wurde. Der Bf war außerdem Geschäftsführer dieses Unternehmens und betrafen die Verstöße Zeiten, in denen er noch als solcher tätig war. Das Ausscheiden des Bf aus der Gesellschaft ändert insofern nichts an seiner verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung. Darüber hinaus gab der
Bf auch selbst an, in zahlreichen Verfahren behördliche Schriftstücke im Zusammen­hang mit der Auseinandersetzung mit der ehemaligen Gesellschaft erhalten zu haben. Schon aus diesem Grund war der Bf insofern gehalten, besondere Sorgfalt bei der Überprüfung der an ihn zugestellten Poststücke walten zu lassen. Ferner gab der Bf letztendlich an, sich an entsprechende Zustellungen gar nicht erinnern zu können und stellte sogar Mutmaßungen darüber an, dass sich die Hinterlegungsnachweise oder sogar das Straferkenntnis selbst in seinen Unterlagen befinden könnte, welche er in Aktenordnern gesammelt habe. Dem Bf war insofern nicht einmal – auch nach Einleitung und Kenntniserlangung vom gegenständlichen Straferkenntnis – bekannt, ob er dieses erhalten haben könnte. Offensichtlich überprüfte der Bf auch nicht seine Aktenunterlagen auf das Vorliegen dieses Straferkenntnisses.

 

Vielmehr versuchte der Bf im Rahmen des Verfahrens zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Verantwortung für die Zustellung bzw. Behebung der Schriftstücke seiner Lebensgefährtin zuzuweisen. Die zunächst vorbereitete eidesstattliche Erklärung wurde allerdings von der Lebensgefährtin nicht unterfertigt, zumal diese sich entgegen den Ausführungen in der Erklärung nicht mehr an Postzustellungen im November 2012 erinnern konnte. Ein derartiges Erinnerungsvermögen kann auch nicht erwartet werden, wie dies der Bf in der Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich selbst zuge­stand.

 

Ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinn von § 71 AVG liegt insofern nicht vor, zumal dem Bf einerseits aufgrund der Vernehmung vor dem Finanzamt Linz die Übertretungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bekannt sein mussten und von diesem aufgrund der anhängigen Verfahren auch eine besondere Sorgfalt gefordert werden musste.

 

Ferner handelt es sich bei dem Versäumen der Frist zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen das Straferkenntnis auch nicht um ein solches unvorher­gesehenes oder unabwendbares Ereignis, welches eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen würde. Der Bf bringt zwar vor, dass ein Ereignis auch ein psychischer Vorgang, wie zum Beispiel das Vergessen oder Übersehen einer Hinterlegungsanzeige, sein kann. Im gegenständlichen Fall ist aber zu bedenken, dass der Bf nicht nur die Hinterlegungsanzeige für das gegenständliche Straferkenntnis, sondern auch für die Aufforderung zur Rechtfertigung und für die Vollstreckbarkeitsverfügung übersehen oder vergessen haben müsste.
Zu bedenken ist ferner, dass noch ein weiteres Verwaltungsstrafverfahren
(GZ. 0005833/2012 der belangten Behörde bzw. LVwG-300466-2014) mit identischen Rechtsproblemen anhängig ist.

Darüber hinaus muss der Bf alle Wiedereinsetzungsgründe, auf die er sich stützt, bereits in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung anführen. Ein Auswechseln oder Nachschießen ist nicht zulässig (VwSlg 5346 A/1960, VwGH 18.05.1994, 94/03/0096). Das Vorbringen des Bf, er habe sich mit zahlreichen behördlichen Schriftstücken auseinandersetzen müssen und außerdem aufgrund der Rechtsstreitigkeiten mit seinem ehemaligen Unternehmen in einem psychischen Ausnahmezustand befunden, hätte insofern bereits im Antrag auf Wiedereinsetzung und nicht erst in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 27. Oktober 2014 erstattet werden müssen. Abgesehen davon, dass unter den besonderen Voraussetzungen (Vergessen oder Übersehen zahlreicher Hinter­legungsnachweise) ohnehin kein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis im Sinn von § 71 AVG gegeben ist, hat der Bf gegen die im Wieder­einsetzungsverfahren geltende Eventualmaxime verstoßen. Das Vorbringen zum psychischen Ausnahmezustand des Bf ist insofern nicht relevant.

 

Zusammengefasst sind insofern die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erfüllt, sodass dieser Antrag von der belangten Behörde zu Recht abgewiesen wurde.

 

 

 

II. Zur Beschwerde gegen das Straferkenntnis:

 

II.1. Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

Das angefochtene Straferkenntnis der belangten Behörde vom 30.10.2012, GZ: 0005818/2012 wurde dem Bf mittels RSa-Sendung zugestellt. Ein Zustellversuch erfolgte am 5.11.2012, die Hinterlegung am 6.11.2012. Das Straferkenntnis wurde am 21.11.2012 rechtskräftig. Die weiteren Sachverhaltsfeststellungen zu Punkt I.2. gelten auch für das Straferkenntnis.

 

 

II.2. Beweiswürdigung:

 

Der festgestellte Sachverhalt zum Straferkenntnis, der Zustellung und der Hinter­legung ergeben sich schlüssig und widerspruchsfrei aus dem Akt der belangten Behörde. Weitere diesbezügliche Erhebungen konnten insofern unterbleiben.

 

II.3. Rechtslage:

 

Gemäß § 63 Abs. 5 AVG iVm § 24 VStG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides [...].

 

Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, gegen Weisungen gemäß § 130 Abs. 1 Z 4 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG vier Wochen.

 

 

II.4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hiezu erwogen:

 

Nachdem die Zustellung des Straferkenntnisses an den Bf durch Hinterlegung am 6.11.2012 erfolgte, ist die Berechnung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde von diesem Tag an zu rechnen. Das angefochtene Straferkenntnis ist insofern seit 21.11.2012 rechtskräftig.

 

Die Beschwerde gegen das Straferkenntnis war insofern als verspätet zurückzu­weisen; unabhängig davon, ob man die Rechtlage (Berufungs- bzw. Beschwerde­frist) gemäß § 63 Abs. 5 AVG iVm § 24 VStG oder § 7 Abs. 4 VwGVG anwendet.

 

 

 

III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechts­frage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidungen besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Lidauer