LVwG-750219/8/BP/JB

Linz, 09.12.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag.
Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des C. K., geb. am x, vertreten durch G. K. L. R. OG, Xstraße 31a, L., gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 23. Oktober 2014, GZ: Wa-148/WL/01, mit der die Entziehung der Waffenbesitzkarte Nr. A-002419, des Waffenpasses Nr. A-017899 und des Ö-EU-Feuerwaffenpasses Nr. E0082692, ausgesprochen wurde,

 

zu Recht   e r k a n n t:

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm. §§ 25 Abs. 3 und 8 Abs. 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl. I Nr. 12/1997, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 161/2013, wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art.133 Abs.4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. 1. Die Landespolizeidirektion Oberösterreich, hat mit Bescheid vom
23. Oktober 2014, GZ: Wa-148/WL/01 dem Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) gem. § 25 Abs. 3 i.V.m. § 8 Abs. 1 WaffG 1996 i.d.g.F. die am 18.10.2001 von der BPD Linz ausgestellte Waffenbesitzkarte, Nr. A-002419, den am
29. November 2005 von der BPD Linz ausgestellten Waffenpass, Nr. A-017899 und den am 17. Oktober 2014 von der LPD Oberösterreich ausgestellten
Ö-EU-Feuerwaffenpass, Nr. E0082692, entzogen.

 

Begründend führt die belangte Behörde darin zunächst ua. wie folgt zum Sachverhalt aus:

Am 26.08.2014, 09.00 Uhr, haben Sie versucht mit einer verbotenen Waffe, nämlich einem sog. „Totschläger" in Ihrer Umhängetasche das Amtsgebäude des Bundesverwaltungs­gerichtes zu betreten. Beim Passieren der Sicherheitsschleuse gab es einen akustischen Alarm, woraufhin die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes den Totschläger entdeckt und sichergestellt haben.

 

Wegen dieses Sachverhaltes wurde vom Stadtpolizeikommando Linz ein Abschlussbericht an die Staatsanwaltschaft Linz übermittelt. Von der Staatsanwaltschaft Linz wurde von der Verfolgung gemäß § 200 Abs. 5 StPO zurückgetreten, weil die Voraussetzungen des
§ 198 StPO vorlagen und Sie einen Geldbetrag zugunsten des Bundes geleistet haben.

 

Mit Schreiben der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 04.09.2014 wurde Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass die Behörde auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes zu der Ansicht gelangte, dass Ihre waffenrechtliche Verlässlichkeit nicht mehr gegeben sei und die Behörde beabsichtige die waffenrechtlichen Dokumente zu entziehen. Ihnen wurde die Gelegenheit eingeräumt in den Akt Einsicht zu nehmen und zum vorliegenden Sachverhalt Stellung zu nehmen.

 

In Ihrer Stellungnahme vom 17.10.2014 gaben Sie - nunmehr rechtsanwaltlich vertreten - an, dass das Mitführen des Totschlägers auf Ihre Tätigkeit als Sicherheitsmann bei der irakischen Botschaft im Jahr 2010 zurückzuführen sei. Ihre Aufgabe hätte darin bestanden, sämtliche Wähler auf gefährliche Gegenstände zu durchsuchen. Im Zuge dieser Tätigkeit hätten Sie die verbotene Waffe sichergestellt. Sie hätten sie nach Abschluss Ihrer Tätigkeit in Ihre Umhängetasche gepackt, um sie anschließend bei der Polizei abzugeben. An Ihrem letzten Arbeitstag bei der irakischen Botschaft hätten Sie die Tasche genommen und wären wieder nach Linz zurückgefahren. Die Tasche hätten Sie zu Hause aufgehängt und seitdem nicht mehr in Verwendung gehabt. Erst bei der Eingangskontrolle am 26.08.2014 wäre Ihnen wieder eingefallen, dass Sie den Totschläger noch in der Tasche hatten und offenbar vergessen haben, diesen damals bei der Polizei abzugeben.

Sie wären seit dem Jahr 2005 im Sicherheitsdienst tätig. Sie hätten Ihre Tätigkeiten immer zuverlässig und professionell ausgeführt. Es hätte nie Probleme Ihrer Person im Zusammenhang mit Waffen gegeben. Es würde somit kein Grund bestehen an Ihrer waffenrechtlichen Verlässlichkeit zu zweifeln. Zur Bestätigung dieser nach wie vor vorhandenen waffenrechtlichen Verlässlichkeit legten Sie ein Schreiben der Botschaft der Republik Irak samt Lichtbildbeilage bei, welchen entnommen werden könne, dass der gegenständliche Totschläger im Jahr 2010 von Ihnen sichergestellt worden sei.

 

Weiter wurde in diesem Schreiben bestätigt, dass Ihre Arbeitsweise zu der größten Zufriedenheit sei und Sie immer zuverlässig und auf sehr hoher professioneller Ebene gearbeitet hätten.

 

(...)

 

Auf Grund des oben zitierten § 8 Abs. 1 WaffG ist grundsätzlich von der Verlässlichkeit eines Menschen auszugehen, es sei denn, dass Tatsachen das Gegenteil annehmen lassen.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck der Regelung des Waffengesetzes bei der Prüfung der Verlässlichkeit ein strenger Maßstab anzulegen. (vgl. VwGH 17.09.2003, 2001/20/0020) Mit der Entziehung der waffenrechtlichen Urkunde ist auch dann vorzugehen, wenn im Einzelfall ein nur einmal gesetztes Verhalten den Umständen nach die Folgerung rechtfertigt, der Urkundeninhaber gewährleiste nicht mehr das Zutreffen der im § 8 WaffG genannten Voraussetzungen.

 

Unbestritten steht fest, dass Sie am 26.08.2014 gegen 09.00 Uhr versucht haben das Amtsgebäude in L., Xstraße 1 zu betreten. Beim Passieren der Sicherheitsschleuse gab diese einen akustischen Alarm. Bei der folgenden Visitierung wurde bei Ihnen eine verbotene Waffe, nämlich ein sog. „Totschläger" gefunden.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der gemäß § 8 Abs. 1 WaffG 1996 vorzunehmenden waffenrechtlichen Prognose über die künftige Verlässlichkeit des Betroffenen nicht nur die Tatsache des unbefugten Besitzes einer Schusswaffe gemäß
§ 50 WaffG zu berücksichtigen. Es kommt der Beurteilung der konkreten Umstände des Besitzes und des Erwerbsvorganges (Verschuldensform, der Dauer des unberechtigten Besitzes und allfälliger Versuche der Legalisierung) maßgebliche Bedeutung zu. (VwGH vom 28.02.2006, ZI. 2005/03/0019)

 

Sie geben in Ihrer Stellungnahme an, dass Sie den „Totschläger" im Zuge Ihrer Tätigkeit als Sicherheitsmann für die irakische Botschaft im Jahr 2010!!! sichergestellt hätten. Sie hätten die verbotene Waffe in der Folge in eine Tasche gegeben, offenbar darauf vergessen und bei sich zu Hause abgestellt. Erst bei der Eingangskontrolle am 26.08.2014 hätten Sie wieder an den „sichergestellten Totschläger" gedacht.

 

Durch die oben beschriebenen Handlungen im Zusammenhang mit dem sorglosen Umgang mit einer verbotenen Waffe, kommt eine Einstellung zu dem mit dem Besitz von Waffen verbundenen Pflichten zum Ausdruck, die nach der gebotenen strengen Auslegung der waffenrechtlichen Vorschriften dazu führt, dass die weitere waffenrechtliche Verlässlichkeit in Zweifel zu ziehen ist. Immerhin haben Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit als Sicherheitsmann bei der irakischen Botschaft eine andere Person mit einer verbotenen Waffe betreten, ihm diese verboten Waffe abgenommen, in eine Tasche verpackt und den Besitz in der Folge vergessen. Sie sind nicht von sich aus initiativ tätig geworden, um den verbotenen Besitz dieser verbotenen Waffe zu beenden.

 

Nach Ansicht der Behörde bedarf es zur Entziehung der waffenrechtlichen Urkunden wegen mangelnder Verlässlichkeit darüber hinaus keiner weiteren, besonderen, in der Person des betreffenden Inhabers der waffenrechtlichen Urkunde gelegenen Umstände. Ihr sorgloser Umgang mit den einschlägigen waffenrechtlichen Vorschriften lassen einen weiteren leichtfertigen oder missbräuchlichen Gebrauch von Waffen befürchten. An dieser Beurteilung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass es noch nie Probleme Ihrer Person im Zusammenhang mit Waffen gegeben hätte.

 

Unter Berücksichtigung des gesamten oben angeführten Sachverhaltes, sowie des streng auszulegenden Maßstabes des Waffengesetzes musste die von der Behörde durch­zuführende Verhaltensprognose demnach negativ ausfallen. Die Behörde musste zu dem Schluss kommen, dass Ihre waffenrechtliche Verlässlichkeit nicht mehr gegeben sei, weshalb war spruchgemäß zu entscheiden und die Waffenbesitzkarte zu entziehen war.

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende durch den rechtsfreundlichen Vertreter des Bf rechtzeitig am 3. November 2014 eingebrachte Beschwerde, worin ua. wie folgt ausgeführt wird:

(...) Die im gegenständlichen Fall vorliegenden besonderen Umstände rechtfertigen einen Entzug der waffenrechtlichen Urkunden jedoch nicht.

Auch wenn § 8 Abs. 1 Waffengesetz den Umfang der potentiell (für die Prognoseentscheidung) relevanten "Tatsachenbasis" offen lässt, wird doch die spezifisch waffenrechtliche Verlässlich­keit präzisiert: Die vorzunehmende Prognose betrifft nicht eine allgemeine Verlässlichkeit, sondern den Umstand, dass der Betreffende in Zukunft voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird, Waffen nicht missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird, mit Waffen nicht unvorsichtig umgehen und diese sorgfältig verwahren wird sowie, dass er Waffen nicht Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind (VwGH vom 14.11.2006 zu 2005/03/0072).

Legt man den von mir vorgetragenen Sachverhalt zugrunde, wonach ich im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit einer Person einen Totschläger abgenommen und diesen sichergestellt habe und diesen obwohl ich dies vorhatte, nicht der nächsten Sicherheitsbehörde übergeben habe, weil ich diesen in der Jacke vergessen hatte, wozu kein Grund besteht daran zu zwei­feln, weil einerseits der Abnahmetatbestand von der irakischen Botschaft schriftlich bestätigt wurde und andererseits es ja auch der allgemeinen Lebenserfahrung widerspricht, dass je­mand der weiß, dass er eine Waffe mit sich führt, dass der Detektor anschlägt eine Sicherheitsschleuse nicht passieren kann, es dennoch versuchen wird, was wiederum beweist, dass ich tatsächlich die Waffe im Bekleidungsstück vergessen hatte.

Es steht daher fest, dass ich nicht widerrechtlich in den Besitz der Waffe gelangt bin und dass ich auch diese nicht für mich behalten bzw. besitzen wollte. Der einzige mir zu machende Vorwurf ist der, dass ich die abgenommene Waffe seinerzeit nach der Abnahme vergessen hatte der Polizei zu übergeben, was ich getan hätte, wenn ich nicht darauf vergessen hätte. Es liegt in der Natur der Sache, dass man sich so lange nicht an das Vergessen erinnern kann, solange es einem nicht wieder in Erinnerung gerufen wird. Das war im gegenständlichen Fall die am 26.08.2014 durchgeführte Eingangskontrolle bei der das seinerzeitige Versehen her­vorgekommen ist. Als das eben einige Jahre später vorgekommen ist liegt in der Natur der Sache, vermag entgegen des von der Erstbehörde eingestreuten Standpunkt es keineswegs eine besondere Verwerflichkeit zu begründen, weil der Umstand des Vergessens bis zur Wie­derentdeckung angehalten hat.

Der Umstand also, dass zur Folge Vergessens eine rechtmäßig abgenommen und in Besitz genommene Waffe nicht bei der nächsten Sicherheitsstelle abgegeben wurde obwohl dies beabsichtigt war, begründet nicht die Annahme, dass ich in Zukunft voraussichtlich mit Waffen unsachgemäß vorgehen werde, also Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden würde bzw. Waffen nicht sorgfältig verwahren würde, damit die Annahme, dass die erforderliche waf­fenrechtliche Verlässlichkeit meiner Person nicht mehr gegeben ist. So hat im Übrigen auch der VwGH entschieden, dass das Verbringen einer Waffe in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ohne entsprechende Erlaubnis (ebenso wie der unbefugte Besitz von Waffen) allein mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung noch nicht die Annahme der Unverlässlichkeit im Sinne des WaffG 1996 (Hinweis E vom 31. März 2005, 2005/03/0030, mwN) rechtfertigen. Derartige Verstöße können, wie das Höchstgericht ausführt, die Entzie­hung von waffenrechtlichen Urkunden wegen mangelnder Verlässlichkeit nur dann rechtferti­gen, wenn sie im Rahmen einer gesamthaften Beurteilung der Geisteshaltung und Sinnesart des Betroffenen die Verlässlichkeit in Frage stellen. Davon kann nur dann ausgegangen wer­den, wenn ein solcher Verstoß zu weiteren berücksichtigungswürdigen Umständen hinzutritt (VwGH vom 21.10.2011 zu 2010/03/0156). Das ist gegenständlich nicht der Fall, weil mir le­diglich der unbefugte Besitz einer Waffe angelastet werden kann, sodass mir auch deswegen nicht mit Entzug der waffenrechtlicher Urkunden vorgegangen hätte werden dürfen. Die Erst­behörde hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung zum Ergebnis gelangen müssen, dass die­se von mir gesetzte Säumnis die Folgerung nicht gerechtfertigt, ich würde nicht mehr die vom WaffG 1996 geforderte Verlässlichkeit aufweisen.

 

§ 8 Abs. 1 WaffG 1996 definiert in Form einer Generalklausel die waffenrechtliche Verlässlich­keit im Sinne einer Prognosebeurteilung, die bei richtiger Rechtseinschätzung aus den bereits dargestellten Gründen nicht negativ hätte ausfallen dürfen. Hinzu kommt, dass Verlässlichkeitsausschlussgründe im Sinne des § 8 Abs 2, 3, 5 und 6 WaffG 1996 nach denen ex lege auf die mangelnde Verlässlichkeit geschlossen wird, nicht vorliegen und ich auch wegen des vorliegenden Sachverhaltes nicht gerichtlich verurteilt wurde, was ein zu vernachlässigendes Verschulden zur Voraussetzung hat, weil anderenfalls eine diversionelle Regelung nicht mög­lich ist.

 

Nach § 8 Abs. 3 WaffG ist von einer Entziehung etwa auf Grund einer nicht sicheren Verwah­rung abzusehen, wenn das Verschulden des Berechtigten geringfügig ist, die Folgen unbedeu­tend sind und der ordnungsgemäße Zustand innerhalb einer von der Behörde festgesetzten, zwei Wochen nicht unterschreitenden Frist hergestellt wird. Damit aber legt das Gesetz selbst fest, dass bei minderschweren Fehlverhalten von einem Entzug abzusehen ist. Wendet man diese Bestimmung analog auf den gegenständlichen Fall an, so zeigt sich, dass ein von den Voraussetzungen gleichgelagerter Fall vorliegt, sodass auch deswegen die erforderliche Ver­lässlichkeit als noch gegeben hätte angesehen werden müssen und sehr wohl die Gewähr gegeben ist, dass ich von Waffen keinen missbräuchlichen oder leichtfertigen Gebrauch ma­chen werde.

 

Zum Beweis dafür, dass es keineswegs am Fehlen der erforderlichen waffenrechtlichen Ver­lässlichkeit mangelt und ich über diese nach wie vor verfüge, beantrage ich noch ergänzend die Einholung eines SV-Gutachtens.

(...) Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Bescheid nicht. Die Erstbehörde trifft le­diglich die Feststellung, dass bei mir am 26.8.2014 bei einer Eingangskontrolle ein Totschlä­ger gefunden wurde unterlässt jedoch darüberhinausgehend Feststellungen zu treffen, wie es dazu kam, dass man diese Waffe bei mir gefunden hat und in welcher Verschuldensform ich gehandelt habe (keinerlei Feststellungen in subjektiver Hinsicht). Der angefochtene Bescheid beschränkt sich vielmehr in der Wiedergabe des Akteninhaltes und meiner Verantwortung sowie in rechtlichen Ausführungen, die aber keine Deckung in dem von der Erstbehörde fest­gestellten Sachverhalt finden. Dem angefochtenen Bescheid ist somit nicht jedenfalls aber nur unzureichend zu entnehmen, von welchen konkreten (allenfalls auch negativen) Feststellun­gen die Behörde bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist und auf welchen Erwägungen ihre Beweiswürdigung beruht. Eine Überprüfung dieser Überlegungen durch den Verwaltungsge­richtshof ist damit nicht möglich.

 

Unter den im § 17 Abs. 1 Z 6 WaffenG als "Totschläger" umschriebenen Begriff sind Hiebwaf­fen zu verstehen, die durch besondere Vorrichtungen dazu bestimmt und geeignet sind, einen Menschen durch Schlagwirkung zu töten. Nach allgemeiner Auffassung sind "Totschläger" biegsame und an einem Ende mit Metall oder einem ähnlichen gewichtigen Massivmaterial beschwerte Schlaggeräte, welche die menschliche Hiebenergie durch den Schleudereffekt zu einer erheblichen, zielbaren Auftreffenergie steigern (9 Os 88/79 = EvBI 1980/35 = ÖJZ-LSK 1979/298, 299 zu § 11 Abs 1 Z 5 WaffG; 11 Os 116/79 = SSt 51/6 = EvBI 1980/134). Diesen Voraussetzungen entspricht aber das verfahrensgegenständliche Gerät nicht, kann es doch schon auf Grund seines geringen Gewichtes und mangels einer entsprechenden Biegsamkeit nicht dem vorher erläuterten Totschlägerbegriff unterstellt werden. Auch deswegen ist der Erstbescheid verfehlt.

Es werden daher gestellt nachstehende

Anträge:

Es wolle der Beschwerde stattgeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben bzw. dahingehend abgeändert werden, dass mir die am 18.10.2001 von der Bundespolizeidi­rektion Linz ausgestellte Waffenbesitzkarte, der am 20.11.2005 von der Bundespolizeidirektion Linz ausgestellte Waffenpass und der am 17.10,2014 von der LPD Oberösterreich ausgestell­te Ö-EU-Feuerwaffenpass nicht entzogen werden.

In eventu wolle der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Erledi­gung und Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen werden.

Jedenfalls aber möge eine mündliche Berufungsverhandlung gem. § 24 VwGVG anberaumt werden.

 

3. Die Landespolizeidirektion Oberösterreich legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Schreiben vom 10. November 2014 zur Entscheidung vor.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen.

 

Zusätzlich wurde am 9. Dezember 2014 eine öffentliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durchgeführt.

 

5. Das Landesgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

Der Bf konfiszierte im Rahmen seiner Tätigkeit als „Sicherheitsmann“ bei der irakischen Botschaft im Jahr 2010 ua. einen Totschläger, den er abzugeben vergaß. Er hatte ihn in einer Umhängetasche deponiert, diese in den Folgejahren nicht benötigt, weshalb ihm die verbotene Waffe nicht aufgefallen war. Den Vorgang der Abnahme hatte der Bf dokumentiert. Erst bei der Zugangskontrolle am 26. August 2014 wurde der Bf wieder des Totschlägers im „Hauptfach“ seiner Umhängetasche gewahr. Er selbst präsentierte diesen bei der Sicherheitskraft im Rahmen der Zugangskontrolle.

 

Ansonsten liegen keine weiteren Umstände vor, die geeignet wären, im Rahmen einer Verlässlichkeitsprüfung negativ releviert zu werden.

 

6. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ist gemäß § 2 VwGVG zur Entscheidung durch Einzelrichter berufen, zumal das Materiengesetz keine Senatszuständigkeit vorsieht.

 

 

II. Im Rahmen der öffentlichen Verhandlung schilderte der Bf völlig glaubhaft die Umstände in Folge der Abnahme des Totschlägers und weshalb er diesen in der Umhängetasche vergessen habe. Auch sein generelles Auftreten erweckte keinesfalls den Eindruck, dass er einen verantwortungslosen Umgang mit Waffen pflegen könnte. Dass der jahrelange Besitz des Totschlägers auf bloßes Vergessen dessen Abgabe zurückzuführen ist, wird dadurch glaubwürdig dokumentiert, dass der Bf die Abnahme der verbotenen Waffe im Jahr 2010 gemeldet hatte und deren Herausgabe im Rahmen der Zugangskontrolle von sich aus vornahm. Hätte der Bf den Totschläger bewusst unterdrücken wollen, hätte er ihn fraglos nicht mitgeführt, zumal ihm als Sicherheitskraft ja bekannt war, dass derartige Kontrollen durchgeführt würden. 

 

III. 1. Gemäß § 25 Abs. 3 Waffengesetz 1996, BGBl. I. Nr. 12/1997, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 161/2013 (WaffG), hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn sich ergibt, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist. Von einer Entziehung auf Grund einer nicht sicheren Verwahrung ist abzusehen, wenn das Verschulden des Berechtigten geringfügig ist, die Folgen unbedeutend sind und der ordnungsgemäße Zustand innerhalb einer von der Behörde festgesetzten, zwei Wochen nicht unterschreitenden Frist hergestellt wird.

 

Gemäß  § 8 Abs. 1 WaffG 1996 ist ein Mensch verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er

1. Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;

2. mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird;

3. Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt    sind.

 

Gemäß § 17 Abs. 1 Z. 6 WaffG 1996 ist der Erwerb, die Einfuhr, der Besitz und das Führen der unter der Bezeichnung „Schlagringe" „Totschläger" und „Stahlruten" bekannten Hiebwaffen verboten.

 

Gemäß § 50 Abs. 1 Z. 2 WaffG 1996 ist vom ordentlichen Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wer, wenn auch nur fahrlässig, verbotene Waffen oder Munition unbefugt besitzt.

 

2.1. § 25 Abs. 3 WaffG normiert also in seinem ersten Satz, dass bei Wegfall der Verlässlichkeit einer Person waffenrechtliche Urkunden zu entziehen sind. Dabei ist der Behörde vom Gesetzgeber kein Ermessen eingeräumt, sondern die Rechtsfolge hat bei Wegfall der Verlässlichkeit einzutreten.

 

Die Verlässlichkeit im Sinne des WaffG wird durch § 8 Abs. 1 normiert, und dabei werden mehrere Alternativen angeführt, bei deren Vorliegen die Verlässlichkeit zu verneinen sein wird.

 

Im weiteren ist bei der Auslegung des Begriffes der sorgfältigen Verwahrung im Sinne des § 8 Abs. 1 Z. 2 WaffG im Hinblick auf den mit dem Waffenbesitz durch Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnis ein strenger Maßstab anzulegen und kann auch bereits ein einmaliges Fehlverhalten, selbst wenn die Zugriffsmöglichkeit auf die Waffen nur relativ kurze Zeit bestand, die Verneinung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit zur Folge haben.

 

Durch die Formulierung des § 8 Abs.1 ist die waffenrechtliche Verlässlichkeit im Sinne einer Prognose zu beurteilen. Diese Prognose betrifft den Umstand, dass die zu bewertende Person in Zukunft voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen und sie unter anderem Waffen sorgfältig verwahren wird. Diese Prognose zukünftiger Verhaltensweisen ist auf Grund der jeweils aktuellen Situation zu erstellen. Dabei wird auf das zu erwartende zukünftige Verhalten eines Menschen geschlossen.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der gemäß § 8 Abs. 1 WaffG 1996 vorzunehmenden waffenrechtlichen Prognose über die künftige Verlässlichkeit des Betroffenen nicht nur die Tatsache des unbefugten Besitzes einer Schusswaffe gemäß
§ 50 WaffG zu berücksichtigen. Es kommt der Beurteilung der konkreten Umstände des Besitzes und des Erwerbsvorganges (Verschuldensform, der Dauer des unberechtigten Besitzes und allfälliger Versuche der Legalisierung) maßgebliche Bedeutung zu. (VwGH vom 28.02.2006, ZI. 2005/03/0019)

 

Zur Beurteilung der Verlässlichkeit einer Person, ist es – de minore ad maius - auch nicht entscheidend, ob die Strafverfolgungsbehörde wegen des strittigen Vorfalls von einer Verfolgung, allenfalls nach diversionellem Vorgehen, Abstand genommen hat, weil diese Entscheidung für die Waffenbehörde keine Bindungswirkung entfaltet (vgl etwa VwGH vom 30. Jänner 2014, 2013/03/0154, und VwGH vom 19. März 2013, 2012/03/0180).

 

2.2. Im vorliegenden Fall sind insbesondere § 8 Abs. 1 Z. 1 und 2 WaffG relevant. Es muss also gewährleistet sein, dass eine Person einerseits Waffen nicht missbräuchlich oder leichtfertig verwendet bzw. nicht mit diesen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird.

 

2.3. Der Bf hatte im Jahr 2010 im Rahmen seiner Tätigkeit für die irakische Botschaft einen Totschläger konfisziert, diesen Vorgang zwar gemeldet, aber die Abgabe der verbotenen Waffe in der Folge vergessen. Nach dem festgestellten Sachverhalt ist keinesfalls von einer missbräuchlichen Verwendung im Sinne des § 8 Abs. 1 Z. 1 WaffG auszugehen, da der Bf glaubhaft nie beabsichtigt hatte die Waffe selbst zu verwenden.

 

2.4. Auch § 8 Abs. 1 Z. 2 WaffG scheint in letzter Konsequenz nicht gegeben. Es ist – im Übrigen auch dem Bf – völlig klar, dass er eine verbotene Waffe überhaupt nicht hätte besitzen dürfen. Nachdem er diese allerdings vergessen hatte, ist weniger deren Verwahrung oder Überlassung zu erörtern, sondern der Umstand der Fahrlässigkeit des Besitzes des Totschlägers. Auch bei Anwendung eines strengen Prüfungsmaßstabes, die jedenfalls als geboten erscheint, ist im konkreten Fall betreffend Verlässlichkeit dem Bf eine positive Prognose zu erstellen. Diese gründet auf eine Gesamtschau aller im Verfahren hervorgekommenen Umstände, die die Annahme rechtfertigen, dass der Bf zukünftig sachgemäß mit Waffen umgehen wird und hinkünftig ein Vergessen wie, zuvor, als äußerst unwahrscheinlich angenommen werden kann.

 

3.1. Es ergibt sich also im Ergebnis, dass der Bf keine Tatsachen gesetzt hat, die eindeutig Anhaltspunkte dafür bieten würden, dass er nicht (mehr) als verlässlich im Sinne des § 8 Abs. 1 WaffG anzusehen ist.

 

Damit waren aber die waffenrechtlichen Urkunden im Sinne des § 25 Abs. 3 erster Satz WaffG nicht zu entziehen.

 

3.2. Es war also im Ergebnis der Beschwerde stattzugeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

I.              Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art.133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Bernhard Pree