LVwG-300483/5/KLi/PP

Linz, 02.12.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Karin Lidauer über die Beschwerde vom 13. August 2014 des Herrn R. S., geb. x, c/o x, vertreten durch Dr. O. E. Ü. I., Rechtsanwalt, x gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 8. Juli 2014, GZ: BZ-Pol-78020-2011 wegen Übertretung des Arbeits­vertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) den

B E S C H L U S S

gefasst:

I.          Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

 

II.       Der Beschwerdeführer hat weder einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor der belangten Behörde noch zum Verfahren vor dem Landesverwaltungs­gericht Oberösterreich zu leisten.

 

III. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 8. Juli 2014, GZ: BZ-Pol-78020-2011 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von 1.600 Euro bzw. für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Wochen verhängt; ferner wurde der Beschwerdeführer zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 160 Euro verpflichtet.

 

Ihm wurde ein Verstoß gegen § 7d i.V.m. § 7i Abs. 2 AVRAG vorgeworfen:

 

Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als iSd § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz zur Vertretung nach außen Berufener der T. Kft. (Arbeitgeberin), x, zu verantworten, dass bei der Kontrolle am 28.10.2011, Baustelle N. H., x, die Lohnunterlagen nicht bereitgehalten wurden, obwohl jene Unterlagen (Lohnunterlagen), die zur Überprüfung des von den Arbeitnehmern B. Z., geb. x und P. S., geb. x, nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts erforderlich sind, in deutscher Sprache für die Dauer der Beschäftigung der Arbeitnehmer am Arbeits(Einsatz)ort bereit zu halten sind.

 

I.2. Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 13. August 2014, mit welcher beantragt wurde, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben bzw. von der Verhängung einer Strafe abzusehen bzw. ein geringere Strafe zu verhängen. Hingewiesen wurde auch darauf, dass seit der angeblichen Tatzeit fast drei Jahre vergangen sind.

 

I.3. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat das Finanzamt / die Finanzpolizei am gegenständlichen Verfahren beteiligt und mit Schreiben vom 10. November 2014 von der vorliegenden Beschwerde informiert sowie die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme bis zum 1. Dezember 2014 beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einlangend eingeräumt. Die Finanz­polizei hat keine Stellungnahme abgegeben.

 

 

II. Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

II.1. Am 28. Oktober 2011 führten Organe der Finanzpolizei eine Kontrolle auf der Baustelle N. H., x durch. Im Zuge dieser Kontrolle wurden zwei ausländische Arbeitnehmer des Beschwerdeführers angetroffen und dem Beschwerdeführer in der Folge die zu Punkt I.1. darge­stellte Verwaltungsübertretung vorgeworfenen.

 

II.2. Nach Durchführung der Kontrolle am 28. Oktober 2011 verfasste die Finanzpolizei am 8. November 2011 eine Anzeige zu GZ-FA. 054/76138/47/2011, welche an die belangte Behörde übermittelt wurde. In der Folge erhielt der Beschwerdeführer von der belangten Behörde eine Aufforderung zur Recht­fertigung vom 10. Juli 2012.

 

II.3. In der Zeit zwischen 28. Oktober 2011 (Kontrolle) und 10. Juli 2012 (Aufforderung zur Rechtfertigung) wurden keine anderen Verfolgungshandlungen gesetzt. Der Zeitraum zwischen der Tatzeit und der ersten Verfolgungshandlung beträgt neun Monate und zwei Wochen.

 

II.4. Der Beschwerdeführer hat zum Zeitpunkt der Kontrolle jene Unterlagen, die zur Überprüfung des dem Arbeitnehmer nach den österreichischen Rechts­vorschriften gebührenden Entgelts erforderlich sind (Lohnunterlagen), in deutscher Sprache für die Dauer der Beschäftigung des Arbeitnehmers am Arbeits(Einsatz)ort, nicht bereitgehalten. Unterlagen in deutscher Sprache
waren nicht vorhanden, sondern nur in ungarischer Sprache. Die Tätigkeit der ungarischen Arbeitnehmer fand in der Zeit von 20. Oktober 2011 bis
28. Oktober 2011 statt.

 

 

III. Beweiswürdigung:

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich schlüssig und widerspruchsfrei aus dem vorliegenden Akt der belangten Behörde, GZ: BZ-Pol-78020-2011. Insbesondere geht der Verlauf des Verwaltungsstrafverfahrens vollständig und lückenlos aus diesem Akt hervor – der Zeitpunkt der Kontrolle am 28. Oktober 2011, die Anzeige der Finanzpolizei vom 8. November 2011 und die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 10. Juli 2012 – sodass weitere Erhebungen unterbleiben konnten.

 

III.2. Der Umstand, dass die gesetzlich geforderten Lohnunterlagen nur in ungarischer und nicht auch in deutscher Sprache vorhanden waren, wurde vom Beschwerdeführer zugestanden, sodass weitere diesbezügliche Ermittlungen nicht erforderlich waren. Der Zeitraum der Tätigkeit ergibt sich aus den im Akt befindlichen Ermittlungsergebnissen der Finanzpolizei, insbesondere aus der Niederschrift vom 28. Oktober 2011.

 

 

IV. Rechtslage:

 

§§ 31, 32 VStG regeln die Verjährungsfristen.

 

§ 31 VStG idF BGBl. Nr. 52/2001 idF BGBl. I Nr. 20/2009 lautete wie folgt:

(1)        Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 und 3) vorgenommen worden ist.

(2)        Die Verjährungsfrist beträgt sechs Monate. Die Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst ab diesem Zeitpunkt.

(3)        Sind seit dem in Abs. 2 bezeichneten Zeitpunkt drei Jahre vergangen, so darf ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt werden. Eine Strafe darf nicht mehr vollstreckt werden, wenn seit ihrer rechtskräftigen Verhängung drei Jahre vergangen sind. Die Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungs­gerichtshof, vor dem Verwaltungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sowie Zeiten, während deren die Straf­vollstreckung unzulässig, ausgesetzt, aufgeschoben oder unterbrochen war, sind nicht einzurechnen.

 

§ 32 VStG idF BGBl. Nr. 52/2001 idF BGBl. I Nr. 20/2009 lautete wie folgt:

(1)        Beschuldigter ist die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluss der Strafsache. Der Beschuldigte ist Partei im Sinne des AVG.

(2)        Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungs­befehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausfor­schung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde für diese Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

(3)        Eine Verfolgungshandlung die gegen einen zur Vertretung nach außen Berufenen (§ 9 Abs. 1) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die anderen zur Vertretung nach außen Berufenen und die verantwortlichen Beauftragten. Eine Verfolgungshandlung, die gegen den Unternehmer (§ 9 Abs. 3) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die verantwortlichen Beauftragten.

 

 

V. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hiezu erwogen:

 

V.1. Auf den gegenständlichen Sachverhalt sind die §§ 31, 32 VStG idF BGBl. Nr. 52/2001 idF BGBl. I Nr. 20/2009 anzuwenden. Die Frist für die Verfolgungs­verjährung beträgt daher sechs Monate.

 

Erst mit BGBl. I Nr. 33/2013 ist eine Gesetzesänderung eingetreten. § 31 Abs. 1 VStG lautet nunmehr: Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Die Bestimmung, mit der die Verfolgungsverjährungs­frist von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert wurde, trat mit 1. Juli 2013 in Kraft (vgl. § 66b Abs. 19 Z 3 VStG). In jenen Fällen, in denen vor dem
1. Juli 2013 (vor Ablauf des 30. Juni 2013) wegen Ablaufs der bis dahin geltenden Sechsmonatsfrist Verjährung bereits eingetreten ist, kann sich daher die Verfolgungsverjährungsfrist nicht auf ein Jahr verlängern bzw. verlängert haben. Für den vorliegenden Fall gilt daher weiterhin die sechsmonatige Verjäh­rungsfrist.

 

V.2. Die in § 7i Abs. 5 AVRAG von § 31 Abs. 2 VStG abweichend normierte Verfolgungsverjährungsfrist von einem Jahr gilt nur für Verwaltungsüber­tretungen nach § 7i Abs. 3 AVRAG, nicht jedoch – wie hier verfahrensgegen­ständlich – für Verwaltungsübertretungen nach § 7i Abs. 2 AVRAG.

 

V.3. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH liegt die besondere Bedeutung der Verfolgungshandlung in Hinblick auf die Verjährung darin, dass die Verfolgungshandlung eine Konkretisierung des Tatvorwurfs insbesondere in zeitlicher und räumlicher Hinsicht enthält; die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat muss dabei (lediglich) unverwechselbar konkretisiert sein, damit dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf zu reagieren und damit sein Recht­schutzinteresse zu wahren, insbesondere durch das Anbieten von Beweismitteln. Als Verfolgungshandlung in diesem Sinn gelten alle Handlungen der Behörde, die nach Art und Bedeutung die Absicht der Behörde zum Ausdruck bringen, den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden Verdacht auf eine im VStG vorgeschriebene Weise zu prüfen, sohin den behördlichen Verfolgungswillen in Richtung einer bestimmten strafbaren Handlung zu verwirklichen (VwGH 24.01.2013, 2012/07/0025; VwGH 29.02.2012, 2008/10/0191).

 

V.4. In diesem Zusammenhang ist noch zu ergänzen, dass es sich beim Nichtbereithalten der erforderlichen Lohnunterlagen um ein Unterlassungsdelikt handelt. Mit Beendigung der deliktischen Unterlassung endet das strafbare Verhalten und beginnt der Lauf der Verjährungsfrist.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich in der Vergangenheit bereits mehrfach mit dem Beginn der Verjährungsfrist bei Unterlassungsdelikten auseinanderzusetzen. Zum Beispiel hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass es sich bei der Bestimmung des § 28 Abs. 1 Z 1 lit.a AuslBG i.V.m. § 3 Abs. 1 AuslBG um ein Unterlassungsdelikt mit der Wirkung eines Dauerdeliktes handelt, bei dem nicht nur die Herbeiführung eines rechtswidrigen Zustandes, sondern auch dessen Aufrechterhaltung pönalisiert ist. Erst mit Beendigung der deliktischen Unter­lassung endet daher das strafbare Verhalten. Tatsächlich ist bei Unterlassung der Einhaltung der arbeitsbehördlich erforderlichen Bewilligung davon auszugehen, dass das deliktische Verhalten mit der Aufnahme der Beschäftigung beginnt und mit Ende der Tätigkeit beendet ist (VwGH 18.12.2006, 2005/09/0163; 4.10.2012, 2010/09/0225). Diese Rechtsprechung kann auch für die Beurteilung der Verjährungsfrist im Hinblick auf das Nichtbereithalten der Lohnunterlagen gemäß § 7d AVRAG herangezogen werden.

 

V.5. Die Verfolgungshandlung i.S.v. § 31 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 2 VStG stammt vom 10. Juli 2012 (Aufforderung zur Rechtsfertigung). Nachdem zwischen dem Zeitpunkt der Beendigung der Tätigkeit am 28. Oktober 2011 und der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 10. Juli 2012 neun Monate und zwei Wochen liegen, war die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist zum Zeit­punkt der ersten Verfolgungshandlung bereits abgelaufen und Verfolgungs­verjährung eingetreten.

 

V.6. Insofern war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die zur Zurückziehung eines Rechtsmittels vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beur­teilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Lidauer