LVwG-700078/2/BP/JW

Linz, 19.01.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des P. R. gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 17. Dezember 2014, GZ: VStV/914301073412/2014, wegen einer Übertretung des
Oö. Polizeistrafgesetzes,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG iVm §§ 1 Abs. 1 und 10 Abs. 1 lit a des
Oö. Polizeistrafgesetzes 1979, LGBl. Nr. 36/1979,
wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.       Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4
B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.               

 

1. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 17. Dezember 2014, GZ: VStV/914301073412/2014, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) gemäß § 1 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 lit. a
Oö. Polizeistrafgesetz 1979 eine Geldstrafe in der Höhe von 60 Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag 6 Stunden verhängt.

 

Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf aus:

 

Sie haben am 29.08.2014 um 16:20 Uhr in L. den öffentlichen Anstand verletzt, indem Sie ein Verhalten in der Öffentlichkeit  gesetzt haben, welches einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet. Es wurde festgestellt, dass Sie die einschreitenden EB als „Kasperln“  bezeichneten.

 

In ihrer Begründung führt die belangte Behörde ua. Folgendes aus:

 

„Der Tatbestand der Ihnen zur Last gelegten Verwaltungsübertretung ist durch die eigene dienstliche Wahrnehmung der einschreitenden Polizeibeamten, der hierüber vorgelegten Anzeige vom 11.10.2014 sowie aufgrund des behördlich durchgeführten Ermittlungsverfahrens zweifelsfrei erwiesen.

Es steht daher fest, dass Sie die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung begangen haben.

Gegen die Strafverfügung vom 13.10.2014 erhoben Sie fristgerecht einen schriftlichen unbegründeten Einspruch.

 

Mit Aufforderung vom 20.10.2014 wurde Ihnen der gesamte Akteninhalt zur Kenntnis gebracht und wurden Sie zur Rechtfertigung binnen einer Frist von 2 Wochen aufgefordert Gleichzeitig wurden Sie aufgefordert, die Ihrer Verteidigung dienlichen Beweismittel bekanntzugeben Die Aufforderung zur Rechtfertigung enthielt gemäß § 42 Abs. 1 VStG die Androhung dass das Strafverfahren ohne Ihre Anhörung durchgeführt wird, falls Sie dieser keine Folge leisten

Laut Rückschein wurde die Aufforderung postalisch hinterlegt worden, worauf Sie am 24.10.2014 erstmals zu Abholung bereitgehalten worden ist Sie gilt daher mit diesem Tag gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz, BGBl Nr. 200/1982, als zugestellt.

 

Gemäß § 1 Abs. 1 OÖ. Pol StG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer den öffentlichen Anstand verletzt.

Gemäß § 1 Abs. 2 OÖ. Pol StG ist als Anstandsverletzung im Sinne des Absatz 1 jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

Gemäß § 10 Abs 1 lit a OÖ. Pol StG sind Verwaltungsübertretungen gemäß § 1
OÖ. Pol. StG von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Landespolizeidirektion von dieser mit Geldstrafe bis zu € 360 --, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 6 Wochen zu bestrafen.

Sie haben zur angeführten Zeit in L. Polizeibeamte als „Kasperln" bezeichnet und dadurch ein Verhalten gesetzt, das eindeutig einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

In der Sache selbst bestand für die erkennende Behörde keinerlei Anlass, an der Richtigkeit des angezeigten Sachverhaltes zu zweifeln, zumal dieser vom Meldungsleger in der Anzeige glaubwürdig und schlüssig geschildet wurde.

Da von Ihnen weitere Angaben zum Strafverfahren unterblieben sind, war für die Behörde erwiesen, dass Sie tatsächlich gegen die angeführte Bestimmung des
OÖ. Polizeistrafgesetzes verstoßen haben, weshalb nun spruchgemäß zu entscheiden war.

(...)

Die verhängte Geldstrafe, die sich im unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens befindet, entspricht dem Unrechts- und dem Schuldgehalt der Tat und erscheint der Behörde notwendig, Sie in Hinkunft von der Begehung derartiger Übertretungen abzuhalten.

Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kam Ihnen nicht mehr zugute.

 

Bei der Strafbemessung wurde davon ausgegangen, dass Sie kein hiefür relevantes Vermögen besitzen, keine Sorgepflichten haben und ein Einkommen von 950,-- Euro netto monatlich beziehen.“

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende rechtzeitig per E-Mail eingebrachte Beschwerde vom 29. Dezember 2014:

 

„Ich habe zu diesem Vorfall folgendes mitzuteilen: die Polizeibeamten wurden (zur in der Strafverfügung angeführten Uhrzeit) meinerseits keineswegs als “Kasperl“ bezeichnet. Ich bezeichnete lediglich die Gesamtsituation in die uns die einschreitenden Polizeibeamten brachten als “Kasperltheater“. Dieses Verhalten stellt keineswegs einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte dar.“

 

3. Mit Schreiben vom 12. Jänner 2015  legte die Landespolizeidirektion Oberösterreich den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen.

 

Die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung konnte entfallen, da nach dem festgestellten Sachverhalt feststand, dass das in Beschwerde gezogene Straferkenntnis aufzuheben war. Zudem liegt auch kein darauf gerichteter Parteienantrag vor.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von unter Punkt I. 1 und 2 dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt aus, wobei es im Ergebnis keine gesteigerte Rolle spielt, ob der Bf die Beamten als Kasperl oder die Amtshandlung per se als Kasperltheater bezeichnete.  

 

 

II.             

 

Eine Beweiswürdigung konnte im vorliegenden Fall mit Hinweis auf Punkt I.5. unterbleiben.

 

 

III.            

 

1. Gemäß § 1 Abs. 1 Oö. Polizeistrafgesetz 1979 begeht, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, eine Verwaltungsübertretung, wer den öffentlichen Anstand verletzt.

 

Gemäß § 1 Abs. 2 Oö. Polizeistrafgesetz 1979 ist als Anstandsverletzung im Sinne des Abs. 1 jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz 1979 sind Verwaltungsübertretungen gemäß §§ 1 und 3 von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser, mit Geldstrafe bis 360 Euro zu bestrafen.

 

2.1. Strafbar im Sinn des § 1 Abs. 1 PolStG ist sohin ein Verhalten, das den Anstand verletzt und nicht durch eine andere Verwaltungsstrafnorm oder durch einen gerichtlichen Straftatbestand sanktioniert wird.  Nach § 1 Abs. 2
Oö. PolStG ist unter Anstandsverletzung jenes Verhalten zu verstehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten bildet und zudem in der Öffentlichkeit gesetzt wird.

 

Für die Erfüllung des vollständigen objektiven Tatbestandes ist als weiteres Tatbestandsmerkmal die Folge der Verletzung des Anstandes (Erfolgsdelikt) erforderlich. Unter Erfolg im Sinne der Erfolgsdelikte ist der Eintritt einer von der Tathandlung zumindest gedanklich abtrennbaren Wirkung in der Außenwelt zu verstehen. Der Eintritt dieses Erfolges ist ein objektives Tatbestandsmerkmal der Verwaltungsübertretung. Der Erfolgseintritt muss eine kausale Folge des auch sonst tatbestandsmäßigen Verhaltens sein (Hansjörg Rangger, Oberösterreichisches Landespolizeirecht, ProLibris, 2009, S61, Rn. A9). 

 

Durch die Judikatur wurde ua. die provokante, verbale Zurechtweisung von Polizeibeamten in einer schulmeisterlichen Art ohne gerechtfertigten Grund als den Anstand grob verletzend qualifiziert.

 

2.2. Es ist nun unbestritten, dass eine im Bereich einer Straße vor mehreren Personen geführte Amtshandlung als in der Öffentlichkeit durchgeführt anzusehen ist, zumal die Äußerungen des Bf durchaus von mehreren Personen auch tatsächlich gehört werden konnten.

 

Der Inhalt der Botschaft sei es, dass die Beamten als Kasperl, sei es, dass die Amtshandlung per se als Kasperltheater bezeichnet wurden, hat demnach eindeutig einen herabwürdigenden und völlig unangebrachten Charakter. Es liegt sohin nahe die Äußerungen des Bf als groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundprinzipien der guten Sitten zu qualifizieren.

 

Allerdings ist festzuhalten, dass – wie oben ausgeführt – eine Anstandsverletzung im Sinne des § 1 Abs. 1 Oö. PolStG ein Erfolgsdelikt bildet. Es muss also sowohl aus dem Sachverhalt als auch aus dem Tatvorwurf der Eintritt eines Erfolges hervorgehen. In weiterer Folge muss auch diesem Umstand in der Beurteilung der subjektiven Tatseite Rechnung getragen werden, indem die bei bloßen Ungehorsamsdelikten gegebene Beweislastumkehr bei Erfolgsdelikten nicht anzuwenden ist (vgl. § 5 VStG).

 

Weder in der Anzeige, noch in der Strafverfügung, im Ermittlungsverfahren und im angefochtenen Bescheid wurde der Eintritt eines Erfolges festgestellt bzw. vorgeworfen. In diesem Sinn ging also auch die belangte Behörde nicht vom Eintritt eines Erfolges aus, weshalb nicht sämtliche Tatbestandselemente in objektiver Hinsicht vorliegen. Eine Erweiterung bzw. Ergänzung des Tatvorwurfes oder des diesem zugrundeliegenden Sachverhalts war dem Landesverwaltungsgericht verwehrt.

 

2.3. Es ist somit im vorliegenden Fall schon die objektive Tatseite nicht gegeben. 

 

3. Nachdem aber als Konsequenz der obigen Feststellungen nicht vom Vorliegen der objektiven Tatseite ausgegangen werden kann, war der Beschwerde stattzugeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. 

 

4.1. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben wird.

 

4.2. In diesem Sinn war dem Bf kein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem LVwG aufzuerlegen.

 

 

IV.         Unzulässigkeit der ordentlichen Revision für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei:

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Bernhard Pree