LVwG-840048/16/KLi/BD

Linz, 09.02.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Dr. Lidauer über den Antrag der B C GmbH, x, x, vertreten durch die F P L & P Rechtsanwälte GmbH, x, x vom 18. Dezember 2014 auf Nichtigerklärung der Widerrufsentscheidung vom 9. Dezember 2014, der Antragstellerin zugegangen am 9. Dezember 2014 im Vergabeverfahren zur Lieferung und Installation von Hämatologiegeräten der Auftraggeberin Oö. G- und S-AG (g), x, x,

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Der Antrag vom 18. Dezember 2014 auf Nichtigerklärung der Widerrufsentscheidung vom 9. Dezember 2014, der Antragstellerin zugestellt am 9. Dezember 2014, wird gemäß §§ 1, 2 und 7 Oö. Vergabrechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006 idF LGBl. Nr. 90/2013, abgewiesen.

 

II.      Der Antrag, der Oö. G- und S-AG (g) den Ersatz der Pauschalgebühr für diesen Antrag zu Handen der ausgewiesenen Rechtsvertreter der Antragstellerin aufzuerlegen, wird abgewiesen.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Eingabe vom 17. Dezember 2014, beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eingelangt am 18. Dezember 2014, hat die B C GmbH (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Widerrufsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Widerrufserklärung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von insgesamt 3.000 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs aus, dass die Auftraggeberin, also die Oö. G- und S-AG (g), vertreten durch die vergebende Stelle Vergabezentrum g bzw. L-N W-J, als öffentlicher Auftraggeber gemäß § 27 BVergG am 19. September 2014 über ihre Internethomepage zur Abgabe von Angeboten für ein offenes Verfahren mit voriger Bekanntmachung betreffend „W-J“ aufgefordert habe. Die Ausschreibung habe betreffend der medizinischen Vorgaben die Ausstattung mit Laborgeräten umfasst, die den Anforderungen betreffend Hämatologie eines jeden Routinelabors mit hämatologischen und neurologischen Schwerpunkt gerecht werden (das umfasst: Blutbilder, Messung von Retikulozyten, Punktaten und Liquor).

 

Die weiteren Anforderungen der Ausschreibung seien gewesen, dass die Messung von Leukozyten (differenziert) und Retikulozyten in Körperflüssigkeiten
(Gelenks-, Pleura- und Aszitespunktate und Bronchiallavage) angeboten werden müssten. Es habe sich auch ein Verweis auf den Umstand gefunden, dass diese Methoden CE-zertifiziert sein müssten. Der Auftraggeber bzw. die vergebende Stelle habe zur Konkretisierung der technischen Anforderungen eine Parameterliste unter Punkt 3.1. angeführt, wo rot hinterlegte Zeilen Muss-Kriterien und grün hinterlegte Zeilen Soll-Kriterien dargestellt hätten. [Anm.: Diese Tabelle wurde im Vorbringen der Antragstellerin grafisch dargestellt.] Die vergebende Stelle habe explizit darauf hingewiesen, dass nur für drei bestimmte Messungen eine CE-Zertifizierung vorliegen müsse, nämlich von Leukozyten in Körperflüssigkeiten und Liquor, für die Messung von Erythrozyten in Körperflüssigkeiten und Liquor und für die Messung von Retikulozyten.

 

 

Mit Schreiben vom 29. September 2014, 13.14 Uhr habe die Antragstellerin in Bezug auf die technischen Spezifikationen zur CE-Zertifizierung folgende Frage gestellt:

 

 

Auf Seite 73/120 des Ausschreibungs-PDF wird die Aussage getroffen:

- 4. Das Hämatologiesystem muss eine CE-zertifizierte Methode für die Messung von Retikulozyten, Liquor und Körperflüssigkeiten vorweisen. Die Etablierung einer „In-House-Methode“ gemäß IVD-Richtlinie wird aufgrund des enormen Aufwandes abgelehnt.

- In der anschließenden Tabelle wird nicht explizit auf die CE-Zertifizierung der Körperflüssigkeitsproben in mono- und polymorphkernigen Zellen hingewiesen.

- Der UC DxH 800 bietet die Differenzierung von mono- und polymorphkernigen Zellen in Körperflüssigkeiten, als „In-House-Methode“ an, nicht als FDA/IVD-CE-zertifizierte Methode.

Stellen diese Tatsachen ein Ausschlusskriterium dar oder nicht?!

 

Die vergebende Stelle habe darauf wie folgt geantwortet:

Antwort: „Nein, diese Tatsache stellt kein Ausschlusskriterium dar, da laut technischer Leistungsbeschreibung nicht explizit auf die CE-zertifizierte Methode bei mononukleären und polymorphkernigen Zellen in Körperflüssigkeit und Liquor hingewiesen wird.“

 

Zusammengefasst könne daher festgehalten werden, dass in Bezug auf die technischen Parameter die lege artis Messung der angeführten Parameter, die für ein Routinelabor in der Hämatologie benötigt würden, mit der Einschränkung, dass für die Messung von mononukleären Zellen in Körperflüssigkeiten und Liquor bzw. polymorphe Zellen inklusive Differenzierung der Granulozyten in Körperflüssigkeiten und Liquor keine CE-zertifizierten Methoden vorliegen müssten, geschuldet würden. Die technischen Parameter für die Messungen der einzelnen Körperflüssigkeiten bzw. Zellbestandteile seien daher umfassend wie auch technisch eindeutig beschrieben und daher ausreichend spezifiziert.

 

Die Antragstellerin habe am 10. Oktober 2014 ihr Angebot an die Ausschreibungsstelle persönlich übergeben. Das Angebot sei daher fristgerecht eingereicht worden, da das Ende der Angebotsfrist mit 10. Oktober 2014,
9.30 Uhr festgelegt worden sei.

 

Am 9. Dezember 2014 habe die vergebende Stelle der Antragstellerin mitgeteilt, dass sie das Vergabeverfahren zu widerrufen gedenke, und zwar basierend auf
§ 139 Abs. 2 Z 3 BVergG. Sie habe folgenden „sachlichen Grund“ angeführt: „Die Mindestanforderung hinsichtlich der Messung von Leukozyten, Erythrozyten, mononukleären Zellen und polymorphkernigen Zellen in Körperflüssigkeiten und Liquor waren im technischen Leistungsverzeichnis unzureichend spezifiziert. Dieser Sachverhalt wurde dem Auftraggeber erst im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung bekannt und hätte, wären die Umstände vor Einleitung des Vergabeverfahrens bekannt gewesen, zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt.“

Die Stillhaltefrist habe am 19. Dezember 2014 geendet. Gemäß § 2 Z 16 (a) (aa) BVergG sei im offenen Verfahren die Widerrufsentscheidung eine gesondert anfechtbare, nach außen in Erscheinung getretene Entscheidung. Die Antragstellerin sei daher berechtigt, ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 320 BVergG / § 3 Oö. VergRSG einzuleiten. Die Frist für den Nachprüfungsantrag gemäß § 321 BVergG / § 4 Oö. VergRSG gegen Entscheidungen im Rahmen der  Vergabe von öffentlichen Aufträgen sei binnen 10 Tagen einzubringen. Die Antragstellerin würde daher den Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens innerhalb offener Frist stellen.

 

Zur Rechtswidrigkeit der Widerrufsentscheidung führt die Antragstellerin aus, die Auftraggeberin habe mitgeteilt, den Zuschlag nicht zu erteilen, das Vergabeverfahren zu widerrufen und zwar basierend auf § 139 Abs. 2 Z 3 BVergG. Ein Widerruf wäre dann zulässig, wenn ein sachlicher Grund vorläge und dieser im Einklang mit den Grundsätzen des Vergabeverfahrens erfolge. Ein Widerruf ohne Bestehen eines sachlichen Grundes oder ein missbräuchlicher sei nicht zulässig. Die Auftraggeberin scheine sich auf den Standpunkt zu stellen, dass der Leistungsumfang nicht hinreichend technisch spezifiziert wäre und somit Mängel in den technischen Grundlagen des Vergabeverfahrens vorliegen würden. Dabei irre sie aber, da der Leistungsumfang in Bezug auf die technischen Merkmale (= Mindestanforderungen) hinreichend bestimmt gewesen sei, somit eine Vergleichbarkeit der Angebote hinsichtlich der technischen Details gegeben gewesen sei. Des Weiteren würde die Neuausschreibung keine anderen wesentlichen Änderungen der Ausschreibung mit sich ziehen und zwar aus folgenden Gründen: Im Labor, für welches die Geräte benötigt würden, würden im Jahr umschlagsmäßig 66.000 Proben verarbeitet. Von diesen 66.000 Proben seien 99% reine Routine und ca. 60 Proben/Monat würden Körperflüssigkeiten betreffen, also nur 1%. Betreffend der Abarbeitung von „Körperflüssigkeitsproben“ seien zwei Systeme am Markt, nämlich ein System, das in der Anfangsphase eine Validierung benötige, wie das der Antragstellerin, und solch ein System, welches keine Validierung benötige.

 

Die Anfrage der Antragstellerin vom 29. September 2014 stelle genau auf diese Problematik ab, nämlich ob für diese 1% der abzuarbeitenden Körperflüssigkeitsproben auch ein System angeboten werden dürfe, welches eine Validierung erfordere, und zwar in Form einer mikroskopischen Kontrolle, die mit geringem technischen Mehraufwand durchführbar sei. Die Antwort der vergebenden Stelle sei eindeutig gewesen, nämlich dass sich das Vergabeverfahren an beide Systemtypen richte. Dies sei auch konsequent, da beide Verfahren am Markt miteinander konkurrieren. Anfragen zu den technischen Spezifikationen/Parametern habe es von Seiten der Anbieter nicht gegeben, da diese jedem klar gewesen seien.

 

Basierend auf diesen technischen Angaben hätten die vier wesentlichen Anbieter ihre Angebote fristgerecht gelegt.

 

Zusammengefasst könne daher festgehalten werden, dass die technische Leistungsbeschreibung derart gestaltet gewesen sei, dass die Parameter eindeutig definiert seien, die notwendigen CE-Zertifizierungen festgelegt worden seien und auch der Probenumfang, bzw. die Zusammensetzung der Testreihen am Markt bekannt seien und somit auch in die Kalkulation eingeflossen seien. Eine neuerliche Ausschreibung würde daher keine neuen technischen Spezifikationen bedingen, da diese durch die jetzige Ausschreibung vollumfänglich für solch ein Labor abgedeckt seien, die am Markt miteinander konkurrierenden Unternehmen ihre Angebote gelegt hätten, der Probenumfang sich auch nicht im Vergabezeitraum drastisch geändert habe und somit auch keine relevante Einsparungsmöglichkeit hervortrete bzw. würden auch keine Zusatzkosten auf den Auftraggeber hinzukommen.

 

Es könne daher durch die Neuausschreibung keine neue technisch-wirtschaftlich bessere Lösung hervorkommen, da – wie gesagt – die am Markt relevanten Systeme in das Vergabeverfahren eingeflossen seien und auch kein technisch nicht erfüllbares Erfordernis sich aus den Ausschreibungsunterlagen selbst ergeben habe. Dies sei eine der wenigen Ausschreibungen, wo der Leistungsumfang ausreichend konkretisiert worden sei, sodass die Parameter, die angeboten werden müssten, für jeden nachvollziehbar und auf objektiven Gründen gefußt hätten. Auch das Mengengerüst der abzuarbeitenden Proben sei eindeutig am Markt bekannt. Somit hätten auch sämtliche Angebote kalkuliert werden können, dass es zu keinen Überschreitungen des Budgets des Auftraggebers komme. Des Weiteren habe der Auftraggeber bzw. die vergebende Stelle nicht ausreichend präzisiert, welche Mindestanforderungen hinsichtlich der Messung von Leukozyten, Erythrozyten, mononukleären und polymorphkernigen Zellen in Körperflüssigkeiten und Liquor nicht erfüllt gewesen seien. Die Parameter seien klar, die CE-Zertifizierungen seien klar und die „Mindestanforderungen“ würden darin begründet liegen, eine Messung durchzuführen, die einem Routinelabor entspreche und als Ergebnis aufweise, ob die Parameter im „normalen Bereich“ liegen würden bzw. außerhalb des Normbereiches. Es seien somit sämtliche Komponenten, die an solche Messungen zu stellen seien, angeführt. Dies werde auch den Grund darstellen, wieso die vergebende Stelle keine Präzisierung betreffend der Mindestanforderungen angeben habe können und somit auch für jeden Dritten überprüfbar darlegen hätte können, welche Mindestanforderungen nicht angegeben worden wären.

 

Hierbei handle es sich eigentlich um gar keine Begründung, da aus dem Satz sich eben nicht ergebe, um welche „Mindestanforderungen“ es sich handle. Es scheine wohl eine „Scheinbegründung“ zu sein, um das Vergabeverfahren, aus welchem Grund auch immer, wiederholen zu können. Aus all diesen Gründen betrachte sich die Antragstellerin in ihrem Recht auf gesetzeskonforme Durchführung des Vergabeverfahrens verletzt, da kein sachlicher Grund für die Widerrufsentscheidung vorliege. Das Vorgehen sei daher rechtswidrig.

 

Die Antragslegitimation der Antragstellerin ergebe sich aus dem erstatteten Vorbringen, da bei Nichtdurchführung des Widerrufes die Chance auf Zuschlagserteilung weiterhin offen gestanden wäre. Hinzu komme noch, dass die Antragstellerin durch ihr Verhalten während des ganzen Verfahrens bekundet habe, am Vergabeverfahren, insbesondere am Zuschlag, Interesse zu haben. Dafür spreche insbesondere, dass sie sich aktiv am Vergabeverfahren beteiligt habe, indem sie Bieteranfragen gestellt habe, ein rechtskonformes Angebot gelegt habe und auch während der Angebotsöffnung persönlich anwesend gewesen sei.

 

Aufgrund der bisherigen Beteiligung der Antragstellerin am gegenständlichen Verfahren (Angebotserstellungskosten und sonstige mit der Verfahrensteilnahme verbundenen Kosten) drohe der Antragstellerin ein Schaden in Höhe von zumindest 8.000 Euro. Hinzu komme noch der Schaden aus dem entgangenen unternehmerischen Gewinn in Höhe von mindestens 30.000 Euro.

 

Aus den angeführten Gründen werde daher beantragt, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge die Widerrufsentscheidung der Auftraggeberin vom 9. Dezember 2014 für nichtig erklären, eine mündliche Verhandlung anberaumen und die Auftraggeberin dazu verpflichten, der Antragstellerin die von ihr entrichtete Pauschalgebühr binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu Handen der rechtsfreundlichen Vertretung zu ersetzen.

 

 

I.2. Die Antragsgegnerin erstattet in Erwiderung dieses Nachprüfungsantrages zunächst eine Stellungnahme vom 19. Jänner 2015 dahingehend, dass das Angebot der Antragstellerin – wie die Antragsgegnerin erst nachträglich bei näherer Betrachtung des Angebotes der Antragstellerin festgestellt habe – gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG auszuscheiden wäre, weil die Antragstellerin ein den Ausschreibungsbestimmungen widersprechendes Angebot gelegt habe (unbehebbarer Mangel). Bei Nichtdurchführung des Widerrufes wäre eine Chance auf Zuschlagserteilung zu Gunsten der Antragstellerin daher nicht weiterhin offen gestanden.

 

Die Ausschreibungsunterlage sehe in Punkt 4.11. spezifische Vertragsbestimmungen für Wartung und Instandhaltung vor, die in einem separaten „Wartungsvertrag“ geregelt seien. Die Antragstellerin lege ihrem Angebot „Service-Vertragsbedingungen“ bei, die dem „Wartungsvertrag“ der Antragsgegnerin (= Auftraggeber) zum Beispiel in folgenden Punkten widersprechen würde:

Im „Wartungsvertrag“ des Auftraggebers werde unter Punkt 7 Abs. 3 (Entgelt) geregelt, dass das „Jahrespauschalentgelt […] vom Auftraggeber jährlich gesondert zum 30. Juni in Rechnung gestellt [wird] und […] binnen einer Zahlungsfrist von 30 Tagen ab Rechnungseingang zur Zahlung fällig“ ist. Dem gegenüber legt Punkt 4 der „Service-Vertragsbedingungen“ der Antragstellerin fest, dass der jährliche Vertragspreis […] innerhalb von 30 Tagen nach Rechnungsstellung für ein Jahr im Voraus und ohne Abzug fällig“ ist;

im „Wartungsvertrag“ des Auftraggebers wird unter Punkt 8 lit.a (Garantie und Haftung) geregelt, dass der Auftragnehmer für „durchgeführte Arbeiten und gelieferte Bauteile (Ersatzteile) […] eine Garantie für die Dauer von 2 Jahren ab dem Zeitpunkt der Beendigung der Arbeiten bzw. des vollendeten Einbaues des Ersatz(bau)teils“ leiste. Dem gegenüber legt die Antragstellerin in Punkt 8 der „Service-Vertragsbedingungen“ fest, dass sie „[f]ür eingebaute Ersatzteile […] 12 Monate Gewähr“ leistet;

im „Wartungsvertrag“ des Auftraggebers wird unter Punkt 10 Abs. 2 (Vertragsdauer) geregelt, dass der Auftragnehmer „für die Dauer von 8 Jahren ab Vertragsabschluss auf eine Kündigung“ verzichtet;

weiters legt der „Wartungsvertrag“ in Punkt 10 Abs. 6 fest, dass der Auftragnehmer „außer bei Vorliegen der [im Wartungsvertrag] unter lit.h) und i) angeführten wichtigen Gründe – für die Dauer des abgegebenen Kündigungsverzichts – nicht berechtigt [ist], diesen Vertrag zu kündigen“. Dem gegenüber legt die Antragstellerin in Punkt 10 der „Service-Vertragsbedingungen“ von den Bestimmungen des Wartungsvertrages des Auftraggebers abweichende Kündigungsrechte bzw. –bedingungen fest;

im „Wartungsvertrag“ des Auftraggebers wird unter Punkt 12 (Gerichtsstand und anzuwendendes Recht) geregelt, dass „[f]ür die Entscheidung aller Rechtsstreitigkeiten aus dem gegenständlichen Vertrag […] ausschließlich das sachlich in Betracht kommende Gericht in L./O. zuständig“ ist. Dem gegenüber legt die Antragstellerin in Punkt 14 der „Service-Vertragsbedingungen“ fest, dass „Wien als Gerichtsstand vereinbart“ wird.

 

 

I.3. Ferner erstattete die Antragsgegnerin eine ergänzende Stellungnahme vom 14. Jänner 2015 mit nachfolgendem Inhalt:

 

Ohne auf die folgenden, inhaltlichen Ausführungen vorzugreifen, weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass das Angebot der Antragstellerin - wie die Antragsgegnerin erst nachträg­lich bei näherer Betrachtung des Angebots der Antragstellerin feststellte - gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 auszuscheiden wäre, weil die Antragstellerin ein den Ausschrei­bungsbestimmungen widersprechendes Angebot gelegt hat (unbehebbarer Mangel). Siehe hierzu die näheren Ausführungen unten unter Punkt C („ad Punkt 3.1").

 

A. Unzureichende Spezifizierung der Mindestanforderungen in der technischen Leistungsbeschreibung

 

Der Auftraggeber benötigt ein Laboranalysegerätesystem für die hämatologische Diagnostik (Hämatologie-Analysegerät). Mit dem System sollen weiße und rote Blutkörperchen (sog. Blutbild, Punktate aus Körperflüssigkeiten, Bronchoalveoläre Lavage - BAL, Rückenmarks­flüssigkeit) untersucht werden, und zwar in qualitativer (z.B. Form, Größe, Granularität der Zellen) als auch in quantitativer Hinsicht (Anzahl diverser Blutkörperchen). Das Gerätesys­tem unterstützt Laborfachärztinnen und -ärzte und Biomedizinische Analytikerinnen und -analytiker bei der Erstellung von Befunden, die von den anfordernden Ärztinnen und Ärzten bei der Diagnose und Therapie von Krankheiten im Blut (z.B. Leukämien und andere Knochenmarkserkrankungen, Blutvergiftungen/Sepsis, virale- und bakterielle Infekte, Blutar­mut/Anämien, Erkrankungen des Zentralnervensystem - ZNS, wie etwa Multipler Sklerose -MS) benötigt werden. Das Gerät muss daher hohe qualitative Anforderungen erfüllen.

 

Das Gerätesystem soll im Zentrallabor des Standortes V des S-K, das eine Gesundheitseinrichtung des Auftraggebers ist, zum Einsatz kommen. Beim Krankenhaus am Standort V handelt es sich um ein Schwerpunktkranken­haus, das unter anderem über eine neurologische Abteilung mit einem MS-Schwerpunkt und eine Kinderabteilung verfügt. Neben den Anforderungen eines Routinelabors muss das Ge­rät daher auch hohen speziellen medizinischen Anforderungen genügen, wie sie für die me­dizinische Behandlung in solchen medizinischen Abteilungen erforderlich sind.

 

Der Auftraggeber wählte als Verfahrensart das Offene Verfahren. Es handelt sich um eine Vergabe im Oberschwellenbereich. Die Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union betreffend die „Lieferung und Installation von Hämatologiegeräten" sen­dete der Auftraggeber am 17.09.2014 ab. Als Ende der Angebotsfrist wurde der 10,10.2014 festgelegt, weil die Zuschlagserteilung und die Lieferung des Gerätesystems aus Budget­gründen noch im Jahr 2014 hätte erfolgen sollen (für das Jahr 2015 ist dafür kein Budget vorgesehen bzw. bewilligt). Die kurze Angebotsfrist wurde nicht angefochten und ist somit bestandsfest.

 

Die Ausschreibungsunterlage weist im Leistungsverzeichnis (Beilage 710 Technische Leis­tungsbeschreibung) in einer Tabelle („Parameterliste" unter Punkt 3.1 der technischen Leis­tungsbeschreibung) rot und grün hinterlegte Zeilen aus. Rote Zeilen stellen MUSS-Kriterien dar, grüne sind SOLL-Kriterien. Wird ein MUSS-Kriterium nicht erfüllt, muss das Angebot ausgeschieden werden. Für erfüllte SOLL-Kriterien erhält der Bieter insgesamt maximal 183 Punkte. Diese Punkte fließen mit 40% in die Gesamtbewertung ein.

Vier Bieter haben Angebote abgegeben. Die Öffnung der Angebote erfolgte am 10.10.2014. Im Zuge der in den darauffolgenden Tagen und Wochen erfolgten Prüfung der Angebote stellte sich heraus, dass der Auftraggeber weitere MUSS-Kriterien hätte definieren müssen, um den Erfordernissen des Labors im Krankenhaus am Standort V gerecht zu werden. Die Mindestanforderungen sind in der technischen Leistungsbeschreibung demnach unzureichend spezifiziert. Das Vergabeverfahren musste daher widerrufen wer­den, damit auf Basis einer korrigierten Leistungsbeschreibung ein neues Vergabeverfahren eingeleitet werden kann. Die Beschaffung ist nun für das Jahr 2016 vorgesehen.

 

B. Konkretisierung der unzureichend spezifizierten Mindestanforderungen (MUSS-Kriterien)

 

Im Folgenden legt der Auftraggeber im Konkreten dar, welche Mindestanforderungen in den Ausschreibungsunterlagen unzureichend spezifiziert sind. Es handelt sich um Mindestanfor­derungen betreffend (1.) die Messung von Leukozyten (weiße Blutkörperchen), (2.) die Messung von Erythrozyten (rote Blutkörperchen) und (3.) eine CE-zertifizierte Methode für die Messung von mononukleären Zellen und polymorphkernigen Zellen sowie eine CE-zertifizierte Methode für die Messung von Lympho- und Granulozyten im Liquor (Rücken­marksflüssigkeit).

 

1. Messung von Leukozyten (weiße Blutkörperchen)

 

1.1. Festlegungen in der Ausschreibungsunterlage

 

Im Hinblick auf die Messung von Leukozyten sieht die Ausschreibungsunterlage auf Seite 6 der technischen Leistungsbeschreibung (Beilage 710 der Ausschreibungsunterlage) u.a. die Erfüllung des folgenden, rot hinterlegten MUSS-Kriteriums vor:

CE-zertifizierte Methode für die Messung von Leukozyten in Körperflüssigkeiten und Liquor

Ja/Nein

 

 

In Punkt 7.1 der technischen Leistungsbeschreibung (Seite 13 von 23) ist in Bezug auf die Messung von Leukozyten in der Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) eine Punktebewertung vorgesehen (SOLL-Kriterium), wobei laut Ausschreibungsunterlage für die folgenden Wert­angaben der niedrigste Wert von allen Anbietern als Bestwert jeweils die maximale Punk­teanzahl erhält, der schlechteste erhält 0 Punkte.

 

 

 

Wertangabe

Max Punkte

Cutoff für Liquor-Leukozytenzählung

Zellen pro µl

4

 

Im Rahmen der Angebotsprüfung musste der Auftraggeber feststellen, dass die o.a. Min­destanforderung (MUSS-Kriterium) und die gewählte Punktebewertung (SOLL-Kriterium) nicht ausreichen, um dem Bedarf des Labors, für welches das Gerätesystem angeschafft werden soll, gerecht zu werden. Der Auftraggeber hat seinen Widerruf daher wie folgt be­gründet: „Die Mindestanforderung hinsichtlich der Messung von Leukozyten [...] in Körper­flüssigkeiten und Liquor waren im technischen Leistungsverzeichnis unzureichend spezifi­ziert. Dieser Sachverhalt wurde dem Auftraggeber erst im Rahmen der vertieften Angebots­prüfung bekannt, und hätte, wären die Umstände vor Einleitung des Vergabeverfahrens be­kannt gewesen, zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt."

 

1.2. Notwendige Spezifizierung bzw. Anforderungen an die Messung von Leukozyten im Liquor (Rückenmarksflüssigkeit)

 

Im Rahmen des Vergabeverfahrens „Lieferung und Installation von Hämatologiegeräten" mussten die Bieter den sog. „Cut-off für Liquor-Leukozytenzählung" (Seite 13 von 23 der technischen Leistungsbeschreibung) in „Zellen pro µl" angeben.

 

Eine Anzahl von 0 bis <4 Zellen/µl Rückenmarksflüssigkeit (=Liquor) liegt innerhalb des Referenzbereichs für Erwachsene und stellt ein negatives Analyseergebnis dar (Baumann/ Brezinschek, Labormedizin - Klinik, Praxis, Fallbeispiele [2011] 354; Neumeister/ Besenthal/Liebich/Böhm, Klinikleitfaden Labordiagnostik3 [2003] 310). Ab einer Anzahl von 4 Zel­len/µl liegt der Wert außerhalb des Referenzbereichs und damit ein positives Analyseergebnis vor. Laut Literatur dienen Referenzwerte der Gegenüberstellung eines einzelnen klinisch-chemischen Messwertes mit Werten einer „gesunden" Referenzgruppe. Sie tragen damit zur Erstellung eines klinisch-chemischen Befundes bei. (Dörner, Klinische Chemie und Hämato-logie5 [2003] 64f).

 

Geräte mit einem Cut-off-Wert von 0 bis <4 Zellen/µl geben darüber Auskunft, ob das Ergebnis negativ oder positiv ist. Gibt der Hersteller eines Geräts den Cut-off-Wert mit 4 Zellen/µl oder darüber an (z.B. 20 Zellen/µl), so ist zwar eine zuverlässige Aussage dahingehend möglich, dass bei diesem angegebenen Cut-off-Wert (z.B. 20 Zellen/µl) und bei Werten dar­über ein positives Ergebnis vorliegt, im Bereich unterhalb des angegebenen Cut-off-Werts lassen sich aber keine validen Aussagen treffen (Graubereich). Das Ergebnis kann in diesem Graubereich entweder positiv oder negativ sein. Um valide Aussagen treffen zu können, ist im Anschluss an die automatische Analyse mittels Gerät eine zusätzliche manuelle (d.h. mik­roskopische) Zählung zwingend erforderlich.

 

Die von den Bietern in ihren Angeboten angegebenen Cut-off-Werte („Zellen pro µl") weisen eine große Bandbreite auf (von 0 Zellen/µl bei einem Bieter bis 20 Zellen/µl bei einem anderen Bieter).

 

Die daraus resultierende Auftraggeber intern geführte fachliche Diskussion ergab, dass die abgefragten Cut-off-Werte in der Praxis von wesentlich höherer Bedeutung sind, als der Auf­traggeber in der Ausschreibungsunterlage zum Ausdruck gebracht hat. In der Ausschrei­bungsunterlage werden als SOLL-Kriterium maximal 4 Punkte gewährt. Ein MUSS-Kriterium mit einem bestimmten Cut-off-Wert fehlt.

 

Die Festlegung eines Cut-off-Werts von <4 Zellen/µl als MUSS-Kriterium ist für das Labor am Standort V aber aus folgenden Gründen unverzichtbar:

- Das Labor am genannten Standort führt pro Monat im Durchschnitt ca. 60 Messun­gen an Proben von Rückenmarksflüssigkeit durch, die unter anderem auf die Bestimmung von Leukozyten abzielt. Die Anzahl an Leukozyten kann Aufschluss dar­über geben, ob der Patient bzw. die Patientin an einer bestimmten Krankheit leidet. 80 - 90 % der Liquor-Proben betreffen die Abteilung für Neurologie; aber auch die Kinderabteilung fordert Befunde an. Indikation für die Entnahme von Rückenmarks-flüssigkeit sind z.B. entzündliche Erkrankungen des Zentralnervensystems (ZNS), neurologische Auffälligkeiten, Verdacht auf Multiple Sklerose, unklare Kopfschmer­zen, Verdacht auf Hirnblutung (z.B. Subarachnoidalblutung), Tumorinfiltration des ZNS.

- Ein Wert zwischen 0 und <4 Zellen/µl bedeutet, dass die Rückenmarksflüssigkeit normal bzw. unauffällig ist. Laut Literatur ist das Ergebnis der Messung bei einem Wert innerhalb der genannten Bandbreite eindeutig negativ; es stellt den Normwert (Referenzbereich) eines gesunden erwachsenen Menschen dar (vgl. Haiwachs-Baumann/ Brezinschek, Labormedizin - Klinik, Praxis, Fallbeispiele [2011] 354). Ein Wert zwischen 4 Zellen/µl und 20 Zellen/µl kann unter anderem eine virale Me­ningitis, eine beginnende Meningitis, apurulente bakterielle Meningitis, Multiple Skle­rose, Borreliose, HIV-Enzephalitis, Guillain-Barre-Syndrom, Hirntumore, Hirnabszesse, tuberkulöse Meningitis bedeuten. Über 4 Zellen/µl im Liquor können demnach be­reits ein Hinweis für Krankheiten sein. Etwa kann eine Diagnose für virale Meningitis ab 10 Zellen/µl vorliegen (Haiwachs-Baumann/ Brezinschek, Labormedizin - Klinik, Praxis, Fallbeispiele [2011] 354).

- Bei einem Cut-off-Wert von beispielsweise 20 Zellen/[jl würde das bedeuten, dass keine eindeutige Befundung (positiv oder negativ) möglich ist. Ohne manuelle, d.h. mikroskopische Überprüfung kann die tatsächliche Anzahl an Zellen/µl nicht festge­stellt werden. Ohne Vorliegen eines zuverlässigen Messwertes kann daher das Labor­ergebnis nicht zum Erkennen von Krankheiten bzw. zum Erstellen von Diagnosen und Befunden beitragen.

- Erfolgt keine zuverlässige Feststellung der Anzahl an Leukozyten im Liquor im Be­reich zwischen 4 Zellen/µl und beispielsweise 20 Zellen/µl, kann das unter Umstän­den zu einer Verschlimmerung des klinischen Bildes führen. Fehlinterpretationen können dazu führen, dass Therapien unterlassen werden oder der Therapiebeginn verzögert wird. Durch verzögerte oder falsche Diagnosen oder verzögerte oder fal­sche Therapien kann es zu langfristigen Folgeschäden an der Gesundheit des Pati­enten bzw. der Patientin kommen.

 

Bei Gerätesystemen, deren Cut-off-Wert über 4 Zellen/µl Hegt, ist zur sicheren Ermittlung der Leukozytenzahl eine zusätzliche mikroskopische Überprüfung und Zählung der Leukozy­ten in der Fuchs-Rosenthal-Zählkammer notwendig.

 

Die Kontrolle bzw. Zählung mit dem Mikroskop und der damit zusammenhängende Prozess weisen folgende Nachteile auf bzw. bergen folgende Risiken in sich:

- Proben von Rückenmarksflüssigkeit sind oft sehr infektiös. Bei gewissen Krankheiten (beispielsweise bakterielle Meningitis, Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung) können sich die Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter bei Kontakt mit der Probe infizieren.

- Risikofaktor Mensch: Die Zählgenauigkeit ist abhängig von der Übung (fachliches Know-how) des Personals. Die Zählung erfordert Ruhe und Konzentration. Nicht jede mit der Zählung betraute Person verfügt über die gleiche Routine. Manuelle Untersu­chungen von Rückenmarksflüssigkeit werden von den damit betrauten Personen mehrheitlich als belastend empfunden und erfolgen so unter einer gewissen Anspan­nung. Abhängig von der zählenden Person und von der Zählsituation weisen die Er­gebnisse demnach eine gewisse Streubreite auf.

- Zeitliche Bindung: Die Liquorgewinnung erfolgt durch Lumbalpunktion. Dabei wird ei­ne Hohlnadel in den Lumbalkanal auf Höhe der Lende eingeführt und Rückenmarksflüssigkeit entnommen. Die Untersuchung der Rückenmarksflüssigkeit muss umge­hend erfolgen, spätestens innerhalb einer Stunde nach der Punktion, da die Zellen (Leukozyten) instabil sind. Nach einer Stunde sind etwa um 20% weniger Leukozyten vorhanden. Die Untersuchung von Rückenmarksflüssigkeit ist Bestandteil jeder Diag­nostik von Erkrankungen des Zentralnervensystems (ZNS). Das Labor muss daher permanent und besonders auch in Akutfällen rund um die Uhr (24 Stunden) sicher­stellen, dass die Probe binnen einer Stunde abgearbeitet wird. Gelingt das nicht, muss von der Patientin bzw. vom Patienten, darunter auch Kinder, neuerlich eine Probe abgenommen werden. Dies ist für die betroffene Person ein sehr schmerzhaf­ter und unangenehmer Vorgang. Die Gewinnung von Rückenmarksflüssigkeit kann daher nicht beliebig häufig wiederholt werden.

- Weiters ist mit der Punktion eine längere Liegezeit des Patienten auf dem Bauch ver­bunden. Nach der Punktion können sogenannte „postpunktionelle Kopfschmerzen" auftreten. Weitere Nebenwirkungen der Abnahme können z.B. Nacken- und Rücken­schmerzen, Hörminderung, Tinnitus, Übelkeit, Erbrechen und/oder Sehstörungen sein.

- Aufwändiger Prozess: Für die zusätzlich manuelle Überprüfung einer Probe benötigt die Mitarbeiterin ca. 45 Minuten. Bei einer manuellen Prüfung sind gemäß dem
Standardprozess folgende Schritte erforderlich (SOP -
Standard operating procedure):

·         Nur sterile Spitzen verwenden.

·         Liquormenge messen.

·         LIKOMM (Liquorkommentar): Prüfung der Farbe (xanthochrom?) und Prüfung der Trübung.

·         Liquor mischen.

·         100uL Liquor und 10uL Türk'sche Lösung in ein Eppendorfcup pipettieren.

·         Ca. 5 min auf den Rollenmischer.

·         In der Fuchs-Rosenthal-Kammer einfüllen und kurz sedimentieren lassen. Gesamte Fuchs-Rosenthal-Kammer am Mikroskop auszählen und bei LIZZ (Liquorzellzahl) eintragen. [Anm: wenn hier unterbrochen werden muss oder etwa beim Zählen ein Fehler passiert, dann muss mit dem Zählen neuerlich begonnen werden; dabei ist zu beachten, dass dafür nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung steht, weil sich die Zellen - wie bereits erwähnt - mit der Zeit auflösen.]

·         Ab 5 Zellen/µl Beimpfung eines Nährmediums für die Pathologie (im Dienst außerhalb ihrer Annahmezeiten) zum Keimnachweis.

Bei durchschnittlich 60 Proben/Monat betreffend Liquor wären bei Systemen mit not­wendiger zusätzlicher manueller Prüfung durchschnittlich 40 Proben/Monat per Mik­roskop zu zählen. Das bedeutet einen zeitlichen Aufwand von insgesamt 2.880 Stun-den (0,75 Stunden x 40 Proben x 12 Monate x 8 Jahre) wenn diese Vorgehensweise während der gesamten Nutzungsdauer (8 Jahre) des zu beschaffenden Gerätes bei­behalten würde. Der zusätzliche interne Kostenaufwand wäre nicht unbeträchtlich und würde ca. EUR 95.000 betragen. Derzeit wird ein vollautomatisches System ver­wendet, welches keine manuelle Nachzählung erfordert.

- Darüber hinaus stellt sich insbesondere in der Nacht das Problem, dass generell nur eine Mitarbeiterin im Nachtdienst (von 18.30 - 6.30 Uhr) anwesend ist. Das Labor muss insbesondere in Akutfällen rund um die Uhr (24 Stunden) sicherstellen, dass die Liquorprobe binnen einer Stunde abgearbeitet wird. Eine zeitgerechte Abarbei­tung der Liquorprobe ist aufgrund von zahlreichen unplanbaren sonstigen Aufga­benerledigungen während des Nachtdienstes nicht sicher gestellt. Um eine zeitge­rechte Abarbeitung sicherstellen zu können, müsste eine zweite Person im Nacht­dienst beschäftigt werden, was zu höheren Kosten führen würde. Abgesehen davon bleibt das Risiko „Mensch" als mögliche Fehlerquelle erhalten.

 

Bei Systemen mit einem Cut-off von 0 bis <4 Zellen/µl sowie einer CE-zertifizierten Methode sind derartige Nachteile und Risiken nicht gegeben und es besteht kein zusätzlicher interner Kostenaufwand für manuelle Messungen.

 

Zusammenfassend wird Folgendes festgehalten: Die Erhaltung des momentanen qualitativen Standards bezüglich Leukozytenmessung im Liquor ist zwingend erforderlich. Um die genannten Risiken für die Patientinnen und Patienten auszuschließen und um Qualitätsverluste - insbesondere in der Liquordiagnostik - hintanzuhalten sowie aus den anderen genannten Gründen hätte daher der Cut-off-Wert des für das Labor am Standort V zu beschaffenden Gerätesystems für Leukozyten mit <4 Zellen/µl als MUSS-Kriterium definiert werden müssen.

 

2. Messung von Erythrozyten (rote Blutkörperchen)

2.1. Festlegungen in der Ausschreibungsunterlage

 

Im Hinblick auf die Messung von Erythrozyten im Liquor sieht die Ausschreibungsunterlage auf Seite 6 der technischen Leistungsbeschreibung (Beilage ./10 der Ausschreibungsunter­lage) u.a. die Erfüllung des folgenden, rot hinterlegten MUSS-Kriteriums vor:

 

CE-zertifizierte Methode für die Messung von Erythrozyten in Körperflüssigkeiten und Liquor

Ja/Nein

 

 

In Punkt 7.1 der technischen Leistungsbeschreibung (Seite 13 von 23) ist in Bezug auf die Messung von Erythrozyten eine Punktebewertung vorgesehen (SOLL-Kriterium), wobei laut Ausschreibungsunterlage für die folgenden Wertangaben der niedrigste Wert von allen Anbietern als Bestwert jeweils die maximale Punkteanzahl

 

 

Wertangabe

Max Punkte

Cutoff für Liquor-Leukozytenzählung

Zellen pro µl

4

 

Im Rahmen der Angebotsprüfung musste der Auftraggeber feststellen, dass die o.a. Min­destanforderung (MUSS-Kriterium) und die gewählte Punktebewertung (SOLL-Kriterium) nicht ausreichen, um dem Bedarf des oben genannten Labors gerecht zu werden. Der Auftraggeber hat seinen Widerruf daher wie folgt begründet: „Die Mindestanforderung hinsicht­lich der Messung von Erythrozyten [...] in Körperflüssigkeiten und Liquor waren im techni­schen Leistungsverzeichnis unzureichend spezifiziert. Dieser Sachverhalt wurde dem Auf­traggeber erst im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung bekannt, und hätte, wären die Umstände vor Einleitung des Vergabeverfahrens bekannt gewesen, zu einer inhaltlich we­sentlich anderen Ausschreibung geführt."

 

2.2. Notwendige Spezifizierung bzw. Anforderungen an die Messung von Erythrozyten im Liquor (Rückenmarksflüssigkeit)

 

Eingangs wird festgehalten, dass beim gesunden Menschen in der Rückenmarksflüssigkeit keine Erythrozyten vorhanden sein dürfen. Eine Anzahl von >0 Zellen/u! Rückenmarksflüssigkeit (=Liquor) liegt außerhalb des Referenzbereichs; es liegt ein positives Analyseergebnis vor.

 

Im Rahmen des Vergabe Verfahrens „Lieferung und Installation von Hämatologiegeräten" mussten die Bieter den sog. „Cut-off für Liquor-Erythrozytenzählung" (Seite 13 von 23 der technischen Leistungsbeschreibung) in „Zellen pro µl" angeben. Die von den Bietern an­gegebenen „Zellen pro µl" weisen eine große Bandbreite auf (von 0 Zellen/µl bei einem Bie­ter bis 1000 Zellen/µl bei einem anderen Bieter).

 

Die daraus resultierende, Auftraggeber intern geführte fachliche Diskussion ergab, dass die abgefragten Cut-off-Werte in der Praxis von wesentlich höherer Bedeutung sind, als der Auf­traggeber in der Ausschreibungsunterlage zum Ausdruck gebracht hat. In der Ausschrei­bungsunterlage werden als SOLL-Kriterium maximal 4 Punkte gewährt. Ein MUSS-Kriterium mit einem bestimmten Cut-off-Wert fehlt.

 

Die Festlegung eines Cut-off-Werts von 0 Zellen/µl als MUSS-Kriterium ist für das Labor am

Standort V aus folgenden Gründen unverzichtbar:

- Laut Literatur sind Erythrozyten im Liquor „nicht nachweisbar" (Neumeis­ter/Besenthal/Liebich/Böhm, Klinikleitfaden Labordiagnostik3 [2003] 310). Das bedeu­tet, dass das Auftreten von Erythrozyten im Liquor als ein nicht normaler Befund gilt (Ausnahme: artifizielle Blutbeimengung durch die Liquorpunktion). Der Normbereich/Referenzbereich für Erythrozyten im Liquor ist daher 0 Zellen/µl. Es ist wichtig zu unterscheiden, ob das Vorkommen von Erythrozyten im Liquor durch eine Gehirnblutung (Subarachnoidalblutung - SAB) assoziiert ist oder durch die Punktion selbst. Im ersten Fall ist das Vorkommen von Erythrozyten krankheitsspezifisch, im zweiten Fall durch die Liquor-Abnahme bedingt. Daher kann der Wert eine Hilfestellung in der Diagnostik bieten. Zur Unterscheidung kann man die Erythrozytenanzahl in drei aufeinanderfolgenden Liquorabnahmeröhrchen messen. Bleibt die Zellzahl gleich, han­delt sich um eine Gehirnblutung. Nimmt die Zellzahl ab, ist eine artifizielle Blutung wahrscheinlich.

- Eine länger zurückliegende Gehirnblutung kann im Bereich zwischen 0 und 1000 Zel­len/µl liegen. Ein Gerätesystem mit einem Cut-off-Wert von beispielsweise 1000 kann in Bereich <1000 Zellen/µl keine zuverlässigen Ergebnisse liefern. Ein zuverlässiger, rascher Ausschluss einer Gehirnblutung ist nicht möglich. Bei Vorhandensein von Erythrozyten sind jedenfalls Nachfolgeuntersuchungen erforderlich. Nur bei einem zuverlässig negativen Wert kann darauf verzichtet werden.

- Im Labor am Standort V gab es im Jahr 2014 rd. 60 Verdachtsfälle für Ge­hirnblutungen.

 

Im Übrigen ist eine genaue Erythrozytenzählung auch für die Interpretation der Proteinkonzentration im Liquor oder die Bestimmung der Leukozytenzellzahl im Liquor von Bedeutung. Blut beinhaltet Proteine und Leukozyten. Aufgrund der Kenntnis einer Blutbeimengung (durch die Bestimmung von Erythrozyten) im Liquor sind daher bestimmte Werte, wie z.B. Proteinkonzentration im Liquor oder Leukozytenzellzahl, anders zu interpretieren.

Bei Geräten mit einem Cut-off-Wert von beispielsweise 1000 ist bei einem Messergebnis von unter 1000 Erythrozyten /jjI jedenfalls eine manuelle (mikroskopische) Zählung erforderlich.

 

Die Kontrolle bzw. Zählung mit dem Mikroskop und der damit zusammenhängende Prozess weisen folgende Nachteile auf bzw. bergen folgende Risiken in sich:

- Proben von Rückenmarksflüssigkeit sind oft sehr infektiös. Bei gewissen Krankheiten (beispielsweise bakterielle Meningitis, Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung) können sich die Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter bei Kontakt mit der Probe infizieren.

- Für die zusätzlich manuelle Zählung einer Probe benötigt die Mitarbeiterin ca. 45 Mi­nuten. Bei einer manuellen Prüfung sind gemäß dem Standardprozess folgende Schritte erforderlich (SOP - Standard operating procedure):

·         Nur sterile Spitzen verwenden.

·         Liquormenge messen.

·         LIKOMM (Liquorkommentar): Prüfung der Farbe (xanthochrom?) und Prü­fung der Trübung.

·         Liquor mischen.

·         100 uL Liquor und 10|uL Türk'sche Lösung in ein Eppendorfcup pipettieren.

·         Ca. 5 min auf den Rollenmischer.

·         In der Fuchs-Rosenthal-Kammer einfüllen und kurz sedimentieren lassen.

·         Gesamte Fuchs-Rosenthal-Kammer am Mikroskop auszählen und bei LIZZ (Liquorzellzahl) eintragen. [Anm: wenn hier unterbrochen werden muss oder etwa beim Zählen ein Fehler passiert, dann muss mit dem Zählen neuerlich begonnen werden; dabei ist zu beachten, dass dafür nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung steht, weil sich die Zellen - wie bereits erwähnt - mit der Zeit auflösen.]

·         Ab 5 Zellen/µl Beimpfung eines Nährmediums für die Pathologie (im Dienst außerhalb ihrer Annahmezeiten) zum Keimnachweis.

Bei durchschnittlich 5 Proben/Monat betreffend Liquor wären bei Systemen mit not­wendiger zusätzlicher manueller Prüfung durchschnittlich 5 Proben/Monat per Mikro­skop zu zählen. Das bedeutet einen zeitlichen Aufwand von insgesamt 360 Stunden (0,75 Stunden x 5 Proben x 12 Monate x 8 Jahre), wenn diese Vorgehensweise wäh­rend der gesamten Nutzungsdauer (8 Jahre) des zu beschaffenden Gerätes beibe­halten würde. Der zusätzliche interne Kostenaufwand wäre nicht unbeträchtlich und würde ca. EUR 12.000 betragen. Derzeit wird ein vollautomatisches System verwen­det, welches keine manuelle Nachzählung erfordert. Hingewiesen wird, dass die o.a. Zählung häufig gemeinsam mit der Leukozytenzählung durchgeführt werden kann.

- Darüber hinaus stellt sich insbesondere in der Nacht das Problem, dass generell nur eine Mitarbeiterin im Nachtdienst (von 18.30 - 6.30 Uhr) anwesend ist. Das Labor muss insbesondere in Akutfällen rund um die Uhr (24 Stunden) sicherstellen, dass die Liquorprobe binnen einer Stunde abgearbeitet wird. Eine zeitgerechte Abarbei­tung der Liquorprobe ist aufgrund von zahlreichen unplanbaren sonstigen Aufga­benerledigungen während des Nachtdienstes nicht sicher gestellt. Um eine zeitge­rechte Abarbeitung sicherstellen zu können, müsste eine zweite Person im Nacht­dienst beschäftigt werden, was zu höheren Kosten führen würde. Abgesehen davon bleibt das Risiko „Mensch" als mögliche Fehlerquelle erhalten.

 

Zusammenfassend wird folgendes festgehalten: Die Erhaltung des momentanen qualita­tiven Standards bezüglich Erythrozytenmessung im Liquor ist zwingend erforderlich. Um die genannten Risiken für die Patientinnen und Patienten auszuschließen (etwa durch zuverläs­sigen, raschen Ausschluss einer Gehirnblutung) und um Qualitätsverluste - insbesondere in der Liquordiagnostik - hintanzuhalten sowie aus den anderen genannten Gründen (z.B. kein Erfordernis einer manuellen Nachbearbeitung) hätte daher der Cut-off-Wert des für das Labor am Standort V zu beschaffenden Gerätesystems für Erythrozyten mit 0 Zellen/µl als MUSS-Kriterium definiert werden müssen.

 

3. CE-zertifizierte Methode für die Messung von mononukleären Zellen und polymorphkerni­gen Zellen sowie CE-zertifizierte Methode für die Messung von Lympho- und Granulozyten im Liguor (Rückenmarksflüssigkeit)

 

 

3.1. Festlegungen in der Ausschreibungsunterlage

 

Als Mindestanforderung sieht die Ausschreibungsunterlage in der technischen Leistungsbeschreibung (Seite 6 von 23) u.a. die Erfüllung der folgenden rot hinterlegten MUSS-Kriterien vor:

 

Mononukleäre Zellen (inklusive Differenzierung in Lymphozyten und Monozyten) (proz., abs.) in Körperflüssigkeiten und Liquor

Ja/Nein

 

Polymorphkernige Zellen inklusive Differenzierung der Granulozyten (proz., abs.) in Körperflüssigkeiten und Liquor

Ja/Nein

 

 

Im Rahmen der Angebotsprüfung musste der Auftraggeber feststellen, dass die o.a. Min­destanforderungen nicht ausreichen, um dem Bedarf des oben genannten Labors gerecht zu werden. Der Auftraggeber hat seinen Widerruf daher wie folgt begründet: „Die Mindestanfor­derung hinsichtlich der Messung von [...] mononukleären Zellen und polymorph kernige Zellen in Körperflüssigkeiten und Liquor waren im technischen Leistungsverzeichnis unzu­reichend spezifiziert. Dieser Sachverhalt wurde dem Auftraggeber erst im Rahmen der ver­tieften Angebotsprüfung bekannt, und hätte, wären die Umstände vor Einleitung des Vergabeverfahrens bekannt gewesen, zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung ge­führt."

 

3.2. Notwendige Spezifizierung bzw. Anforderungen an die Messung von mononukleären Zellen und polymorphkernigen Zellen

Laut Punkt 3 (Seite 5 von 23) der technischen Leistungsbeschreibung muss das W-Jsystem „eine CE-zertifizierte Methode für die Messung von Retikulozyten, Liquor und Körperflüssigkeiten vorweisen" und wird die „Etablierung einer ‚Inhouse-Methode' ge­mäß IVD-Richtlinien {...] aufgrund des enormen Aufwands abgelehnt." Dem gegenüber wird unter Punkt 3.1 der technischen Leistungsbeschreibung (Seite 6 von 23) Folgendes als MUSS-Kriterium festgelegt:

 

Mononukleäre Zellen (inklusive Differenzierung in Lymphozyten und Monozyten) (proz., abs.) in Körperflüssigkeiten und Liquor

Ja/Nein

 

Polymorphkernige Zellen inklusive Differenzierung der Granulozyten (proz., abs.) in Körperflüssigkeiten und Liquor

Ja/Nein

 

 

In dieser Tabelle der technischen Leistungsbeschreibung wird daher im Widerspruch zu Punkt 3 der technischen Leistungsbeschreibung keine CE-zertifizierte Methode für mono-und polymorphkernigen Zellen gefordert. Die Bieteranfrage, ob diese Tatsache ein Aus­schlusskriterium darstellt, wurde vom Auftraggeber am 02.10.2014 wie folgt beantwortet:

 

Frage:

Beim Punkt 3 - Medizinische Vorgaben der technischen Leistungsbeschreibung Seite 73/120 der Ausschreibungsunterlage muss eine CE-zertifizierte Methode für die Mes­sung von Retikulozyten, Liquor und Körperflüssigkeiten vorgewiesen werden. Die Etablierung einer „Inhouse- Methode" gemäß IVD- Richtlinien wird aufgrund des enormen Aufwands abgelehnt. In der anschließenden Tabelle wird nicht explizit auf die CE-Zertifizierung der Körperflüssigkeitsproben in mono- und polymorphkernige Zellen hingewiesen. Unser System bietet die Differenzierung von mono- und poly­morphkernigen Zellen in Körperflüssigkeiten als „Inhouse-Methode" an, nicht als FDA/IVD-CE zertifizierte Methode. Stellt diese Tatsache ein Ausschlusskriterium dar?

 

Antwort:

Nein, diese Tatsache steift kein Ausschlusskriterium dar, da laut technischer Leis­tungsbeschreibung nicht explizit auf die CE-zertifizierte Methode bei mononukleäre und polymorphkernigen Zellen in Körperflüssigkeiten und Liquor hingewiesen wird.

 

 

Diese Antwort erfolgte irrtümlich und hätte in dieser Form nicht an die Bieter ergehen dürfen. Der Auftraggeber hätte eine Berichtigung der Ausschreibungsunterlage bzw. der technischen Leistungsbeschreibung wie folgt vornehmen müssen:

 

CE-zertifizierte Methode zum Nachweis von mononukleären Zellen in Körperflüssigkeiten und Liquor

Ja/Nein

 

CE-zertifizierte Methode zur Differenzierung der mono-nukleären Zellen im Liquor in Lymphozyten und Monozyten (prozentuell, absolut)

Ja/Nein

 

CE-zertifizierte Methode zum Nachweis von polymorphkernigen Zellen in Körperflüssigkeiten und Liquor

Ja/Nein

 

CE-zertifizierte Methode zum Nachweis polymorphkerniger Granulozyten im Liquor (prozentuell, absolut)

Ja/Nein

 

 

Die Antwort hätte in der Folge lauten müssen:

„Das Fehlen einer CE-zertifizierten Methode zum Nachweis von mononukleären Zel­len in Körperflüssigkeiten und Liquor stellt ein Ausschlusskriterium dar. Das Fehlen einer CE-zertifizierten Methode zur Differenzierung der mononukleären Zeilen im Liquor in Lymphozyten und Monozyten (prozentuell, absolut) stellt ein Aus­schlusskriterium dar.

Das Fehlen einer CE-zertifizierten Methode zum Nachweis von polymorphkernigen Zellen in Körperflüssigkeiten und Liquor stellt ein Ausschlusskriterium dar. Das Fehlen einer CE-zertifizierten Methode zum Nachweis polymorphkerniger Gra­nulozyten im Liquor (prozentuell, absolut) stellt ein Ausschlusskriterium dar."

Die CE-Zertifizierung war von der zuständigen Fachabteilung stets gefordert; die Bieter-Anfrage wurde nicht, wie ursprünglich von der Fachabteilung vorgesehen, beantwortet. Die­se sah eigentlich Folgendes vor: „Auf Grund der doch recht hohen Anzahl an Liquores und einer Neurologie im Haus wünschen wir uns CE zertifizierte Reagenzien zumindest für Lympho- und Granulozyten, da es die am Markt bereits gibt! (das ist auch eine Vorgabe der Norm für zertifizierte Betriebe)[.] Hat das eine Firma nicht, ist das für uns ein Ausschluss­grund!"

 

Aufgrund von internen Kommunikationsproblemen wurde an die Bieter schließlich die inhalt­lich falsche Fragebeantwortung übermittelt. Die Mindestanforderung hinsichtlich der Mes­sung von mononukleären Zellen und polymorphkernigen Zellen in Körperflüssigkeiten und Liquor waren demnach in der technischen Leistungsbeschreibung falsch spezifiziert.

 

Das gesamte Labor am Standort V ist nach ISO 9001:2008 zertifiziert. CE-zertifizierte Medizinprodukte erfüllen die Anforderungen dieser ISO. Bei der Verwendung von nicht CE-zertifizierten Methoden müsste der Auftraggeber im Labor am Standort V eine „In-house-Zertifizierung" durchführen. Diese ist mit einem hohen internen Aufwand ver­bunden. Zudem bedeutet es haftungsrechtlich, dass der Auftraggeber das gesamte Risiko für die Richtigkeit der Messmethode und des Messergebnisses trägt. Das Risiko, einen fal­schen Befund zu erstellen, ist dem Auftraggeber bei nicht CE-zertifizierten Methoden zu groß.

 

 

C. Stellungnahme der Antragsgegnerin zu den von der Antragstellerin geltend gemach­ten Rechtsverletzungen und Gründen

 

Die Antragsgegnerin nimmt im Folgenden Bezug auf die im Schriftsatz der Antragstellerin vom 17.12.2014 genannten Punkte und die darin geltend gemachten Rechtsverletzungen und Gründe.

ad Punkt 2.1:

Die Antragstellerin unterstellt, dass für den Widerruf kein sachlicher Grund besteht. Wie oben unter den Punkten A und B dargelegt, erfolgte die Widerrufsentscheidung durch den Auftraggeber aus sachlichen Gründen.

 

Die Antragstellerin behauptet, dass eine Vergleichbarkeit der Angebote hinsichtlich der technischen Details gegeben war. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich im Falle einer In-house-Methode die Antragstellerin die Zertifizierungskosten erspart, die in Wesentlichen vom Auftraggeber zu tragen wären. Dies würde einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Bietern darstellen, die eine zertifizierte Methode anbieten.

 

 

Die Antragstellerin betont, dass nur 1% der Proben die Abarbeitung von „Körperflüssigkeits­proben" betreffen. In der Tat werden nur rund 60 Proben/Monat von Rückenmarksflüssigkeit im Labor untersucht. Aus den oben genannten Gründen verursacht aber bereits diese relativ geringe Anzahl an Messungen einen wesentlichen Mehraufwand. Darüber hinaus kann be­reits jede einzelne Messung Auswirkungen auf den Befund sowie Therapie und damit auf die Gesundheit und das Leben von Patientinnen und Patienten haben.

 

 

Die Antragstellerin behauptet, die Antragsgegnerin hätte mit ihrer Fragebeantwortung zum Ausdruck gebracht, dass sich das Vergabeverfahren auch an Systemtypen richte, die eine Validierung in Form einer mikroskopischen Kontrolle erfordere. Wie oben unter den Punkten B.1.2 und B.2.2 dargelegt, weisen die Kontrolle bzw. Zählung mit dem Mikroskop und der damit zusammenhängende Prozess Nachteile auf bzw. bergen Risiken in sich.

Die Antragsgegnerin benötigt daher und aus den o.a. Gründen (Punkte B.1.2, B.2.2 und B.3.2 der Stellungnahme der Antragsgegnerin) ein Gerätesystem, das die genannten MUSS-Kriterien erfüllt. Diese MUSS-Kriterien sind in den Ausschreibungsunterlagen nicht enthaltenen. Das ist der Grund, warum sich die Antragsgegnerin für einen Widerruf entscheiden musste. Es sei an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass - wie oben unter Punkt B.3.2 der Stellungnahme der Antragsgegnerin ausgeführt - die Fragebeantwortung vom 02.10.2014 durch die Antragsgegnerin irrtümlich erfolgte und in dieser Form nicht an die Bieter hätte ergehen dürfen.

 

Eine neuerliche Ausschreibung würde entgegen den Ausführungen der Antragstellerin aus den oben genannten Gründen sehr wohl neue technische Spezifikationen mit sich bringen. Eine Neuausschreibung würde jedenfalls zu einer technisch-wirtschaftlich besseren Lösung und zur Erhaltung des momentanen hohen qualitativen Standards bezüglich Liquormessung führen.

 

Wie die Antragstellerin meint, „klar" sind usw., so ändert dies nichts daran, dass die Antragsgegnerin die Mindestanforderungen aus den oben genannten Gründen und Folgen (siehe Punkte B.1.2, B.2.2. und B.3.2) unzureichend festgelegt hat.

 

Wie oben unter den Punkten A und B dargelegt, wurde die Widerrufsentscheidung aus sachlichen Gründen getroffen.

 

Bei Nichtdurchführung des Widerrufs würde die Chance auf eine Zuschlagserteilung zugunsten der Antragstellerin deswegen nicht weiterhin offen stehen, weil die Antragstellerin gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 auszuscheiden wäre. Sie hat ein den Ausschreibungsbestimmungen widersprechendes Angebot gelegt (unbehebbarer Mangel).

 

Die Ausschreibungsunterlage sieht in Punkt 4.11 spezifische Vertragsbestimmungen für Wartung und Instandhaltung vor, die in einem separaten „Wartungsvertrag" (Anhang ./5 der Ausschreibungsunterlage) geregelt sind. Die Antragstellerin legte ihrem Angebot „Service-Vertragsbedingungen" bei, die dem „Wartungsvertrag" der Antragsgegnerin (= Auftraggeber) z.B. in folgenden Punkten widersprechen (Hervorhebungen in den Originaldokumenten nicht enthalten):

-       im „Wartungsvertrag" des Auftraggebers wird unter Punkt 7 Abs. 3 (Entgelt) geregelt, dass das „Jahrespauschalentgelt [...] vom Auftragnehmer jährlich gesondert zum

30. Juni in Rechnung gestellt [wird] und [...] binnen einer Zahlungsfrist von 30 Tagen ab Rechnungseingang zur Zahlung fällig" ist. Demgegenüber legt Punkt 4 der „Ser­vice-Vertragsbedingungen" der Antragstellerin fest, dass der Jährliche Vertragspreis [...] innerhalb von 30 Tagen nach Rechnungsstellung für ein Jahr im Voraus und oh­ne Abzug fällig" ist;

-       im „Wartungsvertrag" des Auftraggebers wird unter Punkt 8 lit a (Garantie und Haf­tung) geregelt, dass der Auftragnehmer für „durchgeführte Arbeiten und gelieferte Bauteile (Ersatzteile) [...] eine Garantie für die Dauer von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Beendigung der Arbeiten bzw. des vollendeten Einbaues des Ersatz(Bau)teils" leistet. Demgegenüber legt die Antragstellerin in Punkt 8 der „Service-Vertragsbedingungen" fest, dass sie ,,[f]ür eingebaute Ersatzteile [...] zwölf Monate Gewähr" leistet;

-       im „Wartungsvertrag" des Auftraggebers wird unter Punkt 10 Abs. 2 (Vertragsdauer) geregelt, dass der Auftragnehmer „für die Dauer von 8 Jahren ab Vertragsabschluss auf eine Kündigung" verzichtet; weiters legt der „Wartungsvertrag" in Punkt 10 Abs. 6 fest, dass der Auftragnehmer „außer bei Vorliegen der [im Wartungs­vertrag] unter lit. Punkt h) und i) angeführten wichtigen Gründe - für die Dauer des abgegebenen Kündigungsverzichts nicht berechtigt [ist], diesen Vertrag zu kündigen." Demgegenüber legt die Antragstellerin in Punkt 10 der „Service-Vertragsbedingungen" von den Bestimmungen des Wartungsvertrages des Auftrag­gebers abweichende Kündigungsrechte bzw. -bedingungen fest;

-       im „Wartungsvertrag" des Auftraggebers wird unter Punkt 12 (Gerichtsstand und an­zuwendendes Recht) geregelt, dass ,,[f]ür die Entscheidung aller Rechtsstreitigkeiten aus dem gegenständlichen Vertrag [...] ausschließlich das sachlich in Betracht kom­mende Gericht in L./O. zuständig" ist. Demgegenüber legt die An­tragstellerin in Punkt 14 der „Service-Vertragsbedingungen" fest, dass „Wien als Ge­richtsstand vereinbart" wird.

 

Der Antragstellerin ist aus den oben genannten Gründen daher kein Schaden entstanden.“

 

 

Die Antragsgegnerin beantragte daher, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge die Anträge der Antragstellerin vom 17. Dezember 2014 zur Gänze ab- bzw. zurückweisen.

I.4. In Erwiderung dieses Vorbringens führte die Antragstellerin in ihrer Stellungnahme vom 23. Jänner 2015 aus, es liege kein Alternativangebot iSd
§ 29 Abs. 1 Z 7 BVergG vor. Gemäß Punkt 0.1. letzter Absatz der Ausschreibungsbedingungen hätten die von einem Bieter in seinem Angebot allenfalls beigefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine Gültigkeit. Unter Allgemeine Geschäftsbedingungen würden natürlich auch allgemeine Servicebedingungen fallen. Des Weiteren habe gemäß Punkt 0.7. der Ausschreibungsunterlagen sich der Angebotssteller dazu zu verpflichten, dass die „Erbringung der insbesondere in der Leistungsbeschreibung angeführten Leistungen unter Berücksichtigung der gesamten Ausschreibungsunterlagen“ anzubieten hat, also ohne Allgemeine Geschäftsbedingungen.

 

In Anhang 5 zu den Ausschreibungsunterlagen liege ein „Muster-Wartungsvertrag für Medizintechnikanlagen“ vor. Dieser Muster-Wartungsvertrag, der integraler Bestandteil der Ausschreibungsunterlage sei, sehe einerseits unter Punkt 12 „Gerichtsstand und anwendbares Recht“ vor, dass Rechtsstreitigkeiten vor dem sachlich in Betracht kommenden Gericht in L./O. durchzuführen seien und unter Punkt 13, 3. Absatz, folgende Passage: „Beim Auftragnehmer ansonsten allenfalls gebräuchliche „Allgemeine (Vertrags-) Bedingungen“ oder dgl. haben in Verbindung mit dem gegenständlichen Vertrag nur Gültigkeit, soweit sie vom Auftraggeber ausdrücklich schriftlich anerkannt wurden.“

 

Diese Ausschreibungskriterien seien bestandsfest geworden, das heiße, dass die von der Antragstellerin beigefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Teil des Angebotes seien. Hinzu komme noch, dass die Antragstellerin nie explizit darauf verwiesen habe, dass sie im Gegensatz zu Punkt 0.1. ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen als Angebotsvoraussetzungen stipulieren würde. Die Antragstellerin habe diese Bestimmung nicht durchgestrichen, sondern habe sie durch ihre Unterschrift und Beigabe des Firmenstempels inhaltlich bestätigt und sich diesen Bedingungen unterworfen. Die Antragstellerin habe und wollte niemals die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ihrem Angebot zu Grunde legen und ein verständiger Erklärungsempfänger hätte insbesondere in Bezug auf den klaren Wortlauft zu Punkt 0.1. der Bestimmung des Punktes 0.7. und der Beilage ./5 betreffend Mustervertrag auch nie das so aufgefasst, dass, wie gesagt, sich die Antragstellerin den Bedingungen nie vollkommen unterworfen habe. Hinzu komme noch, dass die Bestimmung, dass mitgesandte Allgemeine Geschäftsbedingungen keine Gültigkeit erlangen würden, bestandsfest geworden sei und daher diese per se nicht zur Anwendung gelangen würde. Aus all diesen Gründen liege kein Alternativangebot iSd § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG vor.

 

Zu irrtümlichen Aussagen gegenüber der Antragstellerin betreffend einer „CE-zertifizierten Methode“ für die Messung von Retikulozyten, Liquor und Körperflüssigkeiten: Die Frage, inwieweit eine CE-Zertifizierung vorliegen müsse oder nicht, sei von der Antragstellerin spezifisch an die ausschreibende Stelle herangetragen worden. Die Antwort der ausschreibenden Stelle sei eindeutig, dass diese nicht vorliegen müsse. Dass das Labor, welches das System etabliere, dies nicht wolle bzw. nicht bereit sei, sich auf ein neues System einzulassen, sei nicht Gegenstand des Verfahrens. Gegenstand des Verfahrens sei, dass in Kenntnis dieser Frage, die ausschreibende Stelle darauf geantwortet habe, die Ausschreibungsunterlagen bestandsfest geworden seien und somit in Kenntnis dieses Umstandes, bestandsfeste Bedingungen vorgelegen seien. Die Gründe, wieso die ausschreibende Stelle solch eine Beantwortung vorgenommen habe, könnten nicht der Antragstellerin zugerechnet werden. Es würden daher auch nicht die Widerrufsgründe der gesetzlichen Bestimmungen vorliegen, also Gründe, die schon vor Einleitung des Vergabeverfahrens bekannt gewesen wären und eine Ausschreibung ausgeschlossen oder zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt hätten. Dieser Punkt sei vorgetragen worden, von der vergebenden Stelle beantwortet worden und sei nun dies im Vergabeverfahren zu unterstellen, und sei somit Inhalt der Ausschreibung geworden.

 

Der Punkt der „Mehrarbeit“ sei technisch auch nicht nachvollziehbar, wie auch nicht die Gefährdung von Mitarbeitern. Richtig sei, dass es sich beim System der Antragstellerin um ein anderes System handle, als jenes, welches derzeit verwendet werde. Dies bedeute richtiger Weise auch eine Umschulung und Einarbeitung auf ein neues System. Dass dies anfangs einen Mehraufwand bedeute, um sich mit diesem neuen System vertraut zu machen, sei auch unumstritten. Es bedeute aber nicht, wie von der Antragsgegnerin dargelegt, dass der Zeitaufwand in Höhe von 2.800 Stunden durch dieses „neue System“ aufgrund eines Parameters gegeben sei, wie dargelegt werde. Zur Nacharbeit in der Hämatologie: In der Hämatologie zum Beispiel bei der Beurteilung, ob eine Leukämie-Erkrankung vorliege oder nicht, sei immer eine Nacharbeitung notwendig. Die Nacharbeit bestehe darin, dass die Probe auf einem Objektträger aufgestrichen, eingefärbt, mikroskopiert und dann auch entsprechend dokumentiert werde. Dies müsse man sich zum Beispiel bei einer Leukämieprobe wie folgt vorstellen: Das Gerät zeige an, dass eine „krankhafte“ Probe vorliege, diese müsse dann weiterhin analysiert werden, da gerade bei einer Leukämie-Erkrankung es darauf ankomme, welche Zelltypen in der Probe selbst vorgefunden würden, um eine valide Diagnose zu erstellen. Um es sich besser vorstellen zu können, könne man einen Vergleich zum Verkehrsbereich ziehen: Ein Radargerät, das das Bild von  hinten aufnehme, erkenne zwar den Fahrzeugtyp und das Nummernkennzeichen, aber es sei eine Nachbearbeitung dahingehend notwendig, um den Fahrzeuglenker zu erheben. Nichts anderes sei es beim Fall der Hämatologiediagnose.

 

 

Wichtig sei auch in Zusammenhang mit der Abarbeitung der Proben, dass nicht ein einzelner Parameter herausgepickt werde, sondern dass das System als Gesamtes betrachtet werde und basierend auf dieser Gesamtbetrachtung eruiert werde, inwieweit es durch das neue System zu einer Zeitersparnis komme. Direkte aktuelle Vergleichsdaten, die die beiden angebotenen Systeme in Bezug auf die Effizienz bzw. Abarbeitung der Proben gegenüberstellen würden, gebe es, nach Wissenstand der Antragstellerin, nicht. Es gebe aber Daten, die aus dem Jahr 2007 stammen würden und S (aktuell in V installiert) sowie das System der Antragstellerin vergleichen. Wie schon ausgeführt, erkenne das Gerät per se, ob eine Probe auffällig sei oder nicht. Laienhaft gesprochen setze das Gerät „einen Warnhinweis“ ab. Diesem Warnhinweis sei durch händische Nachbearbeitung nachzugehen. Wenn die 2007er Daten nun herangezogen würden, bedeute dies aber, dass beim System der Antragstellerin 12% weniger „falsche positive Warnhinweise“ durch das System abgegeben würden. Oder anders gesprochen: Wenn keine falsch positiven Ergebnisse vorliegen würden, falle keine Nacharbeit an, somit ergebe sich eine Zeitersparnis für das Labor. Damit würde sich für das System der Antragstellerin eine Zeitersparnis von mehreren hundert Stunden pro Jahr ergeben. Darüber hinaus bedürften natürlicherweise auch die Körperflüssigkeits-/Liquorproben, die jetzt durch das vorhandene System gewonnen würden, einer entsprechenden Überprüfung. Es sei nicht so, dass jedes System einwandfrei arbeite und die Proben 1:1 bzw. die Analyseergebnisse 1:1 bei jeder Probe übernommen werden könnten. Kein System arbeite fehlerfrei. Auch dieser Aspekt sei nicht entsprechend berücksichtigt worden. Es komme auch hier zu einem zusätzlichen Zeitaufwand.


Dass hier ein Risiko für die Mitarbeiter bestehen würde, ist wohl nunmehr eine Scheinbehauptung. Das System der Antragstellerin werde erfolgreich in sehr großen Labors eingesetzt und es gebe keine statistik-signifikanten Unterschiede in Bezug auf die „Gefährdung von Mitarbeitern“, die Proben entweder durch die anderen Systeme am Markt oder durch das System der Antragstellerin bearbeiten würden. Dies stelle eine unbegründete, unbewiesene Unterstellung dar, die sich wohl nur aus dem Fakt ergeben könne, dass sich im Labor schon eine gewisse Routine für ein anderes System etabliert habe und dieses System wohl beibehalten werden wolle. Dies sei aber nicht Ziel und Aufgabe eines Vergabeverfahrens, ein System weiterhin zu betreiben, welches nicht das kosteneffizienteste sei.

 

Im Vergleich zum jetzigen etablierten System weise das System der Antragstellerin auch weitere Vorteile auf: Die automatische Wiederholungs-messung bringe wiederum für ein durchschnittliches Labor eine Zeitersparnis, nämlich von ca. 2 Minuten pro Probe. Bei einer Ausgangsgröße von 60.000 Proben per anno stelle dies ebenfalls eine Zeitersparnis dar gegenüber Systemen, die diese Funktion nicht aufweisen würden. Auch ergebe sich aus den Unterlagen, die die Antragstellerin beigelegt habe, dass der Wartungsaufwand beim System der Antragstellerin unter einer Minute liege. Auch hier ergebe sich wiederum eine Zeitersparnis für das Labor.

 

Nicht beachtet worden sei in diesem Zusammenhang auch, dass sich natürlicherweise im Laufe der Zeit mit einem neuen System eine gewisse Routine einfinde, die es ermögliche, den Aufwand für die Liquor-Nachbearbeitung entsprechend zu reduzieren. Es sei noch einmal angemerkt, dass das System in mehreren, größeren Labors innerhalb der Europäischen Union angewandt wird, die Labors im Zeitmanagement genauso effektiv seien, wie man es sich von einem durchschnittlich großen Labor erwarte und es auch nicht zu Beanstandungen in Bezug auf die Mitarbeiter- und Patientensicherheit gekommen sei. Wie gesagt, es stelle ein neues System dar, es bedürfe einer Einarbeitung, aber dies könne nicht dazu führen, dass ein Vergabeverfahren widerrufen werde, nur weil diese Mühen gescheut würden und auch nicht daran scheitern, dass nur ein Parameter herausgepickt werde, ohne eine Betrachtung der Gesamtabläufe zu berücksichtigen.

 

 

I.5. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 3. Februar 2015 erstatteten die Parteien weiteres Vorbringen.

 

I.5.1. Die Antragsgegnerin führte zunächst aus, dass in zwei Entscheidungen der VwGH das Abweichen von durch den Auftraggeber vorgegebene Vertragsbedingungen nicht als Widerspruch erachtete, der ein Ausscheiden rechtfertigen würde. In der Entscheidung vom 19.11.2008, 2004/04/0102, waren auf der Rückseite des Begleitschreibens Lieferbedingungen abgedruckt; in der Entscheidung vom 25.01.2011, 2006/04/0200, handelte es sich um einen Hinweis in einer Fußzeile. Der antragsgegenständliche Fall sei von diesen Fallkonstellationen aus folgenden Gründen zu unterscheiden: Es handle sich einerseits um keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen, andererseits seien die Vertragsbedingungen nicht auf der Rückseite eines Begleitschreibens abgedruckt und sie seien nicht auf einem Vordruck auf dem Unternehmenspapier enthalten. Hingegen habe die Antragstellerin der Antragsgegnerin in einem separat beigelegten Blatt auf der letzten Seite der Angebotsunterlagen „Service-Vertragsbedingungen“ übermittelt und den darin enthaltenen Inhalt gegenüber der Antragsgegnerin somit ausdrücklich erklärt. Ein objektiver Erklärungsempfänger könne diese explizite Beilage von Vertragsbedingungen nur so verstehen, dass die Antragstellerin im Hinblick auf die „Service-Bedingungen“ von der an anderer Stelle des Angebotes abgegebenen Erklärung, sich den Bedingungen der Antragsgegnerin zu unterwerfen, abweichen wolle. Es sei kein anderer Grund erkennbar, weshalb sonst die Antragstellerin dieses separate Blatt dem Angebot beigelegt habe. Die Erklärung sei demnach zivilrechtlich beachtlich. Die Bestimmung des § 129 Abs. 1 Z 7 1. Fall BVergG mache keinen Sinn, wenn man solchen zivilrechtlich relevanten Erklärungen keine Wirkung zumessen würde.

 

Die Antragsgegnerin benötige am Standort V, einem Schwerpunktkrankenhaus, ein System mit gewissen Mindestanforderungen. Gerade weil diese nicht Gegenstand des Vergabeverfahrens gewesen seien, solle eben dieses Verfahren widerrufen werden. Die Bestandsfestigkeit ändere nichts daran. Gerade auch für nicht angefochtene, also bestandsfeste Ausschreibungsbedingungen sehe § 139 BVergG Gründe für einen Widerruf  vor. Es zähle zu den Aufgaben des Auftraggebers, den Leistungsgegenstand zu beschreiben, und zwar grundsätzlich so, wie er ihn haben wolle und dass er seinen Vorstellungen entspreche (BVA 3.12.2010, N/0076-BVA/02/2010-36).

 

Wenn der Auftraggeber bemerke, dass er die Ausschreibung nicht seinem Bedarf entsprechend gestaltet habe (z.B. 10.000 Spritzen statt 1.000.000 Spritzen; PKW ohne statt PKW mit Anhängerkupplung), so liege ein sachlicher Grund für den Widerruf vor. Genauso liege ein sachlicher Grund für einen Widerruf vor, wenn der Auftraggeber, wie das bei der Antragsgegnerin der Fall sei, feststellen müsse, dass sein Bedarf nicht gedeckt werden könne, wenn etwa bei einer Ausschreibung von H der Cut-Off-Wert für Leukozyten im Liquor nicht mit <4 Zellen/µl als Muss-Kriterium festgelegt werde. Gemäß § 139 Abs. 2 Z 3 BVergG könne das Vergabeverfahren widerrufen werden, wenn dafür sachliche Gründe bestünden. Wie von der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 14. Jänner 2015 dargelegt, würden sachliche Gründe für einen Widerruf vorliegen. Wie von der Antragsgegnerin mitgeteilt, seien ihr bestimmte Sachverhalte erst im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung bekannt bzw. bewusst geworden. Diese Umstände hätten zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt, wenn sie schon vor Einleitung des Vergabeverfahrens bekannt bzw. bewusst gewesen wären.

 

Darüber hinaus sei auch der Tatbestand des obligatorischen Widerrufs gemäß
§ 139 Abs. 1 Z 2 BVergG erfüllt. Der Umstand, dass Geräte am Markt seien, die nicht den notwendigen Anforderungen der Auftraggeberin entsprechen würden, die aber aufgrund der formulierten Bedingungen in den Ausschreibungs-unterlagen für eine Zuschlagsentscheidung in Frage kommen würden, sei vor Einleitung des Vergabeverfahrens nicht bekannt gewesen und hätte eben zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt, wäre dieser Umstand bekannt gewesen. Auch der Umstand, dass eine irrtümliche Fragebeantwortung erfolgen würde, war vor Einleitung des Vergabeverfahrens nicht bekannt und hätte, wäre er bekannt gewesen, zu einer den Irrtum beseitigenden Maßnahme der Antragsgegnerin und damit zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt.

 

Die Stundenzahl von 2.880 rühre nicht her aus der „Umstellung und Einarbeitung eines neuen Systems“, sondern ergebe sich aufgrund der Notwendigkeit der manuellen Nachbearbeitung im Bereich der Liquor-Diagnostik. Diese manuellen Nachbearbeitungen wären deswegen erforderlich, weil die Antragsgegnerin aufgrund des damit verbundenen enormen Aufwandes keine In-House-Methode anwenden würde. Erst wenn man aufgrund einer durchgeführten In-House-Methode zu verwertbaren Messergebnissen käme, würde sich der Stundenaufwand verringern.

 

Es sei zutreffend, dass in der Hämatologie (großes und kleines Blutbild) immer Nachbearbeitungen notwendig seien. Die sachlichen Gründe der Antragsgegnerin für eine Widerrufsentscheidung würden sich aber nur auf eine Liquor-Diagnostik beziehen. Die Ausführungen der Antragstellerin würde vom eigentlichen Thema ablenken, nämlich dass in der Liquor-Diagnostik bei einem automatischen System nahezu keine Nachbearbeitungen notwendig seien. Der von der Antragstellerin gezogene Vergleich zum Verkehrsbereich sei daher für die Liquor-Diagnostik unzutreffend. Es gehe im konkreten Fall um die automatische Überprüfung der Anzahl an Zellen im unteren Messbereich, um sich damit manuelle Überprüfungen am Mikroskop zu ersparen. Es gehe nicht, um beim Beispiel aus dem Verkehrsbereich zu bleiben, um die Identifizierung des Fahrzeuglenkers, sondern darum, ob das Gerät die zusätzliche spezielle Funktion einer automatischen Überprüfung der Gültigkeit der Autobahnvignette, etwa mittels digitaler Bildanalyse, aufweise. Es wären dann keine zusätzlichen persönlichen Verkehrskontrollen erforderlich.

 

Darüber hinaus stelle die Antragstellerin offenbar auf die Hämatologie (großes und kleines Blutbild) ab und nicht auf die Diagnose von Liquor. Außerdem handle es sich um eine von Seiten der Antragstellerin nicht näher bezeichnete und unbelegte Überprüfung, die vor mehr als 7 Jahren durchgeführt worden sei. Die Notwendigkeit der Berücksichtigung einer Gesamtzeitersparnis würde möglicherweise einen (weiteren) Grund für einen Widerruf darstellen.

 

Allerdings gelte es zu beachten, dass eine allfällige Zeitersparnis bei der Untersuchung von Blutbildern nicht ohne weiteres rein quantitativ mit dem zeitlichen Mehraufwand bei der Liquor-Diagnostik aufgerechnet werden könne. Dort kämen über den bloßen zeitlichen Mehraufwand hinausgehend qualitative Aspekte dazu, etwa die belastende Situation bei der manuellen Zellzählung im Liquor, das Gefährdungspotenzial bei der manuellen Untersuchung, die Notwendigkeit die Probe binnen einer Stunde abzuarbeiten und die bestehenden zusätzlichen Unannehmlichkeiten für die Patienten, falls dies nicht rechtzeitig erfolgen könne. Im Gegensatz dazu könne eine Blutprobe eine Zeit lang liegen bleiben, sollte durch einen „Warnhinweis“ eine neuerliche Untersuchung erforderlich sein.

 

Es sei richtig, dass nicht jedes System einwandfrei arbeite. Allerdings könnten beim derzeitigen automatischen System die Proben nahezu zur Gänze ohne weitere manuelle Überprüfung übernommen werden. Die Antragsgegnerin behaupte nicht, dass das System der Antragstellerin ein Risiko für die Mitarbeiter der Antragsgegnerin darstellen würde, sondern dieses Risiko aufgrund der manuellen Untersuchung bestehe. Bei 14 Proben/Monat besteht natürlich die Möglichkeit einer Ansteckung, weil es sich um ein offenes System handle. Jeder einzelne Fall müsse vermieden werden. Statistische Signifikanzen seien hierbei irrelevant. Nicht von ungefähr gehe der Trend hin zu geschlossenen Systemen.

 

Keineswegs gehe es der Antragsgegnerin darum, ein etabliertes System beizubehalten. Ein Indiz dafür sei die gegenständliche EU-weite Ausschreibung, die sich an die Unternehmen des Europäischen Medizinproduktemarktes richten würde. Es müsse der Antragsgegnerin aber unbenommen bleiben, die Anforderungen zu bestimmen, solange diese nicht unsachlich bzw. diskriminierend seien. Es gehe der Antragsgegnerin im Übrigen nicht um das „kosteneffizienteste“, sondern um das „technisch und wirtschaftlich günstigste“ System.

 

Die Ausführungen der Antragstellerin hätten nichts mit der Liquor-Diagnostik zu tun. Die Ausführungen würden im Übrigen zu Fehlinterpretationen leiten. Es gehe sicher nicht um eine Zeitersparnis von 60.000 Proben x 2 Minuten. Das wären 120.000 Minuten. Das wären rund 129 Minuten/Tag oder knapp 5½ Stunden/Tag. Den tatsächlichen Zeitaufwand für Wiederholungsmessungen schätze die Antragsgegnerin mit vielleicht 10 Minuten/Tag, weil es sich um den bloßen Akt der Ingangsetzung der automatischen Untersuchung von den von der Wiederholung betroffenen Proben handeln würde. Die Mitarbeiter müssten aber nicht beim Gerät bleiben.

 

Beim Krankenhaus am Standort V handle es sich um ein Schwerpunktkrankenhaus. Es sei ein öffentliches Krankenhaus. Es gehe demnach um die Gesundheit einer breiten Masse von Menschen im Einzugsbereich des Krankenhauses. Nicht nur deswegen würden interne Qualitätsbestimmungen für das Labor am Standort V eine CE-zertifizierte Methode verlangen. Eine In-House-Methode komme aufgrund des enormen Aufwands für die Antragsgegnerin nicht in Frage. Um einen weiteren Vergleich aus dem Verkehrsbereich zu ziehen: Bei der Beschaffung eines Busses mit 10 Sitzen gehe der Auftraggeber davon aus, dass dieser Kraftzeug rechtlich zugelassen sei. Werde kein Bus, sondern ein Kombi mit 10 Sitzen angeboten, so erfülle dieser zwar den Zweck des Auftraggebers. Um das Fahrzeug für den öffentlichen Verkehr zu benützen, müsste der Auftraggeber den Aufwand für die Einzelgenehmigung tragen. Es sei verständlich, dass ein Auftraggeber das nicht wolle und er daher ein Fahrzeug mit einer Typengenehmigung, also einem Typenschein, fordere.

I.5.2. Die Antragstellerin erstattete ebenfalls in der öffentlichen mündlichen Verhandlung ein weiteres Vorbringen:

1.            Im Klinikum V wird aktuell ein System von S verwendet, nämlich der A x. Wie aus den Unterlagen ersichtlich wurde Seitens der Antragstellerin ein System des Typs U x x angeboten.

2.            Im Klinikum V wurden nach dem Leistungsspektrum in den Ausschreibungs-unterlagen im Jahr 2013 87.850 Blutproben und 700 Körperflüssig-keitsproben (500 Liquores und 200 Punktate) analysiert.

 

a. Die Angaben seitens der G zu dem Mehraufwand durch die
Verwendung der x-Systeme gegenüber den x-Systemen beziehen sich ausschließlich auf die 700 Körperflüssigkeitsproben.

 

b.     Diese Proben machen nur 0,8% aller analysierten Proben aus.

 

c. 99,2% aller Analysen sind von der Betrachtung durch die G
ausgeschlossen.

 

d. Außer Acht gelassen wurden damit Zeitersparnisse bei der Abarbeitung dieser 99,2% durch Umstellung auf das System der Antragstellerin. Diese wurden durch die G nicht betrachtet. Es wurde ein Systemvergleich zwischen den beiden Systemen eben gerade nicht durchgeführt, sondern es wurden zwei Parameter „herausgepickt", die spezifisch für das x System sind. Die Ausschreibung war systemoffen, und gerade eben nicht auf einem bestimmten Anbieter zugeschnitten. Dies wird aber dann durch den Widerruf erreicht, da dann eben genau diese beiden Parameter
sich wiederfinden werden.

Wenn aber das ganze System betrachtet wird, kommt es durch die Verwendung des Systems zu Zeitersparnissen. Überdies ist das System der Antragstellerin um EUR 90.000.-- günstiger.

 

3.      Zeitersparnisse in  der Analytik durch  den Einsatz des Systems der Antragstellerin:

 

a.         Der Prozess zur Erstellung von Blutbildergebnissen kann in zwei Teile getrennt werden:

1.    Die Analyse und Rohdatenerstellung durch die Geräte.

2.    Der postanalytische Prozess, bei dem die Daten der Analyse-systeme im Labor überprüft werden bevor sie an die Ärzte weitergeleitet werden.

 

                         b.   Unter bestimmten Umständen müssen weitere manuelle Analyseschritte durchgeführt werden, um das finale Ergebnis an die Ärzte weitergeben zu können, da die Rohdaten der Analysesysteme nicht die gesamte notwendige Information enthalten oder fragwürdig sind.

 

                         c.   Zu den Überprüfungsprozeduren gehören unter anderem Wiederholungs- und Bestätigungsmessungen bei stark pathologischen Werten und die Erstellung sowie Bearbeitung von mikroskopischen Ausstrichpräparaten bei Hinweisen
auf
bestimmte Zelltypen, die von den Analysen Systemen nicht angegeben werden können.

 

                         d.   In vergleichenden Studien zwischen Systemen der Antragstellerin und S konnte gezeigt werden, dass die Häufigkeit mit der ein Ausstrich zur
Überprüfung der Werte bei dem System der Antragstellerin um
ca. 10% niedriger lag als bei x-Systemen (Kang et al. 2007; Bourner et al, 2005-Beilage D).

 

                         e.   Bei einer Ausstrichrate von nur 7%, das bedeutet bei 7 von 100 Proben muss ein mikroskopisches Präparat erstellt werden, fallen mit den Zahlen des
Leistungsspektrums
6.150 Ausstriche pro Jahr an.

 

                         f.   Bei einer Einsparung von 10% nach einer Umstellung auf das System der Antragstellerin könnten 615 Ausstriche pro Jahr eingespart werden.

 

                         g.   Konservativ angegeben benötigt die komplette Bearbeitung eines
mikroskopischen Ausstriches inkl. Erstellung des beschrifteten Objektträgers, Ausstreichen des Blutes, Färbung, Mikroskopie und Dokumentation im Durchschnitt
15 min Bearbeitungszeit durch das Laborpersonal. 615 x 15 min= 153 h/a => 1230 h Ersparnis in acht Jahren.

 

 

                         h.   Die Systeme der Antragstellerin verfügen über eine Funktion zur
vollautomatischen Durchführung von Wiederholungs- und Bestätigungsmessungen. Diese Funktion steht bei den x-Systemen nicht zur Verfügung.

 

                         i.    Bei einer sehr niedrig angenommenen Wiederholungsrate von 3% aller
Blutproben würden pro Jahr
2635 Proben wiederholt.

 

j. Für die Wiederholung einer Probe fallen zahlreiche manuelle Arbeitsschritte an: Feststellen der Notwendigkeit im Validierungsprozess, heraussuchen der Proben aus dem Archiv, erneutes Laden der Proben in den Analysator, Vergleich der Werte beider Durchläufe.

 

k. Bei einer Annahme von 3 min pro Probe für den gesamten Prozess entlastet die automatische Wiederholungsmessung des x das Labor um 2635   x   3   min   =   131,7 h/a   ->   1054  Stunden   in   acht Jahren.

 

 

4.      Zeitersparnisse in der Wartung durch den Einsatz Systems der Antragstellerin:

 

a. Die Systeme der Antragstellerin verfügen über vollautomatische tägliche Reinigungs- und Wartungszyklen. Diese laufen ohne Bindung der Anwender an das Gerät ab. In den Ausschreibungsunterlagen haben wir daher in der technischen Leistungsbeschreibung unter Punkt 7.2.2 die Zeit, die der Anwender täglich für die Reinigung/Wartung des Systems aufbringen muss mit < 1min angegeben. Bei den anderen Systemen kann man von einer höheren Wartungszeit ausgehen.

b. Geht man bei der Kalkulation von nur 3,5 min pro Tag aus, sind das bei zwei Analysensystemen ca. 5 min Zeitersparnis pro Tag durch den Einsatz des Systems der Antragstellerin. In acht Jahren kommen so 208 Stunden Arbeitszeitersparnis durch den Einsatz des Systems der Antragsteller zusammen.

 

In dieser Relation ist einerseits die Stundenanzahl, die die Antragsgegnerin wegen der vermeintlichen Mehrbelastung angibt, zu sehen und des Weiteren ist dazu anzumerken, dass bei der Berechnung durch die Antragsgegnerin „Stehzeiten" miteinbezogen worden sind, wie Inkubationszeiten, etc. Das heißt die Zeit, die sich ein Mitarbeiter tatsächlich „aktiv" um die Probe kümmern muss, ist wesentlich geringer. Somit sind auch die geschätzten 3100h Mehraufwand nicht nachvollziehbar.

 

 

5. Nachtdienst: Die Antragsgegnerin vermeint auch, dass ein mikroskopisches Verfahren im Nachtdienst den Mitarbeitern nicht zumutbar wäre. Dazu ist anzumerken, dass die wenigsten Liquoruntersuchungen in der Nacht stattfinden, sondern der Großteil für Untertags geplant ist und wohl eine mangelnde Schulung durch die Antragsgegnerin nicht zu Lasten der Antragstellerin gehen kann.“

 

 

II. Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

II.1. Die Auftraggeberin hat als öffentliche Auftraggeberin gemäß § 27 BVergG am 19. September 2014 über die Internethomepage x zur Abgabe von Angeboten für ein offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung betreffend die „Lieferung und Installation von Hämatologiegeräten“ aufgefordert. Die Ausschreibung wurde außerdem im Amtsblatt der Europäischen Union zur Zl. 2014/S180-317129 und in der A.L. Zeitung ausgeschrieben bzw. bekanntgemacht.

 

Der Leistungsgegenstand umfasste die Lieferung und Installation von Hämatologiegeräten. Als Verfahrensart wurde das offene Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich gemäß den Bestimmungen des BVergG gewählt.

 

Ferner wurde unter Punkt 1.27. geregelt, dass Anfragen vorzugsweise schriftlich per E-Mail oder in Ausnahmefällen per Fax und in deutscher Sprache bis spätestens 29. Dezember 2014, 16.00 Uhr einlangend an folgende Stelle zu richten sind: D S, E-Mail: x, Fax: x.

 

Unter Punkt 4.5. Liefer- und Leistungsgegenstand sowie –umfang wurde der Gegenstand des Vertrages geregelt. Dieser ist der Kauf von zwei Hämatologiegeräten einschließlich von Nebenarbeiten wie Lieferung und Installation samt Anwendertrennung innerhalb von 8 Wochen Wartungsleistungen sowie Laborleistungen inklusive der Lieferung von Verbrauchsmaterial für Laborleistungen für die zwei gekauften Hämatologiegeräte.

 

 

Zu Punkt 3. wurden die medizinischen Vorgaben wie folgt geregelt:

 

„3 Medizinische Vorgaben

1)    Die Anforderungen betreffend Hämatologie sind jene eines Routinelabors mit hämatologischem und neurologischem Schwerpunkt (Blutbilder, Retikulozyten, Punktate und Liquor).

2)    Die Messung der Retikulozyten muss ohne manuelle Vorverdünnung und ohne Wechsel in einen anderen Modus aus dem Primärröhrchen erfolgen.

3)    Im Leistungskatalog des Labors wird auch die Messung von Leukozyten (differenziert) und Erythrozyten in Körperflüssigkeiten (Gelenks-, Pleura- und Aszitespunktate und Bronchial Lavage) angeboten.

4)    Das Hämatologiesystem muss eine CE-zertifizierte Methode für die Messung von Retikulozyten, Liquor und Körperflüssigkeiten vorweisen. Die Etablierung einer „Inhouse-Methode" gemäß IVD-Richtlinien wird aufgrund des enormen Aufwands abgelehnt.

 

 

3.1 Parameterliste:

Rot hinterlegte Zeilen sind MUSS-Kriterien, grüne sind SOLL-Kriterien. Wird ein MUSS-Kriterium nicht erfüllt, muss Ihr Angebot ausgeschieden werden. Für erfüllte SOLL-Kriterien erhalten Sie Punkte.

 

Parameter                                                                 

 

Max
Punkte

Erythrozyten

Ja/Nein

 

Hämoglobin

Ja/Nein

 

Hämatokrit

Ja/Nein

 

MCV

Ja/Nein

 

MCH

Ja/Nein

 

MCHC

Ja/Nein

 

Erythrozytenverteilungsbreite

Ja/Nein

 

 

 

 

Leukozyten

Ja/Nein

 

Neutrophile (proz., abs.)

Ja/Nein

 

Lymphozyten (proz., abs.)

Ja/Nein

 

Monozyten (proz., abs.)

Ja/Nein

 

Eosinophile (proz., abs.)

Ja/Nein

 

Basophile (proz., abs.)

Ja/Nein

 

Unreife Granulozyten (proz., abs.)

Ja/Nein

 

 

 

 

Thrombozyten

Ja/Nein

 

Mittleres Thrombozytenvolumen

Ja/Nein

 

Thrombozytenverteilungsbreite

Ja/Nein

 

Plättchenkrit

Ja/Nein

3

Anteil großzelliger Thrombozyten

Ja/Nein

3

 

 

 

CE-zertifizierte Methode für Retikulozyten (prozentuell und absolut)

Ja/Nein

 

Reifegrade der Retikulozyten

Ja/Nein

 

·         Reife Retikulozyten

Ja/Nein

2

·         Mittelreife Retikulozyten

Ja/Nein

2

·         Unreife Retikulozyten

Ja/Nein

2

Retikulozytenhämoglobingehalt

Ja/Nein

 

 

 

 

CE zertifizierte Methode für die Messung von Leukozyten in Körperflüssigkeiten und Liquor

Ja/Nein

 

CE zertifizierte Methode für die Messung von Erythrozyten in Körpeflüssigkeiten und Liquor

Ja/Nein

 

Mononukleäre Zellen (inklusive Differenzierung in Lymphozyten und Monozyten) (proz., abs.) in Körperflüssigkeiten und Liquor

Ja/Nein

 

Polymorphkernige Zellen inklusive Differenzierung der Granulozyten (proz., abs.) in Körperflüssigkeiten und Liquor

Ja/Nein

 

Summe Punkte werden zu Leistungen dazugerechnet

Ja/Nein

12

 

II.2. In weiterer Folge richtete die Antragstellerin Bieteranfragen an die Antragsgegnerin; per E-Mail vom Montag, 29. September 2014, 13.14 Uhr. Diese Anfrage hatte nachfolgenden Inhalt:

 

„Zu Ihrer Ausschreibung „W-J“ für das KH V stellen wir zusätzlich zu der am 26.09.2014 gestellten drei weitere Fragen:

 

Auf Seite 73/120 des Ausschreibungs-PDF wird die Aussage getroffen:

- 4. Das Hämatologiesystem muss eine CE-zertifizierte Methode für die Messung von Retikulozyten, Liquor und Körperflüssigkeiten vorweisen. Die Etablierung einer „In-House-Methode“ gemäß IVD-Richtlinie wird aufgrund des enormen Aufwandes abgelehnt.

- In der anschließenden Tabelle wird nicht explizit auf die CE-Zertifizierung der Körperflüssigkeitsproben in mono- und polymorphkernigen Zellen hingewiesen.

- Der U x x bietet die Differenzierung von mono- und polymorphkernigen Zellen in Körperflüssigkeiten, als „In-House-Methode“ an, nicht als x-CE-zertifizierte Methode.

Stellt diese Tatsache ein Ausschlusskriterium dar oder nicht?!

[…]“

 

Die Antragsgegnerin beantwortete mit E-Mail vom Donnerstag,
20. Oktober 2014, 9.27 Uhr sämtliche Bieteranfragen, darunter auch die obige Bieteranfrage der Antragstellerin.

 

Die Antwort lautete wie folgt:

 

„Antwort:

Nein, diese Tatsache stellt kein Ausschlusskriterium dar, da laut technischer Leistungsbeschreibung nicht explizit auf die CE-zertifizierte Methode bei mononukleären und polymorphkernigen Zellen in Körperflüssigkeit und Liquor hingewiesen wird.“

 

 

II.3. Aufgrund der oben geschilderten Ausschreibung langten bei der Antragsgegnerin 4 Angebote ein:

(1) A L AG, x, x

(2) S H C D GmbH, x, x

(3) S A GmbH, x, x

(4) B C GmbH, x, x

 

Diese Angebote wurden entsprechend der Angebotsöffnung am Freitag,
10. Oktober 2014, 10.00 Uhr bis 10.15 Uhr in einer Niederschrift festgehalten. Eine detaillierte Prüfung dieser Angebote bzw. Reihung der Angebote oder Ausscheidung von Angeboten wurde von der Antragsgegnerin nicht vorgenommen. Die Widerrufsentscheidung wurde bereits davor getroffen.

 

II.4. Das System der Antragstellerin bietet die Differenzierung von mono- und polymorphkernigen Zellen in Körperflüssigkeiten als „In-House-Methode“ an, nicht als FDA/IVD CE-zertifizierte Methode. Dies wurde von der Antragstellerin bereits in ihrer Bieteranfrage erklärt.

 

Nachdem eine Detailprüfung der Angebote durch die Antragsgegnerin nicht erfolgt ist, können weitergehende Feststellungen dazu, ob die Muss- bzw. Soll-Kriterien vom Angebot der Antragstellerin erfasst werden, vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht getroffen werden. Auch Feststellungen zu einer Reihung und/oder Ausscheidung der obigen Angebote können insofern nicht getroffen werden.

 

Die Frage, ob das Angebot der Antragstellerin bei Abschluss einer Angebotsprüfung auszuscheiden gewesen wäre oder an einer bestimmten Position in der Reihung zu platzieren gewesen wäre, ist gegenständlich nicht zu erörtern und kann dahingestellt bleiben. Die Frage der Relevanz des Ausscheidens ist für die Antragslegitimation von Bedeutung und stellt diesbezüglich eine Rechtsfrage dar, auf welche zu Punkt V. einzugehen ist.

 

 

II.5. Am 9. Dezember 2014 erging nachfolgende Widerrufsentscheidung der Antragsgegnerin an die Antragstellerin (und die weiteren Bieter):

 

„Wir danken Ihnen für Ihr Interesse am o.a. Verfahren und geben bekannt, dass nach Ablauf der Stillhaltefrist am 19.12.2014 beabsichtigt wird, ggst. Vergabeverfahren zu widerrufen.

Dieser Schritt wird dahingehend begründet, dass gemäß § 139 Abs. 2 (Z3) BVergG nach Ablauf der Angebotsfrist Vergabeverfahren widerrufen werden können, wenn dafür sachliche Gründe bestehen.

Es handelt sich gegenständlich um folgende sachliche Gründe:

Die Mindestanforderungen hinsichtlich der Messung von Leukozyten, Erythrozyten, mononukleären Zellen und polymorphkernigen Zellen in Körperflüssigkeiten und Liquor waren im technischen Leistungsverzeichnis unzureichend spezifiziert.

Dieser Sachverhalt wurde dem Auftraggeber erst im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung bekannt und hätte, wären diese Umstände vor Einleitung des Vergabeverfahrens bekannt gewesen, zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt.

Wir danken für Ihr Interesse und Ihre Bemühungen.“

 

 

II.6. Nach Angebotsöffnung und Prüfung der eingelangten Angebote musste die Antragsgegnerin feststellen, dass sie weitere Muss-Kriterien hätte definieren müssen. Insbesondere die Mindestanforderungen in der technischen Leistungsbeschreibung waren unzureichend spezifiziert, um den Ansprüchen im Labor der Antragsgegnerin zu genügen. Die unzureichend spezifizierten Mindestanforderungen (Muss-Kriterien) bedürfen daher einer weitergehenden Konkretisierung.

Diese neu und detaillierter zu spezifizierenden Mindestanforderungen (Muss-Kriterien) wurden von der Antragsgegnerin in ihrer Stellungnahme vom
14. Jänner 2015 umfassend dargestellt. Hinsichtlich dieser Darstellung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Punkt I.3. verwiesen.

 

Nicht nur die Muss-Kriterien waren unzureichend, sondern auch die Ansprüche an die CE-zertifizierte- bzw. In-House-Methode im Hinblick auf mononukleäre Zellen bzw. polymorphkernige Zellen. Wenngleich diese Anforderungen in der Ausschreibung noch nicht gestellt waren, musste die Antragsgegnerin bei Prüfung der Angebote feststellen, dass diese Anforderungen in der Ausschreibung ebenfalls unzureichend waren. Auch diese Anforderungen wurden in der Stellungnahme vom 14. Jänner 2015 dargestellt und wird auf diese wiederum verwiesen (I.3.).

 

Insbesondere hätte die Antragsgegnerin eine Berichtigung der Ausschreibungsunterlage bzw. der technischen Leistungsbeschreibung wie folgt vornehmen müssen:

 

 

CE-zertifizierte Methode zum Nachweis von mononukleären Zellen in Körperflüssigkeiten und Liquor

Ja/Nein

 

CE-zertifizierte Methode zur Differenzierung der mono-nukleären Zellen im Liquor in Lymphozyten und Monozyten (prozentuell, absolut)

Ja/Nein

 

CE-zertifizierte Methode zum Nachweis von polymorphkernigen Zellen in Körperflüssigkeiten und Liquor

Ja/Nein

 

CE-zertifizierte Methode zum Nachweis polymorphkerniger Granulozyten im Liquor (prozentuell, absolut)

Ja/Nein

 

 

 

II.7. In Zusammenhang mit der Frage nach einer CE-Zertifizierung steht die Bieteranfrage der Antragstellerin vom 29. September 2014 bzw. die Antwort vom 2. Oktober 2014. Die Antragsgegnerin räumt dazu ein, dass die Antwort fehlerhaft war bzw. fälschlicherweise mitgeteilt wurde, dass eine CE-Zertifizierung für mononukleäre Zellen bzw. polymorphkernige Zellen nicht notwendig sei. Die Antragsgegnerin führt diese fälschliche Antwort auf interne Kommunikationsprobleme zurück. Insbesondere bestanden unterschiedliche Auffassungen zur Bedeutung der Ausschreibungsunterlage zwischen dem medizinischen und dem juristischen Personal der Antragsgegnerin.

 

Tatsächlich hat die zuständige Primaria der Antragsgegnerin in einer
E-Mail-Korrespondenz vom 30. September 2014 mit der Rechtsabteilung der Antragsgegnerin Nachfolgendes mitgeteilt:

 

 

„Zur Frage der zertifizierten Reagenzien: Aufgrund der doch recht hohen Anzahl an Liquores und einer Neurologie im Haus wünschen wir uns CE-zertifizierte Reagenzien, zumindest für Lympho- und Granulozyten, da es die am Markt bereits gibt! (Das ist auch eine Vorgabe der Norm für zertifizierte Betriebe)

Hat das eine Firma nicht, ist das für uns ein Ausschlussgrund!“

 

 

Die Antragsgegnerin hätte daher nachfolgende Antwort an die Antragstellerin erteilen müssen:

 

„Das Fehlen einer CE-zertifizierten Methode zum Nachweis von mononukleären Zellen in Körperflüssigkeiten und Liquor stellt ein Ausschlusskriterium dar.

Das Fehlen einer CE-zertifizierten Methode zur Differenzierung der mononukleären Zellen im Liquor in Lymphozyten und Monozyten (prozentuell, absolut) stellt ein Ausschlusskriterium dar.

Das Fehlen einer CE-zertifizierten Methode zum Nachweis von polymorphkernigen Zellen in Körperflüssigkeiten und Liquor stellt ein Ausschlusskriterium dar.

Das Fehlen einer CE-zertifizierten Methode zum Nachweis polymorphkerniger Granulozyten im Liquor (prozentuell, absolut.) stellt ein Ausschlusskriterium dar.“

 

 

II.8. Zusammengefasst sind insofern zwei Umstände relevant für den Widerruf der Ausschreibung: Einerseits die CE-Zertifizierung (welche Gegenstand der Bieteranfrage war) und strengere Muss-Kriterien (welche nicht Gegenstand der Bieteranfrage waren).

 

 

III. Beweiswürdigung:

 

III.1. Der festgestellte Sachverhalt geht zunächst bereits aus dem Akteninhalt und den von den Parteien erstatteten Anträgen bzw. Stellungnahmen hervor. Die Antragstellerin hat ihre Auffassung, ein Widerruf sei unzulässig bzw. nichtig dadurch dargetan, dass sie die von ihr gestellte Bieteranfrage darstellt, welche dann auch entsprechend beantwortet wurde, wohingegen nunmehr aber genau diese Thematik als Widerrufsgrund von der Antragsgegnerin aufgegriffen wurde. Die Korrespondenz zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin befindet sich im Akt des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich und konnte insofern vollständig nachvollzogen werden. Dass die Antragstellerin nunmehr der Auffassung ist, dass aufgrund der zwischenzeitig bestandsfesten Ausschreibungsunterlage bzw. der sich damit deckenden Korrespondenz ergeben müsste, dass ein mit dieser Thematik begründeter Widerruf unzulässig sein müsse, ist für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich verständlich. Allerdings muss auch hinterfragt werden, ob einer fälschlicherweise erteilten Antwort bzw. einer bestandsfesten Ausschreibung nicht gerade mit dem Mittel eines Widerrufs begegnet werden kann (dazu unten V.).

Ferner hat die Antragsgegnerin in ihren Stellungnahmen nicht nur das Erfordernis einer umfassenden CE-Zertifizierung, sondern auch den Bedarf an strengeren Muss-Kriterien dargelegt. Diese wurden insbesondere in der Stellungnahme vom 14. Jänner 2015 umfassend begründet. Auch der Bedarf an nachträglich hervorgekommenen – nämlich strengeren – Muss-Kriterien wird eine Frage der rechtlichen Diskussion bilden (dazu unten V.).

 

III.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat beide Parteien umfassend am Verfahren beteiligt. So wurde zunächst der Antragsgegnerin die Möglichkeit gegeben, sich zum Nachprüfungsantrag vom 18. Dezember 2014 zu äußern. Stellungnahmen der Antragsgegnerin erfolgten mit 9. Jänner 2015 (mit dieser Stellungnahme wurden auch die Unterlagen des Vergabeverfahrens, insbesondere die Ausschreibungsunterlage, das Angebot der Antragstellerin, die Korrespondenz mit den Bietern und die Widerrufsentscheidung) vorgelegt. Eine weitergehende und sehr detaillierte Stellungnahme erfolgte am 14. Jänner 2015 (mit welcher auch die interne Korrespondenz zwischen dem medizinischen und dem juristischen Personal der Antragsgegnerin vorgelegt wurde). Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat diese Stellungnahmen wiederum an die Antragstellerin übermittelt, welche ihrerseits eine Äußerung vom
23. Jänner 2015 erstattete.

 

Darüber hinaus hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auch die weiteren drei Angebote bei der Antragsgegnerin angefordert, welche daraufhin vorgelegt wurden.

 

III.3. Ferner hat am 3. Februar 2015 vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eine öffentliche mündliche Verhandlung stattgefunden. Zu dieser Verhandlung sind beide Parteien ladungsgemäß erschienen und haben jeweils Auskunftspersonen zu den in Rede stehenden Themen (CE-Zertifizierung, Muss-Kriterien und deren Bedeutung) stellig gemacht. Den Vertretern der Parteien wurde die Möglichkeit zur Erstattung von ergänzendem Vorbringen eingeräumt und wurden die Auskunftspersonen zu den Widerrufsgründen (CE-Zertifizierung, Muss-Kriterien, Korrespondenz) befragt.

 

Die Auskunftspersonen hinterließen beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einen sehr objektiven Eindruck. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich übersieht nicht, dass die gegenständliche Ausschreibung für beide Seiten eine gewichtige wirtschaftliche und finanzielle Bedeutung hat und deshalb die jeweiligen Interessen durchgesetzt werden wollen. Ungeachtet dessen waren sämtliche Beteiligte darum bemüht, die jeweiligen Beweggründe sachlich darzulegen.

 

 

III.4. Abschließend muss noch festgehalten werden, dass der gegenständliche Sachverhalt unstrittig ist. Die Ausschreibungsunterlage, welche bestandsfest geworden ist, gibt die Leistungsanforderungen wieder. Ob diese sodann einen Widerruf rechtfertigen, wird Frage der rechtlichen Beurteilung sein. Auch die Anforderungen an eine CE-Zertifizierung bzw. an die Muss-Kriterien lassen sich unstrittig aus der Ausschreibungsunterlage ersehen. Ebenso liegt die Korrespondenz zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin vor, welche nicht bestritten wurde. Dass die Anfragebeantwortung unrichtig war und fälschlicherweise erfolgte, wurde von der Antragsgegnerin glaubwürdig geschildert und von der Auskunftsperson Frau Prim. Dr. S H glaubwürdig wiedergegeben. Offensichtlich bestand tatsächliche eine Diskrepanz zwischen dem medizinischen und dem juristischen Personal. Dass dies nicht nur eine Schutzbehauptung darstellt, um die Ausschreibung widerrufen zu können, ergibt sich aus der ebenso vorliegenden internen Korrespondenz der Antragsgegnerin. Ob dies einen Widerruf rechtfertigt oder nicht wird wiederum Frage der rechtlichen Beurteilung sein.

 

III.5. Letzten Endes ist die Frage der Antragslegitimation der Antragstellerin ohnedies eine reine Rechtsfrage, zu welcher den Parteien auch die Möglichkeit eingeräumt wurde, ihre Rechtsauffassung umfassend darzulegen.

 

III.6. Nachdem ansonsten keine weiteren Beweisanträge gestellt wurden und der Sachverhalt abschließend geklärt ist, konnte auf Grundlage dieser Erhebungsergebnisse eine Entscheidung getroffen werden.

 

 

IV. Rechtslage:

 

Gemäß § 1 Abs. 1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs. 2 Z 2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Gemäß Art.14b Abs. 2 Z 2 lit. c B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch Unternehmungen im Sinne des Art. 127 bzw. 127a B-VG.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs. 1 leg.cit.

 

Gemäß § 2 Abs. 3 Oö. VergRSG 2006 ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z 16 lit. a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Oö VergRSG 2006 hat das Landesverwaltungsgericht eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene gesondert anfechtbarer Entscheidung eines Auftraggebers bzw. einer Auftraggeberin für nichtig zu erklären, wenn

1. sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung den Antragsteller bzw. die Antragstellerin in dem von ihm bzw. von ihr nach § 5 Abs. 1 Z 5 geltend gemachten Recht verletzt, und

2. diese Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.

 

Gemäß § 19 Abs. 1 Bundesvergabegesetz 2006-BVergG 2006, BGBl. I Nr. 17/2006 in der Fassung BGBl. I Nr. 513/2013, sind Vergabeverfahren nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundfreiheiten sowie des Diskriminierungsverbotes entsprechend den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbes und der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter durchzuführen. Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen.

 

 

§ 139 BVergG regelt die Gründe für den Widerruf eines Vergabeverfahrens nach Ablauf der Angebotsfrist. Gem. Abs. 1 leg.cit. ist nach Ablauf der Angebotsfrist ein Vergabeverfahren zu widerrufen, wenn 1. Umstände bekannt werden, die, wären sie schon vor Einleitung des Vergabeverfahrens bekannt gewesen, eine Ausschreibung ausgeschlossen hätten, oder 2. Umstände bekannt werden, die, wären sie schon vor Einleitung des Vergabeverfahrens bekannt gewesen, zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt hätten, oder 3. kein Angebot eingelangt ist, oder 4. nach dem Ausscheiden von Angeboten kein Angebot im Vergabeverfahren verbleibt. Gemäß Abs. 2 leg.cit. kann ein Vergabeverfahren widerrufen werden, wenn 1. nur ein Angebot eingelangt ist, oder 2. nach dem Ausscheiden von Angeboten gemäß § 129 nur ein Angebot bleibt, oder 3. dafür sachliche Gründe bestehen.

 

 

§ 320 BVergG regelt die Antragslegitimation von Nachprüfungswerbern. Gemäß Abs. 1 leg.cit. kann ein Unternehmer bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern 1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und 2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Abs. 2 leg.cit. bestimmt, dass dann, wenn die zwischen dem Zugang der Verständigung über das Ausscheiden und der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung bzw. der Widerrufsentscheidung liegende Zeitspanne kürzer ist als die in § 321 vorgesehene Frist, ein Bieter berechtigt ist, das Ausscheiden gemeinsam mit der Zuschlagsentscheidung oder der Widerrufsentscheidung in einem Antrag innerhalb der für die Anfechtung der Zuschlagsentscheidung bzw. der Widerrufsentscheidung eingeräumten Frist anzufechten. Gemäß Abs. 3 leg.cit. kommt dem Antrag auf Nachprüfung keine aufschiebende Wirkung für das betreffende Vergabeverfahren zu.

V. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hierzu erwogen:

 

Für den vorliegenden Fall gilt es, zwei Themenkomplexe zu erörtern:

 

Zunächst ist die Antragslegitimation (V.1.) zu hinterfragen, allenfalls auch, inwieweit der Einwand der Antragsgegnerin, das Angebot der Antragstellerin wäre ohnedies auszuscheiden Bedeutung zukommt sowie in weiterer Folge (für den Fall der Antragslegitimation der Antragstellerin) die Widerrufsentscheidung (V.2.) an sich.

 

 

V.1. Zur Antragslegitimation:

 

V.1.1. Die Antragstellerin erachtet sich im gegenständlichen Fall für antragslegitimiert, die Widerrufsentscheidung zu bekämpfen, zumal ihr nach ihrer Auffassung durch den Widerruf die Chance auf Zuschlagserteilung genommen werde. Die Antragstellerin habe durch ihr Verhalten während des gesamten Verfahrens bekundet, am Vergabeverfahren, insbesondere am Zuschlag Interesse zu haben, indem sie Bieteranfragen gestellt, ein rechtskonformes Angebot gelegt habe und während der Angebotsöffnung persönlich anwesend gewesen sei. Darüber hinaus seien aufgrund der bisherigen Beteiligung am gegenständlichen Verfahren bereits Kosten in Höhe von zumindest 8.000 Euro entstanden und drohe ein Schaden aus dem entgangenen unternehmerischen Gewinn in Höhe von mindestens 30.000 Euro.

 

Der Einwand der Antragsgegnerin, ihr Angebot sei auszuscheiden und bestünde deshalb keine echte Chance auf die Zuschlagserteilung, gehe ins Leere. Einerseits würde das Angebot der Antragstellerin nicht der Ausschreibung widersprechen (entgegen dem Einwand der Antragsgegnerin), andererseits sei im vorliegenden Verfahrensstadium dies noch nicht zu prüfen.

 

 

V.1.2. Dem gegenüber wandte die Antragsgegnerin ein, die Antragstellerin sei schon deshalb nicht antragslegitimiert, weil ihr Angebot gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG auszuscheiden wäre, zumal die Antragstellerin ein den Ausschreibungsbestimmungen widersprechendes Angebot gelegt habe, welches mit einem unbehebbaren Mangel behaftet sei. Bei Nichtdurchführung des Widerrufs wäre die Chance auf eine Zuschlagserteilung zu Gunsten der Antragstellerin daher ohnedies nicht weiterhin offen gestanden.

 

Insbesondere habe die Antragstellerin ihrem Angebot ihre eigenen AGB bzw. ihre eigenen Service-Vertragsbedingungen beigelegt. Diese würden insbesondere im Hinblick auf Gewährleistung, Rechnungslegung, etc. im Widerspruch zum Wartungsvertrag der Antragsgegnerin stehen. Nachdem dieser Mangel nicht behoben werden könne, wäre das Angebot der Antragstellerin im weiteren Verfahren ohnedies auszuscheiden.

 

V.1.3. Gegenständlich stellt sich insofern die Frage, inwieweit das Ausscheiden eines Angebotes im weiteren Verfahren für die Antragslegitimation zur Nachprüfung einer Widerrufsentscheidung relevant ist. Fraglich ist vor allem, ob eine echte Chance für die Antragslegitimation bei der gegenständlichen Fallkonstellation notwendig ist. Zu beachten ist nämlich zunächst, dass zwar eine  Angebotsöffnung stattgefunden hat, offensichtlich wurde auch eine Grobprüfung dieser Angebote durchgeführt; immerhin stellte die Antragsgegnerin aufgrund der vorliegenden Angebote fest, dass weitere CE-Zertifizierungen bzw. strengere Muss-Kriterien erforderlich sind. Eine Detailprüfung der Angebote wurde von der Antragsgegnerin aber noch nicht vorgenommen, weshalb auch eine Reihung der Angebote noch nicht vorliegt. Es kann also nicht gesagt werden, an welcher Stelle der vier vorliegenden Angebote das Angebot der Antragstellerin gereiht worden wäre – oder ob dieses, wie von der Antragsgegnerin behauptet, überhaupt ausgeschieden worden wäre.

 

Somit stellt sich die Frage, ob im derzeitigen Verfahrensstadium die Frage des Ausscheidens oder einer echten Chance schon relevant ist bzw. ob überhaupt vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich überprüft werden muss, ob die Antragstellerin ein widersprechendes Angebot vorgelegt hat oder nicht bzw. ob der Mangel behebbar oder unbehebbar ist. Allenfalls kann diese Thematik für den derzeitigen Fall dahingestellt bleiben.

 

V.1.4. Zur Beantwortung dieses Fragenkomplexes ist zunächst auf die bestehende Rechtsprechung der Vergabekontrollbehörde und des Verwaltungsgerichtshofes bzw. Stimmen aus der Literatur einzugehen:

 

V.1.4.1. So führt zunächst Thienel aus, dass die Vergabebehörden in ihrer Spruchpraxis die Auffassung vertreten haben, trotz Vorliegens eines zwingenden Ausscheidungsgrundes bestünde die Antragslegitimation eines Bieters dann, wenn kein Angebot für den Zuschlag in Betracht komme und die Ausschreibung daher zu widerrufen sei, sei es, weil schon die Ausschreibung rechtswidrig war und deshalb zu widerrufen gewesen wäre oder wenn kein zuschlagsfähiges Angebot abgegeben worden sei; dies betrifft insbesondere den Fall, dass sämtliche Angebote auszuscheiden sind: In diesem Fall käme es nicht auf die Möglichkeit an, im konkreten Verfahren den Zuschlag zu erhalten, sondern darauf, dass der Antragsteller in einem allfälligen – auf den Widerruf folgenden – neuen Vergabeverfahren die Möglichkeit hätte, den Zuschlag zu erhalten. Der VwGH hat diese Auffassung jedoch mittlerweile mehrfach verworfen: Ein Bieter, dem es nicht gelinge, aufgrund einer ordnungsgemäß zustande gekommenen Ausschreibung ein für den Zuschlag geeignetes Angebot zu legen, sei nicht schutzwürdig und könne nicht geltend machen, dass auch andere bzw. alle Angebote auszuscheiden gewesen wären. Obwohl der VwGH in seinen Erkenntnissen von einer ordnungsgemäß zustande gekommenen Ausschreibung spricht, gilt seine Überlegung auch dann, wenn die Ausschreibung rechtswidrig war: Zwar kommt dem Bieter in diesem Fall die Befugnis zur Bekämpfung der Ausschreibung auch dann zu, wenn sein Angebot auszuscheiden gewesen wäre, doch gelten auch in diesem Fall die Anfechtungsfristen. Wird die rechtzeitige Anfechtung eines Mangels der Ausschreibung unterlassen, kann dieser Vergabeverstoß in weiterer Folge nicht mehr angefochten werden. Daher sind Nachprüfungsanträge auch dann zurückzuweisen, wenn die Ausschreibung zwingend zu widerrufen war, sofern der betreffende Unternehmer die rechtzeitige Anfechtung der betreffenden Ausschreibung unterlassen hat (Thienel in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 2006, § 320 Rz 52).

 

Nur im Falle der Anfechtung der Ausschreibung selbst kommt es auf das konkrete Angebot nicht an, weil die Anfechtung einer rechtswidrigen Ausschreibung die vorherige Angebotslegung gar nicht erfordert. In diesem Sinne hat das BVA schon zum BVergG 1997 judiziert, dass ein Bieter, der die Rechtswidrigkeit einer Ausschreibung geltend macht und deren Nichtigerklärung begehrt, zur Antragstellung legitimiert sei, auch wenn sein Angebot (nach Meinung des Auftraggebers) auszuscheiden sei; mit der Nichtigerklärung der Ausschreibung werde nämlich das Vergabeverfahren in einen Stand zurückversetzt, in dem die bisherigen Verfahrensergebnisse keine Bedeutung hätten; diese Auffassung wird auch vom VwGH vertreten und ist nach den eigenen Prämissen konsequent und unionsrechtlich geboten: Wenn ein Unternehmer eine angeblich rechtswidrige Ausschreibung anfechten will, kann man für die Antragslegitimation nicht verlangen, dass er ein (notwendig unzureichendes) Angebot legt. Man kann ihm dann aber die Antragslegitimation nicht allein deshalb absprechen, weil er ein Angebot gelegt hat, das der angefochtenen Ausschreibung nicht entspricht (Thienel in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 2006, § 320 Rz 52/2).

 

V.1.4.2. Die Recherche der bisherigen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der fehlenden Antragslegitimation, weil das Angebot des Antragstellers auszuscheiden gewesen wäre, betreffen trotz intensiver Nachprüfung jeweils die Anfechtung von Zuschlagsentscheidungen, nicht aber von Widerrufsentscheidungen. Beispielsweise galt es in den Entscheidungen des VwGH vom 1.3.2005, 2003,/04/0199, vom 11.11.2009, 2009/04/0240 oder vom 1.7.2010, 2009/04/0207 jeweils Entscheidungen von Vergabekontrollbehörden zu überprüfen, in welchen die Antragslegitimation von Bietern zu beurteilen war, deren Angebot auszuscheiden gewesen wäre. Verfahrensgegenständlich war jeweils die Zuschlagsentscheidung.

 

Auch hatte sich der Verwaltungsgerichtshof mit Fällen auseinanderzusetzen, in welchen die Frage aufgeworfen wurde, ob eine Antragslegitimation für diejenigen Bieter besteht, deren Angebot auszuscheiden gewesen wäre, welches aber dennoch nicht ausgeschieden wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu ausgeführt, dass einem Bieter, dessen Angebot auszuscheiden gewesen wäre, aber nicht ausgeschieden wurde, keine Antragslegitimation im Nachprüfungsverfahren zukommt, weil er für die Zuschlagserteilung ohnehin nicht in Betracht käme und ihm daher durch die behauptete Rechtswidrigkeit kein Schaden bzw. drohen könne (VwGH 28.3.2007, 2005/04/0200; 18.5.2005, 2004/04/0049; 23.5.2007, 2005/04/0103; 23.5.2007, 2005/04/0214; 27.10.2014, 2010/04/0066; 27.5.2009, 2008/04/0041 mwN; 18.3.2009, 2007/04/0095; 24.2.2006, 2004/04/0140). Auch in diesen Fällen wurde aber jeweils eine Zuschlagsentscheidung bekämpft und nicht eine Widerrufsentscheidung.

 

Darüber hinaus konnte im Hinblick auf die Frage der Antragslegitimation betreffend die Bekämpfung einer Widerrufsentscheidung noch das Erkenntnis vom VwGH vom 29.3.2006, 2004/04/0144 aufgefunden werden. Allerdings unterscheidet sich auch dieses Erkenntnis wiederum von der vorliegenden Sachlage dadurch, dass nicht lediglich die Widerrufsentscheidung bekämpft wurde, sondern dass zuvor das Angebot der Antragstellerin ausgeschieden wurde, woraufhin die Antragstellerin gleichzeitig mit dem Widerruf auch ihr Ausscheiden bekämpft hat.

 

V.1.5. Der vorliegende Fall unterscheidet sich insofern von den bisherigen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes. Zunächst hatten sich die aufgefundenen Entscheidungen jeweils mit der Bekämpfung einer Zuschlagsentscheidung zu befassen und mit der Frage, ob in diesem Fall ein Bieter, dessen Angebot ausgeschieden wurde bzw. auszuscheiden gewesen wäre, antragslegitimiert sei. In diesen Fällen sei es nun die Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung oder der Ausscheidungsentscheidung, hat aber der Antragsgegner bzw. Auftraggeber jeweils bereits selbst eine abschließende Prüfung der Angebote vorgenommen. Im Fall des Erkenntnisses vom 29.03.2006, 2004/04/0144 hat der Auftraggeber bereits selbst entschieden, dass das Angebot des Antragstellers ausgeschieden werde; in den oben genannten Fällen betreffend die Bekämpfung einer Zuschlagsentscheidung hatte jedenfalls auch der Auftraggeber bereits eine Prüfung und Reihung sämtlicher Angebote vorgenommen.

 

Gegenständlich ist allerdings noch gar keine Entscheidung über eine Reihung der Angebote getroffen worden. Eine abschließende Überprüfung der Angebote war von der Antragsgegnerin noch gar nicht vorgenommen worden, da bereits zuvor eine Widerrufsentscheidung getroffen wurde. Auch über die Ausscheidung der Antragstellerin war noch keine Entscheidung gefallen. Im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung stand also sämtlichen Bietern noch die Chance auf die Zuschlagserteilung offen.

Insofern stellt sich gegenständlich die Frage, ob auch dann, wenn eine abschließende Prüfung aller Angebote und eine Reihung noch nicht vorgenommen wurde, dennoch der Einwand der fehlenden Antragslegitimation wegen Ausscheidung eines Angebots erhoben werden kann oder ob dieser Einwand der Auftraggeberin erst dann offen steht, wenn eine abschließende Prüfung sowie Reihung und/oder Ausscheidung von Angeboten stattgefunden hat.

 

V.1.6. So führt Thienel aus, dass die Prüfung und Bewertung der Angebote Aufgabe des Auftraggebers ist (§§ 122 ff, 264 ff) und nicht der Vergabekontrollbehörde; die Vergabekontrollbehörde hat lediglich im Nachhinein zu überprüfen, ob die vom Auftraggeber getroffene Entscheidung rechtmäßig ist, nicht aber – wie das BVA richtig festhält – an seiner Stelle eine hypothetische Reihung der Angebote vorzunehmen. Die Auffassung des V. W. erfordert demgegenüber aber eine Prüfung aller Angebote darauf, ob das Angebot des Antragstellers für den Zuschlag in Betracht käme; dies wird schon aus praktischen Gründen oft schwer möglich sein. Diese Sicht würde zudem das Meritum des Verfahrens auf die Ebene der Prozessvoraussetzungen verlagern: Wird die Zuschlagsentscheidung angefochten, müsste die Vergabekontrollbehörde letztlich schon bei Beurteilung der Antragslegitimation prüfen, ob der Antragsteller den Zuschlag hätte erhalten können, d.h.: ob die Zuschlagsentscheidung rechtmäßig war. All das entspricht wohl nicht dem System des Gesetzes. In einer neueren Entscheidung hat der V. W. eine differenziertere Vorgangsweise gewählt: Angesichts eines Nachprüfungsantrages eines viertgereihten Bieters führt der V. W. aus, es sei nicht seine Aufgabe, zur Prüfung der Prozessvoraussetzungen ein Ermittlungsverfahren durchzuführen; da eine ordnungsgemäße Prüfung der vorgereihten Angebote durch den Auftraggeber nicht erfolgt sei und nicht ausgeschlossen werden könne, dass diese auszuscheiden gewesen wären, sei die Antragslegitimation des viertgereihten Bieters zu bejahen. Diese Vorgehensweise entschärft zwar die vorhin aufgezeigten Probleme, ist aber ebenfalls nicht überzeugend: Nachdem im Vergabenachprüfungsverfahren anzuwendenden § 39 AVG ist der maßgebliche Sachverhalt von Amtes wegen zu ermitteln; für eine „Grobprüfung“ bleibt daher – auch hinsichtlich der Prozessvoraussetzungen – kein Raum. Eigenartig scheint auch die Konsequenz, dass die Antragslegitimation davon abhängen soll, ob der Auftraggeber seinerseits seine ausreichende Prüfung der Angebote vorgenommen hat: Hätte der Auftraggeber im gegenständlichen Fall eine ordnungsgemäße Prüfung der Angebote vorgenommen und wäre zu dem Ergebnis gekommen, dass die vorgereihten Angebote nicht auszuscheiden waren, hätte nach der Position des V. W. der Antrag des viertgereihten Bieters zurückgewiesen werden müssen. Gerade dieser Fall verdeutlicht, dass damit das Meritum des Verfahrens schon zu erheblichen Teilen auf die Ebene der Prozess-voraussetzungen vorgezogen wird. Entgegen der Auffassung des V. W. sprechen daher gute Gründe dafür, dass die (hypothetische) Reihung der Angebote für die Antragslegitimation keine Bedeutung haben kann. Ob der Bieter eine echte Chance auf den Zuschlag gehabt hätte, ist viel mehr Gegenstand des Verfahrens. Wie auch der VwGH ausgesprochen hat, ist der Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens nicht die objektive Rechtskontrolle, sondern die Prüfung, ob der Antragsteller in den geltend gemachten Rechten verletzt wurde. Einem Nachprüfungsantrag kann daher nicht stattgegeben werden, wenn sich ergibt, dass der Bieter keine echte Chance auf den Zuschlag hatte. In dieser Situation wäre der Nachprüfungsantrag daher abzuweisen. Dies ergibt sich auch daraus, dass selbst im Falle einer Rechtsverletzung mangels echter Chance des Antragstellers auf den Zuschlag diese Rechtsverletzung infolge Nachreihung des Antragstellers für den Ausgang des Vergabeverfahrens nicht von wesentlicher Bedeutung ist (Thienel in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 2006, § 320 Rz 66-67).

 

Das BVA hat in seiner Entscheidung vom 3.10.2009, GZ: N/0145-BVA/09/2008-81 deutlich gemacht, dass der Auftraggeber die Angebotsprüfung oder gar die Prüfungsschritte, die zum Ausscheiden eines Angebotes führen können, nicht dem BVA zuschieben kann, sondern selbst vornehmen muss (Thienel in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 2006, § 123 Rz 18; BVA 3.10.2009, N/0145-BVA/09/2008-81).

 

 

V.1.7. Als Konsequenz dieser Literatur- und Judikaturrecherche ergibt sich insofern, dass die bisher zu entscheidenden Fälle entweder auf eine Zuschlagsentscheidung bezogen waren oder auf eine Fallkonstellation, in welcher sowohl die Widerrufs- als auch die Ausscheidungsentscheidung bekämpft wurden. In all diesen Fällen hatten die jeweiligen Auftraggeber bereits selbst eine umfassende Prüfung, Reihung und/oder Ausscheidung aller Angebote vorgenommen bzw. ein Angebot für die Zuschlagsentscheidung gewählt. Im vorliegenden Fall ist dies gänzlich anders, zumal sich das Verfahren noch in einem vorgelagerten Stadium befindet, in welchem lediglich die Angebotsöffnung stattgefunden hat, aber eine Reihung und Entscheidung (sei es Ausscheiden oder Zuschlag) noch nicht getroffen worden ist. In dieser Fallkonstellation besteht somit für alle Bieter noch eine echte Chance auf die Zuschlagserteilung.

 

Erst in einem nächsten Schritt wäre im Rahmen der Prüfung aller Angebote eine Reihung vorzunehmen  bzw. wäre über das Ausscheiden einzelner Angebote zu entscheiden. Diese Ausscheidungsentscheidung wäre sodann die nächste gesondert anfechtbare Entscheidung gewesen. Allenfalls wäre auch eine Zuschlagsentscheidung (mit oder ohne Ausscheiden anderer Angebote) gefällt worden, welche ebenfalls wieder eine gesondert anfechtbare Entscheidung darstellen würde.

 

Anhand dieser Überlegungen – eine Prüfung und Reihung bzw. Zuschlags- und/oder Ausscheidungsentscheidung hat noch nicht stattgefunden; diese darf aber auch nicht der Vergabekontrollbehörde zugeschoben werden – muss bei der vorliegenden Fallkonstellation bzw. dem Verfahrensstadium, in welchem die Widerrufsentscheidung erfolgt, die Antragslegitimation für alle Bieter gegeben sein.

 

§ 129 Abs. 1 Z 7 BVergG betrifft die Wahl des Angebotes für die Zuschlags-entscheidung und nicht die Widerrufsentscheidung. Auch systematische Argumente sprechen insofern für die Antragslegitimation der Antragstellerin.

 

 

V.1.8. Zusammengefasst besteht daher die Antragslegitimation für die Antragstellerin zu Recht und ist deren Antrag nicht zurückzuweisen, sondern eine Sachentscheidung über die Rechtmäßigkeit oder Nichtigkeit der Widerrufs-entscheidung zu fällen.

 

 

V.2. Zur Widerrufsentscheidung:

 

V.2.1. Zur Beurteilung des gegenständlichen Widerrufs kommen die Gründe für den Widerruf eines Vergabeverfahrens nach Ablauf der Angebotsfrist in Betracht. Gegenständlicher Sachverhalt ist auf zwei mögliche Gründe für einen Widerruf zu überprüfen; einerseits gemäß § 139 Abs. 1 Z 2 BVergG, wenn Umstände bekannt werden, die, wären sie schon vor Einleitung des Vergabeverfahrens bekannt gewesen, zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt hätten bzw. gemäß § 139 Abs. 2 Z 3 BVergG, wenn dafür sachliche Gründe bestehen.

 

Die Antragsgegnerin stützt ihre Widerrufsentscheidung in derselben zunächst auf § 139 Abs. 2 Z 3 BVergG sowie im weiteren Verfahren (Stellungnahme vom
3. Februar 2015) auch auf § 139 Abs. 1 Z 2 BVergG. Demnach ist nach Auffassung der Antragsgegnerin das gegenständliche Verfahren zu widerrufen, weil im Laufe des Verfahrens – nach Ablauf der Angebotsfrist und nach Öffnung der Angebote – hervorgekommen ist, dass eine CE-Zertifizierung doch für sämtliche Messungen und nicht lediglich für Leukozyten, Erythrozyten und Retikulozyten erforderlich ist, sondern auch für mononukleäre Zellen und polymorphkernige Zellen sowie, dass die Muss-Kriterien wesentlich strenger zu bestimmen gewesen seien, als dies in der Leistungsbeschreibung der Fall war.

 

V.2.2. Zu Auslegung der Gründe gemäß § 139 BVergG kann zunächst auf die erläuternden Bemerkungen bzw. die Materialien zur Regierungsvorlage Beilage Nr. 1171 der XXII. GP zurückgegriffen werden.

 

Diese führen Nachfolgendes aus:

 

Abs. 1 umschreibt den Fall der Änderung der Ausschreibungsgrundlagen. Es handelt sich um Umstände, die bereits zum Zeitpunkt der Ausschreibung vorhanden waren, die der Auftraggeber aber nicht wusste (z.B. erst nachträglich zur Kenntnis gelangte mangelnde budgetäre Deckung; die Angebotspreise liegen trotz sorgfältiger Auftragswertschätzung über dem Ansatz; eine Vorfrage wurde rechtskräftig anders entschieden). Auch ein rechtswidriges Zuschlagskriterium kann unter den Tatbestand des Abs. 1 fallen, da durch ein entsprechendes Erkenntnis einer Vergabekontrollbehörde oder des EuGH nachträglich ein Umstand bekannt wird (nämlich der Umstand, dass ein bestimmtes Kriterium rechtswidrig ist), der die Ausschreibung zumindest in dieser Form ausgeschlossen hätte. Ein Widerruf des Vergabeverfahrens ist nunmehr in jedem Fall zulässig, wenn sachliche Gründe dies rechtfertigen. Abs. 2 erstreckt sich auf jene Konstellationen, in denen nachträglich (d.h. nach der Ausschreibung) sonstige wesentliche Änderungen von für das Vergabeverfahren relevanten Umständen vorliegen. Im Hinblick auf die einschlägige ständige Judikatur des EuGH (Rs C-27/98, C-92/00 und C-244/02) ist darauf hinzuweisen, dass an die Bestimmung kein strenger Maßstab anzulegen ist, denn nach dem EuGH ist der Widerruf eines Vergabeverfahrens nicht vom Vorliegen schwerwiegender oder gar außergewöhnlicher Umstände abhängig. (Der EuGH hat in der Rs C-244/04 ausgesprochen, dass aus den vergaberechtlichen Richtlinien „nicht hervorgehe, dass die in dieser Richtlinie explizit anerkannte Befugnis des öffentlichen Auftraggebers, auf die Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags, für den eine Ausschreibung stattgefunden habe, zu verzichten, auf Ausnahmefälle begrenzt sei oder in jedem Fall voraussetze, dass schwerwiegende Gründe angeführt würden.“ Weiters hat der EuGH ausgeführt, … „dass ein Auftraggeber, der beschließe, die Ausschreibung eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags zu widerrufen, den Bewerbern und Bietern zwar die Gründe für seine Entscheidung mitteilen  müsse, dass er danach aber nicht verpflichtet sei, das Vergabeverfahren zu Ende zu führen“). Ein Widerruf ist demnach zulässig, wenn der Auftraggeber die Leistung generell oder in der ausgeschriebenen Form nicht mehr benötigt, Änderungen in den Ausschreibungsunterlagen, etwa aufgrund neuer Technologien notwendig wären, die budgetäre Deckung nachträglich wegfällt, die Bieteranzahl bzw. Bieterstruktur sich während der Angebotsfrist wesentlich ändert (Extremfall: alle Bieter schließen sich zu einer Arbeits- oder Bietergemeinschaft zusammen), kein oder nur ein Teilnahmeantrag einlangt usw. Ein Widerruf ist etwa auch bei festgestellten generell überhöhten Preisen zulässig, wenn der Auftraggeber etwa Preisabsprachen vermutet oder wenn er Grund zu Annahme hat, dass die Preise aus anderen Gründen nicht die korrekten Marktpreise widerspiegeln (z.B. unvorhersehbare Verknappung von Ressourcen). Damit ist es dem Auftraggeber möglich, im Wege einer neuerlichen Ausschreibung vermuteten Preisabsprachen zu begegnen. In jenen Fällen, in denen die Mitteilung über die Widerrufsentscheidung (u.A. kurz) vor Ablauf der Bewerbungs- oder Angebotsfrist erfolgt und im darauffolgenden Nachprüfungsverfahren die Widerrufsentscheidung für nichtig erklärt wurde, kann ein (nochmaliger) Widerruf sachlich gerechtfertigt sein, wenn aufgrund der Widerrufsentscheidung Unternehmer es unterlassen haben, Angebote zu legen bzw. auszuarbeiten oder Unternehmer keine Teilnahmeanträge eingereicht haben (zur Vermeidung von aus ihrer Sicht frustrierten Aufwendungen) und der Auftraggeber deshalb einen zu geringen bzw. eingeschränkten wirtschaftlichen Wettbewerb befürchtet. Hinzuweisen ist aber auch darauf, dass die entsprechenden Bestimmungen auch dem Schutz der Bieter dienen. Jeder Widerruf eines Vergabeverfahrens ist geeignet, beim Bieter „vergebliche“ Aufwendungen zu erzeugen. Die Bindung des Widerrufes eines Vergabeverfahrens an bestimmte  - wenn auch nicht allzu strenge – Voraussetzungen soll dazu beitragen, allfällige Kosten und damit verbunden allfällige Schadenersatzansprüche zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Gründe gemäß Abs. 1 und 2 auch dann vorliegen können, wenn diese durch den Auftraggeber selbst schuldhaft (z.B. grob fahrlässig) verursacht wurden (vgl. dazu auch die Fallkonstellation im Verfahren C-244/02). In diesem Fall ist der Auftraggeber unter Umständen zum Widerruf verpflichtet, wird aber nach den einschlägigen Bestimmungen des Zivilrechts schadenersatzpflichtig. 

 

 

V.2.3. In der Rechtssache C-244/02 lag der Sachverhalt zu Grunde, dass der Auftraggeber Zusatzkosten nicht berücksichtigt hat und diese Fehlerhaftigkeit der Ausschreibung vom Auftraggeber zu verantworten war. Trotzdem kann ein Auftraggeber das Vergabeverfahren abbrechen, wenn er nach Prüfung und Vergleich der Angebote feststellt, dass die Ausschreibungsbedingungen es aufgrund von Fehlern, die ihm selbst bei seiner vorher durchgeführten Bewertung unterlaufen sind, nicht zulassen, den Auftrag in der wirtschaftlich günstigsten Weise zu vergeben, sofern er bei seiner Entscheidung die Grundregeln des gemeinschaftlichen Vergaberechts wie den Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet (vgl. UVS 13.10.2006, VwSen-550288/15/Kl/Pe; UVS OÖ 5.06.2009, VwSen-550467/14/Kl/RSt; UVS OÖ 10.12.2008, VwSen-550428/5/Wim/Ps).

 

 

V.2.4. Ungeachtet dessen, dass sowohl die Erläuternden Bemerkungen als auch die Rechtsprechung der Vergabekontrollbehörden keinen besonders strengen Maßstab an die Beurteilung von Widerrufsgründen legen, darf dies nicht dazu führen, dass der Widerruf eines Vergabeverfahrens im Belieben des Auftraggebers steht. So setzte sich zum Beispiel Elsner umfassend mit der Bedeutung der Widerrufsgründe, insbesondere auch den fakultativen Widerrufsgründen und Fällen, in denen ein  sachlicher Grund für einen Widerruf oder gerade eben kein sachlicher Grund für einen Widerruf vorliegt, auseinander So liegt ein sachlicher Grund für einen Widerruf jedenfalls dann nicht vor, wenn durch den Widerruf ein Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung ermöglicht werden soll oder wenn durch den Widerruf eine Wiederholung des Vergabeverfahrens und damit eine Zuschlagserteilung an den „Wunschbieter“ erreicht werden soll (Elsner, Bekämpfbarkeit eines Widerrufs im BVergG 2006, 297 ff (301); Stickler/Zellhofer in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 2006, §§ 138, 139 Rz 38). Weitere Fälle, die keinen sachlichen Grund für einen Widerruf darstellen sind der (bloße) Ablauf der Zuschlagsfrist, die lange Dauer der Angebotsprüfung, die Ausscheidung des an zweiter Stelle liegenden Angebots, eine tatsächlich nicht vorliegende Unangemessenheit der Angebote oder eine fehlerhafte Verlesung im Rahmen der Angebotsöffnung, wenn dieser Fehler auf den Ausgang des Verfahrens keinen Einfluss hatte (Stickler/Zellhofer in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 2006, §§ 138, 139 Rz 38).

 

Ob also ein sachlicher Grund vorliegt, ist objektiv zu beurteilen. Es ist zu fragen, ob der Widerruf für einen besonnenen Auftraggeber in der konkreten Situation eine sinnvolle Handlungsalternative und ein taugliches Mittel zur „Problembehebung“ darstellt. Dabei ist kein strenger Maßstab anzulegen; dies entbindet den Auftraggeber freilich nicht davon, die faktischen Grundlagen seiner Entscheidung sorgfältig zu ermitteln. Ein Widerruf ist jedenfalls nur dann zulässig, wenn er im Einklang mit den Grundsätzen des Vergabeverfahrens erfolgt. Ein Widerruf, der willkürlich (ohne Bestehen eines sachlichen Grundes) oder missbräuchlich erfolgt, ist rechtswidrig. Nach den Erläuternden Bemerkungen [siehe oben] erstreckt sich der fakultative Widerruf „auf jene Konstellationen, in denen nachträglich (d.h. nach der Ausschreibung) sonstige wesentliche Änderungen von für das Vergabeverfahren relevanten Umständen vorliegen. Derartige Umstände, die zum Zeitpunkt der Ausschreibung noch nicht bestanden haben, sind nach den Erläuterungen vom zwingenden Widerruf nicht erfasst. Aus dem Gesetz kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass es für die Zulässigkeit des fakultativen Widerrufs (Abs. 2) auf den Zeitpunkt des Entstehens der „Umstände“ ankäme. Ein Widerruf ist immer dann zulässig, wenn sachliche Gründe vorliegen; dabei ist es unerheblich, zu welchem Zeitpunkt die Umstände, die zum Widerruf führen, entstanden sind. Somit kann auch ein Umstand, der zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens schon bestanden hat, einen sachlichen Grund für einen Widerruf darstellen (Stickler/Zellhofer in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 2006, §§ 138, 139 Rz 25 ff; VwGH 29.03.2006, 2006/04/0019).

 

Wenn aber Umstände hervorkommen, welche zu einer wesentlich anderen Ausschreibung geführt hätten, so stellt sich nicht bloß die Frage nach einem fakultativen Widerruf beim Vorliegen sachlicher Gründe gemäß § 139 Abs. 2 Z 3 BVergG, sondern sogar die Frage nach einem zwingenden Widerruf gemäß § 139 Abs. 1 Z 2 BVergG. Dieser zwingende Widerruf betrifft Fälle, in denen im Zeitpunkt der Ausschreibung wesentliche Grundlagen für das Vergabeverfahren gefehlt haben („Wurzelmängel“), was erst nach Beginn desselben hervorkommt. Die Fortführung des Vergabeverfahrens würde den Interessen der Allgemeinheit sowie der gebotenen Gleichbehandlung der Bewerber und Bieter zuwiderlaufen. Nach den Erläuternden Bemerkungen sind Umstände erfasst, die bereits zum Zeitpunkt der Ausschreibung vorhanden waren, die der Auftraggeber aber nicht wusste („nova reperta“). Dieses Abstellen auf den Zeitpunkt, zu dem die Umstände entstanden sind, wurde von der Rechtsprechung – soweit ersichtlich – bisher übernommen (Stickler/Zellhofer in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 2006, §§ 138, 139 Rz 9 ff, FN 24; VwGH 29.03.2006, 2006/04/0019). Nach dem Gesetzeswortlaut ist weiters zu prüfen, dass diese „Umstände“ nach Einleitung des Vergabeverfahrens bekannt werden und ob sie – wären sie bereits bei Einleitung bekannt gewesen – eine Ausschreibung ausgeschlossen oder zu einer wesentlich anderen Ausschreibung geführt hätten. Dies kann nicht allein nach dem subjektiven Verständnis der für den Auftraggeber handelnden Personen beantwortet werden. Die Bestimmungen zum zwingenden Widerruf dienen insbesondere auch dem Schutz der Allgemeinheit und der Bewerber und Bieter. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist daher zu „objektivieren“: Damit verpflichten jene Umstände zu einem Widerruf, die für die „Maßfigur“ eines besonnenen Auftraggebers eine Ausschreibung ausgeschlossen oder zu einer wesentlich anderen Ausschreibung geführt hätten, selbst dann, wenn diese Umstände im konkreten Fall bewusst in Kauf genommen wurden. Voraussetzungen für einen Widerruf gemäß § 139 Abs. 1 Z 2 BVergG ist somit, dass Umstände bekannt werden, die zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens schon bestanden haben, die der Auftraggeber damals jedoch nicht kannte oder nicht berücksichtigt hat; diese Umstände, wären sie berücksichtigt worden zu keiner oder inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt hätten oder führen hätte müssen; keine Möglichkeit zur „Sanierung“ der Ausschreibung besteht (Stickler/Zellhofer in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 2006, §§ 138, 139 Rz 12, 15). „Wesentlich anders“ kann eine Ausschreibung insbesondere im Hinblick auf den Leistungsgegenstand und seine Beschreibung sein (Stickler/Zellhofer in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 2006, §§ 138, 139 Rz 14).

 

Zusammengefasst stellt sich im vorliegenden Fall somit die Frage, ob ein zwingender Widerrufsgrund gemäß § 139 Abs. 1 Z 2 BVergG oder zumindest jedenfalls sachliche Gründe für einen fakultativen Widerruf gemäß § 139 Abs. 2
Z 3 BVergG vorliegen.

 

 

V.2.5. Bezogen auf den gegenständlichen Fall ist insofern einerseits zu beurteilen, ob die fehlende CE-Zertifizierung für mononukleäre Zellen bzw. polymorphkernige Zellen bzw. fehlende oder nicht ausreichende Muss-Kriterien dazu führen, dass die Leistungsbeschreibung unzureichend ist, was bei deren Kenntnis zu einer wesentlich anderen Ausschreibung geführt hätte – ob somit also ein zwingender Widerrufsgrund vorliegt; oder ob dieser immerhin noch einen sachlichen Widerrufsgrund darstellt.

Ferner sind die von der Antragstellerin aufgeworfenen Bedenken zu hinterfragen, ob die Antragsgegnerin allenfalls beabsichtigt, durch den Widerruf der derzeitigen Ausschreibung und eine Neuausschreibung, die Zuschlagserteilung an einen „Wunschbieter“ zu erreichen. Im Zusammenhang damit steht auch der Einwand der Antragstellerin, dass eine Neuausschreibung von vornherein so gestaltet werden würde, dass jedenfalls der „Wunschkandidat“ (nämlich derjenige, der schon jetzt seine W-J zur Verfügung stellt) den Zuschlag erhalten müsste.

 

Außerdem ist auch abzuwägen, dass im Hinblick auf einen zwingenden Widerrufsgrund auch die Interessen der Allgemeinheit zu berücksichtigen sind, dies sind im vorliegenden Fall die Interessen der Allgemeinheit an zuverlässigen H, welche das Vorliegen schwerer Krankheiten (so z.B. Leukämie, multiple Sklerose, etc.) rasch und verlässlich diagnostizieren.

Vorweg ist auszuführen, dass sich die Begründung des Widerrufs nicht ausschließlich auf die CE-zertifizierte Methode für die Messung von mononukleären Zellen oder polymorphkernigen Zellen – welche Inhalt der Bieteranfrage der Antragstellerin war – bezieht; ferner wurde in der Begründung des Widerrufs auch ausgeführt, dass die Mindestanforderungen an die Muss-Kriterien bzw. an die Soll-Kriterien nicht ausreichend gewählt wurden, um den Anforderungen der Antragsgegnerin zu entsprechen. Der Widerruf stützt sich insofern auf über den Inhalt die Bieteranfrage hinausgehende Begründungen.

 

Um zunächst auf die strengeren Mindestanforderungen einzugehen, ist auf die Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 14. Jänner 2015 Bezug zu nehmen. So führt die Antragsgegnerin aus, dass der Cut-Off-Wert von <4 Zellen/µl ein Muss-Kriterium ist und für das Labor der Antragsgegnerin aber unverzichtbar ist. Das Labor führt im Durchschnitt monatlich ca. 60 Messungen an Proben von Rückenmarksflüssigkeit durch, die unter anderem auf die Bestimmung von Leukozyten abzielt. Die Anzahl von Leukozyten kann Aufschluss darüber geben, ob ein Patient an einer bestimmten Krankheit leidet. 80-90% der Liquor-Proben betreffen die Abteilung für Neurologie; es handelt sich insbesondere um die Diagnose von entzündlichen Krankheiten des zentralen Nervensystems, neurologische Auffälligkeiten, Verdacht auf multiple Sklerose, unklare Kopfschmerzen, Verdacht auf Hirnblutungen oder Tumorinfiltrationen des zentralen Nervensystems. Ein Wert zwischen 0 und <4 Zellen/µl bedeutet, dass die Rückenmarksflüssigkeit normal bzw. unauffällig ist. Ein Wert zwischen 4 Zellen/µl und 20 Zellen/µl kann unter anderem eine virale Meningitis, eine beginnende Meningitis, apurulente bakterielle Meningitis, multiple Sklerose, Borreliose, HIV-Enzephalitis, Guillain-Barre-Syndrom, Hirntumore, Hirnabszesse, tuberkulöse Meningitis bedeuten. Über 4 Zellen/µl im Liquor können demnach bereits ein Hinweis für Krankheiten sein. Etwa kann eine Diagnose für virale Meningitis ab 10 Zellen/µl vorliegen. Bei einem Cut-Off-Wert von beispielsweise 20 Zellen/µl würde das bedeuten, dass keine eindeutige Befundung (positiv oder negativ) möglich ist. In einem solchen Fall wäre eine manuelle Zählung, d.h. mikroskopische Überprüfung notwendig. Eine mikroskopische Überprüfung bedeutet, dass weitere Nachteile bzw. Risiken bestehen. Proben von Rückenmarksflüssigkeiten sind oft sehr infektiös und können bei gewissen Krankheiten zu einer Übertragung führen. Auch die Zählgenauigkeit ist von der Leistung des medizinischen Personals abhängig. Darüber hinaus besteht auch eine zeitliche Bindung, zumal Rückenmarksflüssigkeit durch eine Lumbalpunktion gewonnen wird, welche sodann umgehend untersucht werden muss, zumal spätestens nach einer Stunde die Zellen instabil werden.

 

Ähnliche Gründe liegen auch im Hinblick auf die Messung von Erythrozyten vor, welche mit 0 Zellen/µl als Muss-Kriterium unverzichtbar sind. Derartige Messungen stehen insbesondere in Zusammenhang mit länger zurückliegenden Gehirnblutungen, wobei ein Cut-Off-Wert von 1.000 im Bereich von <1.000 Zellen/µl keine zuverlässigen Ergebnisse liefert. Darüber hinaus gelten die Nachteile wie bei der Messung von Leukozyten.

 

Ferner führt die Antragsgegnerin als sachlichen Grund auch die fehlende CE-Zertifizierung bei der Messung von mononukleären Zellen bzw. polymorphkernigen Zellen an. Dies war zwar Gegenstand einer Bieteranfrage der Antragstellerin; sie wurde jedoch von der Antragsgegnerin – wie in der öffentlichen mündlichen Verhandlung glaubwürdig von der Auskunftsperson Prim. Dr. S H geschildert – unrichtig beantwortet. Allenfalls hätte zwar diese Bieteranfrage schon damals zu einem Widerruf der Ausschreibung führen müssen bzw. zu einer Korrektur derselben, nachdem dies nicht erfolgt ist, liegt aber eine bestandsfeste Ausschreibung vor. Gerade der Fall, dass bestandsfeste Ausschreibungen gegeben sind, die, wären die entsprechenden Gründe bekannt gewesen, nicht erfolgt wäre oder nur mit einem wesentlich anderen Inhalt, führt dazu, dass eine solche Ausschreibung zu widerrufen ist (zwingender Widerruf gemäß § 139 Abs. 1 Z 2 BVergG). Daran ändert auch die ebenfalls bestandsfeste (aber unrichtig beantwortete) Bieteranfrage nichts.

 

Letztendlich ist auch noch zu bedenken, dass die von der Antragsgegnerin geschilderten medizinischen Hintergründe (verlässliche Diagnose schwerer Erkrankungen) jedenfalls ein gewichtiges Allgemeininteresse darstellen. Umgelegt auf einen maßgerechten Auftraggeber liegen somit objektive Gründe für einen Widerruf der Ausschreibung und Neudefinition der Leistungsbeschreibung vor.

 

Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass ein zwingender Widerrufsgrund nicht gegeben wäre, ist ein Widerruf im gegenständlichen Fall in sachlicher Hinsicht gerechtfertigt (§ 139 Abs. 2 Z 3 BVergG).

 

V.2.6. In diesem Zusammenhang ist abschließend noch auf den Einwand der Antragstellerin einzugehen, die Antragsgegnerin beabsichtige, in einer neuen Ausschreibung diese so zu gestalten, dass nur noch ein bestimmter Anbieter, nämlich der derzeitige Ausstatter der Auftraggeberin („Wunschanbieter“) zum Zug kommen könnte.

 

Diese Ausführungen haben sich anhand der derzeitigen Angebote der Bieter nicht erwiesen, zumal dann, wenn man die Ausführungen der Antragsgegnerin in einer zukünftigen Ausschreibung unterstellen wollte, ausgehend von den derzeitigen Angeboten jedenfalls zwei Bieter für einen Zuschlag in Betracht kommen könnten. Darüber hinaus kann für den gegenständlichen Fall noch nicht prognostiziert werden, welchen Inhalt eine neue Ausschreibung in Zukunft haben wird. Zumal eine derartige Ausschreibung noch nicht vorliegt, stellt die Annahme einer solchen eine Hypothese dar. Eine hypothetische neue Ausschreibung ist für die Frage, ob die derzeitige Ausschreibung widerrufen werden muss oder kann, keine Rolle. Letzten Endes sieht das Vergaberecht auch für den Fall, dass eine neue Ausschreibung tatsächlich vergaberechtswidrig bzw. diskriminierend sein sollte, vor, dass diese Ausschreibung ebenfalls bekämpft werden kann, zumal sie eine gesondert anfechtbare Entscheidung darstellt. Im Hinblick darauf muss also die Antragstellerin auf eine zukünftige Ausschreibung verwiesen werden.

 

 

V.2.7. An der Zulässigkeit eines Widerrufes ändert auch der Umstand nichts, dass von der Antragsgegnerin – wie diese selbst einräumt – eine unrichtige Antwort auf eine Bieteranfrage erteilt wurde. Die Antragsgegnerin begründet dies glaubwürdig mit internen Kommunikationsproblemen bzw. unterschiedlichen Auffassungen zwischen dem medizinischen und dem juristischen Personal. Es kann aber auch dahingestellt bleiben, weshalb die Bieteranfrage unrichtig beantwortet wurde.

 

Damit im Zusammenhang steht der Einwand der Antragstellerin, dass die Begründung der Widerrufsentscheidung in Wahrheit gar keine Begründung, sondern vielmehr eine Scheinbegründung darstellen würde, um das Verfahren widerrufen und nochmals neu ausschreiben zu können.

 

Richtig ist, dass der Auftraggeber in der Begründung die Umstände, die zum Widerruf führen sollen, konkret darzulegen hat. Eine bloße Anführung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des Widerrufs oder die Angabe „Korrekturbedarf der Ausschreibungsunterlagen nach Ablauf der Angebotsfrist“ ist jedenfalls nicht ausreichend. Die Rechtmäßigkeit des Widerrufs ist objektiv, d.h. unabhängig von der bekanntgegebenen Begründung zu ermitteln. Eine fehlende, unzureichende oder falsche Begründung des Widerrufs kann ein Indiz dafür darstellen, dass der Auftraggeber den Widerruf nur aufgrund eines „Vorwands“ durchführen möchte; davon abgesehen bleibt sie in der Regel sanktionslos: Weder verhindert eine unzureichende oder falsche Begründung den Ablauf der Stillhaltefrist, noch ist es dem Auftraggeber verwehrt, die Begründung des Widerrufs in weiterer Folge zu konkretisieren oder abzuändern. Ein solches Verhalten kann allenfalls Schadenersatzansprüche auslösen (Stickler/Zellhofer in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 2006, § 140 Rz 14 ff).

 

Demnach muss auch die Begründung der Antragsgegnerin in ihrer Widerrufsentscheidung vom 9. Dezember 2014 als ausreichend qualifiziert werden. Die daraus allenfalls resultierenden Konsequenzen sind für das Vergabeverfahren unerheblich.

 

 

V.2.8. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich somit, dass die Gründe für einen zwingenden Widerruf gemäß § 139 Abs. 1 Z 2 BVergG bzw. sachliche Gründe für einen fakultativen Widerruf gemäß § 139 Abs. 2 Z 3 BVergG erfüllt sind. Eine Nichtigkeit der Widerrufsentscheidung hat sich somit nicht ergeben. Im Ergebnis war daher der Antrag der Antragstellerin auf Nichtigerklärung der Widerrufsentscheidung abzuweisen.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Lidauer