LVwG-650306/4/Sch/Bb

Linz, 13.02.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Schön über die Beschwerde der M H, geb. 19.., L, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. K Ü, H, L, vom 12. Jänner 2015, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 29. Dezember 2014, GZ FE-1478/2014, betreffend Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung gemäß § 24 Abs. 4 FSG, aufgrund des Ergebnisses der am 9. Februar 2015 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und sofortiger Verkündung,

 

zu Recht  e r k a n n t :

 

 

I.          Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene behördliche Bescheid behoben.

 

II.         Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I.1.) Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich (im Folgenden: belangte Behörde) vom 29. Dezember 2014, GZ FE-1478/2014, wurde M H (die Beschwerdeführerin – im Folgenden kurz: Bf) gemäß § 24 Abs. 4 FSG aufgefordert, sich binnen zwei Monaten ab Zustellung des Bescheides zur Feststellung ihrer gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen AM, A1, A2, A und B gemäß § 8 FSG amtsärztlich untersuchen zu lassen. Einem allfälligen Rechtsmittel gegen den Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

Dieser Bescheid stützt im Wesentlichen darauf, dass die Bf am 12. November 2014 einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursachte, wobei während der Sachverhaltsschilderung der Bf am 22. Dezember 2014 vor der belangten Behörde aufgrund des Unfallherganges und des persönlichen Eindruckes der Verdacht auf verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfunktionen entstanden sei.

 

I.2.) Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 7. Jänner 2015, wurde durch den Rechtsvertreter der Bf frist­gerecht die Beschwerde vom 12. Jänner 2015 erhoben, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wurde.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass dem angefochtenen Bescheid begründete Bedenken im Sinne des § 24 Abs. 4 FSG nicht zu entnehmen seien. Überhaupt sei der Bescheid in keiner Weise ausreichend und nachvollziehbar begründet, um daraus die Notwendigkeit der aufgetragenen amtsärztlichen Untersuchung nachvollziehen zu können. Die belangte Behörde umschreibe ihre Bedenken lapidar mit dem „Unfallhergang“ und dem „persönlichen Eindruck“ anlässlich der Sachverhaltsschilderung der Bf vom 22. Dezember 2014. Der Unfall vom 13. November 2014 sei lediglich „Anlasstat“ gewesen und stelle für sich keinerlei Begründung für die Einleitung eines Verfahrens zur Einschränkung oder Einziehung einer Lenkberechtigung dar. Dies insbesondere auch deshalb, da es sich um einen reinen Sachschadenunfall gehandelt habe, wie er in Österreich täglich unzählige Male vorkommt. Die Unfallschilderung der Bf sei darüber hinaus logisch und nachvollziehbar und führe die belangte Behörde mit keinem Wort aus, woraus der Schluss zu ziehen wäre, es könnten Bedenken an der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit der Bf bestehen.

 

Ebenso wenig werde der (offenbar negative) persönliche Eindruck, den die Bf anlässlich der Sachverhaltsschilderung hinterlassen haben soll, begründet. Die Behörde habe lediglich festgestellt, dass der persönliche Eindruck zum Verdacht auf eine verminderte verkehrsspezifische Leistungsfähigkeit geführt habe.

 

Hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde führt die Bf an, dass einerseits eine zweimonatige Frist für die amtsärztliche Untersuchung eingeräumt werde, andererseits werde in ihr aber offenbar ein derart großes Gefährdungspotenzial für die Verkehrssicherheit gesehen, dass die Rechtskraft des angefochtenen Aufforderungsbescheid nicht abgewartet werden könne.

 

I.3.) Die Landespolizeidirektion Oberösterreich hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes mit Vorlageschreiben vom 15. Jänner 2015, GZ FE-1478/2014, ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

I.4.) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 9. Februar 2015, zu welcher beide Verfahrensparteien nachweislich geladen wurden und zu der die Bf und dessen Rechtsvertreter erschienen sind und zum Sachverhalt gehört und befragt wurden. Ein Vertreter der belangten Behörde hat an der Verhandlung entschuldigt nicht teilgenommen.

 

I.4.1) Für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ergibt sich daraus folgender wesentlicher Sachverhalt:

 

Die am 19. April 1932 geborene Bf ist Besitzerin einer Lenkberechtigung der Führerscheinklassen AM, A1, A2, A und B.

 

Am 28. November 2014 wurde der belangten Behörde bekannt, dass die Bf einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht hat. Laut entsprechendem Sachverhaltsbericht vom 13. November 2014 der Polizeiinspektion Sattledt,     GZ C2/9110/2014-Hb, habe die Bf am 12. November 2014 um 14.25 Uhr den Pkw, Suzuki S., Kennzeichen X, in Sattledt, auf der S., in Fahrtrichtung Kirchdorf an der Krems gelenkt, wobei sie auf Höhe des Hauses S. - laut eigenen Angaben - von der Sonne geblendet worden sei, woraufhin sie mit zwei auf der rechten Fahrbahn befindlichen Absperrgittern und einem Eisenbehälter für Baggerlöffel kollidiert und mit dem Pkw anschließend auf der linken Straßenseite zum Stehen gekommen sei. Dabei sei der von ihr gelenkte Pkw im rechten vorderen Bereich schwer beschädigt worden.  

 

Am 22. Dezember 2014 kam es laut Aktenlage zu einer Einvernahme der Bf und Sachverhaltsschilderung bei der belangten Behörde. Aufgrund der Schilderung zum Unfallhergang und dem persönlichen Eindruck entstand der Verdacht auf verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfunktionen bei der Bf, weshalb die  Führerscheinbehörde der Landespolizeidirektion Oberösterreich den nunmehr angefochtenen Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs. 4 FSG erließ, um die gesundheitliche Eignung des Bf zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Führerscheingruppe 1, Klassen AM, A1, A2, A und B, zu überprüfen.

 

Bei der Beschwerdeverhandlung am 9. Februar 2015 hinterließ die Bf einen zeitlich und örtlich völlig orientierten und unauffälligen Eindruck. Es konnten bei ihr bis auf Schwierigkeiten beim Gehen keine Defizite festgestellt werden. Diesbezüglich erläuterte die Bf, mehrmals an der linken Hüfte operiert worden zu sein, wobei ihre Gehbeschwerden daraus resultieren würden, dass sie links kein Hüftgelenk mehr besitze. Dies habe aber keinerlei Auswirkungen auf das Beherrschen eines Kraftfahrzeuges, beim Ein- und Aussteigen, Sitzen und Autofahren habe sie keine Probleme. Ihr rechtes Bein sei unproblematisch, sie könne daher ihren mit Automatikgetriebe ausgestatteten Pkw mit den beiden Pedalen entsprechend ausreichend bedienen. Anhand von Röntgenbildern demonstrierte die Bf, dass ihr rechtes Bein völlig in Ordnung sei und bekräftigte abermals, dass sie keinerlei Schwierigkeiten mit der Beherrschung des Fahrzeuges und den Verkehrsverhältnissen habe und ihr Fahrzeug vorwiegend für die Durchführung von Einkaufsfahrten, Besuche und die Fahrt zur Kirche benütze.

 

Den Verkehrsunfall erklärte die Bf mit Sonnenblendung. Durch die Blendung habe sie die Baustellenabsicherung übersehen, wobei sie mit entsprechender Fahrgeschwindigkeit unterwegs gewesen und alles sehr schnell gegangen sei. Der Eisenkorb samt Baggerschaufeln sei sehr massiv gewesen, weshalb sie auf die linke Fahrbahnseite abgekommen sein dürfte. Nach dem Unfall habe sie die Polizei und den Ö. gerufen. Ihr beschädigtes Fahrzeug sei in der Folge abgeschleppt worden.

 

 

 

 

I.5.) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht hierüber erwogen:

 

I.5.1) § 24 Abs. 4 FSG lautet:

„Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen“.

 

I.5.2) Ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs. 4 FSG ist nach verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung bei der Behörde bzw. im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung durch das Landesverwaltungsgericht (nach wie vor) begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine neuerliche Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in diese Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige Bedenken sind in einem Aufforderungs­bescheid nachvollziehbar darzulegen (vgl. VwGH z. B. 21. September 2010, 2010/11/0126; 22. Juni 2010, 2010/11/0076 uvm.).

 

Der gegenständlichen Aufforderung liegt der Umstand zugrunde, dass die Bf im November 2014 einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursachte, wobei der  Unfallhergang und der persönliche Eindruck im Rahmen ihrer Vorsprache vor der belangten Behörde Zweifel an ihrer gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Führerscheingruppe 1 hervorriefen.

 

Was den Verkehrsunfall anlangt, so ist festzustellen, dass unabhängig vom Lebensalter der Person, die Verursachung eines Verkehrsunfalles nicht schlechthin einen Hinweis auf allfällige gesundheitliche Mängel darstellt. Die Bf hat im Rahmen der Verhandlung erörtert, infolge Sonnenblendung die Baustelleneinrichtung übersehen zu haben. Diese – mangels gegenteiliger Anhaltspunkte – unwiderlegbare Rechtfertigung stellt letztlich keine unschlüssige Angabe dar, da erfahrungsgemäß Blendung oftmals die Ursache von Verkehrsunfällen ist und jedem noch so sorgefältigen und bedachtsamen Fahrzeuglenker durch Sonnenblendung die Verursachung eines Verkehrsunfalles unterlaufen kann.

 

Entscheidend ist im vorliegenden Fall damit die Frage, inwieweit die Gehbeeinträchtigung der Bf begründete Bedenken an ihrer gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen hervorzurufen vermag. Es mag zwar zutreffen, dass das fehlende linke Hüftgelenk für die Bf keine völlige Beschwerdefreiheit bewirkt, nach der gegebenen Sachlage erscheint allerdings die Annahme, dass damit auch das sichere Beherrschen eines Kraftfahrzeuges beeinträchtigt sein kann, nicht im Sinne der dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes begründbar. Wie dargelegt wurde, zeigte sich die Bf im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung altersangepasst in einem rüstigen Zustand und hinterließ einen anderen Eindruck als offenbar anlässlich der persönlichen Vorsprache bei der belangten Behörde. Sämtliche Fragen wurden von der Bf klar und präzise beantwortet. Sie erläuterte schlüssig, dass ihre Gehbeeinträchtigung keine Probleme bereiten würde und untermauerte anhand von Röntgenbildern, dass das rechte Bein nicht beeinträchtigt und sie daher in der Lage sei, ihren mit Automatikgetriebe ausgestatteten Pkw – das Lenken anderer Kfz stand nie zur Debatte – entsprechend zu bedienen.

 

In Anbetracht der im Rahmen der mündlichen Verhandlung persönlichen Befragung der Bf und des daraus gewonnenen Eindruckes lässt sich derzeit der Verdacht einer gesundheitlichen Beeinträchtigung (verminderte  kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit) im Sinne der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes – noch – nicht ausreichend begründen. Aus den vorliegenden Verfahrensunterlagen sind außerdem keinerlei Hinweise ersichtlich, dass die Bf in der Vergangenheit im Straßenverkehr noch nach dem Vorfall vom 12. November 2014 auffällig in Erscheinung getreten wäre. Die Tatsache, dass die Bf beinahe 82 Jahre alt ist, rechtfertigt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich alleine eine amtsärztliche Untersuchung nicht (VwGH 2. März 2010, 2006/11/0125).

 

Der Beschwerde war daher aus den dargestellten Erwägungsgründen Folge zu geben und der behördliche Bescheid zu beheben, wobei es sich aufgrund dieses Ergebnisses erübrigte, auf die weiteren Sachvorbringen der Bf in ihrer Beschwerdeschrift einzugehen.

 

 

II.) Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche, d.h. über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

H i n w e i s

 

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

S c h ö n