LVwG-750250/2/MZ

Linz, 24.02.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde der J. P., geb x, xgasse x, B., betreffend ein Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 19.1.2015, GZ: Pol18-1112, den

 

B E S C H L U S S

gefasst:

 

 

I.          Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

 

II.         Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Der Beschwerdeführerin (in Folge: Bf) wurde folgendes mit 19.1.2015 datierte, unter der Geschäftszahl Pol18-1112 protokollierte Schreiben zugestellt (Hervorhebungen wurden vom Original nicht übernommen):

 

„Fehlen des unionsrechltichen (sic)

Aufenthaltsrechtes für mehr als drei Monate

 

Sehr geehrte Frau P.!

 

Sie sind seit 04.09.2014 in Österreich mit Hauptwohnsitz gemeldet. Am 16.01.2015 haben Sie bei der Bezirkshauptmannschaft die Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes für mehr als drei Monate in Form einer Anmeldebescheinigung beantragt. Dabei haben Sie eine ungarische Eigenpension von ca. 212 Euro monatlich geltend gemacht. Ihre in Österreich lebende Tochter, P. A., würde sich verpflichten, während der Zeit Ihres Aufenthaltes in Österreich aufzukommen, doch verfügt sie nicht über die entsprechenden Mittel und dieser Verpflichtung nachzukommen. Sie hat laut Angaben ein monatliches Einkommen in der Höhe von ca. 1077,-- Euro. Dazu kommt noch die Familienbeihilfe in der Höhe von monatlich 194,-- Euro. Ferner bezieht sie als Sozialleistung des Landes Wohnbeihilfe in der Höhe von 210,-- Euro. Die monatliche Miete für die Wohnung beträgt 585,-- Euro.

 

Im Hinblick darauf, dass Ihre Tochter alleine mit ihrem 16-jährigen Sohn lebt und über ein Einkommen von 1.271,39 verfügt, kann sie nicht für ihren Unterhalt in vollem Umfang aufkommen, zumal sie selbst eine Sozialleistung (Wohnbeihilfe) bezieht und die monatliche Miete 585,-- Euro beträgt, sodass ihr selbst und dem 16-jährigen Sohn nur ein tatsächlicher Betrag von ca.
981,11 Euro zur Bestreitung des Lebensunterhaltes bleibt, wenn die freie Station in der Höhe von 278,72 Euro eingerechnet wird. Wenn als Grundlage die Richtsätze nach der „Bedarfsorientierten Mindestsicherung“ (Sozialhilfe) in Oberösterreich als Grundlage herangezogen werden, so müssten ihr und dem Sohn 1.111,-- Euro zur Verfügung stehen. Erst darüber hinaus könnte sie für Sie eine finanzielle Verpflichtung eingehen.

 

Sie sind somit nicht in der Lage Ihren Lebensunterhalt in Österreich zu sichern, ohne Sozialhilfe bzw. die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen zu müssen.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 NAG kommt EWR-Bürgern und ihren Angehörigen das Aufenthaltsrecht gemäß § 51, 52, 53 und 54 NAG zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.


 

 

§ 51 NAG lautet:

 

Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate

 

§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthaltes weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der
Z 2 erfüllen.

 

Im Hinblick darauf, dass Sie weder über eine ausreichende Eigenpension verfügen noch Ihre Tochter in der Lage ist für Ihren Unterhalt zu sorgen, ohne dass für Sie Mittel der öffentlichen Hand aufgewendet werden müssten, kommt Ihnen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht derzeit nicht zu. Es wird darauf hingewiesen, dass der EuGH mit Urteil vom 19.09.2013 in der RS C-140/12 PVA, Ö. gegen B. festgestellt hat, dass es ich (sic) bei der Ausgleichzulage Ergänzungszahlung bei kleinen Pensionen) um eine „Sozialhilfeleistung“ handelt und keinen Anhaltspunkt für ausreichende Existenzmittel darstellt.

 

Wir bringen Ihnen hiermit zur Kenntnis, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, 4020 Linz, Derfflingerstraße 1, als Fremdenpolizeibehörde gemäß
§ 55 Abs. 3 NAG hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde.

 

Unbeschadet dieser Information steht es Ihnen frei, der Niederlassungsbehörde unverzüglich das Bestehen der Voraussetzungen nachzuweisen.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Für den Bezirkshauptmann“

 

II. Bezug nehmend auf das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 19.1.2015, GZ: Pol18-1112, brachte die Bf ein als Beschwerde bezeichnetes Schreiben ein.

 

In ihrer Eingabe führt die Bf aus, dass es sich bei dem Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Braunau um einen Bescheid handle und führt weiter aus, weshalb dieser Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet sei.

 

Auf die nähere Beschwerdebegründung braucht aufgrund der mangelnden Verfahrensrelevanz nicht weiter eingegangen zu werden.

 

III.

a.) Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat die Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsaktes, ohne eine Beschwerde-vorentscheidung zu erlassen, mit Schreiben vom 12.2.2015 dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung konnte abgesehen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass die Beschwerde zurückzuweisen ist.

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a.) § 55 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG lautet idgF:

 

Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate

 

§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

 

(2) …

 

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7.

 

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

 

(5) …“

 

b.1) § 55 Abs 3 Satz 1 NAG ordnet unmissverständlich an, dass, wenn das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 aus bestimmten Gründen nicht besteht, „die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen [hat], dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde.“ Das Gesetz normiert somit lediglich eine Informationspflicht der Behörde, die Erlassung eines Bescheides ist hingegen nicht vorgesehen.

 

Da die belangte Behörde zur Auffassung gelangt ist, dass ein Aufenthaltsrecht der Bf nicht besteht, hat sie – der zuletzt zitierten Bestimmung entsprechend – die Bf als Betroffene schriftlich in Kenntnis gesetzt (und zugleich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl befasst).

 

Entgegen der Auffassung der Bf hat die belangte Behörde daher keinen Bescheid erlassen. Abgesehen vom Fehlen der formalen Anforderungen an einen Bescheid, insb die Bezeichnung als solchen, ist ua ein konstitutives Bescheidmerkmal, dass die Behörde über eine Rechtssache abspricht. Gerade dies ist hier aber nicht der Fall, da durch das ggst Schreiben weder ein Recht bzw Rechtsverhältnis begründet oder festgestellt wird.

 

Es hätte unzweifelhaft gereicht, der Bf folgende Mitteilung zu machen: „Sie werden in Kenntnis gesetzt, dass Ihnen ein Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 NAG nicht zukommt, und dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde.“ Am mangelnden Bescheidcharakter des ggst Schreibens ändert sich freilich nichts, wenn die belangte Behörde darüber hinaus ihre Überlegungen für die erfolgte Meldung an das Bundesamt mitteilt, obgleich dies nicht notwendig ist.

 

Es ist daher nicht Sache der Niederlassungsbehörde, bescheidmäßig über das Bestehen eines Aufenthaltsrechtes nach den §§ 52, 52 und 54 NAG zu erkennen, sondern vielmehr Sache der mit dem Vollzug des Fremdenpolizeigesetzes betrauten Behörde – konkret: des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl – zu überprüfen, ob die Bf die Voraussetzungen für einen Aufenthalt in der Republik Österreich erfüllt und, wenn dies nicht der Fall sein sollte, aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten. Im fremdenpolizeilichen Verfahren kommt der Bf auch das Recht zu, gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Rechtsmittel zu ergreifen (siehe zur derartigen Vorgehensweise etwa VwGH 18.6.2013, 2012/18/0005; 26.6.2014, Ro 2014/21/0024). Eine Rechtsschutzlücke besteht nicht.

 

Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung, hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies gemäß § 55 Abs 4 NAG der Niederlassungsbehörde mitzuteilen und hat diese, sofern die Bf nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder der Bf einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, noch es an einer solchen fehlt. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Markus Zeinhofer