LVwG-300463/24/Kl/Rd

Linz, 24.02.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Ilse Klempt über die Beschwerde des Ing. J. H., vertreten durch Rechts­anwalt Dr. T. B., x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 4. August 2014, Ge96-26-2014, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Arbeit­nehmer­Innenschutzgesetz (ASchG) nach Durchführung einer mündlichen Ver­hand­lung am 11. Dezember 2014, den

 

 

B E S C H L U S S

 

gefasst:

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.

 

II.      Gemäß § 52 Abs.9 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

III.   Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 4. August 2014, Ge96-26-2014, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von 650 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.5 Einleitungssatz Z1 ASchG iVm § 7 Abs.1, § 7 Abs.2 Z4 und § 7 Abs.4 BauV iVm § 9 Abs.1 VStG verhängt, weil die H. Zimmerei GmbH mit dem Sitz in x, am 12. Dezember 2013 als Arbeitgeber den Arbeitnehmer H. S. mit weiteren Arbeitnehmern auf der Baustelle (Betriebsgebäude) x, mit Dacharbeiten beschäftigt hat und dabei den nach dem 9. Abschnitt des Arbeit­nehmerInnenschutzgesetzes weitergeltenden Bestimmungen, und zwar der Bauarbeiterschutzverordnung zuwidergehandelt hat, indem sie trotz der Tatsache, dass Absturzgefahr bei einer Absturzhöhe von mehr 2,00 m bestand (Absturzhöhe: 4,00 m) nicht dafür gesorgt hat, dass entsprechende Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen wie zB Dachschutzblenden oder Dachfanggerüste angebracht waren bzw verwendet worden sind, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten  in sicherer Weise verhindert hätten. Als handelsrechtlicher Geschäftsführer der H. Zimmerei GmbH und somit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ  ist er für diese Verwaltungsübertretung gemäß § 9 Abs.1 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich.   

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu die Herabsetzung der verhängten Geldstrafe, in eventu der Ausspruch einer Ermahnung, beantragt.

Begründend wurde nach Zitierung der Bestimmungen des § 7 BauV ausgeführt, dass im konkreten Fall kein Auffangnetz im Inneren des Gebäudes angebracht werden konnte, da den auf dem Dach befindlichen Arbeitnehmern die Materialien gereicht werden mussten. Gegenständlich war als Absturzsicherung im Inneren des Gebäudes auf dem Boden des Dachgeschosses ein fahrbares Alugerüst vom Zimmererpolier H. S. aufgestellt worden, welches die Absturzhöhe auf unter zwei Meter reduziert habe.

Der verunfallte Zimmererpolier habe den durch das fahrbare Alugerüst gesicherten Arbeitsbereich eigenmächtig und eigenverantwortlich verlassen. Durch das fahrbare Alugerüst sei der gesamte Bereich, in welchem H. S. tätig war, abgesichert gewesen. Der Arbeitnehmer hätte anlässlich des Zurückgehens am First auch darauf achten müssen, dass unter einem auch das fahrbare Alugerüst seinen Rückweg absichere.

 

Eine durch den Beschwerdeführer durchzuführende Kontrolle dahingehend, ob während der einzelnen Arbeitsschritte auch eine Sicherung hinsichtlich des nicht im Konkreten vom Arbeitsbereich umfassten Bereichs vorgenommen wurde, sei dem Beschwerdeführer im einzelnen Fall weder zumutbar noch möglich.  Diese Aufgabe obliege vielmehr dem auf der Baustelle tätigen Polier, also dem verunfallten Arbeitnehmer S. selbst, welcher als ausgebildeter Zimmererpolier über die notwendigen Fachkenntnisse hinsichtlich der einzuhaltenden Sicherheitsbestimmungen verfüge.

 

Zum Kontrollsystem wurde vorgebracht, dass insofern ein wirksames Kontrollsystems im Betrieb eingerichtet sei, als die Bauleiter mit der Planung und Einrichtung der Baustelle samt Sicherheitsvorkehrungen verpflichtet seien und die Einhaltung dieser angeordneten Maßnahmen anlässlich ihrer regelmäßigen Besuche auf der Baustelle (zumindest ein- bis zweimal wöchentlich) zu kontrollieren haben.

Die Bauleiter fordern die auf der Baustelle anwesenden Poliere bzw Vorarbeiter bei der Feststellung von Mängeln zur umgehenden Beseitigung derselben und Anbringung von Sicherheitsmaßnahmen auf. Gegenständlich habe aber der Arbeitnehmer S. eigenverantwortlich den durch das fahrbare Alugerüst gesicherten Arbeitsplatz verlassen.

 

Die belangte Behörde habe es unterlassen, die notwendigen Feststellungen zum Unfallzeitpunkt und –ort zu treffen, sodass sich der Spruch des angefochtenen Bescheides nicht unter den mangelhaft festgestellten Sachverhalt subsumieren lasse, weshalb der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet sei.

 

Zudem bedürfe der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung, zumal die Feststellungen weder Tat- bzw Unfallzeitpunkt noch Unfallort enthalten. Die belangte Behörde stütze die von ihr getroffenen Feststellungen im Wesentlichen auf die Rekonstruktion des Arbeitsinspektors anhand des Polizeiberichtes. Die belangte Behörde habe anlässlich der Abführung des erstinstanzlichen Verfahrens dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, dass der Polizeibericht im Akt nicht aufliegen würde. Die Zuführung und Verwertung des Polizeiberichtes in dem gegen den Beschwerdeführer anhän­gigen Verwaltungsstrafverfahren sei unzulässig, weshalb sich die getroffenen Feststellungen und der Verweis auf den Polizeibericht in Bezug auf den Hergang des Arbeitsunfalls als rechtswidrig erweisen würden.

 

Zudem werde auch noch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass anlässlich des Aufsuchens der Baustelle „L.“ durch den Arbeitsinspektor am 6. Februar 2014 der Vorarbeiter der H. GmbH, Herr F. K., anwesend gewesen sei; zum Zeitpunkt der vom Arbeitsinspektor durchgeführten Erhebun­gen stellten sich die örtlichen Verhältnisse an der Unfallstelle anders dar, als zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalles im Dezember 2013. Die Feststellung der belangten Behörde, wonach Herr K. von der H. Zimmerei GmbH am 6. Feb­ruar 2014 anwesend gewesen sei, sei aktenwidrig.

Es werde daher die zeugenschaftliche Einvernahme des Herrn F. K. zum Beweis dafür, dass er selbst anlässlich des Arbeitsunfalls im Dezember 2013 nicht auf der Baustelle anwesend war, anlässlich des Aufsuchens der Baustelle durch den Arbeitsinspektor am 6. Februar 2014 die H. Zimmerei GmbH nicht mehr auf der Baustelle tätig war, sich die Verhältnisse an der Unfallstelle zufolge der von der H. GmbH verrichteten Bautätig­keiten anders darstellen und keine Unfallrekonstruktion stattgefunden habe, beantragt.

Die Verfahrensmängel seien insofern relevant, als bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften die belangte Behörde zu dem Schluss hätte kommen müssen, dass der genaue Unfallhergang nicht mehr rekonstruiert werden könne, und hätte die belangte Behörde zu einem anderslautenden, für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid kommen müssen.          

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn als belangte Behörde hat die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht vorgelegt.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie Durchführung einer mündlichen Ver­handlung am 11. Dezember 2014, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden und erschienen sind; die belangte Behörde hat sich entschuldigt. Weiters wurden die Zeugen Ing. F. V. (Arbeitsinspektor), H. S. sowie F. K. geladen und einvernommen.

 

4.1. Folgender Sachverhalt wurde festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

Vom Arbeitsinspektorat Salzburg wurde der Polizeibericht des BPK Salzburg-Umgebung vom 5. Jänner 2014, die Unfallmeldung an die AUVA vom 18. Dezember 2013 sowie die Behandlungsbestätigung des UKH Salzburg vom 16. Dezember 2013 im Zuge der Verhandlung dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Aus den vorgelegten Unterlagen sowie der Zeugenaussage des verunfallten Arbeitnehmers H. S. geht als Unfallstag eindeutig der 13. Dezember 2013  hervor.

 

Bei der gegenständlichen Baustelle handelt es sich um einen Neubau eines Einfamilienhauses, bei welchem der Dachstuhl errichtet werden sollte. Der Dachstuhl hat zwei unterschiedliche Dachneigungen, und zwar eine mit ca. 30° und die andere mit ca. 17 oder 20°, aufgewiesen. Nach außen hin war das Gebäude eingerüstet. Nach innen zur Geschoßoberdecke befand sich ein fahrbares Gerüst, welches je nach Fortschritt der Arbeiten umgebaut wurde. Bei dem Gerüst handelte es sich um ein grundsätzlich fahrbares, welches im konkreten Fall aufgrund von dazwischenliegenden Aufmauerungen immer wieder auf- und abgebaut werden musste.

 

Der Arbeitnehmer S. hatte den Auftrag, Pfetten und Sparren zu montieren, dabei hatte sich das Bohrmaschinenkabel am Dachfirst verheddert. Um das Kabel wieder zu lösen, musste der Arbeitnehmer S. wieder zurück auf den Dachfirst klettern, wobei er beim Rückweg von den etwas vereisten Pfetten, die auf den Latten montiert waren, ausgerutscht und ca. 4,20 m abgestürzt ist. Das Alugerüst befand sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr an dem zu sichernden Standort. Die Entfernung Geschoßoberdecke zum Alugerüst betrug ca. 2 bis 2,20 m. Der Arbeitnehmer S. befand sich zu diesem Zeitpunkt alleine auf dem Dach und war weder durch den Sicherheitsgurt bzw. das Sicherheitsseil gesichert. Sowohl Sicherheitsgurte als auch Sicherheitsseile waren auf der Baustelle vorhanden und somit verfügbar, und zwar befanden sich diese im Firmenbus. Die übrigen Arbeitnehmer waren zum Unfallzeitpunkt mit dem Holen von Brettern beschäftigt. Der Arbeitnehmer S. ist seit 14 Jahren als Vorarbeiter im Unternehmen beschäftigt und für die Baustelle verantwortlich gewesen.

 

Der Vorarbeiter S. wurde vom Bauleiter ein- bis zweimal wöchentlich kontrolliert und wurden dabei auch Sicherheitsfragen besprochen. Bei festgestellten Mängeln werden die Arbeitnehmer vom Bauleiter angewiesen, diese zu beheben. Meistens werden ausreichend Sicherheitseinrichtungen vorgesehen. Gemeinsam mit dem Bauleiter wurde vor Beginn der gegen­ständlichen Arbeiten die Baustelle besichtigt und wurde vom Bauleiter ange­ordnet, dass ein fahrbares Gerüst, welches sich im Eigentum des Unternehmens befindet, benützt werden muss.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ist durch die vorgelegten Unterlagen sowie die Zeugenaussagen erwiesen. Zweifel an der Glaubwürdigkeit traten nicht hervor.

 

5. Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erwogen:

 

5.1. Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Gemäß § 7 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) sind bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen.

Gemäß § 7 Abs.2 Z4 leg.cit. liegt Absturzgefahr an sonstigen Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe vor.

Gemäß § 7 Abs.4 leg.cit. kann die Anbringung von Absturzsicherungen (§ 8) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) entfallen, wenn

1.   der hiefür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch gegenüber dem Aufwand für die durchzuführenden Arbeiten ist und

2.   die Arbeitnehmer mittels geeigneter persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz gesichert sind.

 

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 bis 8.324 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 Euro bis 16.659 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

5.2. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa auch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (un­verwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straf­erkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschrei­bung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs.2) vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1522 ff).

 

Anlässlich der mündlichen Verhandlung des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich am 11. Dezember 2014 wurden sowohl der Polizeibericht des BPK Salzburg-Umgebung vom 5. Jänner 2014, die Unfallmeldung an die AUVA vom 18. Dezember 2013 sowie die Behandlungsbestätigung des UKH Salzburg vom 16. Dezember 2013 vorgelegt. Aus diesen Unterlagen sowie aus der Aussage des einvernommenen Zeugen H. S. (verunfallter Arbeitnehmer) geht eindeutig hervor, dass sich der Arbeitsunfall am 13. Dezember 2013 ereignet hat und nicht wie von der belangten Behörde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt wurde am 12. Dezember 2013. Es wurde sohin dem Beschwerdeführer während der gesamten Zeit des Verwaltungsstrafverfahrens ein falscher Tatzeitpunkt vorgehalten. Eine fristgerechte und den Tatzeitpunkt korrekt beinhaltende Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt nicht zu entnehmen.

 

Eine Änderung der Tatzeit durch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich war hingegen unzulässig. Der Verwaltungsgerichtshofes hat im Erkenntnis vom 5. November 2014, Ra 2014/09/0018, ausge­sprochen, dass eine Ausdehnung des Tatzeitraumes erst im Beschwerde­verfahren in Verwaltungsstrafsachen vor dem Verwaltungsgericht (weiterhin) eine unzulässige Erweiterung des Tatvorwurfs und der Sache des Verwaltungsverfahrens iSd § 50 VwGVG darstellen würde. Dies muss erst recht für eine komplette Auswechslung/Änderung der Tatzeit gelten. Weiters wurde vom VwGH ausgesprochen, dass Sache des Berufungsverfahrens nach der ständigen Rechtsprechung zur bisherigen Rechts­lage nur die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs des Bescheides der Unterbehörde bildet, ist. Wechselt die Berufungsbehörde die von der Erstbehörde angenommene Tat aus, so nimmt sie eine ihr nicht zustehende Befugnis in Anspruch und es liegt eine inhaltliche Rechtswidrigkeit vor. Dies hat insbeson­dere auch für die von der Erstbehörde spruchgemäß bezeichnete Tatzeit zu gelten. Die Bestimmung des § 66 Abs.4 AVG berechtigt die Berufungsbehörde nämlich nicht zur Auswechslung der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat, sondern nur dazu, die Strafzeit auf der Grundlage der unbedenklichen Sachver­haltsannahme der Behörde erster Instanz näher zu umschreiben. Die Ausdeh­nung des Tatzeitraumes bedeutet jedoch keine Präzisierung sondern eine Erweiterung des Vorwurfs. Auch den Materialien ist zu entnehmen, dass § 27 VwGVG den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes festlegt. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs.4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein. Auch in Verwaltungsstrafverfahren richtet sich der Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichts grundsätzlich nach § 27 VwGVG. Gegenstand des anhängigen Strafverfahrens und der Beschwerde war aber immer ein Unfall bzw. eine Tat am 12. Dezember 2013.

 

Darüber hinaus geht aus der Bestimmung des § 32 Abs.1 VStG hervor, dass von der „Behörde“ eine Verfolgungshandlung zu tätigen ist. Gerichte sind keine Behör­den, weshalb mangels Behördencharakter ihren Handlungen  daher nicht die Qualität einer tauglichen Verfolgungshandlung zukommt (vgl. VwGH 16.10.1950, 1062/49).

 

Weil der Bf die ihm angelastete Tat (am 12.12.2013) nicht begangen hat, war der Beschwerde Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

 

Unbeschadet dessen ist aber – wenngleich für den Ausgang des Beschwerdeverfahrens nicht mehr ausschlaggebend – noch  auszuführen, dass der Tatvorwurf (keine Dachschutzblenden oder….) eine Verletzung des § 87 Abs.3 BauV darstellen würde, tatsächlich aber die Übertretung des § 7 BauV gegeben war. Überdies hat sich zum Unfallzeitpunkt lediglich der Arbeitnehmer H. S. auf dem Dach befunden und nicht wie im Spruch angeführt mehrere Arbeitnehmer; zudem handelt es sich bei dem Baustellenobjekt um ein Einfamilienhaus und nicht um eine Betriebsstätte.   

 

6. Weil die Beschwerde Erfolg hatte, entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 52 Abs.9 VwGVG.

 

II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

H i n w e i s

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Ilse Klempt