LVwG-650328/2/ZO/CG

Linz, 23.02.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Gottfried Zöbl über die Beschwerde der Frau G L, geb. x, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. A M, X, vom 13.01.2015, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 10.12.2014, GZ. VerkR21-246-2014, wegen Entziehung der Lenkberechtigung und begleitender Maßnahmen, folgenden

 

B E S C H L U S S

gefasst:

I. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

 

 

II. Gegen diese Entscheidung ist keine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1.           Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem angefochtenen Bescheid die Lenkberechtigung der Beschwerdeführerin bis einschließlich 05.03.2015 entzogen und angeordnet, dass ihr bis einschließlich 09.04.2017 keine Lenkberechtigung erteilt werden darf. Weiters wurde sie verpflichtet, sich bis zum Ablauf der Entziehungsdauer einer Nachschulung zu unterziehen und es wurde ihr die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens und einer verkehrspsychologischen Stellungnahme angeordnet. Es wurde ihr das Recht aberkannt, während der Dauer der Entziehung von einer ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen und einer allfälligen Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

2. In der dagegen am 13.01.2015 per E-Mail eingebrachten Beschwerde führte die Beschwerdeführerin zusammengefasst aus, dass die Bestrafung wegen der angeblichen Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs.1b StVO zu Unrecht ergangen sei. Das Straferkenntnis sei nur deshalb rechtskräftig geworden, weil die Beschwerdeführerin in Unkenntnis und unter behördlichem Druck einen Rechtsmittelverzicht abgegeben habe. Tatsächlich habe sie sich niemals geweigert, die Atemluft untersuchen zu lassen, sondern habe tatsächlich einen Alkotest absolviert.

 

Für die gegenständliche Übertretung würde die Mindestentzugsdauer 8 Monate betragen. Sie habe den Alkoholgrenzwert von 0,4 mg/l nur gering überschritten, sodass der Ausspruch einer Entziehung in der Dauer von 30 Monaten weder tat- noch schuldangemessen sei.

 

Die Anordnung einer Nachschulung sei rechtswidrig, weil die Voraussetzungen des § 24 Abs.3 nicht vorliegen würden. Auch die Anordnung der verkehrspsychologischen Stellungnahme sei vom Gesetz nicht gedeckt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürften Befunde oder eine verkehrspsychologische Stellungnahme nicht im Entzugsbescheid angeordnet,   sondern nur dann vorgeschrieben werden, wenn sich deren Notwendigkeit aus dem amtsärztlichen Gutachten ergibt. Die Verfügung, dass die Entziehung der Lenkberechtigung nicht vor Befolgung dieser Anordnungen ende, verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot und stelle eine denkunmögliche Anwendung des Gesetzes dar. Lt. Spruchpunkt 1 des bekämpften Bescheides ende der Entzug tatsächlich nach 30 Monaten, eine entsprechende Nichterfüllung gesetzmäßiger Maßnahmen wirke sich ausschließlich auf die Wiedererteilung aus, könne jedoch nicht Inhalt des Entzugsbescheides sein.

 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 19.01.2015 auf die vermutliche Verspätung der Beschwerde hingewiesen, weil der bekämpfte Bescheid am 15.12.2014 zugestellt worden und die Beschwerdefrist daher am 12.01.2015 abgelaufen sei. Dazu führte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 26.01.2015 aus, dass die Zustellung erst am 16.12.2014 rechtskräftig erfolgt sei, da sich die Beschwerdeführerin vom 10.12. bis spätabends am 15.12.2014 bei ihrer Schwester in S. aufgehalten habe und daher ortsabwesend gewesen sei. Auch der Hinterlegungsschein sehe eine Abholung erst am 16.12. vor. Die Beschwerdeführerin habe am späten Abend des 15.12. von der Hinterlegung Kenntnis erlangt und habe sich unmittelbar um die Abholung des Bescheides gekümmert. Die Zustellung sei daher tatsächlich erst am 16.01.2015 erfolgt (gemeint wohl 16.12.2014).

 

Nach der Entscheidung des VwGH zu Zahl 2007/17/0073 sei die Hinterlegung am 05.12.2014 unwirksam gewesen. Die Bestimmung des § 17 Abs.3 4. Satz Zustellgesetz sei dahingehend zu verstehen, dass dem Empfänger noch jener Zeitraum für ein Rechtsmittel zur Verfügung stehen müsse, der diesem auch im Fall einer vom Gesetz tolerierten Ersatzzustellung üblicherweise zur Verfügung gestanden wäre. Beispielsweise sei bei einer Rückkehr einen Tag nach Beginn der Abholfrist und Behebung drei Tage nach der Hinterlegung noch keine unzulässige Verkürzung der Rechtsmittelfrist angenommen worden (VwGH 2010/04/0112).

 

4. In weiterer Folge hat die Verwaltungsbehörde den Akt ohne Erlassen einer Beschwerdevorentscheidung vorgelegt, weshalb das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zur Entscheidung zuständig ist. Eine öffentliche mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich, weil sich bereits aufgrund der Aktenlage ergibt, dass die Beschwerde zurückzuweisen ist (§ 44 Abs.2 VwGVG). Bezüglich der Verspätung hat bereits die Verwaltungsbehörde Parteiengehör gewahrt und dem Rechtsvertreter die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.

 

4.1.      Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der in Punkt 1 angeführte Bescheid wurde nach einem erfolglosen Zustellversuch am 15.12.2014 beim Postamt X hinterlegt. Eine Verständigung über die Hinterlegung wurde in die Abgabeeinrichtung der Beschwerdeführerin eingelegt, als erster Tag der Abholfrist wurde der 15.12.2014 bestimmt. Die Beschwerdeführerin hat sich nach ihren glaubwürdigen Angaben vom 10.12. bis 15.12.2014 bei ihrer Schwester in S aufgehalten und ist am 15.12.2014 erst spätabends in ihre Wohnung zurückgekommen. In weiterer Folge hat sie sich unmittelbar um die Abholung des Bescheides gekümmert und diesen offenbar am 16.12.2014 beim Postamt abgeholt (die in der Stellungnahme behauptete Abholung am 16.01.2015 ist offenbar ein Schreibfehler, weil die Beschwerde bereits vorher eingebracht worden war).

 

Die Beschwerde wurde vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin mit 13.01.2015 datiert und an diesem Tag per E-Mail an die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung gesendet.

 

5.           Darüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht folgendes erwogen:

 

5.1.      § 17 Abs.1 Zustellgesetz lautet wie folgt:

Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs.3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

 

§ 17 Abs.3 Zustellgesetz lautet wie folgt:

Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter iSd § 13 Abs.3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

 

5.2.      Die Beschwerdeführerin war zum Zeitpunkt des Zustellversuches 5 Tage durchgehend nicht an ihrer Abgabestelle anwesend. Diese relativ kurze Abwesenheit nimmt ihrer Wohnung noch nicht den Charakter einer „Abgabestelle“ und das Zustellorgan durfte zu Recht davon ausgehen, dass sich die Empfängerin regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Die Hinterlegung beim Postamt nach einem erfolglosen Zustellversuch entspricht daher dem § 17 Abs.1 Zustellgesetz. Die Beschwerdeführerin wurde von der Hinterlegung ordnungsgemäß verständigt (§ 17 Abs.2 Zustellgesetz) und hat diese Verständigung noch am Tag der Hinterlegung, wenn auch erst spätabends, in ihrer Abgabeeinrichtung vorgefunden.

 

Richtig ist, dass die Beschwerdeführerin den hinterlegten Bescheid aufgrund ihrer Rückkehr erst am Abend des 15.12. an diesem Tag nicht mehr beim Postamt beheben konnte, dies ändert aber nichts daran, dass der Bescheid bereits am 15.12. erstmalig zur Abholung bereitgehalten wurde und der Bescheid daher gemäß § 17 Abs.3 3. Satz Zustellgesetz mit diesem Tag als zugestellt gilt. Diese Zustellfiktion mit dem ersten Tag der Abholfrist würde gemäß § 17 Abs.3 4. Satz Zustellgesetz nur dann nicht eintreten, wenn die Empfängerin wegen ihrer Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig von der Hinterlegung Kenntnis erlangen konnte. Aus der von der Beschwerdeführerin selbst angeführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 08.11.2012, 2010/04/0112 ergibt sich, dass der Begriff „rechtzeitig“ so zu verstehen ist, dass dem Empfänger noch jener Zeitraum für ein Rechtsmittel zur Verfügung stehen muss, der ihm auch im Fall einer vom Gesetz tolerierten Ersatzzustellung üblicherweise zur Verfügung gestanden wäre. Wenn der Empfänger durch den Zustellvorgang nicht erst später die Möglichkeit erlangt, in den Besitz der Sendung zu kommen, als dies bei einem großen Teil der Bevölkerung in Folge ihrer Berufstätigkeit der Fall gewesen wäre, so muss die Zustellung durch Hinterlegung als ordnungsgemäß angesehen werden.

 

Gerade der Vergleich mit einer berufstätigen Person zeigt, dass im konkreten Fall die Hinterlegung bereits mit 15.12.2014 wirksam wurde. Auch berufstätige Personen kommen üblicherweise erst zu einem solchen Zeitpunkt an ihre Abgabestelle zurück, dass sie am selben Tag das Postamt nicht mehr aufsuchen können. Sie befinden sich also in der völlig gleichen Situation wie die Beschwerdeführerin, welche am Tag der Hinterlegung ebenfalls erst spätabends (und damit nach Schließung des Postamtes) an die Abgabestelle zurückgekehrt ist. In weiteren Entscheidungen hat der Verwaltungsgerichtshof auch bei einer Rückkehr an die Abgabestelle einen Tag nach Beginn der Abholfrist und einer verbleibenden Dauer zur Ausführung des Rechtsmittels von 10 Tagen noch keine unzulässige Verkürzung der Rechtsmittelfrist gesehen (VwGH vom 24.05.2007, 2007/07/0101). Im konkreten Fall hat sich die vierwöchige Rechtsmittelfrist für die Beschwerdeführerin lediglich um einen Tag verkürzt und es verblieben ihr 27 Tage zur Einbringung der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin konnte daher jedenfalls rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen, weshalb sie sich nicht auf die Ausnahmebestimmung des § 17 Abs.3 4. Satz Zustellgesetz stützen kann und der Bescheid mit dem ersten Tag der Abholfrist am 15.12.2014 als zugestellt gilt. Die vierwöchige Beschwerdefrist, auf welche die Beschwerdeführerin in der Rechtsmittelbelehrung richtig hingewiesen wurde, endete daher mit Ablauf des 12.01.2015, weshalb die am 13.01.2015 per E-Mail eingebracht Beschwerde verspätet ist.

 

Der Vollständigkeit halber ist noch darauf hinzuweisen, dass sich aus der vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin angeführten Entscheidung des VwGH zu Zahl 2007/17/0073 zu der hier relevanten Frage, mit welchem Tag der hinterlegte Bescheid als zugestellt gilt, nichts Wesentliches ergibt. Weiters ist  auch noch darauf hinzuweisen, dass es sich beim gegenständlichen Vorfall ohnedies bereits um das 5. Alkoholdelikt der Beschwerdeführerin seit dem Jahr 2002 handelt und sie seit der Wiedererteilung der Lenkberechtigung bis zum gegenständlichen Vorfall gerade einmal für die Dauer von 7 Monaten im Besitz einer Lenkberechtigung war.

 

 

 

Zu II.:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zustellung durch Hinterlegung ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Gottfried Zöbl