LVwG-450055/9/MZ

Linz, 03.03.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde der P. GmbH, x, x, vertreten durch RA Dr. G.L., x, x, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Linz vom 24.9.2014, GZ: 0040633/2014 FSA/a, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

zu Recht    e r k a n n t :

I.         Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.a) Mit Eingabe vom 21.7.2014 beantragte die Beschwerdeführerin (in Folge: Bf) beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz, die mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 25.2.2008 festgesetzten Kommunalsteuern in Höhe von 18.473,78 Euro, den mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 25.2.2008 festgesetzten Säumniszuschlag in Höhe von 369,50 Euro und die mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 27.5.2014 für den Zeitraum vom 7.12.2011 bis 30.1.2014 vorgeschriebenen Stundungszinsen in Höhe von 2.431,56 Euro nachzusehen.

 

b.) Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 24.9.2014, GZ: 0040633/2014 FSA/a, wurde dem Antrag der Bf keine Folge gegeben.

 

Ihren Bescheid begründet die belangte Behörde wie folgt:

 

„Aufgrund einer G-Prüfung durch die OÖ. Gebietskrankenkasse wurde mit Bescheid des Magistrates Linz, Finanzrechts- und Steueramt vom 25.2.2008 der P. R. GmbH, x, x, über den Abgaben­zeitraum Jänner 2003 bis einschl. Dezember 2006 bei einer Gesamtbemessungs­grundlage von € 1.169.778,24 eine Kommunalsteuer von insgesamt € 35.093,34 festgesetzt und unter Berücksichtigung der bereits entrichteten Kommunalsteuer eine Kommunalsteuernachforderung von € 18.473,82 und ein 2%-iger Säumniszuschlag von 369,48 vorgeschrieben.

Gegen diesen Abgabenbescheid brachte die Abgabepflichtige mit 27.3.2008 das Rechtsmittel der Berufung ein und begründete diese im Wesentlichen damit, dass nicht sämtliche Abgabenbescheide der Finanzämter, Gebietskrankenkasse und Kommunalsteuerbehörden vorliegen und überdies selbstständig Gewerbetreibende die Lebensmittel ausliefern würden. Mit Rechtmittelentscheidung des Stadtsenates vom 14.1.2009 wurde der erstinstanzliche Abgabenbescheid gegenüber der P. R. GmbH als Rechtsnachfolgerin der P. OEG vollinhaltlich bestätigt und der Ablauf der gewährten Aussetzung der Einhebung verfügt. Begründet wurde diese Entscheidung mit mehreren Zeugenaussagen von Mitarbeitern der abgabepflichtigen Unternehmerin, woraus eindeutig hervorgehe, dass es sich bei den xzustellern aufgrund des tatsächlich verwirklichten Gesamtbildes ihrer Tätigkeit eindeutig um Dienstnehmer handelte und hier ein Dienstverhältnis als Arbeitsverhältnis und kein Werkvertrag vorlag, zumal die Kriterien eines Werkvertrages wie Gewährleistung etc. nicht gegeben waren. Die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit überwogen bei Weitem das vorliegende Tätigkeitsbild der Zusteller, wobei auch kein freies Dienstverhältnis vorlag. Dagegen erhob die P. R. GmbH am 2.2.2009 Vorstellung an die Aufsichtsbehörde und stellte gleichzeitig einen Stundungsantrag; dem Stundungsantrag wurde vom zuständigen Mitglied des Stadtsenates am 23.11.2009 über einen Abgabenbetrag in Höhe von 18.843,30 bis zum 31.7.2011 Folge gegeben.

Die Oö. Landesregierung hat mit Bescheid vom 29.9.2011 die Vorstellung als unbegründet abgewiesen und hat die Rechtsmittelentscheidung des Stadtsenates vollinhaltlich bestätigt; die Vorstellung wurde mit einer umfassenden Rechtsbegründung abgewiesen. In der Folge wurden mit den Abgabenbescheiden vom 9.11.2011 Aussetzungszinsen in der Höhe von € 626,29 für den Abgabenzeitraum 27.3.2008 (Antrag im Rahmen der Berufung) bis 14.1.2009 (Abgabenrechtsmittelbescheid) sowie Stundungszinsen in Höhe von € 2.569,72 für den Abgabenzeitraum 2.2.2009 (Stundungsantrag) bis 31.7.2011 (Stundungsablauf) vorgeschrieben; gegen die Vorschreibung der Stundungszinsen wurde wiederum Vorstellung erhoben, doch hat die Oö. Landesregierung mit Bescheid vom 27.8.2012 den vorgeschriebenen Modus der Stundungszinsen und ihre Berechnung als rechtmäßig erkannt und die Vorstellung als unbegründet abgewiesen.

In der Folge erhob die Abgabepflichtige gegen die negative Vorstellungsentscheidung der OÖ. Landesregierung vom 29.9.2011 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und stellte gleichzeitig den Antrag auf Stundung des Gesamtabgabenbetrages von € 22.039,31, resultierend aus einem fälligen Abgabenbetrag, Säumniszuschlag und Stundungszinsen. Dem Stundungsantrag wurde mit Bescheid des zuständigen Mitgliedes des Stadtsenates vom 30.7.2012 Folge gegeben und eine Stundung des Gesamtabgabenbetrages in Höhe von € 22.039,31 bis 20.6.2014 stattgegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Folge der durch Herrn Dr. L., Rechtsanwalt in W., x, eingebrachten Beschwerde der P. GmbH als Rechtsnachfolgerin der P. R. GmbH keine Folge gegeben und mit Beschluss vom 30.1.2014 Zl. 2012/15/0009-10 das Verfahren einge­stellt.

Ungeachtet dieser endgültigen Entscheidung des Höchstgerichtes stellte nunmehr die P. GmbH neuerlich Aussetzungs- und Stundungsanträge. Das Stundungsbegehren wurde mit Bescheid des Magistrates Linz, Finanzrechts- und Steueramt vom 10.7.2014 abgewiesen und ist in Rechtskraft erwachsen, der Antrag auf Aussetzung der Einhebung wurde mit Bescheid des Magistrates Linz, Finanzrechts- und Steueramt vom 8.7.2014 abgewiesen. Die Abgabenbehörde hat mit Bescheid vom 2.9.2014 der gegen die Abweisung des Aussetzungsantrages eingebrachten Berufung keine Folge gegeben, und es wurde die Berufung gegen die Ablehnung der Aussetzung der Einhebung als unbegründet abgewiesen. Für die gewährte Stundung eines Abgabenbetrages von € 18.843,30 für den Abgabenzeitraum 7.12.2011 bis 30.1.2014 wurden mit Bescheid des Magistrates Linz, Finanzrechts- und Steueramt vom 27.5.2014 Stundungszinsen in Höhe von € 2.431,56 vorgeschrieben, welche ebenfalls mit Berufung bekämpft wurden; die Abgabenbehörde hat mit Bescheid vom 28.8.2014 den Berufungsantrag als unbegründet abgewiesen.

 

Zuletzt stellte Herr Dr. G.L. als rechtsfreundliche Vertretung der P. GmbH, x, x, am 21.7.2014 den Antrag,

 

- den Abgabennachforderungsbetrag von € 18.473,78, den Säumniszuschlag von € 369,50 und die vorgeschriebenen Stundungszinsen von € 2.431,58 gänzlich durch Abschreibung nachzusehen

- die Abgabeneinhebung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Antrages auf Nachsicht auszusetzen und von Einhebungsmaßnahmen abzusehen; dieser Antrag wurde mit Bescheid des Magistrates Linz, Finanzrechts- und Steueramt vom 3.9.2014 als unbegründet abgewiesen.

 

Über den Nachsichtantrag hat der Stadtsenat wie folgt entschieden:

 

Fällige Abgabenschuldigkeiten können nach § 236 Abs. 1 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen gänzlich oder teilweise durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Unbestritten steht fest, dass es sich bei den nachsichtbeantragten Abgabebeträgen wie Kommunalsteuernachforderung, Säumniszuschlag und Stundungszinsen um bereits längst fällige Abgabenschuldigkeiten handelt.

 

Bei der Vornahme einer Nachsicht handelt es sich um einen Verfahrensschritt, der nur die Einhebung der Kommunalsteuer oder sonstiger Abgabenschuldigkeiten, nicht aber den Kommunalsteueranspruch selbst berührt. Nachsicht ist eine Einhebungsmaßnahme und grundsätzlich dazu bestimmt, besondere Härten hintanzuhalten, die sich für den Kommunalsteuerpflichtigen aus der Einhebung fälliger Kommunalsteuerschuldigkeiten ergeben; bei der Feststellung, ob die Einhebung einer Kommunalsteuerschuldigkeit nach der Lage des Falles unbillig ist oder nicht, hat die Abgabenbehörde alle Umstände, die ihr zum Zeitpunkt der Erlassung der abgabenrechtlichen Entscheidung über die Nachsichtgewährung bekannt geworden sind, zu berücksichtigen. Es ist daher die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung zu berücksichtigen, in wieweit die konkrete Einhebungsmaßnahme eine besondere Härte aufgrund einer vorliegenden Unbilligkeit für den Abgabepflichtigen bedeutet. Eine Abschreibung durch Nachsicht ist lediglich dann gerechtfertigt, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre; eine Unbilligkeit kann persönlich und sachlich begründet sein, weshalb eine Steuernachsicht nur dann im Rahmen des freien Ermessens bewilligt werden kann, wenn eine sachliche oder persönliche Unbilligkeit vorliegt (VwGH-Erkenntnis vom 14.9.1993, ZI. 93/15/0024).

 

Eine persönlich bedingte Unbilligkeit liegt dann vor, wenn die Einhebung beispielsweise die Existenzgrundlage des Nachsichtwerbers gefährdet und mit wirtschaftlich außerordentlichen Auswirkungen verbunden wäre. Im Nachsichtverfahren ist es Sache des Nachsichtwerbers, einwandfrei das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf denen eine persönliche Nachsicht gestützt werden kann. Der Nachsichtwerber hatte im konkreten Fall keinerlei Gründe vorgebracht, welche eine Nachsicht aus persönlichen Gründen rechtfertigen würde, weil die Einhebung derart wirtschaftlich negative Auswirkungen für ihn hätte.

Dem Nachsichtwerber ist seit dem Ergebnis der G-Prüfung und spätestens seit Februar 2008 die Kommunalsteuernachforderung über € 18.843,30 bekannt und er hat durch die Nichtentrichtung bzw. Stundungsanträge selbst die Abgabenschuldigkeit erhöht. Spätestens im September 2011 musste der Abgabepflichtige mit der Entrichtung der Abgabenschuld rechnen, als die Oö. Landesregierung als Aufsichtsbehörde die Vorstellung als unbegründet verworfen hatte. Dazu kommt, dass bei nachgewiesen ausgewiesenen Bilanzgewinnen in den Jahren 2008 bis 2012 von insgesamt € 1.751.594.- die Zahlung der bereits seit langem fälligen Abgabenschuldigkeit von rund € 21.000- keine wirtschaftliche Härte darstellt, die eine persönliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung rechtfertigen könnte. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine persönliche Unbilligkeit aufgrund der Abgabeneinhebung eines Abgabenbetrages von rund € 21.000.- liegen daher nicht vor.

 

Eine sachlich bedingte Unbilligkeit ist gegeben, wenn im Einzelfall aus anderen als persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis der Steuereinhebung eintritt (VwGH-Erkenntnis vom 9.10.1991,
Zl. 90/13/0208).

Sachliche Unbilligkeit ist etwa anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber nicht beabsichtigtes Ereignis eintritt; jedenfalls muss es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen (VwGH-Erkenntnis vom 14.9.1993, Zl. 93/15/0024); eine Unbilligkeit setzt vor allem voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stehen würde, die sich aus der Einziehung für den Kommunalsteuerpflichtigen ergeben (VwGH-Erkenntnis vom 18.5.1994, Zl. 92/13/0129). Der Tatbestand der Unbilligkeit der Einhebung nach der Lage des Falles setzt das Vorliegen eines in subjektiven Verhältnissen des Steuerpflichtigen oder Steuergegenstandes gelegenen Sachverhaltselementen voraus, aus denen sich ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der objektiven Einhebung der Steuer und dem im subjektiven Bereich entstehenden Nachteilen ergibt.

Eine Unbilligkeit liegt in den Besonderheiten des Einzelfalles begründet und ist dann jedenfalls nicht gegeben, wenn eine Auswirkung der allgemeinen Gesetzeslage vorliegt, nur wenn im Einzelfall bei Anwendung der Gesetzesbestimmungen des Kommunalsteuergesetzes ein vom Gesetzgeber selbst offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, könnte die Entziehung nach der Lage des Falles trotz der gegebenen Gesetzeslage unbillig sein. Diese Voraussetzungen liegen im konkreten Fall nicht vor, weil sowohl der Stadtsenat in seiner Rechtsmittelentscheidung am 14.1.2009, als auch die Aufsichtsbehörde in der Entscheidung der Oö. Landesregierung vom 28.9.2011, eindeutig die Gesetzes- und Rechtsmäßigkeit der Abgabenvorschreibung für die Dienstnehmer erkannt hatte, daher kann die nunmehrige Abgabeneinhebung keinen atypischen Vermögenseingriff bedeuten, welcher vom Gesetzgeber nicht gewünscht war. Dies wird durch die Entscheidung des Höchstgerichtes bestärkt, womit grundsätzlich die gesetzes- und rechtskonforme Vorschreibung der Abgabenschuldigkeit rechtlich anerkannt und verfahrensrechtlich eingestellt worden war.

Zum Vorwurf eines Verstoßes gegen Treu und Glauben wird bemerkt, dass dieser Grundsatz nicht das Vertrauen der Parteien auf Beibehaltung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis rechtfertigt, die Abgabepflichtige hatte spätestens seit der GPLA-Prüfung mit dem nachfolgenden Abgabenbescheid vom 25.2.2008 Kenntnis über den Rechtsstandpunkt der Abgabenbehörde über die Kommunalsteuerpflicht ihrer Mitarbeiter und über die Abgabennachforderung von rund € 18.000.-- für den Abgabenzeitraum Jänner 2003 bis Dezember 2006. Wenn die Abgabepflichtige vermeint, ihren Rechtsstandpunkt im Rechtsweg durchzusetzen, sämtliche Rechtsmöglichkeiten einer Aussetzung der Abgabeneinhebung oder Stundung der Abgabeneinhebung auszuschöpfen, ist dies ihr gutes Recht, während des Abgabenverfahrens diese „Zahlungserleichterungen" zu beanspruchen. Spätestens nach der Entscheidung des Höchstgerichtes am 30.1.2014 war ihr jedoch bewusst, dass ihre Mitarbeiter kommunalsteuerpflichtig sind und sie Kommunalsteuer und damit auch die Kommunalsteuernachforderung zu entrichten hätte; die Abgabenschuldigkeiten aus dem Titel Säumniszuschlag und Stundungszinsen sowie Aussetzungszinsen resultieren aus ihren gestellten Anträgen auf Zahlungserleichterung. Die Abgabeneinhebung dieses Abgabenbetrages von über € 21.000.- kann daher aus dem Rechtsgrund Treu und Glauben keine Unbilligkeit begründen, zumal der Abgabepflichtigen seit über 6 Jahren der Abgabenrechtsstand der Abgabenbehörde immer bekannt war und sie lediglich vergeblich ihre irrige Rechtsansicht durchzusetzen versuchte.

Rechtsnormen der Bundesabgabenordnung über die Nachsicht dürfen überdies nicht zur Umgehung der Rechtskraft missbraucht werden. Unbilligkeit ist vor allem dann nicht gegeben, um Einwänden wegen einer vermeintlich unrichtigen bemessenen Abgabenschuld, welche im Rechtsmittelweg vorgebracht hätten werden können, nachträglich im Wege einer Steuernachsicht zum Durchbruch zu verhelfen (VwGH-Erkenntnis vom 22.2.1982, Zl. 82/17/0006). Eine Unbilligkeit ist jedenfalls ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige beispielsweise ein ihm zustehendes, nicht aussichtsloses Rechtsmittel nicht ergriffen hätte (VwGH-Erkenntnis vom 30.9.1992, Zl. 91/13/0225). Bei der Beurteilung der Unbilligkeit ist vor allem darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit sich der Steuerschuldner allenfalls durch eigenes Verschulden selbst in jene Lage gebracht hat, durch welche er sich unbilligerweise belastet fühlt und welches Ausmaß sein eigenes Verschulden hat (VwGH-Erkenntnis vom 5.5.1972, Zl. 2287/71). Dazu muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Steuerpflichtige Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, jedoch im Verfahren vor dem Höchstgericht offensichtlich Säumnisse begangen hatte, welche zur höchstgerichtlichen Einstellung des Beschwerdeverfahrens mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes geführt hatte. Nach der Rechtsauffassung des Höchstgerichtes hat die Beschwerde unter anderem die Bezeichnung des Rechts, in dem der Beschwerdeführer verletzt zu sein behauptet, zu enthalten. Der Beschwerdeführerin wurde daher eingeräumt, ihre Beschwerdepunkte zu verifizieren; ungeachtet dessen hat die Beschwerdeführerin das Recht, in dem sie verletzt zu sein behauptet (Beschwerdepunkt) nicht bestimmt bezeichnet und ist dadurch dem Mängelbehebungsauftrag nicht nachgekommen, zumal nach der Rechtsprechung ein bloßes Gesetzeszitat zur Bezeichnung des Beschwerdepunktes nicht ausreicht. Nachdem die P. R. GmbH offensichtlich dem Mängel­behebungsauftrag des Höchstgerichtes nicht Rechnung getragen hatte oder nicht in der Lage war, aus rechtlichen Gründen dem Mängelbehebungsauftrag zu entsprechen, und dies zum Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.1.2014, Zl. 2012/15/0009 auf Verfahrenseinstellung geführt hatte, kann daher ein Nachsichtansuchen nicht dazu missbraucht werden, um auf diesem Wege, ungeachtet einer Entscheidung des Höchstgerichtes, den Zahlungs­verpflichtungen nicht nachzukommen. Auch aus diesem Rechtsgrund ist eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Hinblick auf die obzitierte Rechtsprechung der Höchstgerichte nicht gegeben. Zum vorgebrachten Nachsichtgrund, dass die Abgabenforderung auf einem Fehlverhalten der P. OEG beruhe, wird bemerkt, dass das Nachsichtbegehren nicht aufgrund eines Verschuldens, sondern mangels Vorliegen einer Unbilligkeit als unbegründet abzulehnen war. Die Frage der Unbilligkeit ist aber zum Zeitpunkt der Entscheidung des Stadtsenates rechtlich zu beurteilen. Dabei spielt ein Verschulden der Fa. P. OEG im Hinblick auf den bisherigen abgabenrechtlichen Verfahrenslauf keine Rolle.

Dazu kommt, dass die P. GmbH als Rechtsnachfolgerin der P. R. GmbH im Firmenbuch aufscheint und die P. R. GmbH wiederum selbst bereits im Jahre 2008 das Vermögen der P. OEG übernommen hatte; Gesellschafter und Geschäftsführer der P. GmbH sind A.P. und J.O.P. und damit die Gesellschafter der ehemaligen P. OEG. Die Gesellschafter der P. OEG, welche die Abgabennachforderung und die Abgabennichtentrichtung zu verantworten hatten, sind daher nunmehr auch Gesellschafter und Geschäftsführer der P. GmbH, daher gehen die dies­bezüglichen Nachsichtargumente völlig ins Leere, zumal dieselben Personen, die für die P. OEG verantwortlich waren, nunmehr nach 6 Jahren eine Nachsicht der P. GmbH beantragen; dieselben Personen hatten bereits seit 6 Jahren Kenntnis vom Rechtsstandpunkt der Abgabenbehörde.

 

Zur angeblich unrichtigen Information wird bemerkt, dass

 

- der ursprünglich anfragende Unternehmer seine Anfrage auf seine Beurteilung eines „Werkvertrages" und der Sachlage zum damaligen Zeitpunkt sowie der vorbehaltlichen bzw. unverbindlichen „Auskunft" des Finanzamtes gestützt und dies zur Auskunft der Oö. Gebietskrankenkasse im Jahr 1998 geführt hatte

- erst das Ergebnis der G-Prüfung im Jahr 2008 und der darauffolgende Abgabenbescheid aufgrund der entscheidungsrelevanten Sach- und Rechtslage eine endgültige rechtliche Beurteilung der Rechtslage ermöglicht hatte.

 

- die Abweichung von einer unrichtigen Rechtsbeurteilung nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt, weil dem Grundsatz der Rechtsrichtigkeit [und] damit dem Legalitätsgebot Vorrang vor Treu und Glauben zu geben ist (VwGH-Erkenntnis vom 3.11.2005, ZI. 2003/15/0136) zumal nicht aufgrund der Anfrage sondern erst aufgrund der der G vorliegenden Unterlagen eine definitive Rechtsauskunft für den streitgegenständlichen Abgabenzeitraum gegeben werden konnte.

 

- die Anfrage sich ausschließlich auf die ASVG-Pflichtversicherung und nicht auf die Kommunalsteuerverpflichtung und sich auf den vergangenen oder damaligen Abgabenzeitpunkt bezog.

 

- der rechtsfreundlichen Vertretung der P. GmbH sehr wohl bewusst sein musste, dass nach einem Zeitraum von 5 Jahren später eine neue Situation der Sach- und Rechtslage sich ergeben könnte und auch offensichtlich de facto ergeben hatte, weshalb diese Auskunft, sollte sie auch zum Zeitpunkt 1998 noch richtig gewesen sein, nicht für Zeiträume 5 Jahre später gelten konnte.

 

- durch eine derart beschaffte Auskunft kein Freischein für sämtliche Abgabenzeiträume danach sich ergeben könnte, wenn sich die Sach- und Rechtslage geändert hatte.

 

Die Beurteilung einer anderen Gebietskörperschaft, nämlich der Stadtgemeinde T., wird nicht kommentiert; Faktum ist jedoch, dass dieser Abgabenbescheid aus dem Jahre 2008 resultiert und längstens durch Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Kommunalsteuerpflicht von xzustellern vom 26.01.2010 längst überholt ist; die P. GmbH hatte ohnedies Möglichkeit, ihren Rechtsstandpunkt durchzusetzen, und es gelang ihr offensichtlich auch nicht vor dem Höchstgericht, wie der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.1.2014, Zl 2012/15/0009 eindeutig gezeigt hat. Der Stadtsenat gelangte daher nach reiflicher Überprüfung der Sach- und Rechtslage zum rechtlichen Ergebnis, dass die rechtlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Unbilligkeit nicht gegeben sind, weil die Einhebung einer seit dem Jahre 2008 bekannten und vom Höchstgericht als rechtmäßig erkannten Abgabenschuld von rund € 18.000.- unter Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse des Abgabepflichtigen zu keiner Unbilligkeit führen kann.

Der Abgabepflichtige hatte offensichtlich versucht, sämtliche rechtliche Möglichkeiten für eine Zahlungserleichterung bzw. Nichtentrichtung auszuschöpfen und sieht nunmehr den Nachsichtweg als letzte Chance, eine längst fällige Zahlungsentrichtung trotz der Entscheidung des Höchstgerichtes dennoch noch zu verhindern.

Die Vorwürfe wegen angeblich unrichtiger Behördenauskünfte oder gegenteiliger Behördenentscheidungen rechtfertigen keine persönliche Unbilligkeit zum nunmehrigen Zeitpunkt der Entscheidung des Stadtsenates.

Die Entscheidung der Rechtsfrage, ob die Einhebung der Abgabe unbillig ist, ist somit ein Akt der Rechtsauslegung und ist eine tatbestandsmäßige Rechtsvoraussetzung für eine vorgesehene Ermessensentscheidung. Liegt daher wie im konkreten Abgabenfalle eine Unbilligkeit nicht vor, kann es zu einer positiven Ermessensentscheidung nicht mehr kommen (VwGH-Erkenntnis vom 9.11.1994, Zl 92/13/0256); verneint die Abgabenbehörde die Rechtsfrage der Unbilligkeit, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr und es ist das Nachsichtbegehren auf jeden Fall abzuweisen (VwGH-Erkenntnis vom 15.10.1987, Zl. 86/16/0204).“

 

c) Mit Schriftsatz vom 27.10.2014 erhob die Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

 

Die Bf stellt einleitend die Anträge, eine mündliche Verhandlung abzuhalten und der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid des Stadtsenates dahingehend abzuändern, dass dem Nachsichtantrag der Bf stattgegeben wird, in eventu die Rechtssache zurückzuverweisen.

 

Ihre Beschwerde begründet die Bf wie folgt:

 

„Gemäß § 236 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn Ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre.

Die belangte Behörde führt den [sic] der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, es liege weder eine persönliche noch eine sachlich bedingte Unbilligkeit vor, weshalb das Nachsichtsbegehren abzuweisen gewesen sei.

Tatsächlich ist - entgegen den Ausführungen der belangten Behörde - sehr wohl aus mehreren Gründen von einer Unbilligkeit auszugehen.

 

1. Der Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 25.02.2008 ist das Ergebnis einer von der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse nicht bei der Beschwerdeführerin, sondern bei der Firma P. OEG durchgeführten gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben betreffend die Zeiträume 2003 bis einschließlich 2006. Die Firma P. OEG (FN 182918y) wurde am 19.04.2008 im Firmenbuch gelöscht; das Vermögen der Firma P. OEG wurde gemäß § 142 UGB von der Beschwerdeführerin übernommen.

Die Abgabennachforderung laut Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 25.02.2008 trifft die Beschwerdeführerin daher nicht, weil sie selbst Abgaben nicht korrekt abgeführt hat, sondern nur deshalb, weil die Beschwerdeführerin Rechtsnachfolgerin der Firma P. OEG ist.

Im Übrigen beruht die Abgaben-Nachforderung auch nicht auf einem Fehlverhalten der P. OEG. Die Frage, ob ein Rechtsverhältnis als Dienstvertrag, als freier Dienstvertrag oder als Werkvertrag zu qualifizieren ist, wird nämlich sowohl in der Lehre als auch in der Rechtsprechung vielfach unterschiedlich beurteilt. Die Abgrenzungskriterien zwischen Dienstverhältnissen, freien Dienstverhältnissen und Werkvertragsverhältnissen [sic] beruhen auf weitgehend unbestimmten Begriffen, sodass im jeweiligen konkreten Einzelfall im Vorhinein für den Rechtsanwender praktisch nicht vorhersehbar ist, wie das Rechtsverhältnis letztendlich von Behörden und/oder Gerichten qualifiziert wird.

Der zugrunde liegende Kommunalsteuerbescheid stützt sich auf § 2 Kommunalsteuergesetz 1993, dieser wiederum verweist auf § 47 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988.

 

Die erstgenannte Bestimmung enthält folgende Regelung:

 

" § 2 Dienstnehmer sind:

a. Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1983 stehen, sowie an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen im Sinne des § 22 Ziffer 2 des Einkommensteuergesetzes 1988.

b. Personen die nicht von einer inländischen Betriebsstätte (§ 4) eines Unternehmens zur Arbeitsleistung im Inland überlassen werden, insoweit beim Unternehmer, dem sie überlassen werden.

c. Personen, die seitens einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Dienstleistung zugewiesen werden"

 

Die verwiesene Bestimmung des § 47 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988 ent­hält folgende Regelung:

 

"Ein Dienstverhältnis liegt vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Ein Dienstverhältnis ist weiters dann anzunehmen, wenn bei einer Person, die an einer Kapitalgesellschaft nicht wesentlich im Sinne des § 22 Ziffer 2 beteiligt ist, die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Ziffer 1 lit. b vorliegen. Ein Dienstverhältnis ist weiters bei Personen anzunehmen, die Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Ziffer 4 und 5 beziehen.“

Die Regelungen des § 47 Abs. 2 Einkommensteuergesetz und damit auch § 2 Kommunalsteuergesetz sind inhaltlich unbestimmt und daher zur Abgrenzung von Dienstverhältnissen, freien Dienstverhältnissen und Werkverträgen ungeeignet. Nach der unbestimmten Definition des § 47 Abs. 2 EStG könnte beispielsweise auch jeder selbständige Dienstleister (z.B. Steuerberater), der seinem Klienten im Wesentlichen seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt und natürlich den Weisungen seines Klienten unterliegt, als Dienstnehmer qualifiziert werden. Diese Bestimmungen widersprechen somit Art 18 B-VG. Gemäß Art 18 B-VG müssten sowohl Tatbestand als auch Rechtsfolge, zuständiges Organ und das einzuhaltende Verfahren gesetzlich genau geregelt sein.

Eine exakte gesetzliche Abgrenzung zwischen Dienstverhältnis, freiem Dienstverhältnis und werkvertraglichen Verhältnissen ist zwingend erforderlich, zumal sich an diese Abgrenzung jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfen.

Dass § 47 Abs. 2 EStG keine hinreichend bestimmten Abgrenzungskriterien enthält, zeigt der Umstand deutlich, dass von den Höchstgerichten mangels ausreichend bestimmter gesetzlicher Vorgaben unterschiedliche Kriterien für die Abgrenzung von Dienstverhältnissen, freien Dienstverhältnissen und Werkverträgen angewendet werden. Dies führt zu dem Ergebnis, dass gleiche Vertragsverhältnisse einmal als Dienstverhältnis, ein anderes Mal als werkvertragliches Verhältnis oder als freies Dienstverhältnis gewertet werden (vgl. z.B. einerseits OGH zu 8 ObA 45/03f und andererseits VwGH zu 2009/08/0269; jeweils Zusteller betreffend).

Für die Normadressaten ist bei Abschluss eines Vertragsverhältnisses mangels hinreichender gesetzlicher Determinanten nicht vorhersehbar, ob das Vertrags­verhältnis von Gerichten und/oder Behörden nachträglich letztlich als Dienst­vertrag, als freier Dienstvertrag oder als Werkvertrag qualifiziert wird. Damit sind auch die Rechtsfolgen eines Vertragsabschlusses für die Normadressaten nicht vorhersehbar. Eine dieser unterschiedlichen Rechtsfolgen ist im konkreten Fall die Frage, ob Kommunalsteuerpflicht besteht oder nicht.

Die mangelnde Vorhersehbarkeit der Rechtsfolgen für die Normadressaten wird besonders deutlich, wenn man sich vor Augen hält, dass der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin ursprünglich seitens der Gebietskrankenkasse (auf deren letzte Prüfung sich der angefochtene Bescheid stützt!) auf eine entsprechende Anfrage ihres Steuerberaters mit Schreiben vom 2. Juni 1998 (siehe Beilage) mitgeteilt worden war, dass die Speisenzusteller nicht nach dem ASVG pflichtversichert sind. Auch der Hauptverband der Sozialversicherungsträger war nach den Sozialversicherungsrichtlinien (siehe E-MVB, Punkt 004-ABC-Z-003) der Auffassung, dass x-Zustelldienste als neue Selbständige anzuerkennen sind. Diese Auffassung wurde von der OÖ. Gebietskrankenkasse und den beteiligten Behörden bei den Prüfungen der Folgejahre auch aufrecht erhalten. Erstmals bei der hier gegenständlichen Prüfung betreffend die Jahre 2003 bis 2006 hat die Gebietskrankenkasse eine andere Auffassung vertreten, die jetzt von der belangten Behörde übernommen wurde.

 Die fehlende gesetzliche Determinierung stellt jedenfalls einen Verstoß gegen das Legalitätsprinzip (Bestimmtheitsgebot) gemäß Art. 18 B-VGA und führt auch dazu, dass gleiche Sachverhalte ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedlich behandelt werden.

Es ist daher davon auszugehen, dass sehr wohl ein schutzwürdiges Vertrauen vorlag so dass jedenfalls eine Unbilligkeit der Einhebung gegeben ist.

Die Änderung der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis in den der Auskunft an den Steuerberater folgenden Jahren hat zur Folge, dass es von Zufällen wie den [sic] Zeitpunkt einer Steuerprüfung abhängt, ob ein Steuerpflichtiger von zusätzlichen Abgaben belastet wird oder nicht. Verglichen mit ähnlichen Fällen, bei denen die Prüfung etwa einige Jahre zuvor stattgefunden hat, kommt es im gegenständlichen Fall bei Anwendung der selben gesetzlichen Bestimmungen zu einen atypischen Vermögenseingriff. so dass eine sachlich bedingte Unbilligkeit jedenfalls anzunehmen ist (vergleiche VwGH 09.10.1991, Zahl 90/13/00208).

 

2. Eine Unbilligkeit ist aber auch durch einen Verstoß gegen Treu und Glauben gegeben. Für Treu- und Glaubensverletzungen bietet sich der Billigkeitsweg in Erhebungsverfahren geradezu an, vor allem dann, wenn der Verstoß gegen Treu und Glauben in einer Verletzung des Vertrauens auf Beibehaltung einer rechtszulässigen Sach- und Rechtsbeurteilung besteht, das bescheidmäßige Ergebnis nicht gesetzwidrig aber unbillig ist und in der Folge auch die Einziehung der treu- und glaubenswidrig festgesetzten Abgaben im Einzelfall unbillig erscheint. Dieser Weg ist nach herrschender Lehre für die Verfolgung von Treu und Glauben umsomehr in Betracht kommend, weil auch der Grundsatz von Treu und Glauben (ebenso wie die Unbilligkeit nach § 236 BAO) auf den Einzelfall bezogen werden muss und seinem Wesen nach eine besondere Ausformung des Billigkeitsgedankens ist, die Grundsatzverletzung auf dem Billigkeitsweg somit nach gleichen Maßstäben beurteilt wird, wie die Frage der Billigkeit der Einziehung selbst. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben im Festsetzungsbereich kann somit in diesem Bereich zu Unbilligkeiten führen, die prinzipiell auch Unbilligkeiten im Sinne des § 236 BAO begründen können (vg. etwa VwGH 9.5.1989, 86/14/0068 und 24.02.1992, Zahl 91/15/0105)

Jedenfalls aber hat die Beschwerdeführerin bzw. deren Rechtsvorgängerin auf die mit dieser Auskunft zum damaligen Zeitpunkt und in der Folge herrschende Verwaltungsauffassung vertraut und entsprechende Dispositionen getroffen. Es bestand ein begründeter Anlass, auf die bislang herrschende Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zu vertrauen, zumal bis zur Prüfung der Jahre 2003 - 2006 weder eine Änderung der Rechtslage eingetreten ist noch es einen Hinweis darauf gab, dass sich die rechtliche Beurteilung durch die Behörde geändert hätte. Zum Zeitpunkt der Prüfung war in keiner Weise voraussehbar, dass sich die Rechtsprechung derart gravierend ändern würde.

Die Beschwerdeführerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin hat Ihre Dispositionen nach der Rechtsauskunft einer für sie kompetenten Stelle (OÖGKK auf konkrete Anfrage des Steuerberaters) eingerichtet, wenige Jahre später wurde zum Nachteil der Beschwerdeführerin von der festgelegten Rechtsauffassung abgewichen und das Gegenteil behauptet.

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass andere Behörden denselben Sachverhalt der zur gegenständlichen Kommunalsteuer-Nachforderung laut Bescheid des Magistrates der Stadt Linz vom 25.02.2008 geführt hat, anders, nämlich genauso wie im Schreiben der ÖOGKK vom 02.06.1998 ausgeführt, beurteilt. Der Gemeinderat der Stad[t] T. hat beispielsweise die Kommunalsteuer-Nachforderung für die Jahre 2003 - 2006 mit Bescheid vom 01.12.2008 ersatzlos aufgehoben, weil er davon ausgegangen ist, dass xzusteller keine Dienstnehmer sind.

Auch die Rechtsprechung des VwGH (vgl. zB. Erkenntnis vom 18.10.2000, Zl. 99/09/0011) und des Obersten Gerichtshofes (vgl. OGH vom 30.12.2002, 8ObA45/03f) in vergleichbaren Fällen von Zustelldiensten bestätigen, dass die durch die Rechtsauskunft einer kompetenten Stelle gestärkte Sichtweise der Beschwerdeführerin nicht nur vertretbar war sondern durch höchstgerichtliche Rechtsprechung sogar noch untermauert wurde, sodass eine Verletzung des Vertrauens auf Weitergeltung einer zulässigen Sach- und Rechtsbeurteilung geradezu auf der Hand liegt. Es liegen somit zwingende und triftige Gründe für die Annahme einer Verletzung von Treu und Glauben vor.

Der Vollständigkeit halber ist auch anzumerken, dass durchaus auch in der jüngsten Vergangenheit Entscheidungen ergangen sind, die - konform mit der Rechtsauskunft der GKK aus dem Jahr 1998 und der oben zitierten (älteren) Rechtsprechung des VwGH - von einer selbstständigen Tätigkeit von xzustellern ausgehen.

Verwiesen wird auf ein kürzlich ergangenes Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 30. Oktober 2013, Zahl VwSen-253509/2/NK/HK. Unter Bejahung einer selbstständigen Tätigkeit von xzustellern wird ausgeführt, dass jene Umstände, die in der Natur der Sache bzw. der bedungenen Leistung liegen, nur bedingt geeignet sind, die Oberwiegenden wesentlichen Merkmale der Tätigkeit festzustellen. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände einer Zustelltätigkeit, in der es Ja immer darum geht, dass eine im Voraus bestimmte Ware rechtzeitig und in einem ordentlichen Zustand an den Kunden ausgeliefert wird, sprach der UVS des Landes Oberösterreich aus, dass bei einer Zustelltätigkeit durchaus die Merkmale selbstständiger Leistungserbringung überwiegen können daher von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen ist. Der UVS OÖ führt in diesem Erkenntnis aus, bei einem Taxiuntemehmer würde auch niemand a priori dessen Selbstständigkeit anzweifeln, weil er (sei es auch durchaus vorwiegend) vereinbarte Patiententransporte für einen Sozialversicherungsträger, eine Pflegeeinrichtung oder eine Krankenanstalt durchführt. Warum für die Tätigkeit eines Speisenzustellers, der die Zustellfahren ausschließlich mit seinem eigenen Fahrzeug tätigt, etwas Anderes gelten sollte, ist nach Ansicht des UVS Oö nicht nachvollziehbar.

 

3. Die belangte Behörde hat kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt, ihrer gesetzliche Feststellungs- und Begründungspflicht nicht entsprochen und das ihr eingeräumte Ermessen nicht in gesetzeskonformer Weise ausgeübt. Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens, Würdigung des Vorbringens der Beschwerdeführerin und der vorgelegten Beweismittel (Auskunft der OÖGKK, Steuerbescheid der Stadtgemeinde T.) hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, dass jedenfalls eine Unbilligkeit bei der Erhebung der Abgaben vorliegt. Nach Bejahung der Unbilligkeit hätte sie in Ausübung ihres Ermessensspielraumes nach Billigkeit und Zweckmäßig Über den Antrag auf Nachsicht der Einhebung zu entscheiden gehabt (vgl. VwGH 01.03.1989, Zahl 88/13/0183).

Unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit hätte die belangte Behörde berücksichtigen müssen, dass die Beschwerdeführerin ihre Abgaben bislang immer ordnungsgemäß entrichtet hat, ihre steuerlichen Angelegenheiten immer sorgfältig geführt hat, sich sogar durch zuvor eingeholte Behördenauskünfte über die Richtigkeit der von ihr gewählten Vorgangsweise erkundigt hat.

Wenn die belangte Behörde auf Seite 7 des angefochtenen Bescheides andeutet, [die] Beschwerdeführerin "missbrauche" das Nachsichtsansuchen, um auf diesem Weg, ungeachtet einer Entscheidung des Höchstgerichtes, ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachzukommen, so ist dazu auszuführen, dass sich der Verwaltungsgerichtshof inhaltlich nicht mit der Beschwerde befasst hat, sondern sie aus formellen Gründen nicht behandelt und das Verfahren eingestellt hat. Es wurde daher von Seiten der Beschwerdeführerin auch innerhalb offener Frist eine Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erhoben, in der unter anderem die Verletzung des durch Art 13 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf wirksame Beschwerde geltend gemacht wurde. Die Beschwerde ist zu Nr. 59240/14 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig, eine Entscheidung liegt bislang nicht vor.

Keinesfalls hat sich jedenfalls die Beschwerdeführerin selbst durch eigenes Verschulden in jener Lage gebracht, durch welche sie sich unbilliger Weise belastet fühlt wie die belangte Behörde auf Seite 6 des Bescheides ausführt. Dass der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde aus formellen Gründen ablehnt, war in keiner Weise vorhersehbar. Hätte sich der Verwaltungsgerichtshof inhaltlich mit der Beschwerde auseinandergesetzt, wäre auf Grund der triftigen Argumente eine Stattgabe zu erwarten gewesen.“

 

II.a) Mit Schreiben vom 12.11.2014 wurde von der belangten Behörde der verfahrensgegenständliche Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt und die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 2.3.2015, an welcher die Bf im Wege einer vom rechtsfreundlichen Parteienvertreter entsandten Vertreterin teilnahm. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern.

 

Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung verwies die Bf lediglich auf ihre schriftlichen Ausführungen; neues Sachverhalts- oder Rechtsvorbringen erfolgte nicht.

 

b) Da gesetzlich nicht Abweichendes normiert ist, entscheidet das Landesverwaltungsgericht gemäß § 272 Abs 1 BAO durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von dem in Punkt I. dargestellten, unstrittigen Sachverhalt aus.

 

 

III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a.1) Die maßgebliche Bestimmung der Bundesabgabenordnung – BAO lautet idgF:

 

„§ 236. (1) Fällige Abgabenschuldigkeiten können auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

 

(2) …“

 

a.2) Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO lautet idgF:

 

„§ 1. Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein.

 

§ 2. Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung

1. die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde;

2. mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.

 

§ 3. Eine sachliche Unbilligkeit liegt bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches

1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;

2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die

a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde geäußert oder

b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung oder im Internet als Amtliche Veröffentlichung in der F veröffentlicht wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;

3. zu einer internationalen Doppelbesteuerung führt, deren Beseitigung ungeachtet einer Einigung in einem Verständigungsverfahren die Verjährung oder das Fehlen eines Verfahrenstitels entgegensteht.

 

§ 4. …“

 

b.1.1) Einleitend ist festzuhalten, dass das Institut der Nachsicht einer fälligen Abgabe nicht dazu dient, Unrichtigkeiten der Abgabenfestsetzung zu beseitigen (VwGH 26.5.2014, 2013/17/0498 mwN) oder unterlassene bzw. fehlgeschlagene Rechtsbehelfe nachzuholen. Der Unbilligkeitstatbestand des § 236 BAO stellt nämlich ausdrücklich nicht auf die Festsetzung, sondern auf die Einhebung einer Abgabe ab. Allenfalls könnte im Falle des Vorliegens einer Unbilligkeit bei der Bestimmung des Ausmaßes der Nachsicht auf etwaige Unrichtigkeiten bei der Abgabenfestsetzung Bedacht genommen werden. Oder anders gewendet: In einem Nachsichtsverfahren ist die Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung grundsätzlich nicht zu prüfen (VwGH 24.9.2002, 2002/14/0082).

 

b.1.2) Es kann daher bei der primär zu klärenden Rechtsfrage, ob die beantragte Nachsicht dem Grunde nach zu gewähren ist, dahingestellt bleiben, ob – wie von der Bf ins Treffen geführt – eine materielle Behandlung ihrer Beschwerde vom Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf die Festsetzung der Kommunalsteuer Erfolgsaussichten gehabt hätte.

 

Dass die Bf – wie in der Beschwerde geltend gemacht – bloß Rechtsnachfolgerin der P. OEG, welcher die Kommunalsteuer vorgeschrieben worden sei, ist, kann ebenfalls außer Betracht bleiben, da der P. R. GmbH das gesamte Vermögen der P. OEG übertragen wurde und die Bf als Rechts­nachfolgerin der P. R. GmbH in sämtliche Rechte und Pflichten derselben eintritt.

 

b.2.1) Unterlässt es der Abgabepflichtige durch eigenes Verschulden, im Abgabenbemessungs- oder Rechtsmittelverfahren seine Rechte geltend zu machen, liegt der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nach grundsätzlich eine Unbilligkeit iSd § 236 Abs 1 BAO nicht vor. Für das Vorliegen einer Unbilligkeit ist vor diesem Hintergrund dem Umstand rechtserhebliche Bedeutung beizumessen, ob der Abgabepflichtige unverschuldet die Geltendmachung seiner Rechte in dem Nachsichtsverfahren vorgelagerten Erhebungsverfahren unterlassen hat. Anderes würde nur dann gelten, wenn der Abgabenschuldner vom Abgabengläubiger in einem Rechtsirrtum über die Abgabepflicht belassen worden ist (VwGH 16.4.1975, 1868/74).

 

b.2.2) Die Bf hat hinsichtlich der mit Bescheid der Vorstellungsbehörde bestätigten festgesetzten Kommunalsteuern für die Jahre 2003 bis 2006 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Dieser hat mit Beschluss vom 30.1.2014, 2012/15/0009-10, das Verfahren eingestellt, da die Bf den Beschwerdepunkt nicht richtig bezeichnet hat. Ein Verschulden hinsichtlich der Geltendmachung der Rechte in dem hier gegenständlichen Verfahren vorgelagerten Erhebungsverfahren ist somit hinsichtlich der Kommunalsteuern – jedenfalls aus Sicht des keine Sachentscheidung getroffen habenden Verwaltungsgerichtshofes – eindeutig gegeben. Dass die belangte Behörde die Bf in einem Rechtsirrtum über die Abgabenpflicht belassen hätte, vermag nicht erkannt zu werden.

 

b.3) Darüber hinaus setzt Unbilligkeit der Einhebung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass unter Bedachtnahme auf die besonderen Umstände des Einzelfalles die Einhebung der fälligen Abgabe in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einziehung für den Abgabepflichtigen oder den Steuergegenstand ergeben (VwGH 12.12.1995, 92/14/0174; 2.7.2002, 99/14/0284). Die diesbezügliche Behauptungs- und Beweislast liegt beim Nachsichtswerber; seine Sache ist es, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf welche die Nachsicht gestützt werden kann (VwGH 25.11.2002, 97/14/0013; 26.2.2003, 98/13/0091). Den Nachsichtswerber trifft in diesem Verfahren somit eine erhöhte Mitwirkungspflicht und die amtswegige Wahrheitsermittlungspflicht gemäß § 114 BAO tritt insoweit in den Hintergrund (VwGH 13.11.1989, 88/15/0121) als nur die vom Nachsichtswerber geltend gemachten Gründe zu prüfen sind (VwGH 25.11.2002, 97/14/0013). Legt der Abgabepflichtige jene Umstände nicht dar, aus denen sich die Unbilligkeit der Einhebung ergibt, so ist es allein schon aus diesem Grund ausgeschlossen, eine Abgabennachsicht zu gewähren (VwGH 30.9.1992, 91/13/0225).

 

Der Begriff der Unbilligkeit muss aufgrund der herrschenden Verkehrsauffassung nach dem Maßstab rechtlich denkender Menschen ausgelegt werden und die Unbilligkeit der Einziehung durch besondere Umstände des Einzelfalles ausgelöst sein, sodass generelle Härten einer Abgabenvorschrift nicht durch Billigkeitsmaßnahmen im Einzelfall beseitigt werden können (VwGH 25.6.1990, 89/15/0088; 14.9.1993, 93/15/0024).

 

b.4.1) Im Nachsichtverfahren ist gemäß § 1 UnbilligkeitsVO zwischen persönlicher und sachlicher Unbilligkeit zu unterscheiden: Von einer persönlichen Unbilligkeit ist auszugehen, wenn gerade die Einhebung der Abgabe die Existenz des Abgabepflichtigen gefährdet oder die Abstattung mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten, insb. einer Vermögensverschleuderung, verbunden wäre. Die deutlichste Form einer persönlichen Unbilligkeit liegt in der Existenzgefährdung (VwGH 2.7.2002, 99/14/0284; 26.2.2003, 98/13/0091). Freilich bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht aus persönlichen Gründen nicht unbedingt einer Existenzgefährdung oder besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen; es reicht vielmehr aus, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Abstattung nur durch Veräußerung von Vermögensteilen möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleich käme (VwGH 22.10.2002, 96/14/ 0059; 26.2.2003, 98/13/0091). Für die Beurteilung des Nachsichtsantrages sind nicht jene Vermögens- und Einkommensverhältnisse relevant, die zum Zeitpunkt der Festsetzung der Abgaben bestanden haben, sondern maßgeblich ist die wirtschaftliche Lage bei der Entscheidung über das Nachsichtsansuchen (VwGH 26.6.2002, 98/13/0035; 26.6.2007, 2006/13/0103).

 

b.4.2) Die Bf, welche wie oben dargestellt die hauptsächliche Behauptungs- und Beweislast trifft, hat im Verfahren in keinster Weise ins Treffen geführt (und demzufolge natürlich auch nicht durch die Vorlage von Dokumenten oä glaubhaft gemacht), dass die Einhebung des in Rede stehenden Abgabenbetrages für sie eine außergewöhnliche wirtschaftliche Belastung darstellen würde. Die Bf hat es auch unterlassen, die Annahme der belangten Behörde im Verfahren zu widerlegen, wonach sie in den Jahren 2008 bis 2012 ausgewiesene Bilanzgewinne von insgesamt 1.751.594 Euro erwirtschaftet hat. Davon ausgehend ist jedenfalls nicht ersichtlich, inwiefern die Zahlung des verfahrensgegenständlichen Abgabenbetrages, der lediglich einen Anteil von ca. 1,26 % der genannten Bilanzgewinne ausmacht, eine persönliche Unbilligkeit darstellen könnte (vgl zur unterlassenen Mitwirkung bzw Konkretisierung der behaupteten persönlichen Unbilligkeit VwGH 24.4.2013, 2010/17/0243; 19.6.2013, 2010/16/0219).

 

b.5.1) Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anomalen Belastungswirkung kommt (VwGH 16.10.2002, 99/13/0065; 26.2. 2003, 98/13/0091; 27.6.2013, 2013/15/0173). Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Abgabepflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (VwGH 16.10.2002, 99/13/0065; 26.5.2014, 2013/17/0498). Eine Unbilligkeit des Einzelfalles ist nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliegt, also die vermeintliche Unbilligkeit für die davon Betroffenen aus dem Gesetz selbst erfolgt (VwGH 17.10.2001, 98/13/0073; 26.5.2014, 2013/17/0498 mwN).

 

Eine sachliche Unbilligkeit kann jedoch bspw vorliegen, wenn der Abgabepflichtige aus einem Verhalten, das er im Hinblick auf eine falsche Auskunft der zuständigen Abgabenbehörde gesetzt hat, einen finanziellen Schaden erleidet, da dies eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben darstellt (VwGH 14.7.1994, 91/17/0170; 20.7.1999, 98/13/0101).

 

b.5.2) Auch eine sachliche Unbilligkeit kann im zu beurteilenden Fall vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht erblickt werden:

 

Im Hinblick auf den Säumniszuschlag und die Stundungszinsen kann ohne nähere Erläuterung ausgeschlossen werden, dass es sich dabei nicht um eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage bzw. um ein vom Gesetzgeber nicht beabsichtigtes Ergebnis handelt. Wird eine festgesetzte Abgabe nicht rechtzeitig entrichtet bzw. die Stundung einer Abgabe beantragt, soll der Staat dadurch keinen finanziellen Schaden erleiden. Es ist daher zu verneinen, dass die Festsetzung des Säumniszuschlages und der Stundungszinsen einen außergewöhnlichen Geschehensablauf darstellen, die auf eine von der Bf nicht beeinflussbare Weise erfolgt ist.

 

Hinsichtlich der vorgeschriebenen Kommunalsteuer ist die Rechtslage – wie die Bf in ihrer Beschwerde auch vorbringt – unzweifelhaft komplexer. Nichtsdestotrotz ist auch hier nicht von einer sachlichen Unbilligkeit auszugehen. Gemäß § 3 Z 2 lit.a UnbilligkeitsVO liegt eine sachliche Unbilligkeit insb. vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde geäußert wurden.

 

Die Bf bringt vor, aufgrund der Auskunft der GKK vom 2.6.1998 davon ausgehen haben zu können, dass eine Kommunalsteuerpflicht nicht vorliege. Die Bf verkennt dabei, dass sich die Auskunft der GKK auf die ASVG-Versicherungspflicht von Nahrungsmittelzustellern bezogen hat. Eine Aussage zur Lohnsteuerpflicht im Sinne des § 47 Abs .1 und 2 EStG wurde nicht getroffen und wäre die GKK auch nicht die für derartige Auskünfte im Sinne des § 3 Z 2 lit.a UnbilligkeitsVO zuständige Behörde. Bei der Einordnung von Zustellern als selbständig oder unselbständig Erwerbstätige kommt es ganz wesentlich auf den jeweils festgestellten und von der Behörde rechtlich gewürdigten Sachverhalt an, weshalb der Bf klar sein musste, dass sie sich letztlich nur auf eine Auskunft der zuständigen Behörde verlassen durfte. Der Bf war nach ihrem eigenen Vorbringen klar, dass es sich um eine von den Höchstgerichten differenziert beantwortete Frage handelt. Sie durfte sich daher umso weniger auf eine bereits fünf Jahre alte Auskunft verlassen. Dass die im ggst. Verfahren belangte Behörde, die für den Vollzug des Kommunalsteuerrechts im Falle der Bf sachlich und örtlich zuständig ist, der Bf gegenüber vorab die Kommunalsteuerpflicht verneint habe, wurde von der Bf nicht ins Treffen geführt und ist dies auch in keinster Weise ersichtlich.

 

Darüber hinaus ist – bezugnehmend auf die Ausführungen der Bf, dass die Frage der Selbständigkeit von Nahrungsmittelzustellern von den Höchstgerichten unterschiedlich beurteilt werde und daher die Rechtsunsicherheit besonders groß sei – darauf hinzuweisen, dass gerade deshalb erhöhte Anforderungen im Hinblick auf eingeholte Erkundigungen zu stellen sind. Auch kann nicht außer Acht gelassen werden, dass § 47 Abs. 2 EStG – der in untrennbarem Zusammenhang zu § 2 lit.a KommStG steht – nach der Anfrage der Bf an die OÖ GKK im Jahr 1998 bis zum Jahr 2003, ab dem die Vorschreibung der Kommunalsteuer erfolgte, mehrfach novelliert wurden. Ein Vertrauen auf eine erteilte Rechtsauskunft kann bei Änderungen der Sach- und Rechtslage, selbst wenn die Auskunft von der zuständigen Behörde erteilt worden wäre, freilich nicht erfolgreich geltend gemacht werden.

 

Schließlich ist darauf zu verweisen, dass die Nachsichtsregelung der Abgabenbehörde die Möglichkeit eröffnen soll, eine infolge der besonderen Umstände des Einzelfalles eingetretene, besonders harte Auswirkung der Abgabenvorschriften, die der Gesetzgeber, wäre sie vorhersehbar gewesen, vermieden hätte, zu mildern. Es vermag vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich kein Anhaltspunkt erkannt zu werden, dass im Falle der Bf derartige besonders harte Auswirkungen vorliegen bzw. dass der Gesetzgeber es hätte vermeiden wollen, dass der Bf beim zugrundeliegenden Sachverhalt die ggst. Abgaben vorgeschrieben wurden.

 

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die Rechtsfrage, ob der Bf die in Rede stehenden Abgabenbeträge nachzusehen sind, im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beurteilt wurde und auch nicht ersichtlich ist, dass die höchstgerichtliche Rechtsprechung widersprüchlich wäre. Darüber hinaus scheint die Frage, ob konkret die Bf die Voraussetzungen für eine Nachsicht im Sinne des § 236 BAO erfüllt, nicht verallgemeinerungsfähig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Markus Zeinhofer

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VfGH vom 11. Juni 2015, Zl.: E 827/2015-4

Beachte:

Die Revision wurde zurückgewiesen.

VwGH vom 15. September 2016, Zl.: Ra 2015/15/0076-3