LVwG-300598/4/KLi

Linz, 06.03.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Dr. Lidauer über die Beschwerde des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr vom
2. Februar 2015 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Kirchdorf an der Krems vom 8. Jänner 2015, GZ: SV96-36-2014-Fe, wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG)

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1.       Mit Bescheid vom 8. Jänner 2015, GZ: SV96-36-2014-Fe, entschied die belangte Behörde, dass dem Beschuldigten wegen Verletzung von § 111 Abs. 1
Z 1 iVm § 33 Abs. 1 ASVG eine Ermahnung erteilt und von der Verhängung einer Strafe abgesehen werde.

 

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschuldigte den Dienstnehmer M.K., bei welchem es sich um eine in der Krankenversicherung (vollversicherte) pflichtversicherte Person handle, am 8. Juli 2014 um 12:40 Uhr beschäftigt habe, obwohl dieser nicht vor Arbeitsantritt bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse zur Pflichtversicherung als vollversicherte Person angemeldet worden sei. Er wäre als Dienstgeber verpflichtet gewesen, den Beschäftigten vor Arbeitsantritt anzumelden und sei diese Meldung nicht erstattet worden.

 

Der Beschuldigte habe sich im Zuge der Kontrolle durch die Finanzpolizei einsichtig und geständig gezeigt und die sofortige Behebung dieses Missstandes zugesichert. Die Anmeldung bei der Sozialversicherung sei daraufhin auch umgehend nachgeholt worden und sei der Zeitraum der Verspätung als relativ kurzfristig anzusehen; die Folgen der Übertretung seien als unbedeutend zu klassifizieren, zumal kein wirtschaftlicher Schaden eingetreten sei (die Sozial­versicherungsbeiträge seien für den gesamten Tag entrichtet worden); darüber hinaus würden keine einschlägigen Vorstrafen aufscheinen.

 

Zusammenfassend komme die Behörde zu dem Schluss, dass die Voraus­setzungen für die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG vorliegen würden und von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden könnte. Eine Ermahnung erscheine aber dennoch notwendig, um strafbare Handlungen gleicher Art zukünftig hintanzuhalten.

 

I.2.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde der Finanzpolizei Team 43 / Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr vom 2. Februar 2015, mit welcher unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht wird.

 

Es sei unbestritten, dass der Dienstnehmer zum Zeitpunkt der Kontrolle durch die Organe der Finanzpolizei entgegen den Bestimmungen des § 33 ASVG beschäftigt worden sei. Eine Anmeldung des Dienstnehmers habe bei Kontroll­beginn am 8. Juli 2014 um 12:05 Uhr nicht vorgelegt werden können. Dienstbeginn sei am Tag der Kontrolle um 8:00 Uhr gewesen. Vor diesem Zeitpunkt hätte auch eine Anmeldung bei der Oberösterreichischen Gebiets­krankenkasse erfolgen müssen.

 

Nach Ansicht der Abgabenbehörde sei in diesem Fall die Anwendung von § 45 VStG (Ermahnung) nicht gerechtfertigt. Auch die Oberösterreichische Gebiets­krankenkasse habe im Verfahren nach § 113 ASVG nicht von einer Strafe abgesehen. Es werde daher beantragt, der Beschwerde Folge zu geben sowie eine angemessene Strafe zu verhängen.

 

I.3.       Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat den Beschuldigten am Beschwerdeverfahren beteiligt und diesem die Möglichkeit eingeräumt, bis zum 5. März 2015 eine Stellungnahme zur Beschwerde und zur begehrten Verhängung einer Geldstrafe abzugeben. Der Beschuldigte hat eine Stellungnahme nicht erstattet.

 

Im Verfahren vor der belangten Behörde gab der Beschuldigte an, er habe sich zuerst mit dem als Ferialpraktikant zu beschäftigenden Dienstnehmer über die Arbeitsweise einigen wollen. Er habe geglaubt, eine Anmeldung zur Sozial­versicherung im Laufe des Tages sei ausreichend, weil diese ohnehin für den ganzen Tag gelten würde. Nachdem er sich am Vormittag mit dem Ferial­praktikanten über sämtliche Modalitäten geeinigt habe, hätte er diesen zu Mittag im Wege über seinen Steuerberater zur Sozialversicherung anmelden wollen.

 

 

II.         Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

II.1.      Der Beschuldigte hat den Dienstnehmer M.K., bei welchem es sich um eine in der Krankenversicherung (vollversicherte) pflichtversicherte Person handelt, am 8. Juli 2014 um 12:40 Uhr beschäftigt, obwohl dieser nicht vor Arbeitsantritt bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse zur Pflicht­versicherung als vollversicherte Person angemeldet worden war. Der Beschuldigte wäre als Dienstgeber verpflichtet gewesen, den Beschäftigten vor Arbeitsantritt anzumelden und wurde diese Meldung nicht erstattet. Dienstbeginn war am
8. Juli 2014 um 8:00 Uhr. Der Dienstnehmer war als Ferialpraktikant beschäftigt.

 

II.2.      Aufgrund der Kontrolle der Finanzpolizei holte der Beschuldigte die Anmeldung des Dienstnehmers zur Sozialversicherung noch am selben Tag nach. Die Sozialversicherungsbeiträge wurden für den ganzen Tag entrichtet. Ferner hatte der Beschuldigte im Verfahren nach § 113 ASVG vor der Oberöster­reichischen Gebietskrankenkasse 400 Euro zu bezahlen.

 

II.3.      Der Beschuldigte ist zum Tatvorwurf geständig. Er ist unbescholten. Der Beschuldigte verfügt aufgrund einer Umbauphase in seinem Unternehmen über keine finanziellen Reserven, seine Schulden belaufen sich auf ca. 600.000 Euro; er ist sorgepflichtig für zwei Kinder.

 

 

III.        Beweiswürdigung:

 

III.1.  Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich bereits aus dem vorliegenden Akt der belangten Behörde, GZ: SV96-36-2014. Die verspätete Anmeldung des Dienstnehmers wurde vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Dieser zeigte sich geständig und einsichtig und meldete den in Rede stehenden Dienstnehmer noch am selben Tag bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse zur Sozial­versicherung an. Auch die sonstigen für die Verhängung einer Strafe bzw. Erteilung einer Ermahnung relevanten Umstände gehen aus dem Behördenakt hervor. Weitergehende Erhebungen waren insofern nicht erforderlich.

 

III.2.  Die Beschwerde richtet sich außerdem lediglich gegen die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, wonach diese nicht mittels Ermahnung, sondern mit Verhängung einer Geldstrafe vorgehen hätte sollen. Gemäß § 44 Abs. 3 Z 1 VwGVG konnte daher von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

 

IV.       Rechtslage:

 

IV.1.    Zu den Bestimmungen des ASVG:

 

Als Dienstnehmer gilt gemäß § 4 Abs. 2 ASVG derjenige, der in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird, wobei hiezu auch Personen gehören, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen; unab­hängig davon gelten Personen jedenfalls dann als Dienstnehmer, wenn sie entweder mit einem Dienstleistungscheck nach dem Dienstleistungsscheckgesetz entlohnt werden, oder wenn sie nach § 47 Abs. 1 iVm Abs. 2 des Ein­kommensteuergesetzes (EStG) lohnsteuerpflichtig sind, soweit es sich nicht um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit.a oder b EStG oder um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit.c EStG, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen, handelt.

 

Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienst­geber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist. Gemäß Abs. 2 leg.cit. gilt Abs. 1 für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit.a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten ist.

 

Nach § 35 Abs. 1 ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne dieses Bundes­gesetzes derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Haus­wirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienst­nehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgelts verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.

 

Gemäß § 111 Abs. 1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes 1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder 2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder 3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder 4. gehörig ausgewiesene Bedienstete oder Ver­sicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt. Gemäß § 111 Abs. 2 leg.cit. ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar mit Geldstrafe von 730 Euro bis 2.180 Euro, im Wieder­holungsfall von 2.180 Euro bis 5.000 Euro, bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungs­strafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs. 1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

IV.2.    Zur Erteilung einer Ermahnung:

 

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

 

V.           Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hiezu erwogen:

 

V.1.     Zur Erteilung einer Ermahnung:

 

V.1.1.  Im Erkenntnis des VwGH vom 5.5.2014, Ro 2014/03/0052, setzte sich dieser mit der Bestimmung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG auseinander. Der dortige Revisionswerber begründete die Zulässigkeit seiner Revision damit, dass es noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der seit 1. Juli 2013 geltenden neuen Rechtslage des § 45 Abs. 1 VStG, und zwar insbesondere in Bezug auf § 45 Abs. 1 Z 4 und den letzten Absatz des § 45 Abs. 1 VStG, gebe. Zu prüfen sei die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und inwieweit das Verschulden eines Beschuldigten als gering anzusehen sei.

 

Der VwGH führte dazu aus, dass mit dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33/2013, § 45 VStG (unter anderem) um den – im gegenständlichen Fall maßgeblichen – Einstellungstatbestand der Z 4 erweitert wurde, wonach von der Einleitung oder Fortführung eines Straf­verfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde – nach dem Schlusssatz des § 45 Abs. 1 VStG – dem Beschuldigten in diesem Fall unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten. In den Gesetzesmaterialien (ErlRV 2009 BlgNR 24. GP, 19) wird dazu erläutert, dass mit dem neu formulierten § 45 Abs. 1 VStG insbesondere die bisher in § 21 Abs. 1 VStG enthaltenen Bestimmungen zusammengeführt werden sollen. § 45 Abs. 1 Z 4 VStG und der neue Schlusssatz dieses Absatzes entsprächen im Wesentlichen § 21 Abs. 1 VStG (alte Fassung). Zu der zuletzt genannten Bestimmung, die ein Absehen von der Verhängung einer Strafe (bei allfälliger Ermahnung des Beschuldigten) vorsah, „wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind“, besteht eine gesicherte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, § 21 VStG E 5 ff, und in Raschauer/Wessely, VStG, § 21 Rz 6 bis 11 und 18 wiedergegebene Judikatur), anhand derer auch die Rechtsfragen, die der vorliegende Fall aufwirft, gelöst werden können, sodass es keiner neuen Leitlinien bedarf.

 

Nichts anderes kann auch im vorliegenden Fall gelten und ist dieser anhand der bisherigen Rechtsprechung zu beurteilen.

 

V.1.2.  Für das Vorgehen nach § 21 VStG [nunmehr § 45 Abs. 1 Z 4 VStG] müssen im Wesentlichen zwei Kriterien vorliegen: Das Verschulden des Beschuldigten muss gering sein und die Folgen der Übertretung unbedeutend. Feststellungen dazu und damit die Basis für die Entscheidung werden sich in aller Regel aus den Erhebungsergebnissen bzw. im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ergeben. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen (zB VwGH 16.3.1987, 87/10/0024; 19.5.1993, 92/09/0031; 10.12.1996, 96/04/0154; OGH 23.4.1992, 15 Os 19/92; 8.9.1994, 12 Os 109/94). Unter geringfügigem Verschulden versteht die Rspr solche Fälle, in denen das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Schuld- und Unrechtsgehalt zurückbleibt (zB VwGH 12.9.1986, 86/18/0059; 8.10.1990, 90/19/0483; 18.9.1996, 94/03/0128; 10.12.2001, 2001/10/0049; OGH 23.4.1992, 15 Os 19/92).

 

Durch eine solche Auslegung des § 21 VStG ist gleichzeitig klargestellt, dass die Bestimmungen des § 21 VStG nicht nur im Fall der leichten Fahrlässigkeit angewendet werden können (zB VwGH 5.9.1986, 86/18/0167; 20.9.1995, 93/03/0083; 29.5.1998, 98/02/0050; 14.10.2005, 2004/05/0221). Die Meinung, dass ein geringfügiges Verschulden nur dann vorliegen kann, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, wird von der Rspr abgelehnt (VwGH 29.5.1998, 98/02/0050).

 

Neben der Voraussetzung des Vorliegens von bloß geringfügigem Verschulden, bei dessen Nichtvorliegen nach der Judikatur des VwGH die zweite Voraussetzung in aller Regel nicht mehr geprüft wird, darf die Verwaltungsübertretung für die Anwendung von § 21 VStG nur unbedeutende Folgen nach sich ziehen. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen (zB VwGH 16.3.1987, 87/10/0024; 19.5.1993, 92/09/0031; 10.12.1996, 96/04/0154; OGH 23.4.1992, 15 Os 19/92; 8.9.1994, 12 Os 109/94) [Sander in Raschauer/Wessely, VStG, § 21 Rz 6 ff].

 

V.1.3.  Wenn die Behörde gemäß § 21 Abs. 1 vorzugehen hat, kann sie den Beschuldigten mittels Bescheid ermahnen, wenn dies erforderlich ist, um ihn von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten. [...] Die Rspr nimmt an, dass die bescheidmäßige Ermahnung denselben Vorschriften unterliegt wie die bescheidmäßige Erlassung eines Straferkenntnisses (zB VwGH 22.6.1971, 253/71; 19.11.1974, 799/73; 19.5.1980, 3407/79). Dadurch kann eine bescheidmäßig ausgesprochene Ermahnung auch vor den UVS [nunmehr: LVwG] und den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts angefochten werden (zB VwGH 8.2.1988, 87/10/0188). Der Ausspruch einer Ermahnung ist jedoch nur zulässig, wenn die Voraussetzungen hiefür, nämlich die Notwendigkeit, dadurch den Beschuldigten von der Begehung weiterer Handlungen der gleichen Art abzuhalten, vorliegen [Sander in Raschauer/Wessely, VStG, § 21 Rz 18 ff].

 

V.1.4.  Diese Ermahnung ist nur bei Vorliegen einer Verwaltungsübertretung zulässig und setzt daher ein – wenn auch geringfügiges – Verschulden des Beschuldigten voraus, stellt jedoch keine Strafe im Sinn des § 10 VStG dar. Soweit ersichtlich fehlt bislang Judikatur zu der Frage, ob eine solche bescheidmäßige Ermahnung im Falle einer weiteren Bestrafung als erschwerend im Sinne einer nicht mehr vorhandenen Unbescholtenheit oder einer „Vorstrafe“ zu werten ist.

 

Zieht man eine Parallele der Ermahnung mittels Bescheid zu § 12 JGG, nachdem unter bestimmten Voraussetzungen ein Ausspruch über die Schuld, nicht jedoch über die Strafe erfolgen kann, so wird wohl eher davon auszugehen sein, dass es sich um eine „echte“ Vorstrafe handelt und somit der Milderungsgrund der Unbescholtenheit nicht mehr greifen kann. Gleichwohl ist bei einer solchen Analogie zu bedenken, dass eine Verurteilung nach § 12 JGG gemäß § 3 TilgungsG nach Ablauf von drei Jahren jedenfalls getilgt ist. Eine vergleichbare Regelung gibt es für bescheidmäßige Ermahnungen nach dem VStG nicht, was bei einer bedingungslosen Berücksichtigung einer solchen Ermahnung nach § 21 VStG [nunmehr: § 45 Abs. 1 Z 4 VStG] in einem späteren Verfahren als „Vorstrafe“ aus gleichheitsrechtlichen Gründen zumindest als problematisch eingestuft werden müsste.

 

Die Rspr nimmt an, dass die bescheidmäßige Ermahnung denselben Vorschriften unterliegt wie die bescheidmäßige Erlassung eines Straferkenntnisses. Dadurch kann eine bescheidmäßig ausgesprochene Ermahnung auch vor den UVS [nunmehr: VwG] und den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts angefochten werden [Sander in Raschauer/Wessely, Verwaltungsstrafgesetz, § 21 Rz 18].

 

V.1.5.  Im vorliegenden Fall hat sich der Beschuldigte geständig und einsichtig verantwortet und den vorliegenden Missstand unverzüglich behoben. Die Anmeldung erfolgte um wenige Stunden verspätet, sodass die Verspätung tatsächlich relativ kurzfristig war.

 

Wesentlicher Zweck der – vor Arbeitsantritt zu erfüllenden – Meldepflicht gemäß § 33 ASVG in der Fassung des Sozialrechtsänderungsgesetzes 2007, BGBl. I Nr. 37/2007, ist die Bekämpfung der Schwarzarbeit (vgl. die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, 77 BlgNr. 23. GP, 3 sowie zuvor schon
698 BlgNr. 22. GP, 11; zur Rspr. des VwGH vgl. 27.4.2011, 2010/08/0172; 14.3.2013, 2011/08/0187).

 

Allerdings lag z.B. dem Erkenntnis 2010/08/0172 ein ganz anderer Sachverhalt als der hier zu beurteilende zu Grunde. Während es hier um die Beschäftigung eines Ferialpraktikanten für die Dauer von einem Monat und um wenige Stunden verspätete Anmeldung geht, wurden in dem zitierten Fall vier Arbeitnehmer beschäftigt, einen ganzen Tag verspätet angemeldet und war der Arbeitgeber nicht unbescholten. Die beiden Fallkonstellationen lassen sich insofern nicht miteinander vergleichen.

 

Bei dem vom Beschuldigten beschäftigten Dienstnehmer handelte es sich nun um einen Ferialpraktikanten und könnte zwar auch der Standpunkt vertreten werden, dass gerade ein Ferialpraktikant, der nur wenige Wochen in einem Unternehmen beschäftigt ist, von einem Dienstnehmer (der ohnehin schon finanzielle Schwierigkeiten hat) gar nicht erst angemeldet wird; ein derartiges Ansinnen, welches in anderen Fällen durchaus gegeben sein kann, konnte dem Beschuldigten im konkreten Fall nicht nachgewiesen werden.

 

Der Beschuldigte war außerdem unbescholten. Im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung war daher das Verschulden des Beschuldigten geringfügig, sodass die erste Voraussetzung des § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG erfüllt ist.

 

Nachdem der Beschuldigte die verspätete Anmeldung noch am selben Tag vornahm, wurden von ihm die Sozialversicherungsbeiträge für den ganzen Tag entrichtet. Ein Schaden ist insofern nicht eingetreten. Außerdem musste der Beschuldigte im Verfahren gemäß § 113 ASVG vor der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse 400 Euro bezahlen. Die Folgen der Tat sind somit gering. Auch die zweite Voraussetzung des § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG ist insofern erfüllt.

 

Zusammengefasst erfüllt der Beschuldigte somit die Voraussetzungen für die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG. Der Beschuldigte hat gegen den Ausspruch der Ermahnung keine Beschwerde erhoben.

 

V.2.     Zu den sonstigen Umständen des gegenständlichen Falles:

 

V.2.1.  Zunächst legt die Beschwerdeführerin nicht dar, aus welchen Gründen im vorliegenden Fall mit einer Ermahnung nicht das Auslangen gefunden werden kann und eine Geldstrafe erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren Handlungen der gleichen Art abzuhalten. Insbesondere geht aus der Beschwerde nicht hervor, weshalb das Verschulden des Beschuldigten nicht (mehr) als geringfügig qualifiziert werden kann und/oder welche Folgen eingetreten wären, die zu einer intensiven Beeinträchtigung eines Rechtsgutes geführt hätten.

 

V.2.2.  Auch das vor der Oberösterreichischen Gebietskranke geführte Verfahren, in welchem der Beschuldigte zur Zahlung von 400 Euro verpflichtet wurde, reicht als Begründung nicht aus:

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat nach § 38 AVG die Vorfrage, ob die vom Beschuldigten nicht zur Sozialversicherung gemeldete Person in der konkreten Tätigkeit der Pflichtversicherung unterlag, selbst zu beurteilen oder kann – sofern ein diesbezügliches Feststellungsverfahren bereits anhängig gewesen wäre oder gleichzeitig anhängig gemacht worden wäre – das Strafverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen. Durch die Beurteilung dieser Vorfrage der Pflichtversicherung in einem Verwaltungsstrafverfahren wird diese Frage zwar für die konkrete Sache beantwortet, nicht aber mit Bindungswirkung für das Hauptfrageverfahren – die Feststellung der Pflichtversicherung – entschieden. Das Landes­verwaltungs­gericht Oberösterreich war daher gehalten, selbst über das Vorliegen einer der Pflichtversicherung unterliegenden Tätigkeit zu entscheiden. Das Verfahren vor der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse bzw. die Entscheidung der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse stellt daher keine die Verwaltungs­strafbehörde bindende Entscheidung dar (VwGH 16.3.2011, 2008/08/0040).

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hatte die verfahrensrelevante Sach- und Rechtslage deshalb selbst zu beurteilen. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen zu Pkt. V.1. konnte insofern mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden, um den Beschuldigten in Zukunft von weiteren Handlungen gleicher Art abzuhalten. Insbesondere wurden dem Beschuldigten die finanziellen Konsequenzen seines Verhaltens im Verfahren vor der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse bereits vor Augen geführt, sodass bei Würdigung aller Umstände von einer Geldstrafe abgesehen werden konnte.

 

V.3.     Insofern war spruchgemäß zu entscheiden, der Beschwerde keine Folge zu geben und der Bescheid der belangten Behörde zu bestätigen.

 

 

VI.         Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

VI.1.    Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

VI.2.    Zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Erteilung einer Ermahnung (§ 21 VStG bzw. § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG) kann auf die oben (Pkt. V.1.) umfassend zitierte Rechtsprechung verwiesen werden, von welcher das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht abweicht. Außerdem handelt es sich bei der vorliegenden Beurteilung der verspäteten Anmeldung eines Ferialpraktikanten zur Sozialversicherung und die persönlichen Beweggründe des Beschuldigten um einen konkreten Einzelfall, welcher sich aus der Beweis­würdigung ergeben hat. Die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Falles lässt sich weder verallgemeinern noch auf andere Fälle übertragen. Der zu lösenden Rechtsfrage kommt somit keine grundlegende Bedeutung zu.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Lidauer