LVwG-650335/6/Bi

Linz, 13.03.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn A.W., x, vertreten durch Herrn RA Dr. G.H., x, vom 29. Jänner 2015 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 13. Jänner 2015, VerkR21-830-2014, wegen einer Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen sowie erforderliche Befunde zu erbringen, aufgrund des Ergebnisses der am 12. März 2015 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der in Beschwerde gezogene Bescheid aufgehoben.

 

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde der Beschwerdeführer (in Folge: Bf) gemäß § 24 Abs.4 FSG zum Zweck der Beurteilung seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen aufgefordert, sich binnen vier Wochen, gerechnet ab Zustellung des Bescheides, amtsärztlich untersuchen zu lassen. Stelle sich im Zuge der amtsärztlichen Untersuchung heraus, dass zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens Befunde erforderlich seien, habe er diese binnen vier Wochen, gerechnet ab Durchführung der amtsärztlichen Untersuchung, zu erbringen. 

Die Zustellung des Bescheides erfolgte laut Rückschein am 16. Jänner 2015.

2. Dagegen hat der Bf fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerde­vorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Auf ausdrücklichen Antrag wurde am 12. März 2015 eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Bf durchgeführt. Der Rechtsvertreter war ebenso wie der Vertreter der belangten Behörde entschuldigt. Das Erkenntnis wurde mündlich verkündet.

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, der von der belangten Behörde dargestellte Sachverhalt rechtfertige keine Bedenken an der gesundheitlichen Eignung. Es sei richtig, dass er 2011 einmal an einer Cannabiszigarette angezogen habe. Im Übrigen habe er kein Cannabis konsumiert. Er habe im Sommer 2014 im Keller seines Wohnhauses Cannabis angepflanzt, jedoch seien die Pflanzen bei der polizeilichen Hausdurchsuchung am 23. Oktober 2014 am Wachsen und noch nicht in Blüte. Die sichergestellte Mischung von Tabak und Cannabiskraut beinhalte sicherlich einige Blätter, die er im Keller getrocknet habe, diese seien aber nicht THC-hältig. Er habe die Mischung 1 oder 2mal geraucht, ohne dass eine psychotrope Wirkung eingetreten wäre. Dass er vorgehabt habe, das erzeugte Cannabis in Zukunft zu konsumieren, berühre seine gesundheitliche Eignung nicht. Beantragt wird die ersatzlose Aufhebung des Bescheides.

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde sowie Einholung des Untersuchungs­befundes der Cannabispflanzen von der PI Vorchdorf und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der das bisherige Parteienvorbringen berücksichtigt und der Bf einvernommen wurde.

 

 

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bf besuchte nach eigenen Angaben im Jahr 2011 eine Party, bei der er Cannabis konsumierte.

Im Zuge von Erhebungen nach einer Anzeige in einem nicht suchtgiftbezogenen Zusammenhang kam es am 23. Oktober 2014 zu einer Hausdurchsuchung beim Bf, bei der im Keller seines Wohnhauses 6 Cannabispflanzen gefunden wurden, die der Bf nach seinen Angaben aus Samen, die er ca 3 Monate vorher in einem Geschäft in W. gekauft hatte, gezogen hatte. Die Pflanzen waren ca 1 m hoch und standen vor der Blüte. Sie wurden von den Beamten der PI V. getrocknet und zur Untersuchung eingesandt. In den Pflanzen fand sich ebenso THC wie in dem vorgefundenen Säckchen mit Tabak, dem laut Bf einige getrocknete Cannabisblätter beigemischt waren. Über den THC-Gehalt der getrockneten Cannabispflanzen steht nichts im Untersuchungsbericht. Laut Bf war beim Rauchen des Tabaks keine Wirkung zu spüren.

Nach seiner Aussage in der Verhandlung fand seine Gattin 2 Tage vor der Hausdurchsuchung die Pflanzen und stellte ihn vor die Alternative, entweder er entferne die Pflanzen oder sie lasse sich scheiden. Da er sich für seine Gattin entschieden hatte, hätte er die Pflanzen ohnehin vernichtet. Er habe nicht gewusst, dass diese Pflanzen so groß werden, er habe sie ohne besonderen Aufwand angebaut und er habe auch nicht gewusst, dass sie erst blühen müssen, um einen relevanten THC-Gehalt zu erreichen.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 24 Abs.4 FSG ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

Nach der Rechtsprechung des VwGH (E 27.1.2015, 2012/11/0233) sind Voraus­setzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 24 Abs.4 FSG begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber einer Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Im Zusammenhang mit einem Suchtmittelkonsum des Inhabers einer Lenkberechtigung wäre ein Aufforderungsbescheid rechtens, wenn ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht bestünden, dem Betreffenden fehle infolge Suchtmittelabhängigkeit (oder wegen Fehlens der Bereitschaft zur Verkehrs­anpassung) die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (vgl E 24.5.2011, 2011/11/0026, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur).

Wie sich aus § 14 FSG-GV ergibt, berührt ein geringfügiger Suchtmittelgenuss die gesundheitliche Eignung (noch) nicht. Erst dann, wenn der Konsum zu einer Abhängigkeit zu führen geeignet ist oder wenn die Gefahr besteht, dass die betreffende Person nicht mehr in der Lage sein könnte, den Konsum so weit einzuschränken, dass ihre Fähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht (mehr) beeinträchtigt ist, liegt ein Grund vor, unter dem Aspekt eines festgestellten – wenn auch verbotenen – Suchtmittelkonsums die gesundheitliche Eignung begründeterweise in Zweifel zu ziehen. Ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs.4 FSG ist nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Fall einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungs­bescheides) vonseiten der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken bestehen (vgl E 24.5.2011, 2011/11/0026, mwN.)

 

Zur Anordnung, sich binnen einer Frist amtsärztlich untersuchen zu lassen, ist zu sagen, dass sich aus der oben zusammengefassten Vorgeschichte keine Anhalts­punkte dafür ergeben, dass der Bf überhaupt aktuell Cannabis konsumiert hat. Ein Konsum im Jahr 2011 ist unbeachtlich. Die im Oktober 2014 geernteten Cannabispflanzen hatte er „für den Eigenkonsum“ erwiesenermaßen zwar im Keller, aber nicht konsumiert. In Bezug auf Anhaltspunkte für die Einschränkung oder gar den Verlust der gesundheit­lichen Eignung zum Lenken von Kraftfahr­zeugen ist daraus nichts zu erschließen. Der Bf hat bei der Verhandlung auch keinen auf Suchtmittelkonsum augenscheinlich schließen lassenden Eindruck gemacht.

 

Zur Anordnung, binnen einer Frist Befunde beizubringen, die eventuell bei der amtsärztlichen Untersuchung vom Amtsarzt für erforderlich erachtet werden,  ist auf die Rechtsprechung des VwGH zu verweisen, wonach wenn der Inhaber einer Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs. 4 FSG 1997 aufgefordert wird, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen, diese Befunde im Aufforderungsbescheid im Einzelnen anzuführen sind (E 13.8.2004, 2004/11/0063). Es erweist sich als rechtswidrig, den Inhaber der Lenkberechtigung, wie gegenständlich, zu verpflichten, "allenfalls erforderliche" Befunde beizubringen, weil damit die Beantwortung der Frage der Erforderlichkeit solcher Befunde (die eine von der Behörde zu beurteilende Rechtsfrage darstellt) augenscheinlich an den Amtsarzt delegiert und damit der gerichtlichen Überprüfung entzogen wird (vgl VwGH 23.9.2014, Ra 2014/11/0023).

Nicht zuletzt im Hinblick auf die (gemäß § 24 Abs.4 letzter Satz FSG drohende) Konsequenz der Formalentziehung wäre es notwendig gewesen, die Aufforderung dahin zu konkretisieren, welche Befunde der Revisionswerber innerhalb eines ihm gesetzten Zeitraumes zu erbringen habe (vgl VwGH 13.9.2004, 2004/11/0063; 23.9.2014, Ra 2014/11/0023; ua).

 

Die von der belangten Behörde pauschal formulierte Aufforderung, Befunde zum Zweck der Beurteilung der gesundheitlichen Eignung beizubringen, war daher rechtswidrig und damit spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger