LVwG-300574/2/Bm/BD

Linz, 01.04.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Maga. Michaela Bismaier über die Beschwerde des Herrn A.P., vertreten durch Rechtsanwälte Dr. L.J.K., Dr. J.M., x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshaupt­mannschaft Grieskirchen vom 4.12.2014, Ge96-108-2013, wegen einer Verwal­tungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 3 VStG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

II.      Der Beschwerdeführer hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde (§ 66 Abs. 1 VStG) noch einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (§ 52 Abs. 9 VwGVG) zu leisten.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I. und II.:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 4.12.2014, Ge96-108-2013, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) eine Geldstrafe in Höhe von 3.600 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 75 Stunden,  wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 60 Abs. 1 iVm § 130 Abs. 1 Z 19 ASchG verhängt.

 

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:

 

„Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gemäß § 9 Verwaltungsstrafgesetz für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verantwortliche Organ der G.P. GmbH und somit als Arbeitgeber zu verantworten, dass die im Unternehmen der Gesellschaft beschäftigten Arbeitnehmer T.L., geb. x, und S.D., geb. x, am 2.12.2013 in der Arbeitsstätte in P., x, mit dem Anbringen von Trapez-Blech-Profilen an der Unterse4ite der Dachkonstruktion bzw. der Wärmeisolierung beschäftigt wurden und dabei aus einer Höhe von ca. 5 m abgestürzt sind und sich schwere Verletzungen zugezogen haben, sodass

1. der Arbeitsvorgang des Anbringens von Trapez-Blech-Profilen an der Unterseite der Dachkonstruktion bzw. der Wärmeisolierung nicht so vorbereitet, gestaltet und durchgeführt wurde, dass ein wirksamer Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer erreicht wird, obwohl Arbeitgeber dafür zu sorgen haben, dass Arbeitsvorgänge so vorbereitet, gestaltet und durchgeführt werden, dass ein wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Abreitnehmer erreicht wird.“

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bf durch seine anwaltliche Vertretung innerhalb offener Frist Beschwerde eingebracht und darin im Wesentlichen ausgeführt, das Straferkenntnis werde im Spruchpunkt 1. seinem gesamten Inhalte nach angefochten.

Als Beschwerdegründe würden formelle Rechtswidrigkeit aufgrund Mangelhaftig­keit des Verfahrens und materielle Rechtswidrigkeit aufgrund unrichtiger Sach­verhaltsfeststellung bzw. Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beur­teilung geltend gemacht.

Die belangte Behörde gehe davon aus, dass vom Beschuldigten der Arbeits­vorgang des Anbringens von Trapez-Blech-Profilen an der Unterseite der Dach­konstruktion bzw. der Wärmeisolierung im Betriebsgebäude in P., x, nicht so vorbereitet, gestaltet und durchgeführt worden sei, dass ein wirksamer Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer erreicht werde, obwohl Arbeitgeber dafür zu sorgen haben, dass Arbeitsvorgänge so vorbereitet, gestaltet und durchgeführt werden, dass ein wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer erreicht wird. Diese Sach- und Rechtsansicht sei unrichtig, das Ermittlungsverfahren aber auch insofern mangelhaft geblieben, als es von der belangten Behörde unterlassen worden sei, ein SV-Gutachten einzuholen, sondern sich diese auf den subjektiven Standpunkt stelle, dass in  sachlicher Hinsicht der Arbeitsvorgang bezüglich Vorbereitung, Gestaltung und Durchführung mangelhaft gewesen sei, was tatsächlich aber nicht zugetroffen habe. Tatsächlich habe der Beschuldigte das Herabstürzen nicht verhindern können, zumal durch die Arbeitnehmer ein Arbeitsvorgang gemacht worden sei, der vom Beschuldigten weder vorhersehbar noch verhinderbar gewesen sei, wie die Arbeitnehmer im Zuge ihrer Vernehmung auch selber zugestanden hätten und Grund für die Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens gegen den Beschuldigten gewesen sei. Die subjektive Annahme der belangten Behörde wäre durch ein SV-Gutachten zu untermauern gewesen, wodurch sich aber ergeben hätte, dass aus arbeitsschutzmäßiger Sicht weder das Tragen eines Sicher­heitsgeschirres, noch Auffangvorrichtung, noch sonstige Schutzeinrichtungen rücksichtlich der konkreten Situation des Arbeitsplatzes erforderlich gewesen sei. Es müsse dabei berücksichtigt werden, dass die beiden Arbeitnehmer nicht deshalb abgestürzt seien, weil am Rand keine Absturzsicherung vorhanden gewesen wäre, vergleichbar mit Dachdeckern oder Spenglern, die am Dach Arbeiten verrichten und wo eben jeweils an den Rändern des Daches Auffangvorrichtungen angebracht werden, damit ein Abrutschen oder ein Absturz in das freie Gelände verhindert werde. Auch hätte aus dem Fachgebiet der Statik ein SV-Gutachten eingeholt werden müssen, um die Verantwortung des Beschuldigten überprüfen zu können bzw. habe entgegen dem Standpunkt der belangten Behörde der Beschuldigte den Nachweis der Tragfähigkeit der Deckenpaneele erbracht. Die belangte Behörde stelle den Berechnungen des
DI W. keine Gegenberechnung gegenüber, die dessen Richtigkeit wider­legen würde. Die Behörde vermeine subjektiv und somit in vorausgreifender Beweiswürdigung, dass diese unrichtig sei, was tatsächlich aber nicht zutreffe.

Zur objektiven Ermittlung des Sachverhaltes wäre daher jedenfalls auch ein
SV-Gutachten aus dem Fachgebiet der Statik einzuholen gewesen, womit der Beschuldigte den Beweis hätte erbringen können, dass die Tragfähigkeit der Deckenpaneele gegeben gewesen sei. Darüber hinaus habe der Beschuldigte die Mitarbeiter auch entsprechend angewiesen. Hätten sich die Arbeitnehmer an die Vorgaben bzw. Anweisungen gehalten, wäre es zu keinem Unfall gekommen, was seitens der belangten Behörde aber unberücksichtigt geblieben sei.

 

Es werde daher der Antrag gestellt, das Oö. Landesverwaltungsgericht möge der Beschwerde Folge geben und das angefochtene Straferkenntnis beheben und das Verfahren gegen den Beschuldigten einstellen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Landesverwaltungsgericht Ober-österreich (LVwG) zur Entscheidungsfindung vorgelegt.

 

4. Das LVwG hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Da bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG eine öffentliche mündliche Verhandlung ent­fallen.

 

5. Hierüber hat das LVwG erwogen:

 

5.1. Nach § 60 Abs. 1 ASchG haben Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass Arbeits­vorgänge so vorbereitet, gestaltet und durchgeführt werden, dass ein wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer erreicht wird.

 

Nach § 130 Abs. 1 Z19 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 bis 8.324 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von
333 bis 16.659 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Vorbereitung, Gestaltung und Durchführung von Arbeitsvorgängen oder die Einrichtung, Beschaffenheit und Erhaltung von Arbeitsplätzen verletzt.

 

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

 

Demnach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatum­stände so genau zu umschreiben, dass

1.      die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird,

2.      die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

 

Was den vorstehenden Punkt 1 anlangt, sind entsprechende, das heißt in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den Punkt 2 anlangt, muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheid-begründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus.

 

5.2. Diesen Anforderungen entspricht der Spruch des angefochtenen Strafer­kenntnisses nicht.

 

Der Tatvorwurf im angefochtenen Straferkenntnis geht dahin, der Bf habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der G.P. GmbH zu verant­worten, dass zwei namentlich genannte Arbeitnehmer in der Arbeitsstätte in P., x, mit dem Anbringen von Trapez-Blech-Profilen an der Unterseite der Dachkonstruktion bzw. der Wärmeisolierung beschäftigt wurden und dabei aus einer Höhe von zirka 5 m abgestürzt sind und sich schwere Verletzungen zugezogen haben, sodass der Arbeitsvorgang des Anbringens von Trapez-Blech-Profilen an der Unterseite der Dachkonstruktion bzw. der Wärme-isolierung nicht so vorbereitet, gestaltet und durchgeführt wurde, dass ein wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer erreicht wird.

 

Die im gegenständlichen Fall angewendete Bestimmung des § 60 Abs. 1 ASchG normiert für Arbeitgeber hinsichtlich der Arbeitsvorgänge mehrere Ver­pflichtungen, nämlich zum einen die Vorbereitung und zum anderen die Gestaltung und Durchführung von Arbeitsvorgängen in der Art, dass ein wirks­amer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer erreicht wird.

Die korrespondierende Strafnorm des § 130 Abs. 1 Z 19 ASchG normiert die Verletzung der Verpflichtung sowohl die Vorbereitung als auch die Gestaltung sowie Durchführung von Arbeitsvorgängen betreffend. Demgemäß ist bei der Umschreibung des vorgeworfenen Tatverhaltens die Anführung erforderlich, welcher Verpflichtung nun (nämlich Vorbereitung, Gestaltung oder Durchführung) nicht entsprochen wurde.

Eine solche Umschreibung wurde vorliegend unterlassen.

Es ist dem Spruch des Straferkenntnisses nicht zu entnehmen, gegen welche Verpflichtung der Bf nun verstoßen hat, also welcher objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung als erfüllt erachtet wird.

Dazu gehört auch, dass dem Bf das konkrete Verhalten (bzw. die Unterlassung), das die mangelnde Vorbereitung, Gestaltung oder Durchführung des Arbeits­vorganges des Anbringens von Trapez-Blech-Profilen an der Unterseite der Dachkonstruktion bzw. der Wärmeisolierung begründet, vorgeworfen wird.

 

Der Spruch enthält lediglich die wörtliche Anführung des Gesetzeswortlautes des § 60 Abs. 1 und § 130 Abs. 1 Z 19 ASchG. Eine solche wörtliche Anführung des Gesetzeswortlautes reicht aber nicht aus, weil damit nicht ein durch die konkreten Tatumstände individualisiertes unter Strafe gestelltes Tatverhalten vorgeworfen wird.

 

Der Tatvorwurf entspricht somit nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG.

Weder im Ladungsbescheid als erste Verfolgungshandlung noch im Spruch des angefochtenen Straferkenntnis wurde – wie oben ausgeführt – eine ausreichende Tatumschreibung vorgenommen. Es konnte wegen bereits abgelaufener Ver­folgungsverjährungsfrist (Tatzeitpunkt 2.12.2013) eine entsprechende Ergänzung auch nicht vom LVwG vorgenommen werden.

 

Es war daher das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren wegen eingetretener Verfolgungsverjährung gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG einzu­stellen.

 

6. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten ist in der zitierten Gesetzes­stelle begründet.

 

 

Zu III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beur­teilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Michaela Bismaier