LVwG-650209/23/Bi

Linz, 16.04.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde der P., W & C GmbH, G.-straße 4, W., vertreten durch Herrn RA Dr. W. L., S., vom 13. August 2014 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 7. August 2014, VerkR01-1223-1-2014, wegen der Anordnung, die nordwestlich der Kreuzung B1 W. Straße/B143 H. Straße/B145 S. Straße auf dem Dach eines – auf dem Gst.Nr. x und .13.., KG Wa., befindlichen – Gebäudes angebrachte Videowall abzuschalten und zu beseitigen, aufgrund des Ergebnisses der am 27. Jänner 2015, 19. März 2015 und 23. März 2015 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht   e r k a n n t :

 

I.

Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der  angefochtene Bescheid insofern abgeändert, als die P. W und C GmbH, vertreten durch die handelsrechtliche Geschäftsführerin Frau MMag. P. Z., W., G.-straße 5, die nordwestlich der Kreuzung B1 W. Straße – B143 H. Straße – B145 S. Straße auf dem Dach eines – auf dem Gst.Nr. x und .13.., KG Wa., befindlichen – Gebäudes angebrachte Videowall unter Einhaltung der RVS 05.06.12 Punkt 8. so zu betreiben hat, dass aus Richtung Osten (A-P bzw W) durch geeignete Maßnahmen, insbesondere den Anbau einer optischen Abschirmung, eine Maskierung auszuschließen ist.

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der angeführten GmbH, vertreten durch die handelsrechtliche Geschäftsführerin, auf der Rechtsgrundlage des § 35 Abs.1 lit.b und Abs.2 StVO aufgetragen, die nordwestlich der Kreuzung B1 W. Straße/B143 H. Straße/B145 S. Straße auf dem Dach eines – auf dem Gst.Nr. x und .13.., KG Wa., befindlichen – Gebäudes angebrachte Videowall abzuschalten und zu beseitigen. Gemäß § 13 Abs.2 VwGVG wurde die aufschiebende Wirkung einer dagegen eingebrachten Beschwerde ausgeschlossen. Die Zustellung des Bescheides erfolgte laut Rückschein am 8. August 2014.

 

2. Dagegen hat die Beschwerdeführerin (in Folge: Bf) fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungs­gericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Am 27. Jänner, 19. und 23. März 2015 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit der handelsrechtlichen Geschäftsführerin der Beschwerde führenden GmbH Frau MMag. P. Z., des Rechtsvertreters der Bf Herrn RA Dr. W. L., der Vertreterin der belangten Behörde Frau U. P., des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Straßenverkehrs- und Lichttechnik Herrn DI H. L., des verkehrspsychologischen Sachverständigen Herrn Dr. W. Z. sowie des verkehrstechnischen Amtssachverständigen Herrn E. H., Amt der OÖ. Landesregierung, durchgeführt. Auf die mündliche Verkündung des Erkenntnisses wurde verzichtet.

 

3. Die Bf machte zunächst lediglich geltend, die von der belangten Behörde am 26. Juni 2014 verlangte Stellungnahme sei nicht abgewartet worden, obwohl diese am letzten Tag der Frist zur Post gegeben worden sei.

Nach Aufforderung des Landesverwaltungsgerichtes zur Beschwerdeergänzung im Sinne des § 9 Abs.1 Z3 VwGVG machte die Bf im Wesentlichen geltend, sie sei außer in ihrem Recht auf Parteiengehör in ihren subjektiven Rechten verletzt, insbesondere in ihrem Recht, die Videowall mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 35 Abs.1 lit.b StVO 1960 für eine Entfernung an ihrem Aufstellungsort zu belassen und weiter in Betrieb zu halten. Dem Bescheid lägen unzureichende Unfalldaten zugrunde hinsichtlich der Festlegung des Bereichs als Unfallhäufungspunkt – ohne differenzierte Untersuchung auf der Grundlage eines unvollständigen und nicht schlüssigen Amtsgutachtens.

Die Einstufung des fraglichen Bereichs als Unfallhäufungspunkt entspreche nicht den Vorgaben der RVS 02.02.21 (Letztfassung 17.12.2014) zu Punkt 4.3 Erläuterung zu Unfallhäufungsstellen – 4.3.1. Definition der Unfallhäufungsstelle. Demnach sei ein Knoten oder Streckenbereich bis zu 250 m Länge als Unfallhäufungsstelle zu bezeichnen, wenn sich an einer Stelle a) mindestens 3 gleichartige Unfälle mit Personenschaden in 3 Jahren ereignet hätten und der Relativkoeffizient 0,8 erreiche oder übersteige; b) sich mindestens 5 gleichartige Unfälle (einschließlich solche mit Sachschaden) in einem Jahr ereignet hätten (siehe Punkt 4.3.2.).

Keine Unfallhäufungsstelle sei gegeben, wenn sich kein typenspezifischer Unfall im letzten Jahr nach einer Sanierung ereignet habe (und auch keine neuen Unfälle verzeichnet worden seien). Seien mehrere überlappende Unfallhäufungs­stellen gegeben, sei jedenfalls der gesamte Unfallhäufungsbereich von 250 m Länge für die weiteren Berechnungen heranzuziehen. Die Einstufung als „gleich­artige“ Unfälle sei nach den vorliegenden Merkmalskriterien vorzunehmen – diesen sei das Verfahren vor der belangten Behörde nicht gerecht geworden. 

Das Gutachten des AmtsSV sei insofern mangelhaft, als a) nur nach Himmels­richtungen und nicht nach Fahrtrichtungen differenziert, b) keine Trennung nach der Gleichartigkeit der Unfälle vorgenommen und c) kein Relativkoeffizient (= Berücksichtigung des Verkehrsaufkommens) ermittelt worden sei.

Sowohl die B1 als auch die B145 seien hochbelastete Straßenzüge – unter Berücksichtigung des Relativkoeffizienten könne es sich daher gar nicht um eine Unfallhäufung gemäß RVS 02.02.21 handeln.

Die Forderung des AmtsSV nach Beiziehung eines verkehrspsychologischen SV sei weder durch RVS Punkt 05.06.12 noch Punkt 05.06.11 gedeckt.

Dem AmtsSV seien keine Aufträge im Sinne des § 35 Abs.1 lit.a StVO 1960 erteilt worden – demnach habe die Behörde Änderungsvorschläge zur Verbesserung zu erstellen und zu prüfen. Solche Schlussfolgerungen seien dem SV-Gutachten nicht zu entnehmen. In der Stellungnahme von MR aD DI H. L. vom 5.6.2014 seien Lösungen zur Risikominimierung vorgeschlagen worden, die aber als ungeeignet abgetan worden seien.

 

Beantragt wird die Durchführung von Fahrten aus allen Anfahrtsrichtungen, um die Sichtbarkeit der Videowall zu prüfen und festzustellen, dass Maskierungen der bestehenden Ampelanlage und ihrer Signale nicht vorliegen. Der Blickwinkel zwischen Ampelsignalen und Videowall sei zu schräg, um zu erkennen, was auf der Videowall geboten werde oder diese sei (zB aus Richtung Nord) gar nicht zu sehen. Eine Auswirkung auf die Verkehrssicherheit sei auszuschließen.

Beantragt wird weiters die Überprüfung aus Anfahrtsrichtung Süd zur Vornahme einer Abklärung in Form einer Befragung von Lenkern während der Mitfahrt (mit anschließender Bildexploration) und einschalten der Videowall, und zwar eine Versuchsvornahme mit ca 3 Dutzend Versuchspersonen, je zur Hälfte bei eingeschalteter und ausgeschalteter Videowall und Erstellung eines Gutachtens über die Auswirkungen der Videowall anhand dieser Ergebnisse.

Beantragt wird eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in der Sache insofern, als der angefochtene Bescheid aufgehoben werde, hilfsweise Aufhebung und Zurückverweisung an die belangte Behörde, weil diese den Sachverhalt unzureichend ermittelt habe als Folge der übereilten Bescheiderlassung sowie die Durchführung einer Verhandlung.

 

Dem Antrag der Bf auf Zuerkennung der mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gemäß § 13 Abs.2 VwGVG ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung wurde mit Beschluss vom 5. November 2014, LVwG-650209/6/Bi/SA, im Hinblick auf die angeordnete Beseitigung der Videowall Folge gegeben.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der beide Parteien gehört, das – nach Erteilung einer Ausnahmebewilligung zum vorübergehenden Einschalten der Videowall mit Beschluss vom 3. Februar 2015, LVwG-650209/16/Bi, vorgelegte – verkehrs­psychologische Gutachten Dris. Z. vom 10. Februar 2015 erörtert, die im Verfahren vor der belangten Behörde erstattete gutachterliche Stellungnahme des Herrn DI L. vom 5. Juni 2014 erörtert und das vom verkehrs­technischen AmtsSV im Verfahren vor der belangten Behörde erstattete Gutachten vom 31. März 2014 und 24. Juni 2014 erörtert und nach einem Ortsaugenschein am 27. Jänner 2015 an der „L.-Kreuzung“ ergänzt wurde. Weiters wurden die im vorgelegten Verfahrensakt befindlichen Aufzeichnungen über die Qualifikation der „L.-Kreuzung“ bei km 243.740 der B1 als Unfallhäufungsstelle erörtert und die von der PI Vöcklabruck eingeholten Abschlussberichte für die als „Verkehrsunfall mit Personenschaden“ ausgewiesenen Unfälle aus den Jahren 2011 bis 2014 eingesehen. Zum Vergleich wurden Ortsaugenscheine bei der von der Bf betriebenen Videowall an der U-kreuzung in L. und am P. C-Center, L.straße, in L. vorgenommen.

  

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Die Bf errichtete und betrieb ab jedenfalls 25. März 2014 nach bereits 2012 erfolgten Erkundigungen bei der Baubehörde der Stadt Vöcklabruck und der Abt. Verkehrstechnik beim Amt der OÖ. Landesregierung eine auf dem Flachdach eines eingeschoßigen Gebäudes nord­westlich der „L.-Kreuzung“ parallel zur Gebäudekante positionierte Videowall im Ausmaß von 5,13 x 2,89 m. Die Kreuzung B1-B145-B143 liegt im Ortsgebiet Vöcklabruck in einem Bereich mit einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h. Sie hat ein durchschnitt­liches Verkehrsaufkommen von 17000 bis 25000 Fahrzeugen am Tag, 700 bis 1000 Fahrzeugen pro Stunde.

 

In seinem Gutachten vom 31. März 2014 sprach sich der AmtsSV aus verkehrs­sicherheitstechnischem Aspekt gegen die Genehmigungsfähigkeit der Videowall aus, wobei er zugrundelegte, dass die sogenannte L.-Kreuzung als Unfallhäufungsstelle ausgewiesen sei und daher ein derartiger visueller Informationsträger den RVS 05.06.11 und 05.06.12 entsprechen müsse. Aufgrund der Qualifikation als Unfallhäufungsstelle sei innerhalb der doppelten Anhaltestrecke – bei 60 km/h sind das 54 m x 2, daher 108 m – vor und nach der Haltelinie innerhalb eines 30°-Sichtkegels die Errichtung eines visuellen Informationsträgers unzulässig.

 

Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 8. April 2014, VerkR01-1223-2014, wurde die Bf, vertreten durch die handelsrechtliche Geschäftsführerin, gemäß § 35 Abs.1 lit.b und Abs.2 StVO 1960 verpflichtet, die Videowall unverzüglich auszuschalten und binnen zwei Tagen ab Zustellung des Bescheides – das war am 11. April 2014 – zu entfernen.

Mit E-Mail vom 14. April 2014 legte die Bf die bisherigen Gespräche mit der Baubehörde dar sowie eine Mitteilung gemäß § 25a Abs.2 . Bauordnung des Bürgermeisters von Vöcklabruck vor, wonach die Errichtung einer Werbeanlage auf dem bestehenden Objekt Grundstück x, EZ 21.., KG … Wa., 4840 Vöcklabruck, L.er Straße .., angezeigt wurde und eine Untersagung der Bauausführung nicht beabsichtigt sei.

Da die Videowall weiterhin betrieben wurde, wurde der Bf seitens der belangten Behörde am 16. April 2014 eine Zwangsstrafe angedroht und nach einem Gespräch mit Vertretern der belangten Behörde eine Frist dafür bis 24. April 2014 gewährt und sie auf ein bislang fehlendes Rechtsmittel gegen den Bescheid hingewiesen, worauf mit Schreiben vom 23. April 2014 formell Vorstellung erhoben und auf ein persönliches Gespräch am 24. April 2014 verwiesen wurde.

Ab 25. April 2014 war die Videowall nicht mehr eingeschaltet.

 

Von der belangten Behörde wurde von der PI Vöcklabruck ein Verzeichnis über die Verkehrsunfälle mit Sach- bzw Personenschaden auf der L.-Kreuzung im Zeitraum 1. Jänner 2011 bis 14. April 2014 eingeholt. Weiters wurde die auf der Landes-Homepage ersichtliche „Unfallstatistik 2012“ für den Bezirk Vöcklabruck für die Jahre 2010, 2011 und 2012 mit den dortigen Unfall­häufungsstellen anhand der Unfälle mit Personenschaden in das Verfahren miteinbezogen – darin waren zwei Unfallhäufungsstellen als „L.-Kreuzung“ bezeichnet, nämlich „Ortsgebiet Vöcklabruck, km 243.700 bis 243.900“, und „Ortsgebiet Vöcklabruck, km 11.18 bis 11.4“.

Seitens des Amtes der . Landesregierung, Direktion Straßenbau und Verkehr, Abt. Verkehr, wurden die Verzeichnisse der Statistik Austria der Verkehrsunfälle mit Personenschaden auf der B145 von km 11.180 bis 11.400 und der B1 von km 243.700 bis 243.900 im Zeitraum 1.1.2010 bis 31.12.2012, ausgewiesen ua auch nach Unfalltypen, vorgelegt. Dazu wurde von der Bf eine „Vorweg-Beurteilung“ durch Herrn DI L. vom 15. Mai 2014 vorgelegt, in der dieser ausführt, da die Videowall auf Privatgrund abseits des direkten Straßenraumes und des darüber befindlichen Luftraumes (Verkehrszeichen­raumes) errichtet sei, erübrige sich eine Genehmigung nach § 82 StVO, sondern seien etwaige Verkehrsbeeinträchtigungen nach § 35 StVO zu beurteilen. Der AmtsSV habe in seinem Gutachten dem gesetzlichen Auftrag nach § 35 Abs.2 StVO nicht entsprochen, bzw seien ihm keine solchen Fragen gestellt worden. Die Unfalldaten beruhten lediglich auf händisch erstellten Polizeilisten, wesentliche Faktoren wie Fahrt­richtungen und Unfallarten seien nicht berücksichtigt. Die Tatsache einer Unfallhäufung bestehe zwar, jedoch dürfte in der relevanten Richtung die Möglichkeit einer Abhilfe durch geringfügige Veränderungen der Anlage bestehen. In seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 5. Juni 2014 führt DI L. im Wesentlichen aus, die Unfälle auf der B145 seien der Kreuzung B145/K.-straße zuzuordnen und hätten mit der „L.-Kreuzung“ nichts zu tun. Zu untersuchen seien die Unfälle für die B1, wobei sich hier die Problematik auf den östlichen Ast – von km 243.9 bestehe kein Sichtkontakt zur Anlage – reduziere und eine Lösungsmöglichkeit in der Anbringung einer optischen Abschirmung bestehen könnte, die Sichtkontakte aus östlicher Richtung auf die Anlage unterbinde. Die Kreuzung sei, abgesehen von der geringen Unfallbelastung, sichttechnisch unkritisch, die Kreuzung selbst liege nach der Position der Anlage. Die Zusatzbedingungen für LED-Anlagen „nicht innerhalb des Sichtkegels 50 m vor und nach geregelten Kreuzungen“ sei erfüllt. Im bisherigen Verfahren hätten keine genauen Unfalldaten Verwendung gefunden, die Möglichkeiten zur Sichtabschattung von Risikobereichen iSd § 35 Abs.2 StVO und die Ausnahmen für Unfallhäufungen im Punkt 5 RVS 05.06.12 seien nicht diskutiert worden.

 

Der AmtsSV geht in seinem Gutachten vom 24. Juni 2014, in dem er auf sein Gutachten vom 31. März 2014 verweist, von der L.-Kreuzung als Unfallhäufungsstelle aus, wobei die Unfälle auf der B1 zugrundegelegt und auch zur Definition herangezogen wurden und der Relativkoeffizient mit 4,4, also weit über dem in der Definition genannten von 0,8, errechnet wurde. Die unterschiedlichen Unfalltypen wurden aufgelistet, wobei, abgesehen von Einzelunfällen bei km 243.9 der B1 und km 11.180 der B145, Häufungen auf der B1 bei km 243,740 und km 243.700 auffällig waren. Der AmtsSV hat sich insofern gegen die Aussage im Gutachten DI L. ausgesprochen, als der Lösungsvorschlag der Sichtabschattung aus östlicher Richtung ungeeignet sei, mögliche Beeinträchtigungen zu unterbinden. Zu den Ausschließungsgründen gemäß Punkt 5 RVS 05.06.12 hat er ausgeführt: „Die Gewährleistung bestmöglicher Verkehrssicherheit begründet zwangsläufig den Ausschluss störender Informationsträger. Infolge der Unteilbarkeit der zielgerichteten, konzentrierten Aufmerksamkeit können durch solche Anlagen potentielle Gefahrensituationen entstehen. Es ist damit zu rechnen, dass die Aufmerksamkeit von Fahrzeuglenkern zumindest kurzfristig vom Verkehrs­geschehen abgelenkt wird, da sie der verkehrsfremde Informationsträger beansprucht (was bei Reklame Zweck der Anlage ist). Eine unzulässige Beeinträchtigung im Sinne des § 35 Abs.2 StVO liegt jedenfalls dann vor, wenn zumindest einer der folgenden Punkte gegeben ist:

* Stellen mit Unfallhäufung und/oder überdurchschnittlichen allgemein gültigen Unfallkennzahlen. In Ausnahmefällen dürfen Informationsträger nur dann aufgestellt werden, wenn der eindeutige Nachweis geführt werden kann, dass sie keinen zusätzlichen Einfluss auf die Gefahrensituation darstellen

* Verdeckung – wenn eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs verdeckt wird

* Überschwelligkeit – wenn eine Häufung verkehrsfremder gegenüber verkehrs­relevanter Information im Sinne eines der folgenden Punkte vorliegt:

   . Auslösung von Zwangsfixationen (Blickzuwendung)

   . Blendung mit Beeinträchtigung der Sehleistung

   . Verwechslung

   . Überstrahlung

   . Maskierung (Einbettung, Tarnung)

   . Blinken, Flimmern, Flackern

   . rasche Bildwechsel, schelle Bewegungen

   . Informationsdichte

   . zu lange Ablenkung vom allgemeinen Verkehrsgeschehen (lange Lesezeiten)

* Projektion auf die Fahrbahn

* Überschreiten zulässiger Grenzwerte

Aus verkehrssicherheitstechnischem Aspekt kann diesbezüglich ausgeführt werden, dass von einer erhöhten Blickzuwendung, bei einer Videowall von raschen Bildwechseln, erhöhter Informationsdichte ausgegangen werden kann, wobei der Ablenkungsgrad von einem Verkehrspsychologen zu bewerten ist – die Qualifikation der Ablenkung fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich des SV.“

 

Im Rahmen des Parteiengehörs wurde der Bf seitens der belangten Behörde eine (mehrmalig verlängerte) Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt, wobei das Einlangen der Äußerung des nunmehrigen Rechtsvertreters vom 6. August 2014 nicht abgewartet und der in Beschwerde gezogene Bescheid zu früh abgesendet wurde.

 

Seitens des Landesverwaltungsgerichtes wurde der Bf mit Schreiben vom 13. Oktober 2014 an den Rechtsvertreter unter Hinweis auf die Rechtsprechung des VwGH mitgeteilt, dass die in der Beschwerde geltend gemachte Verletzung des Parteiengehörs ein im Rechtsmittelverfahren sanierbarer Mangel sei. Der Bf wurde, da gemäß § 28 VwGVG das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen hat, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, und gemäß § 27 VwGVG das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z3 und Z4) oder der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs.3) zu überprüfen hat, im Hinblick auf ihren Antrag, den Bescheid aufzuheben, eine Frist zur Ergänzung eingeräumt, worauf mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2014 das Vorbringen im Hinblick auf die Stellungnahme vom 6. August 2014 inhaltlich ergänzt wurde.

    

Im Rahmen der Verhandlung am 27. Jänner 2015 wurden zunächst die Positionen der beiden Parteien und die bereits vorliegenden oben erwähnten Gutachten erörtert sowie ein Ortsaugenschein an der L.-Kreuzung mit kurzzeitig eingeschalteter Videowall durchgeführt, wobei seitens der Bf die Absicht geäußert wurde, das vom AmtsSV verlangte verkehrspsychologische Gutachten zur Abklärung eines durch die Videowall (nicht) zu erwartenden Ablenkungspotentials als Nachweis im Sinne des Punktes 5 RVS 05.06.12 zu erbringen. Dazu wurde mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes vom 3. Februar 2015, LVwG-650209/16/Bi, die Einschaltung der Videowall für einen bestimmten Zeitraum zwecks Erstattung des verkehrspsychologischen Gutachtens gestattet.

Das verkehrspsychologische Gutachten Dris Z. vom 10. Februar 2015 wurde vorgelegt und, da die Einladung übersehen wurde, den privaten Sachverständigen persönlich zur Verhandlung am 19. März 2015 mitzubringen, letztendlich in der Verhandlung am 23. März 2015 erörtert.

Dr Z. kommt darin nach Befragung von insgesamt 36 Lenkern – davon 15 bei ausgeschalteter und 21 bei eingeschalteter Videowall, wobei folgende Fragen gestellt wurden:

1) „Was haben Sie an der Kreuzung, die Sie soeben durchfahren haben, alles gesehen?“,

2) „Haben Sie folgende Dinge gesehen: Gebäude – Verkehrszeichen – Ampel – Bodenmarkierungen – Wegweisung – Werbetafel – Videotafel?“

3) Was hat das Befahren der Kreuzung so schwierig gemacht?“ -

zusammenfassend zum Ergebnis:

„Die Wahrnehmung der Autolenker auf der untersuchten Kreuzung ist dominiert von der Ampel und den Boden­markierungen. Ein anderer dominanter Effekt zum Zeitpunkt der Untersuchung ging vom dichten Verkehr und dessen Konsequenzen aus. Die eingeschaltete Videowall wurde nur von einem Befragten spontan erinnert, auf Nachfrage gaben die eingeschaltete Videowall fünf Lenker an, einer erinnerte sich an die Videowall, obwohl sie ausgeschaltet war. Es besteht bei den Lenkern eine Erinnerung an früher, als die Videowall im Dauerbetrieb lief. Inhalte der Präsentation wurden nicht erinnert. Dominanter Werbeinhalt an dieser Kreuzung ist das Erscheinungsbild der Fa. L.. Auf Grund der erarbeiteten Befunde und dem Vergleich mit anderen in der Situation gegenwärtigen Inhalten ist davon auszugehen, dass die bestehende Videowall die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigt. Zumindest sind die derzeit auf der Videowall gespeicherten Inhalte nicht der Verkehrssicherheit abträglich. Eine Neueinschätzung der Situation könnte nötig sein, wenn sehr attraktive Inhalte (wie zB für P. Damenunterwäsche) auf der Videowall gezeigt werden. Es gibt diesbezüglich eine in der Steiermark durchgeführte Studie, dass eine Werbewand dieser Firma mit solchen Inhalten unfallfördernd auf einer unmittelbar nachfolgenden Kreuzung wirkte.“

 

DI L. ging in dieser Verhandlung mangels gesicherter gegenteiliger Information weiterhin davon aus, dass es sich bei der L.-Kreuzung nicht um eine Unfallhäufungsstelle – mit der Konsequenz der Annahme eines Sichtkeiles mit doppelter Anhaltestrecke – handle. Übereinge­­kommen wurde auch aufgrund der Ergebnisse des Ortsaugenscheins, dass eine relevante Einsehbarkeit auf die Videowall lediglich für Lenker aus südlicher Richtung (Gmunden) auf der B145 besteht und dass aufgrund der leichten Schrägstellung für Lenker aus östlicher Richtung B1 – A. zwar eine teilweise seitliche Sicht auf die Videowall besteht, die Werbung darauf aber nicht lesbar ist; aus den beiden anderen Richtungen ist die Videowall nicht einsehbar.

 

Weiters wurde erörtert, dass aus östlicher Richtung eine kurzzeitige Maskierung insofern besteht, als die Videowall aus dem Blickwinkel eines Pkw-Lenkers unmittelbar vor der Kreuzung – dort zweigt von der vierspurigen B1 eine ampelgeregelte Rechtsabbiege­spur mit Schutzweg in Richtung Norden ab – kurzzeitig den Hintergrund für die dort neben der Fahrbahn positionierte Lichtzeichenanlage bildet, sodass je nach der von der Videowall ausgestrahlten Farbe eine Verwechslungsmöglichkeit besteht. Diesbezüglich wurde von DI L. die Anbringung einer optischen Abschirmung an der Seite der Videowall vorgeschlagen.

 

Zunächst nicht eindeutig geklärt werden konnte die Qualifikation der L.-Kreuzung als Unfallhäufungsstelle. Anhand der im Akt befindlichen Unfall-Listen der PI Vöcklabruck für den Zeitraum 1.1.2011 bis April 2014 sowie dem Verzeichnis der Statistik Austria für die Jahre 2011 bis 2013 wurden die einzelnen Abschlussberichte der Verkehrsunfälle mit Personenschaden beim Kreuzungs­mittelpunkt bei km 243.740 der B1 eingesehen und nach Unfalltypen geordnet. Nach der Definition der „Unfallhäufungsstelle“ gemäß Punkt 4.3.1. RVS 02.02.21 ist ein Knoten oder Streckenbereich bis zu einer Länge von 250 m als Unfallhäufungsstelle zu bezeichnen, wenn sich an einer Stelle

. mindestens drei gleichartige Unfälle mit Personenschaden in drei Jahren ereignet haben und der Relativkoeffizient den Wert von 0,8 erreicht oder übersteigt oder

. mindestens fünf gleichartige Unfälle (einschließlich Unfälle mit Sachschäden) in einem Jahr ereignet haben.

Dabei ist eine Einstufung als gleichartig nicht nur nach der Unfalltypen­obergruppe sondern auch nach der Anfahrtsrichtung vorzunehmen. Hier hat sich zwar ergeben, dass sich in den Jahren 2011, 2012 und 2013 mehrere Unfälle mit Personenschaden der Unfalltypen 411 (Unfälle durch Zusammenstoß eines Linkseinbiegers mit dem richtungsbeibehaltenden Gegenverkehr) und 511 (rechtwinkelige Zusammen­stöße zweier richtungsbei­behaltender Lenker) ereignet haben, jedoch keine Gleichartigkeit insofern besteht, als sich diese Unfälle aus unterschiedlichen Anfahrtsrichtungen heraus ereignet haben. Auf dieser Grundlage kann nicht von der L.-Kreuzung (km 243.740 der B1) als Unfallhäufungsstelle ausgegangen werden.

 

Zwecks Prüfung des Informationsinhalts wurde bei der Verhandlung am 27. Jänner 2015 im Zuge des Ortsaugenscheins die Videowall eingeschaltet und festgestellt, dass Firmenlogos bzw Standbilder von einigen Sekunden Lesezeit – je nach Kundenwunsch – darauf zu sehen waren. Die VH-Leiterin hat weiters einen Ortsaugenschein an der U-kreuzung, wo eine weitere, allerdings nur ca 7 große Videowall der Bf an einer Hausfassade zu sehen ist, durchgeführt und festgestellt, dass dort ebenfalls nur Standbilder mit Werbungen (zB Sonderangeboten) bzw Firmenlogos zu sehen waren. Bei einem weiteren Ortsaugenschein an der Landstraße, wo sich über dem Eingang des P-C-Center eine nur geringfügig kL.e Videowall befindet als die auf der L.-Kreuzung wurde festgestellt, dass bei einem seitlichen Blick darauf die LEDs nicht nach vorne ausstrahlen, dh bezogen auf die aus Richtung A. zur L.-Kreuzung kommenden Lenker keine Gefahr einer Ablenkung oder gar Blendung durch grelle Farben besteht.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 35 Abs.1 StVO 1960 hat die Behörde, wenn es die Sicherheit des Straßenverkehrs erfordert, die Besitzer von Gegenständen, die auf der Straße oder auf Liegenschaften in der Umgebung der Straße angebracht sind und durch ihre Beschaffenheit oder Lage oder durch die Art ihrer Anbringung oder ihrer Anordnung geeignet sind, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu beeinträchtigen, durch Bescheid zu verpflichten, a) die Lage oder die Art der Anbringung oder die Anordnung des Gegenstandes so zu ändern, dass die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht weiter beeinträchtigt wird, oder b) wenn eine in lit.a bezeichnete Änderung nicht ausreicht, die Gegenstände zu beseitigen.

Gemäß Abs.2 leg.cit. ist eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßen­verkehrs durch die in Abs.1 bezeichneten Gegenstände insbesondere dann anzunehmen, wenn sie die Straßenbenützer blenden, die freie Sicht über den Verlauf der Straße oder auf Einrichtungen zur Regelung oder Sicherung des Verkehrs behindern oder mit solchen Einrichtungen, insbesondere mit Straßenverkehrszeichen oder mit Lichtzeichen (§ 38), verwechselt werden können oder die Wirkung solcher Einrichtungen herabmindern.

 

Unbestritten ist, dass die Bf in der Zeit von Ende März bis 25. April 2014 die von ihr auf dem Flachdach eines eingeschoßigen Gebäudes nordwestlich der L.-Kreuzung parallel zur Gebäudekante errichtete Videowall im Ausmaß von 5,13 x 2,89 m (etwa 15 ) ohne Antragstellung im Sinne des § 35 Abs.3 StVO betrieben hat. Die durch Lichtzeichen geregelte Kreuzung B1 W. Straße – B145 S. Straße – B143 H. Straße liegt im Ortsgebiet Vöcklabruck in einem Bereich mit einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h und ist in beide Richtungen der B1 zweispurig mit Rechtsabbiegespuren und Schutzwegen ausgeführt. Die Videowall befindet sich in einem seitlichen Abstand zur Kreuzungsmitte von ca 25 m und ist aufgrund einer leichten Schrägstellung in Richtung Kreuzungsmitte von vorne nur für Lenker aus südlicher Richtung auf der B145 aus Richtung Re. kommend zu lesen. Für aus östlicher Richtung auf der B1 aus Richtung A. kommende Lenker ist sie erst unmittelbar vor der Kreuzung zu einem kleinen Teil von der Seite her so zu sehen, dass die gezeigte Information nicht lesbar ist, aber bei Farben, die denen der Lichtzeichen ähnlich sind, bei der Annäherung eine kurzzeitige Gefahr einer Verwechslung besteht, was insofern von Bedeutung ist, als sich dort eine baulich getrennte Rechtsabbiegespur mit Schutzweg in Richtung B143 befindet und der Lenker auf die rechts und links neben der Abbiegespur befindliche Ampel nach oben blickt.   

 

Gemäß RVS 05.06.12 – Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit/Visuelle Informationsträger für verkehrsfremde Zwecke ist diese Richtlinie ua für die Beurteilung von visuellen Informationsträgern für verkehrsfremde Zwecke im Umfeld von Straßen – das ist gemäß Punkt 3.1. jener Raum, der im erweiterten Sichtfeld (30°-Kegel) des Lenkers eines Kraftfahrzeuges während der gesamten Fahrt liegt – anzuwenden. Insbesondere ist sie zur Beurteilung von Beeinträchtigungen der Sicherheit des Straßenverkehrs im Sinne des § 35 StVO 1960 sowohl in Ortsgebieten als auch auf Freilandstraßen heranzuziehen.

Die Videowall befindet sich, ausgehend von einem 30°-Sichtkegel 55 m vor der Haltelinie der B145 in die B1, innerhalb dieses Sichtkegels.

 

Gemäß Punkt 5 RVS 05.06.12 begründet die Gewährleistung bestmöglicher Verkehrssicherheit zwangsläufig den Ausschluss störender Informationsträger, zumal infolge der Unteilbarkeit der zielgerichteten, konzentrativen Aufmerk­samkeit durch solche Anlagen potentielle Gefahrensituationen entstehen. Es ist damit zu rechnen, dass die Aufmerksamkeit von Fahrzeuglenkern zumindest kurzfristig vom Verkehrsgeschehen abgelenkt wird – was bei Reklame jedoch der Zweck der Anlage ist.

Hinsichtlich der im Punkt 5 genannten verkehrssicherheitsrelevanten Ausschließungsgründe war bei der L.-Kreuzung zu prüfen, ob eine Stelle mit Unfallhäufungen und/oder überdurchschnittlichen allgemein gültigen Unfallzahlen vorliegt. Auch wenn die L.-Kreuzung in den Aufzeichnungen der Statistik Austria seit 2010 als Unfallhäufungsstelle ausgewiesen ist, konnten nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens nicht die im Sinne der Definition gemäß Punkt 4.3.1. RVS 02.02.21 erforderlichen mindestens drei gleichartigen Unfälle mit Personenschaden in drei Jahren nachvollzogen werden, um sie als Unfall­häufungsstelle zu qualifizieren, und zwar nicht etwa wegen zu geringer Unfälle gleicher Unfalltypen (insbesondere 411 und 511), sondern lediglich wegen fehlender Gleichartigkeit hinsichtlich der Anfahrtsrichtung.

 

Auf der Grundlage der Ausführungen des AmtsSV vom 31. März 2014 als auch von DI L. in der Verhandlung am 23. März 2015 ist davon auszugehen, dass im 30°-Sichtkegel, ausgehend von einer mittleren Anhaltestrecke bei 60 km/h von 54 m vor der Haltelinie der B145 kommend, kein solcher visueller Informationsträger positioniert werden darf – bei einer Unfallhäufungsstelle wären es, ausgehend von der doppelten Anhaltestrecke, 108 m.

 

Die Bf hat, wie vom AmtsSV als Nachweis angesprochen, das verkehrs­psychologische Gutachten Dris Z. vom 10. Februar 2015 vorgelegt, in dem der private Sachverständige zum Ergebnis gelangt, dass von 36 befragten Lenkern, davon 21 bei eingeschalteter und 15 bei ausgeschalteter Videowall, sich nur ein einziger spontan an die eingeschaltete Videowall erinnern konnte. Immerhin fünf konnten sich auf konkrete Nachfrage daran erinnern, jedoch gar keiner an den Inhalt der Präsentation. Der vom SV gezogene Schluss, es mache keinen Unterschied, ob die Videowall eingeschaltet ist oder nicht, was bedeute, dass sie auf die Verkehrssicherheit auf der L.-Kreuzung keinen wie immer gearteten Einfluss hat, dh sie auch nicht beeinträchtigt, ist nach Auffassung des Landes­verwaltungsgerichtes nachvollziehbar im Sinne des Punktes 5 RVS 05.06.12. Dabei ist zu beachten, dass die von AmtsSV eingewandte Zahl von 340 zu befragenden (im Gegensatz zu 36 tatsächlich befragten) Lenkern als private Meinungsäußerung des Leiters der Abt. Statistik beim Amt der Landesregierung ihm gegenüber anzusehen ist, die kein Beweismittel im Verfahren darstellt. Ob sich, abgesehen vom Aufwand einer solchen Befragung, daraus ein anderer Schluss ergibt als der im verkehrspsychologischen Gutachten dargelegte, bleibt dahingestellt, weil die durchgeführte Befragung an einem Freitag-Nachmittag stattfand, einer Zeit mit nicht unerheblichem Einkaufs- und Berufsverkehr.    

  

Damit erübrigte sich auch die Prüfung, ob gemäß der 2. Definition der Unfallhäufungsstelle in Punkt 4.3.1. RVS 02.02.21 – demnach wäre ein Knoten oder Streckenbereich bis zu einer Länge von 250 m als Unfallhäufungsstelle zu bezeichnen, wenn sich an einer Stelle mindestens fünf gleichartige Unfälle (einschließlich Unfälle mit Sachschäden) in einem Jahr ereignet haben – eine Unfallhäufungsstelle vorliegt.

 

Verkehrsrelevante Ausschließungsgründe in Form von Verdeckung oder Projektion auf die Fahrbahn lagen nicht vor. Aufgrund von Feststellungen des AmtsSV beim Ortsaugenschein am 27. Jänner 2015 war aber zu prüfen, ob der Ausschließungsgrund der Überschwelligkeit, dh eine Häufung verkehrsfremder gegenüber verkehrsrelevanter Information, durch kurzzeitige Maskierung gegeben ist.

Gemäß Punkt 8.3. RVS 05.06.12 ist eine Maskierung insbesondere dann gegeben, wenn Lichtzeichen im Blickfeld des sich annähernden Fahrzeuglenkers vor dem Informationsträger und innerhalb seiner Umgrenzung zu liegen kommen, abhängig ua vom Kontrast hinsichtlich Farbe und Helligkeit und vom Zeitpunkt und von der Dauer der optischen Überdeckung. Eine zulässige Überdeckung ist nur dann gegeben, wenn die Maskierung zu einem Zeitpunkt auftritt, der für die Kraftfahrer keine Beeinträchtigung eines sicheren Fahrverhaltens bewirkt oder wenn die Zeitspanne der optischen Überdeckung im Vergleich zu der für die Wahrnehmung der Lichtzeichen zur Verfügung stehenden Zeit nicht von Bedeutung ist und die Einleitung und Umsetzung der notwendigen Handlungen daher ungestört erfolgen kann.

 

Eine derartige Maskierung war für die Lenker bei Annäherung an die Kreuzung auf der B1 aus Richtung A. insofern festzustellen, als aus der Sitzposition des Lenkers eines Pkw, der auf der B1 aus einer leichten Kurve heraus zur Kreuzung mit der B143 kommt und nach rechts einbiegen möchte, diese baulich getrennte Rechtsabbiegespur eine eigene VLSA aufweist, wobei sich dort auch ein Fußgängerübergang befindet. Aufgrund der bei der Annäherung gegebenen Sicht auf die etwas schräg zum Verlauf der B1 positionierte Videowall von der Seite her ist bei einer bestimmten Farbkonstellation (zB Rotlicht der VLSA vor grünem Hintergrund der Videowall) eine Maskierung kurz vor Befahren der Kreuzung, auf der 60 km/h erlaubt sind, und damit ein Übersehen des Rotlichtes oder eines etwa bei Rot die Rechtsabbiegespur überquerenden Fußgängers durchaus möglich. Diesbezüglich war die Anbringung einer optischen Abschirmung, etwa in Form einer schmalen Lippe an der rechten Seite der Videowall, wie von DI L. ausdrücklich vorgeschlagen, vorzusehen.

 

Ein verkehrssicherheitsrelevanter Ausschließungsgrund durch Überschreitung zulässiger Grenzwerte im Sinne des Punkt 8 RVS 05.06.12 konnte bislang nicht festgestellt werden, weil beim Ortsaugenschein die Anlage sehr dunkel eingestellt war und sie im Beweisverfahren auf der Grundlage der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Anordnung der Abschaltung nicht betrieben werden darf. Ein Konzept hinsichtlich Einstellung der Videowall in Bezug auf Leuchtdichte oder Beleuchtungsstärke wurde nicht vorgelegt.  

In der Verhandlung hat sich DI L. ausführlich zu diesem Ausschließungs­grund geäußert und insbesondere darauf hingewiesen, die Art der Darbietung gemäß Punkt 8 RVS 05.06.12 erfolgen muss, und zwar sowohl hinsichtlich der Aufbau- und Standzeit der Bilder als auch hinsichtlich der Helligkeit, wobei idealerweise Bildwechsel durch Überblendungen in gleicher Helligkeit stattfinden sollten.

 

In der Zusammenschau ist festzuhalten, dass die Videowall aufgrund ihrer Position im äußeren Bereich des 30°-Sichtkegels bei RVS-gemäßer Darbietung aus heutiger Sicht im Wesentlichen keinen zusätzlichen Einfluss auf die Gefahrensituation auf der L.-Kreuzung haben sollte, auch wenn diese Gefahrensituation in der Verhandlung auch bisher schon als problematisch beschrieben wurde. Im Sinne des § 35 Abs.1 lit.a und Abs.2 StVO 1960 war daher bei  Vorschreibung der geringfügigen Änderung durch die Anbringung einer optischen Abschirmung davon auszugehen, dass eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs durch die Videowall nicht gegeben ist. 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.  

 

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes dazu fehlt.

 

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger