LVwG-650355/9/Bi

Linz, 24.04.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn M. P., U. 3, H., vertreten durch Herrn RA Mag. M. R., H., F., vom 24. März 2015 gegen den Bescheid der Bezirkshauptfrau von Rohrbach vom 11. März 2015, GZ:10/291536, wegen Entziehung der Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit, aufgrund des Ergebnisses der am 23. April 2015 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung  zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der in Beschwerde gezogene Bescheid aufgehoben.   

 

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde dem  Beschwerdeführer (in Folge: Bf) in Bestätigung der Mandatsbescheide vom 26. Jänner 2015 und 12. Februar 2015 gemäß §§ 24 Abs.1 Z1, 25 Abs.1 und 3 und 26 Abs.2 Z1 FSG die von der BH Rohrbach am 23.5.1980 für die Klassen AM, B, BE und F erteilte Lenkberechtigung – Führerschein ausgestellt von der BH Rohrbach am 23.5.1980 zu VerkR-0301/5453/1980 – für die Dauer von 9 Monaten, gerechnet ab Zustellung des Mandatsbescheides am 27. Jänner 2015, somit bis 27. Oktober 2015, mangels Verkehrszuverlässigkeit entzogen. Weiters wurde ihm gemäß §§ 24 Abs.1 Z1 und 25 Abs.1 und 3 FSG die von der BH Rohrbach am 23.5.1980 für die Klassen C1 und C1E erteilte Lenkberechtigung – Führerschein ausgestellt von der BH Rohrbach am 23.5.1980 zu VerkR-0301/5453/1980 – bis zum 30. Mai 2015 (Ablauf der Gültigkeit), gerechnet ab dem 27. Jänner 2015, mangels Verkehrszuverlässigkeit entzogen und ausgesprochen, dass ihm bis zum 27. Oktober 2015 keine neue Lenkberechtigung der Klassen C und C1 ausgestellt werden dürfe. Weiters wurde angeordnet, dass er gemäß §§ 8 und 24 Abs.3 FSG iVm § 14 Abs.2 FSG-GV seine psychologische Eignung zum Lenken von Kraft­fahrzeugen durch eine verkehrspsychologische Stellungnahme nachzuweisen und sich vor Ablauf der Entziehungszeit einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen habe. Als begleitende Maßnahme wurde die Absolvierung einer Nachschulung bei einer hiezu ermächtigten Stelle bis zum Ablauf der Entziehungszeit angeordnet und ausgesprochen, dass die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung dieser Anordnungen ende. Gemäß § 30 Abs.1 FSG wurde ihm für die Dauer des Entzuges der Lenkberechtigung das Recht aberkannt, von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung, die nicht in einem EWR-Staat ausgestellt wurde, in Österreich Gebrauch zu machen. Eine von einem EWR-Staat ausgestellte Lenkberechtigung wurde für die oben ausgesprochene Dauer des Entzuges der österreichischen Lenkberechtigung entzogen. Außerdem wurde gemäß § 13 Abs.1 VwGVG die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde gegen den Bescheid ausgeschlossen.

2. Dagegen hat der Bf fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerde­vorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Am 23. April 2015 wurde auf Antrag eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Bf, seines Rechtsvertreters RA Mag. M. R., der Vertreterin der belangten Behörde Mag. A. P. sowie der Zeugen A. P., GI J. K., PI H., und J. H-P. durchgeführt. Das Erkenntnis wurde mündlich verkündet.

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, die belangte Behörde stütze den Bescheid auf § 7 Abs.3 Z1 FSG, habe aber nicht geprüft, ob ein Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges vorgelegen habe, obwohl er ein Lenken von Anfang an bestritten habe. Die Behörde habe dazu keine Feststellung getroffen, sodass dem Bescheid ein gravierender Begründungsmangel anhafte. Die Begründung eines dringenden Verdachts zur Aufforderung zur Alkomat­untersuchung und zu den Voraus­setzungen des § 99 StVO reiche dazu nicht aus. Das gelte auch für den Mandatsbescheid vom 12. Februar 2015 mit der Behauptung, er habe am 10. Februar 2015 trotz entzogener Lenkberechtigung ein Fahrzeug gelenkt. Obwohl er ausdrücklich darauf hingewiesen habe, er habe keine Kenntnis von einem Entzug – was auch dadurch aktenkundig sei, dass er sich nach Beanstandung durch die Polizei persönlich bei der Behörde informiert und eine Kopie des Entziehungsbescheides abgeholt habe, wobei der Behörde die Bestätigung seiner Gattin bekannt sei, dass sie ihm aufgrund familiärer Probleme den Bescheid nicht ausgefolgt habe – beschränke sich die Behörde darauf, die Ausfolgung des Bescheides durch die Gattin liege nicht in ihrem Einflussbereich. Im Rahmen der Wertung gemäß § 7 Abs.4 FSG sei auch die Verwerflichkeit der bestimmten Tatsache, dh die subjektive Vorwerfbarkeit, zu prüfen. Wenn ein Lenker durch familiäre Umstände keine Kenntnis vom Entzugsbescheid habe, könne ihm ein Lenken des Fahrzeuges nicht vorgeworfen werden, da diese Tatsache eben nicht mit einer ablehnenden Haltung gegenüber gesetzlich geschützten Werten oder einer diese Werte ignorierenden Haltung zu begründen sei. Die belangte Behörde habe den Sachverhalt nicht ermittelt, aber nachträglich die Ehegatten T. einvernommen, abgesehen davon, dass der von diesen behauptete Sachverhalt unrichtig sei. Die Zeugenaussagen seien wegen des vorher erlassenen Bescheides auch nicht verwertet worden und ihm sei keine Gelegenheit gegeben worden, sich dazu zu äußern. Die Aussagen der Zeugen seien unrichtige, nachträglich konstruierte Schutzbehauptungen, zumal diesen die Folgen ihrer unrichtigen Beschuldigungen bewusst geworden seien. Dazu verwies er auf die Anzeige der PI H. vom 28.1.2015, wonach die Zeugen am 19. Jänner 2015 nicht aussagen wollten. Die Behauptung des Zeugen T., er habe um 23.00 Uhr die Geburtstagsfeier „in bester Stimmung“ verlassen und wäre zuerst in Richtung nach Hause gefahren, dann aber wieder in Richtung Helfenberg und dann zurück zum Haus der Geburtstagsfeier, sei lebensfremd und ergebe keinen Sinn.

Er habe sich zu Fuß auf den Heimweg gemacht und sei von den Zeugen „abgepasst“ worden; da er sich aber nicht in eine Auseinandersetzung einlassen sollte, sei er zum Haus der Geburtstagsfeier gegangen und von einem Bekannten heimgebracht worden; das habe er von Beginn an erklärt. Die Zeugin T. habe ihn schon wenige Tage vor dem Vorfall am 13. Jänner 2015 im Zuge der familiären Auseinandersetzungen tätlich attackiert, was auch zur Anzeige wegen Körperverletzung geführt habe. Die Zeugen versuchten nun, ihr eigenes Fehlverhalten in besserem Licht darzustellen. Im Übrigen seien die Zeugen nicht konkret befragt worden, sondern der offensichtlich digital übermittelte Text aus der Beschuldigtenvernehmung von Ulrich Troschke sei übernommen und in das Zeugenprotokoll hineinkopiert worden. Das entspreche nicht der gebotenen unmittelbaren Einvernahme von Zeugen nach dem AVG. Es ergebe sich auch ein Widerspruch, da die Zeugin G. T. bei ihrer Einvernahme ergänzend angeführt habe, dass sein Fahrzeug nach dem Vorfall weder in U. 3 noch beim Haus von Frau A. abgestellt gewesen sei, sondern etwa 4 km entfernt – das sei ein erheblicher Widerspruch zur Behauptung, er wäre mit dem Fahrzeug nach U. 3 gefahren.

Beantragt wird die Einvernahme der Zeugen im Rahmen der mündlichen Verhandlung, wobei ihm die Möglichkeit gegeben werden möge, an sie Fragen zu richten. Ebenso wird die Ladung der Zeugin A. P. beantragt, die bestätigt habe, dass sich zum Zeitpunkt des Vorfalls das Fahrzeug nicht zu Hause befunden habe, sondern von ihr mehrere km entfernt abgestellt entdeckt und fotografiert worden sei. Die Behörde habe sich damit nicht beweiswürdigend auseinandergesetzt und über diese Information nicht einmal eine Niederschrift verfasst.

Im Übrigen wird Rechtswidrigkeit des Bescheides wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung geltend gemacht, weil bei einem auf § 99 Abs.1 StVO gestützten Entzug im Sinne des § 7 Abs.3 Z1 FSG geprüft und festgestellt werden müsse, ob das Fahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen wurde. Er habe das Fahrzeug nicht gelenkt, weshalb der Entzug rechtswidrig sei. Der weitere Entzug von 3 Monaten sei rechtswidrig, weil er vom 1. Mandatsbescheid bei der Beanstandung am 10. Februar 2015 keine Kenntnis gehabt habe. Die Behörde habe nicht geprüft, inwieweit die Zustellung an seine Gattin überhaupt den Vorschriften des Zustellgesetzes entsprochen habe. Aus der Anzeige vom 28. Jänner 2015 gehe bereits hervor, dass es seit 2 Jahren zu ehelichen Auseinandersetzungen zwischen ihm und seiner Gattin komme und er seither nach D. in sein Elternhaus gezogen sei und nur mehr zum Arbeiten in das gemeinsame landwirtschaftliche Anwesen komme. Wenn U. 3 nicht sein ständiger Aufenthalt sei, sei er auch keine Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetzes. Die Behörde habe sich auch damit nicht auseinander gesetzt.

Beantragt wird die Aufhebung des Bescheides und Einstellung des Entzugsverfahrens, in eventu Zurückverweisung an die Erstbehörde.

Mit Schriftsatz vom 20. April 2015 wurde die Zeugeneinvernahme von Frau J. H-P. beantragt zum Beweis dafür, dass der Pkw mehrere Kilometer von seinem Haus abgestellt gewesen sei und sie ihn von dort abgeholt und zur Geburtstagsfeier gefahren habe.

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der der Bf und sein Rechtsvertreter gehört sowie Frau A. P. (AP), Meldungsleger BI J. K. (Ml) und Frau J. H-P. (H) unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht gemäß § 288 StGB, die Gattin des Bf nach Belehrung über ihr Entschlagungs­recht, einvernommen wurden. Auf die Einvernahme der Zeugen G. (GT) und U. T. (UT) wurde verzichtet, weil sich diese laut ihrer Mitteilung an die belangte Behörde ab 1. April 2015 auf einer sechsmonatigen „Weltreise“ befinden. Das Erkenntnis wurde mündlich verkündet.

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens befand sich der Bf am Nachmittag und Abend des 18. Jänner 2015 im Haus N. 43, A.; nach eigenen Angaben und denen der Zeugin H hat diese ihn vom Freibad in Helfenberg – in der Nähe in W. war laut Bf sein Pkw abgestellt – abgeholt und nach N. 43 mitgenommen.

Um etwa 23.30 Uhr verständigte der Bf die Polizei mit der Begründung, sein Schwager UT habe ihn bedroht; kurz darauf traf der Ml beim Haus U. 3, St. St., ein, wo das Ehepaar T im auf dem Zufahrtsweg geparkten Auto sitzend wartete. Die Zeugen T teilten mit, sie hätten am früheren Abend zusammen mit der Zeugin AP den Bf in N. 43 beobachtet und hätten sich dann im Haus U. 3 aufgehalten. Beim Wegfahren sei ihnen der Bf mit dem Pkw entgegengekommen, wobei er den Pkw der Zeugen T fast gerammt hätte. Er habe dann umgedreht und sei zurück nach Neuschlag gefahren, wo es zum Streit zwischen dem Bf und den Zeugen T gekommen sei. Da der Bf alkoholisiert gewesen sei, habe ihn UT darauf hingewiesen nicht mehr zu fahren, worauf der Bf in Richtung U. „gerast“ sei. Die Zeugen T seien ihm nachgefahren und hätten gesehen, dass er in die Garage gefahren sei und das Garagentor verschlossen habe.

Der Bf kam zu Fuß hinter dem Haus hervor, beschuldigte UT, ihn bedroht zu haben und ersuchte den Ml, die beiden zum Verlassen des Grundstückes  aufzufordern. Der Bf legte in der Verhandlung dar, bereits am 13. Jänner 2015 sei es zu einem tätlichen Angriff seiner Schwägerin GT, der Schwester seiner Gattin, auf ihn gekommen; er legte einen Abschlussbericht der PI H. vor, wonach die Zeugin GT wegen Körperverletzung angezeigt wurde, weil sie  ihn mit einer Schneeschaufel im Gesicht attackiert habe. Er habe auch damals die Polizei gerufen, die das Ehepaar T veranlasst habe, sein Haus zu verlassen.

 

Der Ml wusste am 18. Jänner 2015 davon aus eigener Wahrnehmung nichts. Nach seinen Angaben wies der Bf eindeutige Alkoholisierungssymptome (Alkoholgeruch der Atemluft, lallende Sprache) auf und die von den Zeugen T geschilderte Fahrt sei ihm plausibel erschienen, sodass er den Bf aufgrund des Verdachtes des Lenkens eines Pkw zur Atemluftalkoholuntersuchung aufgefordert habe. Der sehr aufgebrachte Bf habe sofort gesagt, er habe den Pkw nicht gelenkt und mache keinen Alkotest, ihm sei es darum gegangen, dass das Ehepaar T das Grundstück verlässt. Der Ml wies den Bf mehrmals auf die Folgen einer Verweigerung des Alkotests hin, aber dieser war derart aufgebracht, dass er bei seiner Weigerung blieb. Der Ml brach die Amtshandlung wegen der drohenden Eskalation ab und forderte UT auf, sofort zur PI H. zu kommen, was dieser zwar tat, aber jede Aussage verweigerte. Der Ml hielt nach seinen Angaben in der Verhandlung eine sofortige Nachschau in der Garage für irrelevant im Hinblick auf die Verweigerung des Alkotests auf der Grundlage des § 5 Abs.2 2.Satz Z1 StVO.

 

Seitens der belangten Behörde erging der Mandatsbescheid vom 26. Jänner 2015 mit Rsb-Brief, der an den Bf mit der Adresse U. 3 adressiert war und von der Zeugin AP am 27. Jänner 2015 übernommen wurde. Nach ihren Aussagen hat die Zeugin AP dem Bf nichts vom Brief gesagt, obwohl sie ihn geöffnet hatte und Inhalt kannte, weil sie damals nichts miteinander gesprochen hätten. Sie habe den Brief dorthin gelegt, wo seine Post liege.

Der Bf wurde am 10. Februar 2015 in Rohrbach zu einer Lenkerkontrolle angehalten und zeigte seinen Führerschein vor, worauf er erfuhr, dass ihm dieser mit Mandatsbescheid entzogen worden war. Bei der belangten Behörde wurde ihm eine Ausfertigung des Mandatsbescheides ausgehändigt und er brachte am selben Tag, ausgehend vom 27. Jänner 2015 dem letzten Tag der Rechtsmittelfrist, per Mail Vorstellung ein.

Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 12. Februar 2015, zugestellt an den Bf am 13. Februar 2015, wurde ihm auf der Grundlage des § 7 Abs.3 Z6 lit.a FSG die Lenkberechtigung für (weitere) drei Monate entzogen. Am 25. Februar 2015 erhob der Bf Vorstellung dagegen mit der Begründung, er habe vom Mandatsbescheid nichts gewusst, weil seine Gattin ihm den Brief nicht ausgehändigt habe.  

Die Zeugin AP wurde zwar mit Ladung vom 2. März 2015 zur belangten Behörde geladen, jedoch erst am 16. März 2015 einvernommen, obwohl der nunmehr in Beschwerde gezogene Bescheid, mit dem beiden Vorstellungen der Erfolg versagt wurde, mit 11. März 2015 datiert ist – ein konkretes Zustelldatum ist nicht eruierbar.

 

Die Zeugenaussagen des Ehepaars T wurden am 24. März 2015 vor der belangten Behörde protokolliert, bestehen aber im Wesentlichen jeweils aus einem Schreiben des Zeugen UT, datiert mit 18. Jänner 2015 und formuliert in der Ich-Form, über das Lenken des Pkw durch den Bf. Die Zeugin GT hat dieses Schreiben am 24. März 2015 ebenfalls der belangten Behörde vorgelegt als ihre Zeugenaussage, wobei sie aber bei der Nachfrage ergänzend ausführte, der Pkw sei ca 4 km entfernt, also nicht beim Haus U. 3 und  nicht beim Haus N. 43, abgestellt gewesen. Diese Passage des Zeugenprotokolls von GT wurde in der Verhandlung verlesen, wobei auch die Zeugin AP bestätigte, sie habe den damaligen Abstellort des Pkw des Bf gekannt und den Pkw sogar fotografiert – sie zeigte auch ein Handy-Foto vom Pkw von hinten bei Dunkelheit, mit lesbarem Kennzeichen, Datum 18. Jänner 2015. Sie bestätigte auch, der Pkw sei an diesem Tag seit Nachmittag nicht daheim gestanden.

Der Ml gab an, er habe nicht nachgesehen, ob der Pkw in der Garage stand und eine Befragung der Zeugin AP sei nicht möglich gewesen, weil die beim Haus U. 3 anwesenden Personen derart aggressiv gewesen seien, dass er die Amtshandlung abgebrochen habe. Der Bf habe ein Lenken des Pkw immer bestritten und nur das Ehepaar T weghaben wollen.

 

Das Landesverwaltungsgericht geht im Rahmen der Beweiswürdigung davon aus, dass ein Lenken des Pkw durch den Bf nicht mit der erforderlichen Sicherheit erwiesen werden kann, auch wenn die Vermutung des Ml, der Bf könnte sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden haben, durch die geschilderten Alkoholisierungssymptome nachvollziehbar ist und vom Bf ebenso wenig bestritten wird wie die zweifellos erfolgte Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung. Der Ml hat nicht in der Garage nachgesehen, die Zeugin H bestätigte, sie habe den Bf in H. abgeholt, die Zeugen T sind angeblich für sechs Monate auf „Weltreise“, dh nicht greifbar. Dabei ist auch zu bedenken, dass das Verhältnis zwischen den Zeugen T und dem Bf eine falsche Anschuldigung des Bf, den Pkw nach Hause gelenkt zu haben, durchaus glaubhaft erscheinen lässt, dh die Aussagen sind in der vorliegenden Form nicht zulasten des Bf verwertbar. Die Behauptung des Bf, der Pkw sei ab Nachmittag in W. abgestellt gewesen und weder zu Hause noch in N. gestanden, wird auch von AP bestätigt, obwohl nicht lückenlos nachvollziehbar ist, woher die Zeugin AP ihr Wissen bezog und wann das in der Verhandlung gezeigte Foto tatsächlich aufgenommen wurde – ein Datum auf einem Foto ist manipulierbar. Im Ergebnis bleibt aber ein Lenken des Pkw durch den Bf in vermutlich durch Alkohol beeinträchtigtem Zustand nicht erweisbar.

 

Dafür, dass dem Bf der Inhalt des am 27. Jänner 2015 von der Zeugin AP übernommenen Rsb-Briefes der belangten Behörde beim Lenken seines Pkw am 10. Februar 2015 in Rohrbach bekannt war, ergab das Beweisverfahren keinen Anhaltspunkt. Nach den Aussagen der Zeugin AP wusste er davon nichts. Ebenso spricht dafür, dass er nach der Lenkerkontrolle bei der belangten Behörde sofort um Klärung bemüht war.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4)  nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind.

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen ua die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird. Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG ua zu gelten, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hierbei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO 1960 begangen hat.

Gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu betrafen, wer Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht.

Gemäß § 5 Abs.2 2. Satz Z1 StVO sind ua besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht … außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, 1. die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, auf Alkohol­gehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

Gemäß § 26 Abs.2 Z1 FSG ist, wenn beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges erstmalig ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen wird, die Lenkberechtigung auf die Dauer von mindestens sechs Monaten zu entziehen.

 

Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z6 lit.a FSG hat zu gelten, wenn jemand ein Kraftfahrzeug lenkt trotz entzogener Lenkberechtigung oder Lenk­verbotes oder trotz vorläufig abgenommenen Führerscheines.

Gemäß § 25 Abs.1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Endet die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem Ende der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer, so hat die Behörde auch auszusprechen, für welche Zeit nach Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf. Gemäß Abs.3 dieser Bestimmung ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen.

 

Aufgrund der oben zusammengefassten Ergebnisse des Beweisverfahrens ist davon auszugehen, dass dem Bf ein Lenken eines Kraftfahrzeuges am 18. Jänner 2015 in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand nicht nachgewiesen werden kann. Die Aufforderung zur Durchführung einer Atemluftalkohol­untersuchung war zwar aufgrund des Verdachtes des Lenkens, den der Ml mit den Aussagen des Ehepaars T ihm gegenüber schlüssig begründet hat, nachvollziehbar, wobei das Vorliegen der Alkoholsymptome beim Bf nie bestritten wurde, jedoch ist als Voraussetzung gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG nicht nur die Begehung einer Übertretung nach § 99 Abs.1 StVO erforderlich, sondern auch ein tatsächliches Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges („und“). Eine nachträgliche Überprüfung der Richtigkeit der Angaben der Zeugen T ist nicht möglich, wobei aufgrund der familiären Situation des Bf erhebliche Zweifel an deren Wahrheitsgehalt angebracht sind und eine zeugenschaftliche Einvernahme von GT und UT, die sich nach ihrer Mitteilung seit 1. April 2015 auf einer sechsmonatigen Reise befinden, wobei auch die Zeugin AP bestätigt hat, ein  Kontakt mit ihrer Schwester bestehe derzeit nicht, nicht möglich war.  

Damit liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs.3 Z1 FSG nicht vor und war die Entziehung der Lenkberechtigung gemäß §§ 24 Abs.1 Z1 iVm 26 Abs.2 Z1 FSG rechtswidrig.

 

Mit der Zustellung des Mandatsbescheides am 27. Jänner 2015 wurde die Entziehung der Lenkberechtigung sofort rechtswirksam, dh der Bf wäre, wie darin angeordnet, gemäß § 29 Abs.3 FSG zur unverzüglichen Ablieferung seines Führerscheins verpflichtet gewesen. Am 10. Februar 2015 war die Lenkberechtigung für die Klasse B definitiv entzogen und der Bf hätte den Pkw nicht mehr lenken dürfen. Er hat jedoch – auch aufgrund der schlüssigen Zeugenaussage seiner Gattin in der Verhandlung – glaubhaft dargelegt, dass ihm der Rsb-Brief nicht zugekommen ist und er daher keine Kenntnis vom Entzug der Lenkberechtigung hatte. Damit ist ihm das Lenken des Pkw nicht vorwerfbar und im Rahmen der Wertung gemäß § 7 Abs.4 FSG („Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend…“) keine Verwerflichkeit im Sinne einer schuldhaften Zuwider­handlung gegen behördliche Anordnungen gegeben. Daher war auch die dreimonatige Entziehung der Lenkberechtigung, die in Anschluss an die sechs­monatige Entziehung erfolgt wäre, nicht gerechtfertigt.

 

Diese Ausführungen gelten auch für – laut Bf nicht vorhandene – ausländische Lenkberechtigungen. Naturgemäß fallen damit auch die auf § 24 Abs.3 FSG gestützten Anordnungen weg.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.   

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger