LVwG-150624/3/VG/MP - 150625/2

Linz, 07.04.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Verena Gubesch über die Beschwerde 1. der T Privatstiftung in B und 2. des M A in S, beide vertreten durch Dr. G L, Rechtsanwalt in St. P, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Schörfling am Attersee vom 12. Dezember 2012, GZ: Bau-401/32-2012, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben – in Bindung an das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 2015, Zl. 2013/05/0054 – den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I. Der Beschwerde wird stattgegeben. Der Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Schörfling am Attersee, vom 12. Dezember 2012, GZ: Bau-401/32-2012, wird aufgehoben und die Angelegenheit wird zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG an den Gemeinderat der Marktgemeinde Schörfling am Attersee zurückverwiesen.

 

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Sachverhalt, Verfahrensgang:

 

1. Mit Eingabe vom 9. August 2012 stellte die D H GmbH (im Folgenden: Bauwerberin) das Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 28 Oö BauO 1994 für die Errichtung einer Wohnanlage mit 21 Wohnungen samt Tiefgarage auf den Grundstücken Nr x und Nr x, KG K.

 

2. In der vom Bürgermeister der Marktgemeinde Schörfling am Attersee als Baubehörde erster Instanz anberaumten mündlichen Bauverhandlung vom 27. August 2012, zu welcher ua die Beschwerdeführer geladen wurden, erhob der Zweitbeschwerdeführer - als Eigentümer des südlich und westlich an die Bauliegenschaft angrenzenden Grundstückes Nr x mit der Baufläche .x –Einwendungen. Soweit hier noch wesentlich, machte er geltend, dass sein Grundstück von schädlichen Immissionen des geplanten Gebäudes, nämlich Lärm und Abgasen, betroffen sei, etwa vom unmittelbar an der Grundgrenze vorgesehenen Parkplatz mit vier Stellplätzen, von der Ausfahrt aus der Tiefgarage, die eine Vielzahl von Stellplätzen vorsehe, und vom Entlüftungsschacht der Tiefgarage. Die Immissionen würden sowohl Belästigungen als auch Gesundheitsgefährdungen, insbesondere für spielende Kinder, bedeuten. Die Bauwerberin habe dazu kein Schall- und Emissionsgutachten vorgelegt. Die sachverständige Beurteilung mit technischen Messungen sei unabdingbar.

 

3. In der Bauverhandlung erhob zudem der rechtsfreundliche Vertreter mehrerer Anrainer, zu welchen auch die Erstbeschwerdeführerin – als Miteigentümerin des westlich an die Bauliegenschaft angrenzenden Grundstückes Nr x - zählte, Einwendungen. Für die gegenständliche Entscheidung maßgeblich, schloss er sich den vom Zweitbeschwerdeführer erhobenen Einwendungen an und erhob „diese zu den eigenen Einwendungen insbesondere in Ansehung der Grundstücke x und x und x“.

 

4. Im Zuge der Bauverhandlung führte der von der Baubehörde erster Instanz beigezogene bautechnische Amtssachverständige - soweit für den Beschwerdefall relevant - aus, dass nach § 45 der Oö Bautechnikverordnung (kurz: Oö BauTV), für jede Wohnung ein PKW-Abstellplatz einzurichten sei. Das Projekt sehe 21 Wohnungen vor. In der Tiefgarage würden 23 Stellplätze untergebracht und zusätzlich würden 4 Freistellplätze angeordnet werden. Damit werde den Forderungen der Oö BauTV entsprochen. Die Immissionen im Zusammenhang mit der bestimmungsgemäßen Nutzung der Wohnanlage seien als widmungskonform zu dulden. Die Tiefgarage werde mit natürlichen Zu- und Abluftöffnungen ausgestattet. Aufgrund der Größe und der Nutzung der Garagenabstellplätze für Wohnungen sei davon auszugehen, dass keine unzumutbaren Lärm- und Geruchsbelästigungen und somit keine schädlichen Umwelteinwirkungen für die Wohnanrainer entstünden.

 

5. Mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 23. November 2012 wurde der Bauwerberin gemäß § 35 Abs 1 Oö BauO 1994 die Baubewilligung unter Vorschreibung von Bedingungen und Auflagen entsprechend dem näher bezeichneten, bei der mündlichen Bauverhandlung aufgelegenen und als solchen gekennzeichneten Bauplan erteilt. Den Einwendungen der Nachbarn wurde keine Folge gegeben.

 

6. Die dagegen ua von den rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführern erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Schörfling am Attersee (im Folgenden: belangte Behörde) vom 12. Dezember 2012 als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich des genannten Einwandes der Immissionsbelastung hielt die belangte Behörde in Übereinstimmung mit der Baubehörde erster Instanz fest, dass die mit dem Wohnen in der betreffenden Widmungskategorie üblicherweise auftretenden Immissionen hinzunehmen seien. Dies betreffe auch die Immissionen der Zufahrt einer Tiefgarage.

 

7. Gegen diesen Bescheid erhoben ua die Beschwerdeführer durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter Vorstellung.

 

8. Mit Bescheid vom 14. Februar 2013 wies die Oö Landesregierung die Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet ab.

 

9. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Mit Erkenntnis vom 24. Februar 2015, Zl. 2013/05/0054, hob der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid der Oö Landesregierung vom 14. Februar 2013 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Im Ergebnis führte das Vorbringen der Beschwerdeführer zu den von der Tiefgarage ausgehenden Immissionen die Beschwerde zum Erfolg.

 

 

II. Beweiswürdigung:

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat – unter Zugrundelegung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 2015, Zl. 2013/05/0054 – Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt. Der unter Punkt I. dargestellte Sachverhalt und Verfahrensverlauf ergibt sich aus dem bezughabenden höchstgerichtlichen Erkenntnis auf Basis des vorliegenden Verwaltungsaktes.


 

III. Maßgebliche Rechtslage:

 

Gemäß Artikel 151 Abs 51 Z 9 iVm Artikel 131 Abs 1 B-VG ist die Zuständigkeit zur Weiterführung des gegenständlichen Verfahrens auf das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich übergegangen. Die von den Beschwerdeführern erhobene Vorstellung ist somit als Beschwerde im Sinne des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) zu werten.

 

Gemäß § 28 Abs 2 Z 1 und 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Artikel 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Gemäß Abs 3 Satz 2 leg. cit. kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist dabei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

§ 31 Oö Bauordnung 1994 (Oö BauO 1994), LGBl Nr 66/1994 in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung LGBl Nr 36/2008 lautet:

 

„§ 31
Einwendungen der Nachbarn

(1) Nachbarn sind

 

1.   bei Wohngebäuden einschließlich der zugehörigen Stellplätze für Kraftfahrzeuge sowie der allenfalls vorgeschriebenen Neben- und Gemeinschaftsanlagen: die Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen der Grundstücke, die vom zu bebauenden Grundstück höchstens zehn Meter entfernt sind;

 

[…]

 

Die Stellung als Nachbar besteht jedoch jeweils nur unter der Voraussetzung, dass diese Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können. [...]

 

[...]

 

(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen. Ein Schutz gegen Immissionen besteht jedoch insoweit nicht, als die Nachbargrundstücke oder die darauf allenfalls errichteten Bauten nicht für einen längeren Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind und die Errichtung solcher Bauten auf Grund faktischer oder rechtlicher Umstände auch in Hinkunft nicht zu erwarten ist. Als längerer Aufenthalt gilt dabei jedenfalls nicht ein wenn auch mehrmaliger oder öfterer, jeweils aber nur kurzzeitiger vorübergehender Aufenthalt von Menschen. Überdies kann der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen nicht dazu führen, daß die Baubewilligung für ein Bauvorhaben, das nach der für das Baugrundstück geltenden Flächenwidmung zulässig ist, grundsätzlich versagt wird.

 

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Oö Bautechnikgesetzes (Oö BauTG) in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung LGBl Nr 68/2011 lauten:

 

„§ 2
Begriffsbestimmungen

 

Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet:

 

[...]

 

36.  Schädliche Umwelteinwirkungen: Einwirkungen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und im besonderen für die Benützer der baulichen Anlagen und die Nachbarschaft herbeizuführen, wie durch Luftverunreinigung, Lärm oder Erschütterungen;“

 

§ 3
Allgemeine Erfordernisse

 

Bauliche Anlagen müssen in allen ihren Teilen nach dem jeweiligen Stand der Technik so geplant und errichtet werden, daß

 

[...]

 

4.   durch ihren Bestand und ihre Benützung schädliche Umwelteinwirkungen möglichst vermieden werden;

 

§ 8
Stellplätze für Kraftfahrzeuge

 

(1) Bei Neu-, Zu- und Umbauten von Gebäuden sind auf dem Bauplatz oder dem zu bebauenden Grundstück Stellplätze für Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung der zukünftigen geplanten Verwendung des Gebäudes und der dabei durchschnittlich benötigten Stellplätze in ausreichender Anzahl einschließlich der erforderlichen Zu- und Abfahrtsmöglichkeiten unter Bedachtnahme auf § 3 zu errichten.“

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine gemäß § 2 VwGVG zuständige Einzelrichterin erwogen:

 

Soweit hier noch relevant, monieren die Beschwerdeführer in ihrer als Beschwerde zu wertenden Vorstellung die zu erwartenden Immissionen durch die geplante Tiefgarage. Die Beschwerdeführer haben – wie unter Punkt I. dargestellt – zu dieser Thematik erfolgreich Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Der Verwaltungsgerichtshof führte dazu in seiner Entscheidung vom 24. Februar 2015 Folgendes aus:

 

„Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die Annahme gerechtfertigt ist, es lasse eine mit dem Wohnhausbau verbundene geringe Anzahl von Stellplätzen auch unter Bedachtnahme auf § 3 [Oö BauTG] eine schädliche Umweltwirkung nicht erwarten, wenn dem nicht besondere Umstände entgegenstehen. […] im Beschwerdefall [sind] solche besonderen Umstände, die eine über das übliche Maß hinausgehende Immissionsbelastung der Nachbarn nicht ausgeschlossen erscheinen lassen, allerdings gegeben, weil 23 Stellplätze in einer Tiefgarage geplant sind, welche mit besonderen Lüftungen bzw. Schallverhältnissen verbunden ist (vgl. zum Ganzen [...] das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2014, [Zln. 2012/05/0177 und 0182] mwN). [...]

 

Im Beschwerdefall wäre es somit im Hinblick auf das Vorliegen besonderer Umstände erforderlich gewesen, durch Einholung von Sachverständigengutachten die Immissionsbelastung an der jeweiligen Grundgrenze der Beschwerdeführer festzustellen und deren Auswirkungen auf den menschlichen Organismus zu beurteilen.“

 

Da die belangte Behörde sohin in einem entscheidungswesentlichen Punkt (Immissionsbelastung der Beschwerdeführer durch Lärm und Luftschadstoffe) jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, besteht eine gravierende Ermittlungslücke (vgl. VwGH 26.6.2014, Zl. Ro 2014/03/0063) und es steht somit der maßgebliche Sachverhalt im Sinne des § 28 Abs 2 Z 1 VwGVG im gegenständlichen Fall nicht fest.

 

Für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ist nicht ersichtlich, dass die eigene Sachverhaltsermittlung im Sinne des § 28 Abs 2 Z 2 VwGVG eine Kostenersparnis in welche Richtung auch immer (konkrete Amtshandlung/Gesamtverfahren) bewirken könnte. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die belangte Behörde ihr Ermittlungsverfahren erst zu einem späteren Zeitpunkt abschließen wird können als das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ein von ihm geführtes abschließen könnte. Im Hinblick auf die Vorgeschichte des gegenständlichen Falles und die Nähe zur Sache wird die belangte Behörde die erforderlichen Ermittlungsschritte und damit die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts im Sinne des Gesetzes zumindest mit der gleichen Raschheit und mit nicht höheren Kosten als das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bewerkstelligen können.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde ihr Ermittlungsverfahren durch die Einholung von Sachverständigengutachten zur Feststellung und Beurteilung der Immissionsbelastung an der jeweiligen Grundgrenze der Beschwerdeführer und deren Auswirkungen auf den menschlichen Organismus zu ergänzen haben.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Vielmehr basiert die gegenständliche Entscheidung auf dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 2015, Zl. 2013/05/0054. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Verena Gubesch