LVwG-750172/11/BP/Spe

Linz, 16.04.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des Vereins R.T., vertreten durch Obmann T. P., wiederum vertreten durch Rechtsanwalt Mag. S. T., S.-gasse 16/3, M., gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 17. April 2014, GZ: A3/41.559/2014, mit dem eine angezeigte Versammlung gemäß § 6 Versammlungsgesetz untersagt wurde, nach Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11. März 2015, E 717/2014-16, im zweiten Rechtsgang, 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.          Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm. § 6 VersG wird der Beschwerde mit der Maßgabe stattgegeben, als der angefochtene Bescheid aufgehoben und darüber hinaus festgestellt wird, dass die Untersagung der angezeigten Versammlung rechtswidrig erfolgte.

 

II.         Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.               

 

1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 17. April 2014, GZ.: A3/41.559/2014, wurde unter Spruchpunkt 1. eine vom Verein R.T. mit Eingabe vom 1. April 2014 angezeigte Versammlung zum Thema „Nein zu Fleisch/Ja zu Vegetarismus", die am 19. April 2014 von 13.00 - 16.00 Uhr in L., mit folgender Route:

B-platz, Auftakt Kundgebung ca. 10 Min. - K.-straße - durch den V-garten (Kundgebung ca. 5-10 Minuten - G.-kreuzung – L.straße Richtung H.platz -Zwischenhalt vor M., L.straße x ca. 5-10 Min. - Halt vor N., L.straße 15, ca. 5 Min. - R.-straße - H.-straße - Halt vor dem N. D. (Vorplatz, ca. 10 Min.) - Halt vor dem B.-hof, H.-straße 19 - B.-straße – L.straße - Halt vor der U.-kirche, L.straße, ca. 5 Minuten - S. - Halt vor M. P., S. 2 , 5 Minuten – L.straße - Halt vor K., L.straße x, ca. 10 Minuten - P., N. P., P. 27, ca. 5 Minuten - K.-straße – H.platz - A. D., D.gasse 7, ca. 10 Minuten – H.platz - S.straße - T. mit Endkundgebung, ca. 10 Min.

stattfinden sollte, gemäß § 6 Versammlungsgesetz 1953, i.d.g.F. iVm Art. 11 Abs. 1 und Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte - EMRK untersagt.

 

Unter Spruchpunkt 2. wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen, gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gem. § 64 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, i.d.g.F., aberkannt.

 

a.            Zunächst führt die Behörde nachstehenden Sachverhalt aus:

 

Mit Eingabe vom 01.04.2014 zeigten Sie - Verein „R.T. S.", Obmann T. P., der Behörde eine für 19.04.2014 (Karsamstag) von 13.00 bis 16.00 Uhr in L. geplante Versammlung zum Thema „Nein zu Fleisch/Ja zu Vegetarismus" an. Die geplante Kundgebungsroute sollte vom B-platz mit einer Auftaktkundgebung durch die Innenstadt bis zum T. mit einer Endkundgebung führen, wobei an zahlreichen vorgegebenen Örtlichkeiten - V-garten, M., N., N. D., B.-hof, U.-kirche, M. Pelze, K., N. Pelze, A. D. - Zwischenhalte durchgeführt werden sollten.

Bei der Kundgebung sollten Transparente, Flugblätter, Fototafeln, Tier- und Todesmasken, diverse Kostüme, kunstblutige Metzgerkleidung, Lendenschurze, Megafone, Trommeln und drei Holzkreuze, die von Aktivisten mit Tiermasken getragen und diverse mechanische Hilfsmittel verwendet werden.

 

Von der Landespolizeidirektion Oberösterreich - Sicherheits- und Verwaltungspolizeiliche Abteilung - konnte erhoben werden, dass die ggst. Versammlung schon über Internet unter dem Titel „x R.T. - Kreuzzug für Tierrechte" beworben wird. Unter anderem werden dabei Fotos einer Versammlung in L., die am 23.04.2011 unter dem gleichen Motto und mit einem identen Versammlungsablauf stattgefunden hat, veröffentlicht. Diese Fotos zeigen Aktivisten - offensichtlich als Christus-Darsteller - die blutverschmiert und an Kruzifixe gefesselt waren. Dabei trugen sie Tiermasken mit einer Dornenkrone. Offensichtlich sollten Szenen aus dem Kreuzzug Jesu Christi nachgestellt werden.

 

Bei einem Telefonat (geführt zwischen T. P. und ADir. W.) am 14.04.2014 gegen 17.00 Uhr gaben Sie zunächst an, dass die Versammlung genau in derselben Art und Weise durchgeführt werden solle, wie sie unter anderem auch bereits im Jahr 2011 in L. abgehalten worden ist. Ihnen wurde mitgeteilt, dass nach Ansicht der hiesigen Behörde ein derartiger „Kreuzzug für Tierrechte", bei dem Aktivisten (mit Tiermasken), die an Kreuze gefesselt sind durch die L.er Innenstadt marschieren, wobei ganz offensichtlich Szenen des Kreuzzuges von Jesus Christus nachgestellt werden, gegen den § 188 des österreichischen Strafgesetzbuches verstoße. Dies insbesondere auch deshalb, weil vor verschiedenen Kirchen in der L.er Innenstadt Zwischenkundgebungen, noch dazu an einem der höchsten Feiertage der römisch katholischen Kirche (Karsamstag), durchgeführt werden sollten. Es wurde Ihnen der Vorschlag unterbreitet, die Versammlungsanzeige dahingehend abzuändern, als dass auf die Holzkreuze, die von Aktivisten (mit Tierköpfen) getragen werden, verzichtet und die Demonstrationsroute so abgeändert wird, dass nicht an Kirchen vorbeimarschiert wird.

 

Zu der angeführten Alternative führten Sie aus, dass dieser Marsch gerade als Kritik an der Haltung der römisch katholischen Kirche zum Schutz der Tiere anzusehen ist. Aus diesem Grunde könne nicht auf wesentliche Bestandteile des Aktivismus verzichtet werden. Sie wären aber bereit, die Tiermasken vor den Kirchen abzunehmen und nicht unmittelbar vor den Kirchen, sondern in einem „Respektabstand" daran vorbei zu marschieren. Dazu wurde Ihnen mitgeteilt, dass dies nach ha. Ansicht nichts an der Strafbarkeit des Verhaltens ändern würde.

 

Am 15.04.2014 langte bei der Behörde ein Schreiben ein, in dem Sie - nunmehr rechtsfreundlich vertreten durch Dr. B. H. - bekannt gaben, dass Sie derartige Versammlungen schon öfter in anderen Landeshauptstädten durchgeführt hätten, unter anderem auch am 22.03.2008 in I.. Bei dieser Versammlung wäre unmittelbar nach Beginn die Polizei eingeschritten und hätte die Kreuze beschlagnahmt. Weiters wäre die Staatsanwaltschaft wegen Verdachtes der Übertretung des § 188 StGB informiert worden. Dieses Verfahren wäre aber nach Einvernahmen und Stellungnahmen der Beschuldigten eingestellt worden, weil keine strafrechtliche Relevanz vorlag. In den Folgejahren hätten dann gleiche Versammlungen wieder in I. und S. stattgefunden. Bei diesen wären Flugblätter, in denen der Versammlungszweck erklärt und versichert worden wäre, dass diese Kritik keine Verächtlichmachung der Religion bedeuten würde, verteilt worden.

 

Mit Schreiben der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 15.04.2014 wurde Ihnen mitgeteilt, dass die von Ihnen angezeigte Versammlung, insbesondere auch unter dem Aspekt, dass Sie in der gleichen Art und Weise, wie die Versammlung am 23.04.2011 durchgeführt wurde, dem Zwecke nach den Strafgesetzen (§ 188 StGB) zuwiderlaufen würde bzw. die öffentliche Sicherheit und die öffentliche Ordnung gefährdet würde. Sie wurden auf die Möglichkeit einer Modifizierung der Versammlungsanzeige dahingehend aufmerksam gemacht, dass bei der Versammlung auf die Holzkreuze, die von Aktivisten (mit Tiermasken) getragen werden, verzichtet werden sollte und dass der Demonstrationszug nicht an Kirchen vorbeimarschieren solle.

Im Hinblick auf die gesamten oben angeführten Umstände wäre die für 19.04.2014 geplante angezeigte Versammlung nach Ansicht der Landespolizeidirektion Oberösterreich – Sicherheits- und Verwaltungspolizeiliche Abteilung - als zuständige Behörde zu untersagen. Gleichzeitig wurde Ihnen die Gelegenheit eingeräumt bis 16.04.2014, 15.30 Uhr (bei der Behörde einlangend) in den Akt Einsicht zu nehmen und zum vorliegenden Sachverhalt Stellung zu nehmen.

 

Eine diesbezügliche Stellungnahme ist fristgerecht mit folgendem Inhalt bei der zuständigen Behörde eingegangen:

 

„Ich bestätige den Erhalt Ihres Schreibens vom 15.04.2014 und erlaube mir, meinem Erstaunen Ausdruck zu verleihen. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass für die Behörde, trotz gegenteiliger staatsanwaltschaftlicher Meinung, eine Übertretung bzw. Verletzung des § 188 StGB feststeht. Nach meinem Wissensstand ist es die Staatsanwaltschaft bzw. in weiterer Folge das Gericht, das gerichtlich strafbare Handlungen feststellt. Ebenso ist es mir nicht erklärlich, wieso eine solche Versammlung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährden sollte. Auch darüber wird im Falle der Untersagung das Landesverwaltungsgericht, möglicherweise sogar der Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof entscheiden. Immerhin wird es dann eine verbindliche, längere Zeit gültige, Richtlinie geben, an die wir uns alle halten müssen."

 

1.2. In rechtlicher Hinsicht führte die Behörde wie folgt aus:

 

Nach § 6 VersG sind Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährden, von der Behörde zu untersagen.

Die Behörde ist jedoch nur dann zur Untersagung einer Versammlung ermächtigt, wenn dies aus einem der in Art. 11 Abs. 2 EMRK genannten Gründe notwendig ist. Die Behörde hat, wenn sie eine Untersagung der Versammlung in Betracht zieht, die Interessen des Veranstalters an der Abhaltung der Versammlung in der geplanten Form gegen die im Art. 11 Abs.2 EMRK aufgezählten öffentlichen Interessen am Unterbleiben der Versammlung abzuwägen (vgl. VfSlg. 10443/85).

 

Diese Entscheidung ist eine Prognoseentscheidung, die die Behörde auf Grundlage der von ihr festzustellenden, objektiv erfassbaren Umstände in sorgfältiger Abwägung zwischen dem Schutz der Versammlungsfreiheit und den von der Behörde wahrzunehmenden öffentlichen Interessen zu treffen hat. Dabei hat die Behörde abzuwägen, ob die mit der Versammlung verbundenen Beeinträchtigungen im Interesse der Versammlungsfreiheit von der Öffentlichkeit hinzunehmen sind, oder nicht (vgl. zB VfGH 1.10.1988 B 1068/88). Die Behörde hat ihre (Prognose-) Entscheidung aufgrund konkret festgestellter, objektiv erfassbarer Umstände zu treffen (vgl. zB VfSlg. 5087/1965).

 

Bei der von der Behörde zu treffenden Prognoseentscheidung kommt es nicht nur auf die Absichten des Veranstalters, sondern auch auf die realistische und nachvollziehbare Einschätzung des zu erwartenden Geschehnisablaufes an.

 

Mit Eingabe vom 01.04.2014 haben Sie eine für 19.04.2014 (das ist der Karsamstag) von 13.00 -16.00 Uhr in L. geplante Versammlung zum Thema „Nein zu Fleisch/Ja zu Vegetarismus angezeigt.

Wie aus der Versammlungsanzeige hervorgeht und wie aus früheren Versammlungen bekannt ist, werden bei dieser angezeigten Versammlung Aktivisten, die blutverschmiert sind, Tiermasken mit Dornenkronen tragen und an Kruzifixe gebunden sind, durch die L.er Innenstadt ziehen und ganz offensichtlich den Kreuzgang von Jesus Christus nachstellen. Auf der angezeigten Route werden neben bestimmten einzelnen Geschäften, welche schon seit längerem Ziel derartiger Aktionen sind, wie z.B. M. und K., sowie kleinere Pelz- und Bekleidungsgeschäfte, bewusst und gezielt auch bei kirchlichen Einrichtungen, wie dem N. D., dem B.-hof, der U.-kirche und dem A. D. Zwischenstopps für Zwischenkundgebungen abgehalten.

 

Die im Zuge des Parteiengehörs geforderte Stellungnahme, die Sie im Wege Ihrer rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht einbrachten, brachte zur Versammlungsanmeldung und zum Schreiben im Zuge der Vollmachtsbekanntgabe keine wesentlichen Neuerungen bzw. Änderungen.

 

Der § 188 des österreichischen Strafgesetzbuches stellt die Herabwürdigung religiöser Lehren unter Strafe. Demnach ist mit Strafe bedroht, wer öffentlich eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre, einen gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zulässige Einrichtung einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft unter Umständen herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe.

 

Unter diesen Straftatbestand fallen Verhaltensweisen, bei denen der Täter eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft bildet herabwürdigt oder verspottet und zwar unter Umständen, die geeignet sind berechtigtes Ärgernis zu erregen.

Zu diesen geschützten Sachen zählt neben Hostien und Reliquien auch das Kruzifix, wobei Verehrung in einem spezifisch religiösen Sinn zu verstehen ist und einen wesentlichen Bestandteil des Glaubens der betreffenden religiösen Gemeinschaft bildet:

 

Die Tathandlung muss im Herabwürdigen oder im Verspotten eines der Deliktsobjekte bestehen, wobei unter Herabwürdigung ein Verächtlichmachen und unter Verspotten ein Lächerlichmachen zu verstehen ist. Diese Tathandlungen müssen öffentlich sein und unter Umständen begangen werden, unter denen das Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen. Ein Ärgernis in diesem Zusammenhang ist eine tiefgreifende Empfindung, die durch die Verletzung des religiösen Wertgefühls hervorgerufen wird und sich gegen die verletzende Handlung oder ihren Urheber richtet. Berechtigt ist ein solches Ärgernis, wenn es nach allgemeiner, und nicht bloß extrem religiöser Auffassung das religiöse Wertgefühl jeden normal empfindenden Menschen verletzt. Dass tatsächlich Ärgernis erregt wurde, ist nicht erforderlich. Bei diesem Verhalten muss dem Täter bewusst sein, dass sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen (bedingter Vorsatz genügt).

 

Dass unter den Begriff Kruzifix das Kreuz als Sache anzusehen, und der Versammlungsort Straßen im Bereich des Stadtkerns von L. als öffentlich anzusehen sind, muss als unstrittig angesehen werden.

Betrachtet man jetzt das Gesamtbild des von Ihnen angezeigten Versammlungsablaufes - Sie stellen offensichtlich durch Aktivisten, die blutverschmiert sind, Tiermasken mit Dornenkronen tragen und an Kruzifixe gebunden sind den Kreuzweg Jesu Christi nach, dies ausgerechnet zu Ostern (Karsamstag), also an einem der höchsten christlichen Feiertage der katholischen Kirche, und zudem noch vor zahlreichen kirchlichen Einrichtungen und Kirchen in L. (im N. D. findet zur ggst. Zeit sogar ein Gebet statt) - so ist dieses Verhalten nach Ansicht der Landespolizeidirektion Oberösterreich - Sicherheits- und Verwaltungspolizeiliche Abteilung - als zuständiger Behörde eindeutig unter den Tatbestand des § 188 zu subsumieren.

Zu eventuellen Verantwortungen in Richtung auf das Grundrecht der Freiheit der Kunst darf ausgeführt werden:

 

Ob die Freiheit der Kunst ein Rechtfertigungsgrund sei, ist umstritten. Bejahend Neisser (ÖJZ 1983,6) Berka (JBI 1983, 282) Mayerhofer (ÖJZ 1984, 198), der für eine Rechtfertigung voraussetzt, dass der tätig gewordene glaubt, als Künstler zu handeln und dass sein Werk „irgendetwas" mit Kunst zu tun hat und Platzgummer (JBI 1995, 141f) der in Berücksichtigung der Freiheit der Kunst geringfügige Fälle aber nicht schwer und massive Verletzungen des § 188 StGB aus der Strafbarkeit ausklammert sehen möchte, im Übrigen aber auch auf Rechtfertigung durch das Prinzip des überwiegenden Interesses verweist. Ablehnend Trifftner/Schmoller (ÖJZ 1993, 551ff) auch unter Hinweis auf die sonstige Unmöglichkeit, sich gegen Beeinträchtigungen durch den Künstler zivilrechtlich zur Wehr zu setzen und Kienapfel/Schmoller (BT III2 Vorbemerkungen §§ 188 ff, Rz. 24f StGB) mit gleichen Erwägungen. Diese Autoren verneinen dadurch auch, dass ein Irrtum über Inhalt und Reichweite dieser Freiheit die irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Sachverhaltes nach § 8 StGB sein könne, sie halten aber in Grenzbereichen das Vorliegen eines nicht vorwerfbaren Verbotsirrtums für möglich (Triffterer/Schmoller ÖJZ 1993, 581f, Kienapfel/Schmoller BTIII2 § 188 Rz. 11).

 

Es bedarf einer Konstruktion eines Rechtfertigungsgrundes tatsächlich nicht, weil die Abwägung ob etwa eine Überschreitung des Freiheitsraumes der Religionsfreiheit im Namen der Kunst stattgefunden hat, durch die Beurteilung des berechtigten Ärgernisses einerseits und der inneren Tatseite andererseits, etwa über den Begriff der Herabwürdigung durchaus möglich und sachgerecht ist.

 

Die Ankündigung einer einschlägig provokanten Darbietung kann ihrerseits eine Herabwürdigung i.S.d. § 188 StGB sein (Kienapfel/Schmoller, Vorbemerkungen § 188 Rz. 20 StGB). Die Ankündigung eines Films, über dessen Gegenstand und wesentlichen Inhalt die Öffentlichkeit informiert ist, stellt eine auszeichnende öffentliche Meinungsäußerung dar, um Ärgernis zu erzeugen.

Wenn sich der Anmelder auf zurückliegende Versammlungen beruft, so wird dazu von der Behörde bemerkt, dass es schon möglich sein kann, dass damals seitens der zuständigen Staatsanwaltschaft eingestellt wurde, jedoch muss davon ausgegangen werden, dass die objektiven Tatbestandsmerkmale des § 188 StGB erfüllt sind. Dies ist Ihnen jedenfalls seit dem ersten Telefonat nach Ihrer Anmeldung bei der Landespolizeidirektion Oberösterreich, wenn nicht schon aus damaligen Situationen und etwaigen Strafverfahren bekannt, woraus geschlossen werden muss, dass auch die subjektive Tatseite zumindest im Bereich des bedingten Vorsatzes erfüllt ist.

 

Auf Grund des vorliegenden, ausführlich erläuterten Sachverhaltes, steht für die zuständige Behörde als erwiesen fest, dass im gegenständlichen Fall, davon ausgegangen werden muss, dass der Zweck der Versammlung gegen Strafgesetze zuwiderläuft bzw. die öffentliche Sicherheit und das öffentliche Wohl gefährdet, weil gerade durch die Art dieser Versammlung - Nachstellung des Kreuzweges Jesu Christi unter Verwendung von Kreuzen, an denen blutverschmierte Aktivisten mit Tierköpfen auf denen sich Dornenkronen befinden, im öffentlichen Bereich, auch unmittelbar vor Kirchen am Karsamstag, jedenfalls geeignet ist Ärgernis zu erregen und damit eine massive und schwerwiegende Verletzung des § 188 StGB vorliegt. Auszugehen ist davon, dass der überwiegende Anteil der österreichischen Bevölkerung der römisch katholischen Glaubensgemeinschaft angehört und gerade an den Osterfeiertagen, insbesondere am Karsamstag, eine Abhaltung einer Versammlung in geschilderter Weise nicht toleriert bzw. diesbezüglich eine sensible Reaktion erwarten lässt, die Ausfluss des verursachten Ärgernisses darstellt.

 

Dazu wird festgehalten, dass das Versammlungsgesetz unter dem „Zweck" einer Versammlung zweierlei versteht, nämlich zum einen, was der Anzeiger mit ihr bezwecken (erreichen) will, und zum anderen ihren Ablauf, sozusagen das Programm oder die Tagesordnung. Jedenfalls sind nach § 6 Versammlungsgesetz Versammlungen zu untersagen, deren Abhaltung die öffentliche Rechtsordnung verletzen würde. Der Bruch der öffentlich-rechtlichen Rechtsordnung darf demnach nicht planmäßiger Bestandteil der Versammlung sein. Dem Spruch, „der Zweck heiligt die Mittel", kann so sicher nicht als rechtfertigende Grundlage für die Abhaltung derartiger Versammlungen dienen.

 

Auf Grund der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, dass einer Behörde nicht das Recht eingeräumt ist, die Versammlungsanzeige von sich aus zu ändern oder zu modifizieren, wurden Sie telefonisch von dem Sachverhalt und den damit verbundenen Problemen, wie bereits eingangs angeführt, in Kenntnis gesetzt und Ihnen nahe gelegt, die Versammlung dahingehend abzuändern, dass auf die Holzkreuze und Tierköpfe verzichtet werden und die Demonstrationsroute so abgeändert werden sollte, dass nicht unmittelbar an Kirchen vorbeimarschiert wird. Zu dieser angebotenen Alternative führten Sie an, dass dieser Marsch gerade als Kritik an der Haltung der römisch katholischen Kirche anzusehen sei und aus diesem Grunde nicht auf wesentliche Bestandteile des Aktivismus verzichtet werden könne.

 

Gerade mit dieser Aussage untermauern Sie eigentlich auch die subjektive Tatseite des § 188 StGB.

 

Die Interessen im Sinne des § 6 VersG umfassen die gesamte öffentlich-rechtliche Rechtsordnung; aufgrund einer gebotenen verfassungskonformen Auslegung allerdings nur, wenn damit (zumindest) eine der im Art.11 Abs. 2 EMRK aufgezählten Interessen geschützt wird. Versammlungen dürfen es sich nicht „zum Zweck setzen, ein mit den Imperativen der Rechtsordnung im Widerspruch stehendes Verhalten, sei es der Versammelten, sei es außerhalb der Versammlung Stehenden, herbeizuführen" Die Rechtsprechung geht davon aus, dass an sich gesetzwidrige Verhaltensweisen (ausnahmsweise) von der Rechtsordnung erlaubt sind, wenn sie unbedingt notwendig sind, um die Versammlung in der beabsichtigten Weise durchzuführen. Allerdings darf das öffentliche Interesse an der Einhaltung der entsprechenden Vorschriften nicht höher sein, als das Interesse des Veranstalters, dass die Versammlung einschließlich dieses Details stattfindet.

Die Behörde verkennt im Zuge der Interessensabwägung in keiner Weise, dass Sie ein Interesse an der Kundgebung Ihrer Ansichten zum Thema Tierschutz, bzw. Tierleid haben.

 

Bei einer sorgfältigen Abwägung der Interessen kam die Landespolizeidirektion Oberösterreich -Sicherheits- und Verwaltungspolizeiliche Abteilung - als zuständige Behörde aber auf Grund des oben ausführlich angeführten Sachverhaltes zu der Auffassung, dass das Interesse der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung, sowie am Schutz der Rechte und Freiheiten anderer schwerer wiegt, als Ihr Interesse an der Abhaltung dieser Versammlung. Durch Ihre Weigerung die Versammlungsanzeige entsprechend abzuändern und auf den oben beschriebenen massiven und schwerwiegenden Aktivismus zu verzichten, haben Sie außerdem manifestiert, dass es Ihnen nicht nur um die von Ihnen beabsichtigte Versammlung, bzw. um den beabsichtigten Versammlungszweck geht, sondern die Versammlungsfreiheit zu Lasten Dritter zu missbrauchen.

 

Das Interesse der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bzw. das öffentliche Wohl gründet sich im konkreten Fall in Zusammenschau bezogen auf den Karsamstag, als einen der höchsten kirchlichen Feiertage der römisch katholischen Kirche und der Verwirklichung des Tatbildes nach § 188 StGB durch die Abhaltung dieser Versammlung, wobei der Veranstalter selbst ausführt, dass dieser Marsch gerade als Kritik an der Haltung der römisch katholischen Kirche anzusehen sei.

 

Einer allfälligen Beschwerde gegen diesen Bescheid war die aufschiebende Wirkung abzuerkennen, da ansonsten die Gefahr der Vereitelung des durch die Untersagung beabsichtigten Zweckes besteht.

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, durch den rechtsfreundlichen Vertreter des betreffenden Vereins bzw. dessen Obmann rechtzeitig am 28. April 2014 eingebrachte Beschwerde.

 

Begründend wird Folgendes ausgeführt:

 

Grund für diese Rechtsmeinung der Behörde war die ursprünglich angezeigte Absicht des Versammlungsveranstalters, am Karsamstag durch drei Aktivisten mit aufgesetzten Tiermasken und mitgetragenen Holzkreuzen den Leidensweg der Nutztiere mit jenem des Jesus Christus zu vergleichen. Zu diesem Zwecke sollten vor verschiedenen Kirchen Zwischenkundgebungen stattfinden.

 

Selbst ein vom Veranstalter vorgeschlagener Kompromiss, dass die Tiermasken vor den Kirchen abgenommen werden würden und nicht unmittelbar vor den Kirchen, sondern in einem Respektabstand vorbeimarschiert werden sollte, änderte nichts an der Rechtsmeinung der Behörde. Diese verlangte vielmehr, dass gänzlich auf die Holzkreuze verzichtet und nicht an Kirchen vorbeimarschiert werde. Wenn das auch nicht Gegenstand der Beschwerde ist, zeigt es doch, dass der Untersagungswille der Behörde weit über den gegenständlichen Sachverhalt hinausgeht.

 

Nach § 6 des Versammlungsgesetzes hat die Behörde jene Versammlungen zu untersagen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft. Der in der Anzeige der Behörde wahrheitsgemäß bekanntgegebene Zweck, nämlich durch symbolische Kreuzigung von als Nutztiere maskierte Aktivisten, wird keinesfalls gegen den § 188 StGB verstoßen. Die Behörde war in Kenntnis der Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft I., 52 BAZ 444 / 08w, hinsichtlich eines gleichen Vorganges in I. am 22.03.2008. Die Beischaffung dieses Aktes wird beantragt. Das ist umso bemerkenswerter, als die Geister- und Dämonenverehrung in Form der "Treue zu Gott" in der weltlichen Tiroler Landesverfassung für Gesetzgebung und Verwaltung verpflichtend festgeschrieben ist. Daher müsste in jenen Bundesländern, in denen solche bundesverfassungsgesetzwidrigen Passagen in den jeweiligen Landesverfassungen nicht vorkommen, ein erhöhtes Gewicht auf das Recht der freien Meinungsäußerung durch Kritik an der Kirche gelegt werden. Erstaunlicherweise ist das Gegenteil der Fall.

 

Ebenso wurde von der Staatsanwaltschaft beim Landesgericht G. unter dem Aktenzeichen 635 65 BAZ 442/12w-l ein gleichartiges Verfahren als Folge einer gleichartigen Versammlung eingestellt. Die Beischaffung auch dieses Aktes wird beantragt.

 

In weiterer Folge hat dann wieder in I. am 11.04.2009 eine gleichartige Versammlung stattgefunden, wegen welcher wiederum von der Polizei Anzeige an die Staatsanwaltschaft erstattet wurde. Diese hat nicht einmal mehr ein Verfahren eingeleitet. Es haben dann weitere gleichartige Versammlungen in L. und S. ohne jede Untersagung oder Beanstandung stattgefunden. Wenn auch keine formelle Bindungswirkung besteht, muss doch im Interesse einer einheitlichen Rechtspflege diese staatsanwaltschaftliche Meinung als Richtschnur für die Verwaltungsbehörden gelten. Es ist auch richtig, dass ein vermeintliches Fehlverhalten einer Behörde keinen Anspruch auf ein weiteres Fehlverhalten verleiht. Wenn sich aber mehrere gleichartige Entscheidungen an die oben zitierte staatsanwaltschaftliche Meinung halten, kann wohl nicht mehr von einem Fehlverhalten ausgegangen werden.

 

Aus Anlass dieser Versammlungen haben freiheitliche Abgeordnete an die damalige Justizministerin B. O. eine Anfrage gerichtet, warum sie die Staatsanwaltschaft nicht zur Fortsetzung des Strafverfahrens verhalten habe. Diese hat geantwortet, dass sie dazu keinen Anlass gesehen habe, da im dritten Jahrtausend eine solche Kritik an der Kirche erlaubt sein müsse. Auch das wurde der untersagenden Behörde mitgeteilt.

 

Am 07.06.2000 wurde von der damaligen Nationalratsabgeordneten Mag. T. S. und Kollegen der Antrag 202/A betreffend die Abschaffung der §§ 188 und 248 StGB eingebracht und wie folgt begründet:

 

"Damit macht sich der Staat zum Hüter der Lehren der in Österreich anerkannten Religionsgemeinschaften. Derartige Überbleibsel des Sekulärstaates Österreichs sollten wir so rasch wie möglich beseitigen. Diese Bestimmung räumt anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften einen höheren strafrechtlichen Schutz ein, als allen anderen Weltanschauungen. Davon abgesehen, müssen Strafbestimmungen auf Grund des Rechtsstaatsprinzips der Bundesverfassung in Verbindung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention einen erhöhten Bestimmtheitsgrad aufweisen (Art. 18 B-VG in Verbindung mit Art. 7 EMRK). Eine Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit wird z.B. vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nur dann für notwendig gehalten, wenn sie einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht. Der Verfassungsgerichtshof fordert eine restriktive Handhabung von Einschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit und stellt fest, dass eine demokratische Gesellschaft oft bestimmte Handlungen hinnehmen kann, ohne dass die öffentliche Ordnung und Moral Schaden leidet. Es steht wohl außer Zweifel, dass die Streichung des § 188 StGB die demokratische Gesellschaft in Österreich ohne Schaden überleben würde."

 

Wenn auch die Trennung von Staat und Kirche nirgends ausdrücklich verfassungsmäßig verankert ist, bedeutet sie doch einen Grundsatz, der mit der zunehmenden Aufklärung immer mehr in den Fokus nicht nur von Verfassungsjuristen rückt. Von der Verwirklichung dieses Grundsatzes ist Österreich allerdings meilenweit entfernt. Österreich kann ohne Übertreibung als gemäßigter Religionsstaat bezeichnet werden. Diese Untersagung bedeutet allerdings einen Schritt zum absoluten Religionsstaat.

 

Gem. Art. 7(1) des Bundesverfassungsgesetzes sind Vorrechte der religiösen und weltlichen Bekenntnisse ausgeschlossen. Speziell durch die Untersagung dieser kirchenkritischen Manifestation wird den religiösen Bekenntnissen, diesfalls dem christlichen, ein unerhörtes Vorrecht gewährt. Während religiöse Kirchenorganisationen unverhohlen die Vernichtung von "nicht Auserwählten", also Un- oder Andersgläubigen in ihren Ideologiebüchern fordern dürfen, wird dem Untersagungsbescheidadressaten eine aktionistische Kritikmanifestation verboten, die nicht im Entferntesten die körperliche Integrität oder gar das Leben von Gläubigen bedroht.

So ist in dem christlichen Ideologiebuch, der Bibel, unter 2. Petrus 2:9-12 nachzulesen: "Menschen, die keine Auferstehung verdienen, sind wie vernunftlose Tiere, die von Natur aus dazu geboren sind, eingefangen und vernichtet zu werden." Dass das aktuellen Bezug hat, beweist die befürwortende Erwähnung dieser Bibelstelle in der Zeitschrift "Erwachet" der Zeugen Jehovas vom 22.02.2004, Seite 6, Diese Bekenntnisgemeinschaft wurde kurz darauf in den Kreis der gesetzlich anerkannten Religionsbekenntnisse aufgenommen.

 

Im "Bote von Fatima", vom Januar 2007, Seite 5, aufgelegt zur freien Entnahme im renommierten katholischen Stift F. bei S. ist mit Blick auf die Ungläubigen ein Beitrag des emeritierten Erzbischofes Dr. K. B. zu lesen: "Ihr Wirken ist gekennzeichnet vom Bösen: Abkehr von Gott, Erkalten der Liebe, Absinken in das rein Irdische, Versklavtsein an die Sünde, Gesetzlosigkeit, Absturz in die Abgründe des Untermenschentums, Verherrlichung der Gewalt, Chaos, Krieg und Terror."

 

Auf Nachfrage beim damaligen amtierenden Erzbischof von B. verteidigte dieser insbesondere die Verwendung des Begriffes "Untermenschentum".

 

Das Ideologiebuch des Islam, der Koran, steht dem nichts nach. So liest man etwa in der { Sure Al-Baqara 2,191: "Tötet sie, wo ihr sie findet", in At-Tauba 9,29: "Kämpft mit Waffen gegen diejenigen, die nicht an Allah glauben...."

 

Man stelle sich vor, der Untersagungsbescheidadressat hätte in seinen Vereinsstatuten derartige Auslassungen enthalten, oder hätte gar in der Versammlungsanzeige solche Drohungen ausgestoßen. In Wirklichkeit sollte das eine vollkommen friedliche, wenn auch kritische, sehr wohl begründete, Versammlung sein. Die Untersagung unterstreicht die verfassungswidrige Wirklichkeit, nämlich dass religiöse Bekenntnisse unerhörte Vorrechte vor anderen Weltanschauungen genießen.

 

Die Untersagung verletzt auch die Art. 82(1) und 83(2) des Bundesverfassungsgesetzes.

 

Ersterer normiert, dass die ordentliche Gerichtsbarkeit, also auch die Strafgerichtsbarkeit, vom Bund ausgeht. Zweiterer, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden { darf. Dass eine Verwaltungsbehörde sich anmaßt, festzustellen, ob ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt und daran Sanktionen knüpft, widerspricht diesen Verfassungsbestimmungen. Der § 6 des Versammlungsgesetzes ist auch nicht so zu verstehen. Der Zweck dieser angezeigten Versammlung war nicht die symbolische Kreuzigung von Nutztieren, sondern die dadurch zum Ausdruck zu bringende Kritik an der Kirche. Diese symbolische Kreuzigung war nur das Mittel dazu. Im Übrigen ist zu bezweifeln, ob das Kreuz eine Sache ist, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche bildet. Wie in der Diskussion über die Anbringung von Kreuzen in Klassenzimmern immer wieder betont wurde, ist das Kreuz allgemeiner Ausdruck der in Europa vorherrschenden Kultur und habe nur in zweiter Linie mit dem religiösen Glauben zu tun.

 

Die untersagte Manifestation stellt keineswegs eine Herabwürdigung des Kreuzes dar. Im Gegenteil hat bereits im Jahre 1842 der von Papst B. im Jahre 2010 selig gesprochene Kardinal N. in einer Karfreitagspredigt das Leiden der von Menschen gequälten Tiere mit dem Leiden Jesu am Kreuz verglichen, ja sogar gleichgestellt.

Außerdem pönalisiert der § 188 StGB nicht die hier ohnehin nicht vorliegende! Herabwürdigung per se, sondern nur dann, wenn sie unter Umständen erfolgt, die geeignet sind, berechtigtes Ärgernis zu erregen. Dass die angezeigte und untersagte Versammlung bei bestimmten Personen Ärgernis erregt hätte, ist unbestritten. Ebenso muss unbestritten sein, dass die offensive Religionsausübung, beispielsweise durch Glockenlärm oder Straßensperren, bei einem weltanschaulich anders orientierten Personenkreis Ärgernis erregt.

 

Die Kernfrage muss daher lauten, ob im Lichte unserer Rechtsordnung mit ihrer Gewichtung der Grundrechte diese Ärgernisse berechtigt sind. Wenn schon die oben angeführten beispielhaft aufgeführten Ärgernisse, die doch in das Leben von Andersdenkenden eingreifen, in vielfachen Erkenntnissen als nicht berechtigt erkannt wurden, so muss umso mehr die gegenständliche untersagte Manifestation als nicht berechtigtes Ärgernis hervorrufend eingestuft werden, da sie die Religionsausübung in keiner Weise stört oder hindert und noch weniger in die Lebensqualität der Gläubigen eingreift.

 

Noch weniger stichhaltig ist der Untersagungsgrund der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder des öffentlichen Wohles. Das, selbst für die abgeänderte Versammlung, aufgebotene Polizeichor wäre ohne Schwierigkeiten in der Lage gewesen, auch für die ursprünglich geplante Versammlung die Sicherheit zu gewährleisten, wozu die Polizei verpflichtet ist. Diese gesetzliche Bestimmung hat ganz andere Dimensionen im Auge, beispielsweise wenn zwei gegensätzliche Versammlungen zeit- und ortgleich angemeldet sind und die Gefahr nicht beherrschbarer Massenschlägereien besteht. Es ist sicher nicht auszuschließen, dass einzelne fanatische Fundamentalisten tätlich werden, doch hat diesfalls die Polizei für die Sicherheit der Versammlungsteilnehmer zu sorgen, wozu sie im Hinblick auf die ausgerückte Mannschaftsstärke leicht in der Lage gewesen wäre. Diese an den Haaren herbeigezogene Begründung meint wohl die Sicherheit der etablierten Religion vor noch so berechtigter Kritik.

 

Überhaupt nicht versammlungsgesetzeskonform, aber entlarvend ist die von der Untersagungsbehörde vermeinte Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Im Versammlungsgesetz findet sich keine solche Bestimmung, vielmehr normiert es die Gefährdung des öffentlichen Wohles im § 6 als Untersagungsgrund. Das ist bei Weitem nicht das Selbe, ja nicht einmal das Gleiche. Es kann ohne Weiteres eine öffentliche Unordnung dem öffentlichen Wohle dienen, ja jedweder grundrechtliche Fortschritt wurde durch anfängliche öffentliche Unordnung erst begründet. Für die Untersagungsbehörde scheint die öffentliche Ordnung nur dann gegeben, wenn alle, womöglich im Gleichschritt, ihre Knie vor dem Kreuze beugen. Eine solche Einstellung ist nicht nur nicht zeitgemäß, sie ist schlicht rechtswidrig. Die ursprünglich geplante Versammlung hätte zweifellos dem öffentlichen Wohl gedient. Richtig verstanden besteht es diesfalls darin, die gläubige Bevölkerung aus dem engen, streng anthropozentrischen Kirchendogma zu einem erweiterten Glaubensbegriff hinzuführen, der die menschengleiche Leidensfähigkeit der Tiere mit umfasst und berücksichtigt. Es darf nicht vergessen werden, dass der kirchliche Glaubensbegriff starken Veränderungen unterworfen ist, die allesamt durch stellenweise dramatische öffentliche Unordnungen bewirkt wurden. Der von Menschen nach ihrem Ebenbild erschaffene Gott war selbstverständlich als Spiegelbild der damaligen Herrschaftsverhältnisse ein weißer Mann. Andersfarbige und Frauen wurden als Nutztiere bezeichnet und behandelt (Hl. T. v. A.). Heute gibt sich die katholische Kirche bis zu einem Gewissen Grade frauenfreundlich und als Priester werden selbst in unseren Breiten ohne Weiteres Andershautfarbige ausgebildet und eingesetzt.

 

Es wird daher das Begehren gestellt, die Untersagungsbehörde möge gem. § 14/2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen und die Beschwerde unter Anschluss der Akten dieses Verwaltungsverfahrens dem Verwaltungsgericht für Oberösterreich vorlegen.

 

Dieses möge eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumen, zu der folgende Beweise angeboten werden:

 

Ao. Univ.-Prof.Mag.Dr. K. R., Institut für Ethik und Gesellschaftslehre an der Katholisch-Theologischen Fakultät der K-F-Universität, G., H. als sachverständiger Zeuge.

 

Vorlage der Zeitschrift "Erwachet" vom 22. Februar 2004

Vorlage der Zeitschrift "Bote von Fatima" Nr. 1 vom Januar 2007

Schreiben des ErzB.- von B. vom 31 Januar 2007

Die Beischaffung folgender Akten wird beantragt:

635 65 BAZ 442/12w-l der Staatsanwaltschaft beim Landesgericht G.

52 BAZ 444/08w der Staatsanwaltschaft beim Landesgericht I.

 

Abschließend wird beantragt, den gegenständlichen Untersagungsbescheid als rechtswidrig aufzuheben.

 

3.1. Die Landespolizeidirektion legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Schreiben vom 29. April 2014 zur Entscheidung vor.

 

3.2. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 12. Mai 2014, GZ.: LVwG - 750172/2/BP/WU, wurde die in Rede stehende Beschwerde als unbegründet abgewiesen. 

 

Das LVwG begründete seine Entscheidung ua. wie folgt:

 

2.1. In Art 11 Abs. 1 EMRK wird zunächst allen Menschen ein Versammlungsrecht eingeräumt. Dieses unterliegt nach Art. 11 Abs. 2 EMRK gewisser Schranken, die gesetzlich ausgestaltet sein müssen. Eine derartige Determinierung traf der einfachgesetzliche Legislator insbesondere in § 6 VersG.

 

§ 6 VersG erkennt nun 3 Alternativen, bei deren Vorliegen eine Versammlung zu untersagen ist, also in die verfassungsmäßige Grundfreiheit eingegriffen werden muss.

 

2.2. Zunächst betrifft dies Fälle, in denen eine Versammlung Strafgesetzen zuwiderlaufen würde. Die belangte Behörde bezog sich im angefochtenen Bescheid auf § 188 StGB.

 

Gemäß § 188 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen wer öffentlich eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre, einen gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zulässige Einrichtung einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft unter Umständen herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen.

 

Vorweg kann als weithin bekannt vorausgesetzt werden, dass in christlichen Kirchen bzw. kirchlichen Gemeinschaften Jesus Christus als Gottessohn angesehen wird, der sich durch Selbstaufgabe (Kenosis) dem Tod am Kreuz überantwortete. Dieses – in der gesamten Christenheit anerkannte – Heilsereignisses, das durch die Auferstehung Jesu Christi vollendet wurde, wird in den Kartagen bzw. der österlichen Zeit gedacht. Damit einher geht aber auch, dass als Symbol dessen das Kreuz eine besondere Verehrung erfährt.

 

Eine Darstellung des gekreuzigten Gottessohnes, substituiert durch mit Dornen gekrönte Tierköpfe und Kreuze im Rahmen einer Demonstration, wird wohl dem Tatbestand des § 188 StGB sehr nahe kommen. Diese Bestimmung zielt jedoch nicht so sehr auf religiöse Gefühle des Einzelnen ab, sondern in einem objektivierten Maßstab auf die Verletzung des „religiösen Friedens“. Mit Blick auf die in der Folge zu treffenden Überlegungen kann an dieser Stelle jedoch darauf verzichtet werden eine Subsumtion vorzunehmen. Auch, wenn hier keine unmittelbare Bindungswirkung für das Oö. Landesverwaltungsgericht besteht, ist – dem Sachverhalt zufolge – festzuhalten, dass die Staatsanwaltschaften bislang keinen Grund erkannt haben, vergleichbare Fälle vor Gericht zur Anzeige zu bringen. Es wird daher auch hier davon ausgegangen, dass durch die geplante Demonstration das Tatbestandselement der Verletzung eines Strafgesetzes nicht erfüllt würde.

 

Allerdings ist im Sinn des angefochtenen Bescheides dennoch darauf zu verweisen, dass die ggst. Entscheidung aufgrund einer Prognose zu fällen war, in deren Rahmen die potentielle Erfüllung des objektiven Tatbestandes durch die geplante Versammlung keinesfalls a priori auszuschließen war. 

 

2.3. Die 2. Alternative, die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit scheint – bei abstrakter Betrachtung – ebenfalls nicht einschlägig.

 

2.4. Die 3. Alternative bildet die Gefährdung des öffentlichen Wohls. Hiebei handelt es sich um einen unbestimmten Gesetzesbegriff, der einer differenzierten Betrachtung bedarf. Klar ist dabei zunächst, dass das hier angesprochene Wohl nicht individueller, sondern kollektivierter Natur sein muss, das öffentlich rechtlich geschützt ist. Dabei ist von einem verfassungsstaatlichen Gemeinwohlverständnis auszugehen, das sich an den Gemeinwohlwerten des Grundgesetzes / des Grundrechtskataloges wie Menschenwürde, Freiheit, Rechtssicherheit, Frieden und Wohlstand und damit an den Grundrechten, dem Rechtsstaat-, Sozialstaat- und Demokratieprinzip festmachen lässt. (vgl. Armin: Gemeinwohl und Gruppeninteressen 1977, S. 22 ff.).

 

Art. 11 Abs. 2 EMRK lässt Einschränkungen der Grundfreiheit dahingehend zu, als sie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Dadurch scheint im Sinne des Gemeinwohls ebenfalls eine Determinierung getroffen, nämlich der Schutz verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich normierter Rechte und Freiheiten öffentlich anerkannter Kollektive. Zur klareren Interpretation des unbestimmten Gesetzesbegriffs „öffentliches Wohl“ bietet sich daher eine verfassungskonforme Interpretation an.

 

3.1. Gemäß Art. 14 StGG ist die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit Jedermann gewährleistet. Der Genuss der bürgerlichen und politischen Rechte ist von dem Religionsbekenntnisse unabhängig; doch darf den staatsbürgerlichen Pflichten durch das Religionsbekenntnis kein Abbruch geschehen. (...)

 

Gemäß Art. 63 des Staatsvertrages von St. Germain Österreich verpflichtet sich Österreich allen Einwohnern ohne Unterschied der Geburt, Staatsangehörigkeit, Sprache, Rasse oder Religion vollen und ganzen Schutz von Leben und Freiheit zu gewähren. Alle Einwohner Österreichs haben zudem das Recht, öffentlich oder privat jede Art Glauben, Religion oder Bekenntnis frei zu üben, sofern deren Übung nicht mit der öffentlichen Ordnung oder mit den guten Sitten unvereinbar ist.

 

Gemäß Art. 9 Abs. 1 EMRK (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) hat jedermann Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit des einzelnen zum Wechsel der Religion oder der Weltanschauung sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, Andachten und Beachtung religiöser Gebräuche auszuüben.

 

Gemäß Art. 9 Abs. 2 EMRK darf die Religions- und Bekenntnisfreiheit nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind.

 

3.2. Es sei vorweg angemerkt, dass auf die Problematik der Drittwirkung von Grundrechten hier nicht einzugehen ist, zumal es nicht primär um die Frage der Religionsfreiheit per se geht, sondern um eine verfassungskonforme Interpretation des § 6 VersG. Aus den obzitierten Bestimmungen geht eindeutig hervor, dass sich der Staat zum Schutz der Ausübung der Religionsfreiheit verpflichtet hat. Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass der 8. Abschnitt des StGB vor § 188 mit der Überschrift: „Strafbare Handlungen gegen den Religionsfrieden und die Totenruhe“ eingeleitet wird. Die Betonung liegt hier auf dem Schutz des religiösen Friedens, also nicht so sehr auf dem individuellen religiösen Gefühl, sondern auf einem kollektivierbaren Schutzgut. Im Sinne der obigen Bemerkungen ist also festzuhalten, dass die Ausübung der Religionsfreiheit und der Schutz des religiösen Friedens fraglos – nach verfassungskonformer Interpretation – unter den Begriff des öffentlichen Wohles zu subsumieren sind.

 

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann die Abhaltung von Versammlungen, durch die Interessen Dritter an einer ungestörten Religionsausübung gefährdet werden, untersagt werden (vgl. VfGH vom 13. Dezember 2000, B 1613/99).

 

„Nun untersagt Art. 9 EMRK nicht bloß dem Staat selbst in die Religionsfreiheit ohne Rechtfertigung im Sinn des Art. 9 Abs. 2 EMRK einzugreifen, sondern verpflichtet ihn auch zum Schutze rechtmäßiger Religionsausübung gegen gezielte Störungen von dritter Seite (vgl. die zu Art 11 EMRK ergangene Entscheidung VfSlg 12.501/1990 sinngemäß). Art. 11 Abs. 2 EMRK lässt staatliche Eingriffe in die grundrechtlich gewährleistete Versammlungsfreiheit auf gesetzlicher Grundlage zu, wenn dies in einer demokratischen Gesellschaft ua zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zu Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Zu den Rechten und Freiheiten anderer iSd Art 11 Abs. 2 EMRK zählt zweifellos auch das Recht auf ungestörte Religionsausübung, wie es Art 9 EMRK grundrechtlich absichert und die einfachgesetzliche Rechtsordnung vielfach anerkennt.“

 

Es ist sohin in der Folge zu prüfen, ob im vorliegenden Fall die Ausübung der Religionsfreiheit oder der religiöse Friede unverhältnismäßig durch die geplante Versammlung gefährdet wurden.

 

4.1. Die hier zu treffende Entscheidung stellt sich als Prognoseentscheidung dar, die die Behörde auf Grundlage der von ihr festzustellenden, objektiv erfassbaren Umstände in sorgfältiger Abwägung zwischen dem Schutz der Versammlungsfreiheit und den von der Behörde wahrzunehmenden öffentlichen Interessen zu treffen hatte. Dabei hatte die Behörde abzuwägen, ob die mit der Versammlung verbundenen Beeinträchtigungen im Interesse der Versammlungsfreiheit von der Öffentlichkeit hinzunehmen gewesen wären (vgl. zB VfGH 1.10.1988 B 1068/88). Die Behörde hatte ihre (Prognose-) Entscheidung aufgrund konkret festgestellter, objektiv erfassbarer Umstände zu treffen (vgl. zB VfSlg. 5087/1965).

 

Bei der von der Behörde zu treffenden Prognoseentscheidung kommt es nicht nur auf die Absichten des Veranstalters, sondern auch auf die realistische und nachvollziehbare Einschätzung des zu erwartenden Geschehnisablaufes an.

 

4.2. Wie oben schon als allgemein bekannt vorausgesetzt, wird von sämtlichen christlichen Kirchen bzw. kirchlichen Gemeinschaften (wenn auch nicht generell von allen an den kalendarisch identen Zeitpunkten – vgl. etwa teils unterschiedliche zeitliche Zuordnung bei der orthodoxen Kirche, wobei gerade im Jahr 2014 hier keine Unterschiede bestanden) des unmittelbar mit dem Kreuzestod Jesu Christi verbundenen göttlichen Heilsereignisses gedacht und dieses durch die verschiedensten religiösen Riten und Feiern begangen, wobei die „Karliturgie“ primär beim gründonnerstäglichen Abendmahl verstärkt einsetzt und sich über den Karfreitag (höchster Feiertag etwa der evangelischen Kirche) bis zu den in der Osternacht stattfindenden Auferstehungsfeiern kumuliert. Nicht nur nach katholischem Verständnis ist der Karsamstag der „Grabesruhe“ und damit verbunden der inneren Sammlung gewidmet, wobei besonders an diesem Tag von den Kirchen Grabeswachen, Gebetsstunden (wie z. B. im L.er N. D., was von der Behörde im Bescheid angeführt wurde) angeboten und auch regelmäßig frequentiert werden. Gleiches gilt für die traditionell an diesem Tag von den Kirchen verstärkt angebotene Osterbeichte, zu der die Gläubigen – in der Regel während des gesamten Tages – eingeladen sind. Zentrales Thema ist in dieser Zeit vor allem der Kreuzweg Jesu, dessen ebenfalls in mannigfältiger Weise gedacht wird.

 

Vom Verein R.T. wurde als Versammlungszweck der zweifelsohne völlig unbedenkliche und zu fördernde Tierschutz genannt, was auch durch den Titel „Nein zu Fleisch! Ja zu Vegetarismus!“ verdeutlicht werden soll. Angesichts der Konzeption der Versammlung, der beabsichtigten Route und nicht zuletzt auch angesichts der in der Beschwerde geäußerten Intention und Stoßrichtung, tritt zu diesem „primär“ angegebenen Zweck ohne jeden Zweifel der Zweck einer intensiven Auseinandersetzung mit der Haltung und der rechtlichen Stellung der katholischen Kirche speziell (wie auch von Religionsgemeinschaften generell). Neben dem Bahnhof sollten beinahe sämtliche innenstädtische Kirchen für Kundgebungen berührt werden. Folgt man der Beschwerdeschrift, erhält man einen tieferen Einblick in Dokumente und Schriften von Kirche und Islam sowie in die explizit geäußerte Ablehnung des Vorrechtes von Religionen, gegenüber von Weltanschauungen mit der Forderung das Strafrecht diesbezüglich zu bereinigen.

 

Verbunden mit der geplanten Ausstattung der Demonstrationsteilnehmerinnen und Teilnehmer, die bewusst ua. mit Tierköpfen maskiert (blutverschmiert) an Holzkreuze gefesselt auftreten sollten, liegt für jedermann die Assoziation mit dem Kreuzweg Jesu Christi auf der Hand, was im Übrigen ja wohl auch „gezielt“ beabsichtigt ist, wenn man der im Internet lancierten Einladung zur Versammlung folgt. 

 

Die Assoziation des gegeißelten, dornengekrönten Gottessohnes mit Tiergestalten ist aber fraglos dazu geeignet kollektivierte religiöse Gefühle, also das öffentliche Wohl in Form des religiösen Friedens massiv zu beeinträchtigen. Es würde dabei wenig helfen, mit Flugblättern udgl. weitere Informationen anzubieten, da der visuell gewonnene Eindruck dadurch wohl nicht abgemildert werden könnte.

 

4.3. Nach § 6 VersG bedarf es aber nicht nur einer Beeinträchtigung des öffentlichen Wohls, sondern dessen Gefährdung, um einen Eingriff in das Grundrecht zu legitimieren. Es ist sohin zu erörtern, ob im hier zu beurteilenden Fall eine Gefährdung des religiösen Friedens gedroht haben würde. 

 

Eine derartige Gefährdung ist gegeben.

 

Diese Feststellung gründet sich zunächst auf die terminliche Festlegung der Versammlung am Karsamstag und damit verbunden auf die besondere Bedeutung des Kreuzes, des Kreuzweges und der inneren Sammlung an diesem Tag. Es kann davon ausgegangen werden, dass zahlreiche gläubige Katholiken beim Zu- und Weggehen von den diversen Kirchen mit dem Demonstrationszug konfrontiert und zutiefst verstört worden wären. Vergleichbar dazu hat, wie oben angeführt, der Verfassungsgerichtshof das traditionelle christliche Totengedenken zu Allerheiligen auf Friedhöfen insgesamt als religiösen Gebrauch durch Art. 9 EMRK grundrechtlich geschützt angesehen. Es ist auch anzunehmen, dass diese Konfrontation zu massiven Diskussionen geführt haben würde, wobei mitunter Situationen hätten provoziert werden können, die die öffentliche Sicherheit zu tangieren sehr wohl geeignet gewesen wären. Dabei würde dies nur eine unzureichende Abschwächung dargestellt haben, wenn die Tiermasken vor den Kirchen abgenommen worden wären oder ein gewisser Respektabstand eingehalten worden wäre. Anders würde es sich bei dem – von der belangten Behörde vorgeschlagenen, von den Veranstaltern abgelehnten Verzicht auf Holzkreuze udgl. verhalten haben. Es ist hier also das Maß der Gefährdung des öffentlichen Wohles voll erreicht.

 

Der Eingriff in die Versammlungsfreiheit war also unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit ebenfalls gerechtfertigt. Der Vollständigkeit halber sei angeführt, dass sich auch die Beschwerdeschrift nicht auf das Grundrecht der freien Kunstausübung beruft, weshalb hier nicht näher darauf einzugehen ist. Im Übrigen wurde auch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in der Beschwerde nicht thematisiert, weshalb dies auch hier unterbleiben kann.

 

3.2. Aufgrund einer dagegen erhobenen Beschwerde hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11. März 2015, zu E 717/2014 – 16, gemäß Art. 144 B-VG die Entscheidung des LVwG Oberösterreich auf und stellte fest, dass die beschwerdeführende Partei durch das angefochtene Erkenntnis in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt sei.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da der in Rede stehende Sachverhalt völlig unbestritten feststand, und im Verfahren lediglich Rechtsfragen zu klären waren. In der Beschwerde wird zwar die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung begehrt, jedoch keinesfalls der Sachverhalt in Frage gestellt, sondern im Gegenteil bestätigt.

 

Die angebotenen Beweise - Vorlage der Zeitschrift "Erwachet" vom 22. Februar 2004; Vorlage der Zeitschrift "Bote von Fatima" Nr. 1 vom Januar 2007; Schreiben des ErzB.- von B. vom 31 Januar 2007 - werden per se nicht in Zweifel gezogen, weisen aber für den in Rede stehenden Fall keinerlei Entscheidungsrelevanz auf. Gleiches gilt für die allfällige zeugenschaftliche Einvernahme eines Universitätslehrers der theologischen Fakultät G., zumal im vorliegenden Fall eine theologische / gesellschaftsethische Expertise die juristische Kernfrage nicht berühren würde.

 

Schließlich konnte auch auf die Beischaffung von Akten der betreffenden Staatsanwaltschaften verzichtet werden, zumal die Tatsache, dass in diesen Fällen keine Anklage erhoben wurde, außer Frage steht und als völlig glaubhaft angesehen wird. 

 

5. Das Landesgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter dem Punkt I 1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten – unwidersprochenen - relevanten Sachverhalt aus.

 

 

II.             

 

Im vorliegenden Fall ist die Sach- und Beweislage keinesfalls in Frage gestellt, weshalb hier keine differenzierte Beweiswürdigung vorzunehmen war (vgl. Punkt I.4.)

 

 

III.            

 

1. Zur rechtlichen Begründung wird auf die Begründung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 11. März 2015 E 717/2014 – 16, verwiesen: 

 

2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 12. Mai 2014 wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich diese Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG in Verbindung mit § 6 VersammlungsG als unbegründet ab und sprach aus, dass hiegegen eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei. Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass auf Grund der angezeigten Versammlung eine Gefährdung des öffentlichen Wohls iSd § 6 VersammlungsG zu erwarten gewesen sei. Hiezu stellte das Landesverwaltungsgericht - wörtlich - fest:

 

"2.4. Die 3. Alternative [des § 6 VersammlungsG] bildet die Gefährdung des öffentlichen Wohls. Hiebei handelt es sich um einen unbestimmten Gesetzesbegriff, der einer differenzierten Betrachtung bedarf. Klar ist dabei zunächst, dass das hier angesprochene Wohl nicht individueller, sondern kollektivierter Natur sein muss, das öffentlich rechtlich geschützt ist. Dabei ist von einem verfassungsstaatlichen Gemeinwohlverständnis auszugehen, das sich an den Gemeinwohlwerten des Grundgesetzes / des Grundrechtskataloges wie Menschenwürde, Freiheit, Rechtssicherheit, Frieden und Wohlstand und damit an den Grundrechten, dem Rechtsstaat-, Sozialstaat- und Demokratieprinzip festmachen lässt. (vgl. Armin: Gemeinwohl und Gruppeninteressen 1977, S. 22 ff.).

 

Art. 11 Abs. 2 EMRK lässt Einschränkungen der Grundfreiheit dahingehend zu, als sie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Dadurch scheint im Sinne des Gemeinwohls ebenfalls eine Determinierung getroffen, nämlich der Schutz verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich normierter Rechte und Freiheiten öffentlich anerkannter Kollektive. Zur klareren Interpretation des unbestimmten Gesetzesbegriffs 'öffentliches Wohl' bietet sich daher eine verfassungskonforme Interpretation an.

 

3.1. Gemäß Art. 14 StGG ist die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit [jedermann gewährleistet. Der Genuss der bürgerlichen und politischen Rechte ist von dem Religionsbekenntnisse unabhängig; doch darf den staatsbürgerlichen Pflichten durch das Religionsbekenntnis kein Abbruch geschehen. (...)

 

Gemäß Art. 63 des Staatsvertrages von St. Germain [...] verpflichtet sich Österreich allen Einwohnern ohne Unterschied der Geburt, Staatsangehörigkeit, Sprache, Rasse oder Religion vollen und ganzen Schutz von Leben und Freiheit zu gewähren. Alle Einwohner Österreichs haben zudem das Recht, öffentlich oder privat jede Art Glauben, Religion oder Bekenntnis frei zu üben, sofern deren Übung nicht mit der öffentlichen Ordnung oder mit den guten Sitten unvereinbar ist.

 

Gem. Art. 9 Abs. 1 EMRK (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) hat jedermann Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit des einzelnen zum Wechsel der Religion oder der

Weltanschauung sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, Andachten und Beachtung religiöser Gebräuche auszuüben.

 

Gemäß Art. 9 Abs. 2 EMRK darf die Religions- und Bekenntnisfreiheit nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind.

 

3.2. Es sei vorweg angemerkt, dass auf die Problematik der Drittwirkung von Grundrechten hier nicht einzugehen ist, zumal es nicht primär um die Frage der Religionsfreiheit per se geht, sondern um eine verfassungskonforme Interpretation des § 6 VersG. Aus den obzitierten Bestimmungen geht eindeutig hervor, dass sich der Staat zum Schutz der Ausübung der Religionsfreiheit verpflichtet hat. Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass der 8. Abschnitt des StGB vor § 188 mit der Überschrift: 'Strafbare Handlungen gegen den Religionsfrieden und die Totenruhe' eingeleitet wird. Die Betonung liegt hier auf dem Schutz des religiösen Friedens, also nicht so sehr auf dem individuellen religiösen Gefühl, sondern auf einem kollektivierbaren Schutzgut. Im Sinne der obigen Bemerkungen ist also festzuhalten, dass die Ausübung der Religionsfreiheit und der Schutz des religiösen Friedens fraglos - nach verfassungskonformer Interpretation -unter den Begriff des öffentlichen Wohles zu subsumieren sind.

 

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann die Abhaltung von Versammlungen, durch die Interessen Dritter an einer ungestörten Religionsausübung gefährdet werden, untersagt werden (vgl. VfGH vom 13. Dezember 2000, B 1613/99).

 

'Nun untersagt Art. 9 EMRK nicht bloß dem Staat selbst in die Religionsfreiheit ohne Rechtfertigung im Sinn des Art. 9 Abs. 2 EMRK einzugreifen, sondern verpflichtet ihn auch zum Schutze rechtmäßiger Religionsausübung gegen gezielte Störungen von dritter Seite (vgl. die zu Art 11 EMRK ergangene Entscheidung VfSIg 12.501/1990 sinngemäß). Art. 11 Abs. 2 EMRK lässt staatliche Eingriffe in die grundrechtlich gewährleistete Versammlungsfreiheit auf gesetzlicher Grundlage zu, wenn dies in einer demokratischen Gesellschaft ua zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zu[m] Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Zu den Rechten und Freiheiten anderer iSd Art 11 Abs. 2 EMRK zählt zweifellos auch das Recht auf ungestörte Religionsausübung, wie es Art 9 EMRK grundrechtlich absichert und die einfachgesetzliche Rechtsordnung vielfach anerkennt.'

 

Es ist sohin in der Folge zu prüfen, ob im vorliegenden Fall die Ausübung der Religionsfreiheit oder der religiöse Friede unverhältnismäßig durch die geplante Versammlung gefährdet wurden.

 

4.1. Die hier zu treffende Entscheidung stellt sich als Prognoseentscheidung dar, die die Behörde auf Grundlage der von ihr festzustellenden, objektiv erfassbaren

Umstände in sorgfältiger Abwägung zwischen dem Schutz der Versammlungsfreiheit und den von der Behörde wahrzunehmenden öffentlichen Interessen zu treffen hatte. Dabei hatte die Behörde abzuwägen, ob die mit der Versammlung verbundenen Beeinträchtigungen im Interesse der Versammlungsfreiheit von der Öffentlichkeit hinzunehmen gewesen wären (vgl. zB VfGH 1.10.1988 B 1068/88). Die Behörde hatte ihre (Prognose-) Entscheidung aufgrund konkret festgestellter, objektiv erfassbarer Umstände zu treffen (vgl. zB VfSIg. 5087/1965).

 

Bei der von der Behörde zu treffenden Prognoseentscheidung kommt es nicht nur auf die Absichten des Veranstalters, sondern auch auf die realistische und nachvollziehbare Einschätzung des zu erwartenden Geschehnisablaufes an.

 

4.2. Wie oben schon als allgemein bekannt vorausgesetzt, wird von sämtlichen christlichen Kirchen bzw. kirchlichen Gemeinschaften (wenn auch nicht generell von allen an den kalendarisch identen Zeitpunkten - vgl. etwa teils unterschiedliche zeitliche Zuordnung bei der orthodoxen Kirche, wobei gerade im Jahr 2014 hier keine Unterschiede bestanden) des unmittelbar mit dem Kreuzestod Jesu Christi verbundenen göttlichen Heilsereignisses gedacht und dieses durch die verschiedensten religiösen Riten und Feiern begangen, wobei die 'Karliturgie' primär beim gründonnerstäglichen Abendmahl verstärkt einsetzt und sich über den Karfreitag (höchster Feiertag etwa der evangelischen Kirche) bis zu den in der Osternacht stattfindenden Auferstehungsfeiern kumuliert. Nicht nur nach katholischem Verständnis ist der Karsamstag der "Grabesruhe" und damit verbunden der inneren Sammlung gewidmet, wobei besonders an diesem Tag von den Kirchen Grabeswachen, Gebetsstunden (wie z. B. im L.er N. D., was von der Behörde im Bescheid angeführt wurde) angeboten und auch regelmäßig frequentiert werden. Gleiches gilt für die traditionell an diesem Tag von den Kirchen verstärkt angebotene Osterbeichte, zu der die Gläubigen - in der Regel während des gesamten Tages - eingeladen sind. Zentrales Thema ist in dieser Zeit vor allem der Kreuzweg Jesu, dessen ebenfalls in mannigfaltiger Weise gedacht wird.

 

Vom Verein R.T. wurde als Versammlungszweck der zweifelsohne völlig unbedenkliche und zu fördernde Tierschutz genannt, was auch durch den Titel 'Nein zu Fleisch! Ja zu Vegetarismus!' verdeutlicht werden soll. Angesichts der Konzeption der Versammlung, der beabsichtigten Route und nicht zuletzt auch angesichts der in der Beschwerde geäußerten Intention und Stoßrichtung, tritt zu diesem 'primär' angegebenen Zweck ohne jeden Zweifel der Zweck einer intensiven Auseinandersetzung mit der Haltung und der rechtlichen Stellung der katholischen Kirche speziell (wie auch von Religionsgemeinschaften generell). Neben dem Bahnhofsollten beinahe sämtliche innenstädtische Kirchen für Kundgebungen berührt werden. Folgt man der Beschwerdeschrift, erhält man einen tieferen Einblick in Dokumente und Schriften von Kirche und Islam sowie in die explizit geäußerte Ablehnung des Vorrechtes von Religionen, gegenüber von Weltanschauungen mit der Forderung das Strafrecht diesbezüglich zu bereinigen.

Verbunden mit der geplanten Ausstattung der Demonstrationsteilnehmerinnen und Teilnehmer, die bewusst ua. mit Tierköpfen maskiert (blutverschmiert) an Holzkreuze gefesselt auftreten sollten, liegt für jedermann die Assoziation mit dem Kreuzweg Jesu Christi auf der Hand, was im Übrigen ja wohl auch 'gezielt' beabsichtigt ist, wenn man der im Internet lancierten Einladung zur Versammlung folgt.

 

Die Assoziation des gegeißelten, dornengekrönten Gottessohnes mit Tiergestalten ist aber fraglos dazu geeignet kollektivierte religiöse Gefühle, also das öffentliche Wohl in Form des religiösen Friedens massiv zu beeinträchtigen. Es würde dabei wenig helfen, mit Flugblättern udgl. weitere Informationen anzubieten, da der visuell gewonnene Eindruck dadurch wohl nicht abgemildert werden könnte.

 

4.3. Nach § 6 VersG bedarf es aber nicht nur einer Beeinträchtigung des öffentlichen Wohls, sondern dessen Gefährdung, um einen Eingriff in das Grundrecht zu legitimieren. Es ist sohin zu erörtern, ob im hier zu beurteilenden Fall eine Gefährdung des religiösen Friedens gedroht haben würde.

 

Eine derartige Gefährdung ist gegeben.

 

Diese Feststellung gründet sich zunächst auf die terminliche Festlegung der Versammlung am Karsamstag und damit verbunden auf die besondere Bedeutung des Kreuzes, des Kreuzweges und der inneren Sammlung an diesem Tag. Es kann davon ausgegangen werden, dass zahlreiche gläubige Katholiken beim Zu-und Weggehen von den diversen Kirchen mit dem Demonstrationszug konfrontiert und zutiefst verstört worden wären. Vergleichbar dazu hat, wie oben angeführt, der Verfassungsgerichtshof das traditionelle christliche Totengedenken zu Allerheiligen auf Friedhöfen insgesamt als religiösen Gebrauch durch Art. 9 EMRK grundrechtlich geschützt angesehen. Es ist auch anzunehmen, dass diese Konfrontation zu massiven Diskussionen geführt haben würde, wobei mitunter Situationen hätten provoziert werden können, die die öffentliche Sicherheit zu tangieren sehr wohl geeignet gewesen wären. Dabei würde dies nur eine unzureichende Abschwächung dargestellt haben, wenn die Tiermasken vor den Kirchen abgenommen worden wären oder ein gewisser Respektabstand eingehalten worden wäre. Anders würde es sich bei dem - von der belangten Behörde vorgeschlagenen [-] von den Veranstaltern abgelehnten Verzicht auf Holzkreuze udgl. verhalten haben. Es ist hier also das Maß der Gefährdung des öffentlichen Wohles voll erreicht.

 

Der Eingriff in die Versammlungsfreiheit war also unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit ebenfalls gerechtfertigt."

 

6. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art. 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere in Rechten gemäß Art. 12 StGG sowie Art. 10, 11 und 14 EMRK, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung

 

 

der angefochtenen Entscheidung beantragt wird. Begründend wird - zusammen-gefasst - wie folgt ausgeführt:

 

"Art. 9 der EMRK versteht unter Religionsfreiheit die Freiheit des Einzelnen zum Wechsel der Religion oder der Weltanschauung, sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, Andachten und Beachtung religiöser Gebräuche, auszuüben. Keine dieser Freiheiten wäre durch die Abhaltung der geplanten Versammlung eingeschränkt worden. [...]

 

Das LVWG führt richtigerweise an, dass Art. 11(2) EMRK Einschränkungen der Grundfreiheit des Versammlungsrechtes dahingehend zulässt, als sie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Welche Rechte und Freiheiten durch die geplante Versammlung gefährdet worden wären und daher geschützt hätten werden müssen, bleibt allerdings weitgehend im Dunkeln. Der religiöse Friede im Sinne des StGB wäre keinesfalls gefährdet gewesen. Eine unter dieser Grenze liegende Störung bildet selbst nach den Ausführungen des LVWG keine Gefährdung des öffentlichen Wohles. Jede Kritik an der christlichen Ideologie muss wegen der nachfolgenden Diskussionen eine Art religiösen Unfrieden erzeugen. Wollte man daran Verbote knüpfen, würgte man jede Kritik und Diskussion ab.

 

[...]

 

Hier wird wieder die Unterstellung deutlich, dass der BF vorsätzlich und absichtlich, also gezielt, irgendeine Religionsausübung stören wollte. Das ist nicht der Fall. In Wirklichkeit wäre keine Religionsausübung gestört worden. Das Zu- und Abgehen von Gläubigen in die und aus der Kirche kann wohl nicht als Religionsausübung betrachtet werden." (Zitat ohne die im Original enthaltene Hervorhebung)

 

7. Das Landesverwaltungsgericht legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift und beantragte im Übrigen, die vorliegende Beschwerde abzuweisen, in eventu abzulehnen.

 

II. Rechtslage

 

§ 6 VersammlungsG, BGBl. 98/1953, lautet wie folgt:

 

"Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, sind von der Behörde zu untersagen."

 

III. Erwägungen

 

1. Die - zulässige - Beschwerde ist begründet.

 

2. In der Sache:

 

2.1. Ein Eingriff in das durch Art. 11 EMRK verfassungsgesetzlich garantierte -unter Gesetzesvorbehalt stehende - Recht ist dann verfassungswidrig, wenn die ihn verfügende Entscheidung ohne Rechtsgrundlage ergangen ist, auf einer dem Art. 11 EMRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruht oder wenn bei Erlassung der Entscheidung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet wurde; ein solcher Fall liegt vor, wenn die Entscheidung mit einem so schweren Fehler belastet ist, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, oder wenn der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise ein verfassungswidriger, insbesondere ein dem Art. 11 Abs. 1 EMRK widersprechender und durch Art. 11 Abs. 2 EMRK nicht gedeckter Inhalt unterstellt wurde (vgl. zuletzt VfSIg. 19.818/2013 mwN zur Rechtsprechung zu Art. 8 EMRK).

 

§ 6 VersammlungsG sieht vor, dass Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, von der Behörde zu untersagen sind. Für die Auflösung der Versammlung selbst und mehr noch für eine auf § 6 VersammlungsG gestützte Untersagung im Vorfeld des Stattfindens einer Versammlung ist (ebenso wie bei der Frage, ob eine Versammlung iSd Art. 11 EMRK vorliegt) eine strengere Kontrolle geboten. Diese Maßnahmen beinträchtigen die Freiheit der Versammlung in besonders gravierender Weise und berühren den Kernbereich des Grundrechts. Sie sind daher nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der in Art. 11 Abs. 2 EMRK genannten Ziele zwingend notwendig sind, sodass die Untersagung einer Versammlung stets nur ultima ratio sein kann (vgl. VfSIg. 19.741/2013; VfGH 4.3.2014, B 1008/2013).

2.2. Die beschwerdeführende Partei hat für den Karsamstag 2014 einen - unter 1.1. im Detail dargelegten - "Marsch" durch die L.er Innenstadt, der auch kurze Halte auf Kirchenvorplätzen vorsah, angezeigt.

2.3. Im Zuge des Kontaktes zwischen der Versammlungsbehörde und den Veranstaltern gab der Obmann des beschwerdeführenden Vereins - wie einem Akten

 

vermerk der Versammlungsbehörde vom 14. April 2014 zu entnehmen ist -gegenüber der Versammlungsbehörde an, dass diese Kundgebung auch als "Kritik an der Haltung der römisch-katholischen Kirche zum Schutz der Tiere" zu verstehen sei. Auf wesentliche Bestandteile der Demonstration, insbesondere auf einzelne Requisiten, könne daher nicht verzichtet werden.

 

Auch geht aus dem - dem Verwaltungsakt inliegenden - Schriftverkehr zwischen der Behörde und dem Anzeiger der Versammlung hervor, dass ähnliche Kundgebungen in der Vergangenheit zwar Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen (Herabwürdigung religiöser Lehren gemäß § 188 StGB) waren, diese jedoch stets eingestellt wurden.

 

2.4. Gegen den genannten Untersagungsbescheid hat der beschwerdeführende Verein berufen. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich stellt in seinem die Untersagung dieser Versammlung bestätigenden Erkenntnis - zusammengefasst - fest, dass die Kundgebung eine Gefährdung des öffentlichen Wohls iSd § 6 VersammlungsG bewirke, da diese am Karsamstag und in der beabsichtigten Form, insbesondere durch das Mitführen von Holzkreuzen, die von kostümierten Versammlungsteilnehmern getragen werden, geeignet sei, das Recht auf ungestörte Religionsausübung gemäß Art. 9 EMRK, das zu den "Rechten und Freiheiten anderer" iSd Art. 11 Abs. 2 EMRK zähle, "massiv zu beeinträchtigen". Die Untersagung sei daher gerechtfertigt und verhältnismäßig gewesen.

 

2.5. Nachdem das Landesverwaltungsgericht die Gefahr, dass die angezeigte 21Versammlung den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die öffentliche Sicherheit gefährden könnte, verneinte, kam es nach näherer - unter 1.5. wiedergegebener Begründung - mit folgenden Worten zum Schluss, dass die Untersagung der Versammlung zur Vermeidung der Gefährdung des öffentlichen Wohls gerechtfertigt sei:

 

"Eine derartige Gefährdung ist gegeben.

 

Diese Feststellung gründet sich zunächst auf die terminliche Festlegung der Versammlung am Karsamstag und damit verbunden auf die besondere Bedeutung des Kreuzes, des Kreuzweges und der inneren Sammlung an diesem Tag. Es kann davon ausgegangen werden, dass zahlreiche gläubige Katholiken beim Zu-und Weggehen von den diversen Kirchen mit dem Demonstrationszug konfrontiert und zutiefst verstört worden wären. Vergleichbar dazu hat, wie oben angeführt, der Verfassungsgerichtshof das traditionelle christliche Totengedenken zu Allerheiligen auf Friedhöfen insgesamt als religiösen Gebrauch durch Art. 9 EMRK grundrechtlich geschützt angesehen. Es ist auch anzunehmen, dass diese Konfrontation zu massiven Diskussionen geführt haben würde, wobei mitunter Situationen hätten provoziert werden können, die die öffentliche Sicherheit zu tangieren sehr wohl geeignet gewesen wären. Dabei würde dies nur eine unzureichende Abschwächung dargestellt haben, wenn die Tiermasken vor den Kirchen abgenommen worden wären oder ein gewisser Respektabstand eingehalten worden wäre. Anders würde es sich bei dem - von der belangten Behörde vorgeschlagenen [-] von den Veranstaltern abgelehnten Verzicht auf Holzkreuze udgl. verhalten haben. Es ist hier also das Maß der Gefährdung des öffentlichen Wohles voll erreicht."

2.6. Gemäß § 6 VersammlungsG sind Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, von der Behörde (§ 16 leg.cit.) - bescheidmäßig - zu untersagen. Die Behörde ist hiezu jedoch nur dann ermächtigt, wenn dies aus einem der in Art. 11 Abs. 2 EMRK genannten Gründe notwendig ist. Die Behörde hat/wenn sie eine Untersagung der Versammlung in Betracht zieht, die Interessen des Veranstalters an der Abhaltung der Versammlung in der geplanten Form gegen die in Art. 11 Abs. 2 EMRK aufgezählten öffentlichen Interessen am Unterbleiben der Versammlung abzuwägen (vgl. zB VfSIg. 10.443/1985,12.257/1990).

2.7. Die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Untersagung der Versammlung vorliegen, ist in einer sogenannten "Prognoseentscheidung" zu beantworten. Die Behörde hat nämlich auf Grund konkret festgestellter, objektiv erfassbarer Umstände zu prognostizieren, ob und weshalb bei Abhaltung der Versammlung etwa die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet werden (vgl. zB VfSIg. 5087/1965 und 16.054/2000).

 

2.8. Der hier zu treffenden Entscheidung ist voranzustellen, dass der Verfassungsgerichtshof im Einklang mit der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte auch die Ausübung von Religion und Weltanschauung als durch Art. 9 EMRK geschützt erachtet, wobei darunter auch die Ausübung eines religiösen Brauchs zu verstehen ist.

 

2.9. So hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSIg. 16.054/2000 das traditionelle christliche Totengedenken zu Allerheiligen auf Friedhöfen als religiösen Brauch, der durch Art. 9 EMRK grundrechtlich geschützt ist, verstanden, woraus sich auch ergibt, dass der Staat verpflichtet ist, zum Schutz rechtmäßiger Religionsausübung gegen gezielte Störungen von dritter Seite einzugreifen. Dies könne auch nach einer entsprechenden Abwägung durch die Untersagung der Versammlung, die das Totengedenken stört, geschehen.

 

2.10. Diese Einschätzung teilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Erkenntnis vom 29. Juni 2006, Fall Öllinger, Appl. 76.900/01, ÖJZ 2007, 79 (81) nicht; er hebt Folgendes wörtlich hervor:

 

"Die Versammlung des Bf beabsichtigte eindeutig als Gegendemonstration gegen das Treffen der K., einer Vereinigung, welche unbestrittenermaßen tatsächlich aus früheren Mitgliedern der SS besteht, aufzutreten. Der Bf betonte, dass der Hauptzweck seiner Versammlung darin bestand, die Öffentlichkeit an die Verbrechen zu erinnern, welche von der SS begangen wurden, und der von ihr ermordeten S.er Juden zu gedenken. Das Zusammenfallen in Zeit und Ort mit der Gedenkveranstaltung der K. war ein wesentlicher Teil der Botschaft, die er zu übermitteln wünschte. [...]

 

Nach Ansicht des GH ist die bedingungslose Untersagung einer solchen Demonstration eine sehr weitreichende Maßnahme, die einer besonderen Rechtfertigung bedarf, umso mehr, als der Bf als Parlamentsabgeordneter im Wesentlichen wünschte, gegen das Treffen der K. zu protestieren, und auf diese Weise eine Meinung über einen Gegenstand öffentlichen Interesses zum Ausdruck zu bringen [...]. Der GH findet es bemerkenswert, dass die innerstaatlichen Behörden diesem Aspekt des Falls kein Gewicht zumaßen.

 

Es ist unbestritten, dass das Ziel des Schutzes des Treffens der K. keine ausreichende Rechtfertigung für die bekämpfte Untersagung darstellt. Dies wurde vom VfGH klar zum Ausdruck gebracht. Der GH stimmt mit dieser Position voll überein. [...]

 

Es bleibt daher nur zu prüfen, ob die Untersagung gerechtfertigt war, um das Recht der Friedhofbesucher auf Ausübung ihrer Religion zu schützen. [...]

 

Der GH stellt jedoch eine Reihe von Faktoren fest, welche darauf hinweisen, dass die in Rede stehende Untersagung gegenüber dem verfolgten Ziel unverhältnismäßig war. Zuallererst richtete sich die Versammlung in keiner Weise gegen die religiösen Überzeugungen der Friedhofsbesucher oder deren Ausübung. Außer-dem erwartete der Bf nur eine kleine Anzahl von Teilnehmern. Sie sahen friedliche und stillschweigende Mittel vor, um ihre Meinung auszudrücken, nämlich das Tragen von Erinnerungsbotschaften und sie hatten ausdrücklich Sprechchöre und Transparente als Mittel ausgeschlossen. Somit konnte die angestrebte Versammlung als solche nicht die Gefühle von Friedhofsbesuchern verletzen. Im übrigen befürchteten die Behörden zwar, dass, wie in früheren Jahren, hitzige Debatten ausbrechen könnten, es wurde aber nicht behauptet, dass sich bei früheren Gelegenheiten irgendwelche gewalttätigen Vorfälle ereignet hätten. [...]

 

Unter diesen Umständen ist der GH nicht überzeugt von der Argumentation der Regierung, dass die Zulassung beider Versammlungen, [...] keine gangbare Alternative gewesen wäre, die das Recht des Bf auf Versammlungsfreiheit gewahrt hätte und, bei Ergreifen von Vorbeugungsmaßnahmen, gleichzeitig ein ausreichendes Maß an Schutz geboten hätte, was die Rechte der Friedhofsbesucher anlangt. [...]

 

Stattdessen sprachen die innerstaatlichen Behörden eine bedingungslose Untersagung der Versammlung des Bf aus. Der GH findet daher, dass sie dem Interesse des Bf, die gewünschte Versammlung abzuhalten und seinen Protest gegen das Treffen der K. zum Ausdruck zu bringen, zu wenig Gewicht beimaßen, während sie dem Interesse der Friedhofsbesucher am Schutz gegen einige ziemlich begrenzte Störungen zu viel Gewicht beimaßen. [...]

 

Unter Bedachtnahme auf diese Faktoren und ungeachtet des Beurteilungsspielraums, der dem Staat in diesem Bereich eingeräumt ist, erachtet der GH, dass die österr Behörden es verabsäumt haben, ein faires Gleichgewicht zwischen den widerstreitenden Interessen herzustellen. [...]

 

Demgemäß hat eine Verletzung des Art 11 MRK stattgefunden."

 

2.11. Übertragen auf die hier zu beurteilende Frage, nämlich ob das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zu Recht die Untersagung der Versammlung alleine mit der Gefährdung des "öffentlichen Wohls" iSd § 6 VersammlungsG rechtfertigte, ergeben sich im vorliegenden Fall folgende Schlussfolgerungen:

 

2.11.1. Der Verfassungsgerichtshof ist vorerst der Auffassung, dass der Karsamstag und die an diesem Tag traditionellen christlichen Feierlichkeiten ebenso wie das Totengedenken zu Allerheiligen als religiöser Gebrauch durch Art. 9 EMRK grundrechtlich geschützt sind. Diese Religionsausübungsfreiheit gegen gezielte Störungen durch Dritte zu schützen, ist der Staat verpflichtet.

 

2.11.2. So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Erkenntnis Lautsi ua. (EGMR 18.3.2011 [GK], Appl. 30.814/06, EuGRZ2011, 677 [684]) wörtlich wie folgt ausgeführt:

 

"In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Staaten dafür verantwortlich sind, in neutraler und unparteiischer Weise sicherzustellen, dass verschiedene Religionen, Glaubensrichtungen und Überzeugungen ausgeübt werden können. Es ist ihre Aufgabe, dazu beizutragen, dass die öffentliche

Ordnung sowie religiöser Friede und Toleranz in einer demokratischen Gesellschaft, insbesondere zwischen gegnerischen Gruppen erhalten bleiben [...]. Dies betrifft gleichermaßen die Beziehungen zwischen Gläubigen und Nicht-Gläubigen wie auch diejenigen zwischen den Anhängern verschiedener Religionen, Glaubensrichtungen und Überzeugungen."

2.11.3. Dass diese Verpflichtung des Staates nach Lage des Falles nach der gemäß     30 Art. 11 Abs. 2 EMRK verpflichtend vorgesehenen Durchführung der Interessens-abwägung auch zur Untersagung einer Versammlung bzw. Kundgebung führen kann, steht ebenfalls außer Streit. Bei widerstreitenden Interessen haben die zuständigen Behörden eine Interessensabwägung verpflichtend durchzuführen.

2.11.4. Das Landesverwaltungsgericht ist bei dieser verpflichtenden Interessensabwägung - in Entsprechung auch der Auffassung der Versammlungsbehörde

zum Ergebnis gelangt, dass eine Untersagung der Versammlung in der vorgesehenen Form deshalb zu erfolgen habe, weil die an diesem Tag "zahlreichen gläubigen Katholiken beim Zu- und Weggehen von den diversen Kirchen mit dem Demonstrationszug konfrontiert und zutiefst verstört worden wären".

 

2.11.5. Diese prognostizierte vermeintliche "Verstörung" scheint aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichtes jedoch einen Grad der Verstimmtheit zu erzeugen, der die Gefährdung des öffentlichen Wohls iSd § 6 VersammlungsG erreiche und daher - so anscheinend - die Untersagung der Kundgebung zum Schutz der ungestörten Ausübung der Religionsfreiheit verlange.

 

2.12. Diese Interessensabwägung vermag der Verfassungsgerichtshof nicht zu 33 teilen:

 

2.12.1 Vorauszuschicken ist, dass nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gemäß Art. 9 EMRK unter dem Titel "Religionsausübungsfreiheit" auch der Schutz religiöser Gefühle vor Beleidigung durch Dritte zu verstehen ist.

 

2.12.2. Dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geht es in seinen Urteilen aber nicht oder gerade nicht um Beschränkungen inhaltlicher Kritik, sondern bloß um die Art und Weise, wie diese inhaltliche Kritik vorgetragen wird. Es scheint ihm gerade darum zu gehen, dass nicht nur subjektive Empfindungen einzelner Personen geschützt werden, sondern vielmehr darum, ob durch eine Versammlung, die zeitgleich mit der Ausübung der Religionsfreiheit gemäß Art. 9 EMRK erfolgt, der "religiöse Friede" insgesamt gefährdet wird.

 

2.12.3. Die Gefährdung des "religiösen Friedens" will der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem weiten Sinn verstanden wissen, nämlich der Gefährdung der Aufrechterhaltung der Ordnung des Gemeinschaftslebens (vgl. dazu Grabenwarter, Filmkunst im Spannungsfeld zwischen Freiheit der Meinungsäußerung und Religionsfreiheit, ZaöRV 1995,128 [149]).

 

2.13. Übertragen auf die hier zu treffende Abwägungsentscheidung, bedeutet dies, die Frage zu beantworten, ob durch die mit der Ausübung des religiösen Brauchs der Katholiken zeitlich zusammenfallende Durchführung eines "Tierkreuzzuges" unter Verwendung des Symbols des Kreuzes in Kombination mit Kunstblut und Tiermasken, also durch die Art und Weise der Kundgebung, eine Schwelle erreicht wird, die die Aufrechterhaltung der Ordnung des Gemeinschaftslebens, also den religiösen Frieden derart gefährdet, dass dies die Untersagung dieser Kundgebung rechtfertigen bzw. gebieten kann.

 

2.14. Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Erkenntnis im Fall Öllinger (siehe oben III.2.10.) und in darauf folgenden Entscheidungen (vgl. zB EGMR 4.12.2014, Fall Navalnyy ua., Appl. 76.204/11) hervorgehoben hat, sind bei der Untersagung von Versammlungen zudem auch sämtliche Aspekte des Einzelfalles zu prüfen. Dann und nur dann kann die Untersagung gerechtfertigt sein.

 

2.15. Der hier vorliegende "Tierkreuzzug" mit ca. 50 teilnehmenden Personen sollte in der gesamten L.er Innenstadt stattfinden, darunter auch an Kirchenvorplätzen; eine physische Behinderung der Kirchenbesucher - so das der Versammlungsbehörde folgende Landesverwaltungsgericht - war nicht zu erwarten;

auch war nicht zu erwarten, dass die Versammlungsteilnehmer die Ausübung der religiösen Überzeugungen der Kirchenbesucher dadurch hindern, dass sie den Zutritt zur Kirche versperren, oder eine derart lärmende Kundgebung vorsahen, dass die Kirchenbesucher an der Ausübung des Glaubens behindert oder in der Übung erheblich gestört würden. Es ging allerdings schon darum, gerade sie auf das Leid von Tieren hinzuweisen; es mag auch zutreffen, dass dies durch den Einsatz von Symbolen in einer Weise erfolgen sollte, die Kirchenbesucher "verstört".

2.16. Was die Route der Kundgebung und die Zwischenhalte auch auf Kirchen-Vorplätzen anbelangt genügt es auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes VfSIg. 15.170/1998 und 15.952/2000 (zur Distanz zwischen Demonstranten und Hauptadressaten der Demonstration) zu verweisen, aus denen deutlich wird, dass die Untersagung einer Versammlung nicht durch die Befürchtung gerechtfertigt werden kann, dass einem Adressaten in räumlicher Nähe demonstrativ Meinungen zur Kenntnis gebracht würden, die von diesem missbilligt oder abgelehnt werden.

 

2.17. Was die Verwendung des Kreuzes im Rahmen der vorliegenden Versammlung betrifft,   hat   der   Verfassungsgerichtshof   in   seinem   Erkenntnis VfSIg. 19.349/2011 (Anbringung von Kreuzen in NÖ Kindergärten) festgehalten, dass das "Kreuz [...] ohne Zweifel zu einem Symbol der abendländischen Geistesgeschichte geworden" ist, aber die "Deutung des Symbols des Kreuzes dahingehend, dass es als Ausdruck eines Staatskirchentums verstanden werden kann" ausscheidet.

 

2.18. Dies beachtend und unter der Maßgabe, dass in einem demokratischen, von der Freiheit der Ausübung aller Grundrechte geprägten Rechtsstaat sichergestellt sein muss, dass Überzeugungen im Rahmen der Gesetze Ausdruck verliehen werden kann, geht der Verfassungsgerichtshof daher davon aus, dass auch die Verwendung des Kreuzes bei Versammlungen als Mittel zu Kritik und Diskurs zulässig ist. Überschreitet der Einsatz dieses Mittels die von § 188 StGB normierte Schwelle, dann ist die Gefährdung auch des öffentlichen Wohls iSd § 6 VersammlungsG gegeben und die Untersagung einer derartigen Kundgebung nicht nur zulässig, sondern sogar geboten.

 

2.19. Die Untersagung der Versammlung - das Landesverwaltungsgericht hat sowohl eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit als auch die Verletzung von Strafgesetzen verneint - bloß auf den Einsatz eines Kreuzes als Symbol in örtlicher Nähe von Kirchen und die dadurch möglicherweise hervorgerufene "Verstörung" von Kirchenbesuchern zu stützen, reicht nicht aus.

 

IV. Ergebnis

 

1. Die beschwerdeführende Partei ist somit durch das angefochtene Erkenntnis ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt worden.

 

Das angefochtene Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs. 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von €436- sowie eine Eingabengebühr gemäß

§ 17a VfGG in der Höhe von € 240 - enthalten.

 

 

 

3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

IV.          Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Bernhard Pree