LVwG-750237/4/ER

Linz, 03.03.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Reitter über die Beschwerde der S. S.,
geb. x, StA des Iran, vertreten durch DSA A. N.,
c/o V. Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung, Integrationsbüro V., I., V., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 5. November 2014,
GZ: Sich 40-27252-2009, wegen der Abweisung eines Zweckänderungsantrags nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.     Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der Beschwerdeführerin der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ gemäß
§ 45 Abs 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes erteilt.

 

 

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bescheid vom 5. November 2014, GZ Sich40-27252-2009, hat die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (im Folgenden: belangte Behörde) den Antrag der Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) auf Zweckänderung ihres Aufenthaltstitels auf „Daueraufenthalt-EU“ gemäß § 45 Abs 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes wie folgt abgewiesen:

Aufgrund Ihres Antrages vom 18. September 2014 ergeht im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich (Ermächtigung durch die Verordnung LBGI. Nr. 12/2005) von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als Organ der mittleren Bundesverwaltung in erster Instanz folgender

SPRUCH:

Ihr Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU" gemäß § 45 Abs. 1 NAG 2005 wird abgewiesen.

Rechtsgrundlage:§§ 11 Abs. 2 Z 4 IVm. Abs. 5 NAG, § 45 Abs. 1 NAG

 

Begründung

Sie sind iranische Staatsbürgerin und haben persönlich am 18. September 2014 bei der hs. Niederlassungsbehörde einen quotenfreien Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU" gestellt.

Mit nachweislichem Schreiben vom 18. September 2014 sind sie aufgefordert worden nachstehende Unterlagen bzw. Dokumente binnen zwei Wochen nach Erhalt des zitierten Schreibens der hs. Niederlassungsbehörde vorzulegen:

1. einen gültigen und vergebührten Mietvertrag bzw. Grundbuchsauszug

2. ihren Auszug aus dem Kreditschutzverband 1870 und

3. den Auszug aus dem Kreditschutzverband ihres Mannes

Am 6. Oktober 2014 haben sie diese Unterlagen bzw. Dokumente der hs. Niederlassungsbehörde vorgelegt.

Bei der Prüfung ihres Zweckänderungsantrag ist festgestellt worden, dass sie ihre gewerbliche Selbständigkeit laut ihrem Versicherungsdatenauszug am 30.09.2014 beendet haben. Aus dem Schreiben des AMS V. vom 19.08.2014 ist ersichtlich, dass sie bis zum 12.08.2015 Notstandshilfe in der Höhe von € 657,- monatlich erhalten bzw. erhalten werden. Weiteres haben sie einen Werkvertrag mit der V. Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung, etabliert in L., S., vorgelegt, aus dem ersichtlich ist, dass sie als Übersetzerin für die persische Sprache arbeiten. Diesem Werksvertrag haben sie Honorarnoten für den Monat Juli 2014 in der Gesamthöhe von € 161,25,- vorgelegt. Ihr Ehemann, G. A. A., geb. x, ist bis zum 31.07.2014 selbständig gewesen. Derzeit geht er selbst keiner Erwerbstätigkeit nach. Er ist laut seinem Versicherungsdatenauszug bei ihnen mitversichert. Einen Antrag auf Arbeitslosengeld hat er bis dato nicht gestellt.

Aufgrund der vorgelegten Unterlagen beträgt derzeit ihr durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen € 818,25,-. Die monatliche Kreditrate beträgt € 267,-, die monatliche Miete abzüglich des Wertes der freien Station beträgt € 342,92. Somit verbleit ein monatliches Nettoeinkommen in der Höhe von € 208,33,-. Der Richtsatz gemäß § 293 ASVG beträgt für ein Ehepaar monatlich netto € 1.286,03,-. Daraus ergibt sich, dass ein monatlicher Differenzbetrag in der Höhe von € 1.077,70,-.

In ihrem Schreiben vom 06.10.2014 haben sie der hs. Niederlassungsbehörde mitgeteilt, dass ihre leiblichen Kinder eine gesetzliche Unterhaltspflicht zu kommt. Dies trifft in ihrem Fall gemäß § 143 ABGB nicht zu, da es sich dabei um eine sehr eingeschränkte und vor allem subsidiäre Unterhaltspflicht handelt.

Mit nachweislichem Schreiben vom 9. Oktober 2014 hat ihnen die hs. Niederlassungsbehörde mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, ihren Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU" gemäß § 45 Abs. 1 NAG abzuweisen. Mit gleichem Schreiben sind sie aufgefordert worden binnen zwei Wochen nach Erhalt des angeführten Schreibens schriftlich zur beabsichtigten Abweisung Stellung zu nehmen.

Ihre schriftliche Stellungnahme ist am 28. Oktober 2014 bei der hs. Niederlassungsbehörde eingelangt.

Die Behörde hat hiezu erwogen:

(...)

Die hs. Niederlassungsbehörde stellt fest, dass sie selbständig sind. Ihr Gatte selbst geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Mit Schreiben vom 28.10.2014 haben sie der hs. Niederlassungsbehörde mitgeteilt, die gewerbliche Selbständigkeit sei am 30.09.2014 nicht beendet worden, es sei lediglich der Antrag auf Ausnahme aus der Pflichtversicherung wegen Geringfügigkeit gestellt. Sie selbst beziehen Einkünfte in geringfügiger Höhe aus der gewerblichen Selbständigkeit.

Aus dem Schreiben der SVA vom 30.09.2014 ist ersichtlich, dass aus ihrer selbständigen Tätigkeit voraussichtlich Einkünfte in der Höhe von € 4.743,72 erzielt werden. Dies bedeutet, dass ihr monatliches Einkommen € 395,71 beträgt. Aus ihrem Versicherungsdatenauszug vom 05.11.2014 ist ersichtlich, dass sie seit dem 01.10.2014 Notstandhilfebezieherin sind. Sie sind für ihren Gatten ebenfalls zur Gänze unterhaltspflichtig.

Aufgrund der vorgelegten Unterlagen beträgt ihr durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen derzeit € 818,25,-. Die monatliche Kreditrate ist € 267,- hoch, die monatliche Miete abzüglich des Wertes der freien Station beläuft sich auf € 324,92,-. Somit verbleibt ein monatliches verfügbares Einkommen in der Höhe von € 208,33,-. Der Richtsatz gemäß § 293 ASVG beträgt für ein Ehepaar monatlich netto € 1.286,03,-. Daraus resultiert ein monatlicher Differenzbetrag in der Höhe von € 1.077,70,-.

Aus diesem Grund erfüllen sie die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 NAG nicht, weil sie im konkreten die Voraussetzungen des 1. Teiles nicht erfüllen, da sie über kein ausreichendes Einkommen verfügen.

In ihrem Schreiben vom 28.10.2014 haben sie betreffend der beabsichtigten Abweisung ihres Zweckänderungsantrages keine Angaben gemacht. Sie haben der hs. Niederlassungsbehörde in diesem Schreiben mitgeteilt, dass sie nach wie vor selbständig sind.

Aus den angeführten Gründen ist spruchgemäß entschieden worden.

 

I.2. Gegen diesen am 8. November 2014 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid erhob die Bf rechtzeitig mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2014 Beschwerde und legte zahlreiche Unterlagen betreffend das Einkommen der Bf und ihres Gatten bei. In der Beschwerde beantragte die Bf, den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und dem Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU“ gemäß § 45 NAG stattzugeben; in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Beurteilung und Bescheiderlassung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen. Begründend führte die Bf Folgendes aus:

Der Antrag ist abgewiesen worden, zumal die beschwerdeführende Partei (folgend bP) nicht den erforderlichen Unterhalt im Verfahren nachweisen konnte.

Die bP war allerdings schon in der Lage für den Familieneinkommen aufzukommen, hat diesen Umstand aber nicht beweisen können – Dieser Umstand hat sich nun geändert - die bP ist tatsächlich in der Lage für den Unterhalt aufzukommen, und kann wie unten angeführt wird, neue Beweise vorbringen, wonach ersichtlich ist, dass das Familieneinkommen ausreichend ist, und dass der Aufenthalt der bP zu keiner Belastung der Körperschaften führen wird. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für Verfahren vor den Verwaltungsgerichten (abgesehen von in Asylverfahren) kein Neuerungsverbot besteht. Werden in der Beschwerde neue Tatsachen oder Beweise vorgebracht, so hat das Verwaltungsgericht davon unverzüglich die sonstigen Parteien (mitbeteiligte Parteien) zu verständigen und ihnen eine zwei Wochen nicht übersteigende Frist zur Stellungnahme zu geben.

Bei der letzten Abrechnung stellte sich heraus, dass die Firma der bP einen Gewinn in den Monaten August, September und Oktober erzielen konnte. Von der Steuerberaterin wurde die bP darauf aufmerksam gemacht, dass dadurch eine Gehaltsauszahlung für den Ehemann der bP möglich wurde. Wie aus den beigelegten Unterlagen hinsichtlich Arbeit und Gehalt für Herrn A. G. ersichtlich, konnte ein monatliches Gehalt in der Höhe 1.178,13 ab September für dem Ehemann der bP verbucht werden. Dieses Gehalt wurde für September, Oktober und November ausbezahlt.

Beweis:- Arbeits- und Gehaltsbestätigung von H.-Lohnverrechnung

- Berichtigte Lohn-Gehaltsabrechnung September, Oktober, November 2014

- OÖGKK - Bestätigung für den Dienstgeber - Anmeldung Herr G.

Die bP erfuhr erst nach Bescheiderlassung am Anfang November von dieser Möglichkeit, weshalb diese Angaben nicht in dem ursprünglichen Ermittlungsverfahren im Rahmen des Parteiengehörs gemacht werden konnten.

Dem Bescheid der belangten Behörde ist zu entnehmen, dass in monatlicher Differenzbetrag von € 1.077,70 entstanden war. Mit dem Gehalt meines Mannes, sowie das für mich bereits errechnete monatliches verfügbares Einkommen von € 208,33 sowie Einkünfte meinerseits von Dolmetschtätigkeiten in November in der Höhe von € 360, (Siehe Bestätigung Evangelische Pfarrgemeinde T. sowie dazugehörige Rechnung seitens der bP) ist ersichtlich, dass das Familieneinkommen den geforderten Richtsatz des ASVG von € 1.286,03 übersteigt.

Somit sind alle Voraussetzungen gegeben für die Stattgebung des Zweckänderungsantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU "'. Hiermit wird die Stattgabe des Antrages sowie die Ausstellung des Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU" beantragt.“

 

I.3. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 16. Dezember 2014 vor. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und die Beschwerde samt den dazu eingebrachten Unterlagen.

I.4. Da aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der bekämpfte Bescheid aufzuheben ist, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen (§ 24 Abs 2 Z 1 VwGVG).

Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von folgendem  S a c h v e r h a l t  aus:

 

Die Bf ist am 12. Jänner 1999 illegal in das Bunddesgebiet der Republik Österreich eingereist und stellte am 18. Jänner 1999 einen Asylantrag. Dieser wurde am 13. April 1999 in erster Instanz und am 26. November 1999 in zweiter Instanz abgewiesen. Am 26. Februar 2002 wurde eine dagegen beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde abgewiesen. Mit Bescheid vom 19. Jänner 1999 wurde über die Bf ein bis 25. Jänner 2004 gültiges Aufenthaltsverbot wegen Mittellosigkeit verhängt. Am 13. Mai 2002 brachte die Bf einen Asylerstreckungsantrag ein, der letztendlich mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Oktober 2008 negativ entschieden wurde.

Am 9. Juli 2009 stellte die Bf erstmals bei der nunmehr belangten Behörde einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung. Die Sicherheitsdirektion Oö kam in ihrer Stellungnahme vom 15. Juli 2009 gemäß § 44b Abs 2 NAG , die im Zuge dieses Verfahrens eingeholt wurde zum Ergebnis, dass eine Ausweisung der Bf aufgrund von Art 8 Abs 2 EMRK auf Dauer unzulässig ist.

Am 21. Juli 2009 erhielt die Bf erstmals die beantragte Niederlassungsbewilligung und verfügt seither durchgehend über Niederlassungsbewilligungen. Am
21. Juli 2012 erhielt sie eine „Rot-Weiß-Rot Karte plus“ gemäß § 41a Abs 9 NAG mit Gültigkeitsdauer bis 20. Juli 2015. Am 18. September 2014 stellte die Bf einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU“ gemäß § 45 Abs 1 NAG. Dieser Antrag wurde mit dem bekämpften Bescheid abgewiesen.

Die Bf bezieht seit 14. August 2014 bis 12. August 2015 Notstandshilfe in der Höhe von monatlich 657 Euro. Die Bf verfügt über einen Werkvertrag mit der V. Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung, wonach sie schriftliche und mündliche Übersetzungen von Deutsch in die Sprache Persisch durchführt. Ferner führte die Bf Übersetzungen für die Evangelische Pfarrgemeinde in T. durch. Aus dieser Tätigkeit als Übersetzerin bezieht die Bf ein monatliches Einkommen von durchschnittlich 104 Euro.

Der Gatte der Bf, mit dem die Bf im selben Haushalt wohnt, bezieht ein durchschnittliches monatliches Einkommen von netto 1.476,16 Euro.

Die Bf bewohnt mit ihrem Gatten eine Mietwohnung, die Miete dafür beträgt monatlich 517 Euro. Ferner begleichen die Bf und ihr Gatte einen Kredit, die monatliche Rate beläuft sich auf 267 Euro.

 

 

II. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich hinsichtlich des bisherigen Aufenthalts der Bf und der Höhe der monatlichen Belastungen völlig widerspruchsfrei und unbestritten aus dem vorgelegten Verwaltungsakt. Die Höhe der Einkünfte der Bf ergibt sich einerseits hinsichtlich der Notstandshilfe und der Übersetzungstätigkeit bis zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheids aus dem Verwaltungsakt, die Einkünfte aus der Übersetzungstätigkeit seit der Erlassung des bekämpften Bescheids ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Beilagen zur Beschwerde.

Die Höhe der Einkünfte des Gatten der Bf ergibt sich für den Zeitraum vom September bis November 2014 aus den von der belangten Behörde vorgelegten Beilagen zur Beschwerde, die Einkünfte seit Dezember 2014 aus den von der Vertreterin der Bf ergänzend vorgelegten Lohnzetteln und Krankengeldbestätigungen der OÖGKK.

 

 

III. Gemäß § 45 Abs 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG, BGBl I
Nr 100/2005, idgF BGBl I Nr 68/2013, kann Drittstaatsangehörigen, die in den letzten fünf Jahren ununterbrochen zur Niederlassung berechtigt waren, ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU” erteilt werden, wenn sie

1. die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

2. das Modul 2 der Integrationsvereinbarung (§ 14b) erfüllt haben.

 

Gemäß Abs 4 wird die Fünfjahresfrist gemäß Abs 1 durchbrochen, wenn sich der Drittstaatsangehörige innerhalb dieser Frist insgesamt länger als zehn Monate oder durchgehend mehr als sechs Monate außerhalb des Bundesgebiets aufgehalten hat. In diesen Fällen beginnt die Frist ab der letzten rechtmäßigen Einreise neuerlich zu laufen.

 

Gemäß § 11 Abs 1 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen wurde oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

3. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption
(§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

 

Gemäß Abs 2 dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und

6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a rechtzeitig erfüllt hat.

 

Gemäß Abs 4 widerstreitet der Aufenthalt eines Fremden dem öffentlichen Interesse (Abs 2 Z 1), wenn

1. sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

2. der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können.

 

Gemäß Abs 5 führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl Nr 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. (...)

 

Gemäß § 14a Abs 1 NAG sind Drittstaatsangehörige mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs 1 Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. Diese Pflicht ist dem Drittstaatsangehörigen nachweislich zur Kenntnis zu bringen.

 

Gemäß Abs 2 haben Drittstaatsangehörige der Erfüllungspflicht gemäß Abs 1 binnen zwei Jahren ab erstmaliger Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs 1 Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 nachzukommen. Unter Bedachtnahme auf die persönlichen Lebensumstände des Drittstaatsangehörigen kann der Zeitraum der Erfüllungspflicht auf Antrag mit Bescheid verlängert werden. Diese Verlängerung darf die Dauer von jeweils zwölf Monaten nicht überschreiten; sie hemmt den Lauf der Fristen nach § 15.

 

Gemäß Abs 4 ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt,

(...)

 

 

IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

IV.1. Gemäß § 45 Abs 1 NAG ist zunächst zu prüfen, ob die Bf in den letzten fünf Jahren ununterbrochen zur Niederlassung berechtigt war und keine Unterbrechung gemäß Abs 4 stattgefunden hat.

 

Wie unter I.4. festgestellt, ist die Bf seit 21. Juli 2009 – und somit länger als fünf Jahre – ununterbrochen zur Niederlassung berechtigt. Aufgrund des vorgelegten Verwaltungsakts ist keine Unterbrechung ihres Aufenthalts in Österreich ersichtlich und wird von keiner Verfahrenspartei behauptet.

 

IV.2. In der Folge ist zu prüfen, ob die Bf die Voraussetzungen des ersten Teils des NAG erfüllt, wobei im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen des § 11 NAG relevant sind.

 

IV.2.1. Dass kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs 1 Z 1, 2 oder 4 NAG vorliegt, ist aufgrund ihres gültigen Aufenthaltstitels gemäß § 41a Abs 9 NAG aF evident. Ferner ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt kein Hinweis darauf, dass ein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs 1 Z 5 oder 6 NAG vorliegen würde und wird auch von keiner Verfahrenspartei behauptet.

Auch findet sich im vorgelegten Verwaltungsakt kein Hinweis darauf, dass der Aufenthalt der Bf öffentlichen Interessen iSd § 11 Abs 2 Z 1 iVm Abs 4 NAG widerstreiten würde oder durch die Erteilung des Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt gemäß § 11 Abs 2 Z 5 NAG wesentlich beeinträchtigt werden könnten.

Die Bf konnte ihren Rechtsanspruch auf eine Unterkunft gemäß § 11 Abs 2 Z 2 NAG durch einen aufrechten Mietvertrag nachweisen.

Die Bf bezieht seit 14. August 2014 bis 12. August 2015 Notstandshilfe. Gemäß § 40 iVm § 6 Abs 1 Z 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz – AlVG, BGBl Nr 609/1977 zuletzt geändert durch BGBl I Nr 138/2013, ist die Bf als Notstandshilfebezieherin krankenversichert.

 

IV.2.2. Der Bf wurde im bekämpften Bescheid der beantragte Aufenthaltstitel versagt, weil ihr Aufenthalt gemäß § 11 Abs 2 Z 4 NAG zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, da sie zum Zeitpunkt der Antragstellung die notwendigen finanziellen Mittel gemäß § 11 Abs 5 NAG nicht nachweisen konnte.

Gemäß § 11 Abs 5 NAG führt der Aufenthalt der Bf dann zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, wenn sie über feste regelmäßige eigene Einkünfte verfügt, die der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 ASVG entsprechen. Gemäß § 293 Abs 1 lit a AVSG idgF beträgt der Richtsatz für im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegatten 1.307,89 Euro.

Die Bf muss demnach mit ihrem im gemeinsamen Haushalt lebenden Gatten insgesamt den Betrag von 1.307,89 Euro aufbringen. Mietbelastungen und Kreditraten schmälern diesen Betrag, wobei einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe (idgF: 278,72 Euro – Wert der freien Station) unberücksichtigt bleibt.

 

IV.2.3. Der Bezug von Notstandshilfe ist als Einkommen iSd § 11 Abs 5 NAG zu werten (vgl Informationsbroschüre des BMI über die Unterhaltsberechnung im NAG, S 16). Die Bf verfügt über Notstandshilfe in der Höhe von 657 Euro monatlich.

Die Bf hat bereits im Antragsverfahren einen Werkvertrag betreffend Übersetzungen vorgelegt, sowie mehrere im Juli 2014 ausgestellte Rechnungen für durchgeführte Übersetzungen, aus denen hervorgeht, dass sie in diesem Monat 161,25 Euro verdient hat. In der Beschwerde legte die Bf eine Rechnung vom 11. November 2014 vor, aus der hervorgeht, dass sie in diesem Monat aufgrund von Übersetzungen 360 Euro verdient hat.

Als Einkommen zählt jede Geldleistung, die dem Antragsteller zu Verfügung steht. Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist ableitbar, dass nicht Momentaufnahmen von Bedeutung sind, sondern Durchschnittswerte im Sinne einer Prognoseentscheidung heranzuziehen sind, um Schwankungen aufgrund unterschiedlicher Auftragslagen zu berücksichtigen (vgl Informationsbroschüre des BMI über die Unterhaltsberechnung im NAG, S 13).

Die Bf hat Rechnungen von insgesamt 521,25 Euro vorgelegt, die sich über einen Zeitraum von fünf Monaten erstrecken. Es ist somit von einem durchschnittlichen Einkommen von monatlich 104,25 Euro aus ihrer Übersetzungstätigkeit auszugehen.

Die Bf verfügt aus eigenen Einkünften daher über durchschnittlich 761,25 Euro monatlich.

 

In ihrer Beschwerde hat die Bf betreffend ihren Gatten Gehaltsabrechnungen aus den Monaten September, Oktober und November 2014, sowie ergänzend aus Dezember 2014 und vom Jänner 2015 vorgelegt, des Weiteren eine Bestätigung der OÖGKK über derzeitige Krankengeldauszahlungen.

Danach verdiente der Gatte der Bf unter Berücksichtigung von Sonderzahlungen (vgl Informationsbroschüre des BMI über die Unterhaltsberechnung, S 13) folgende Nettosummen:

September 2014 € 1.178,13

Oktober 2014 € 1.178,13

November 2014 € 2.783,40

Dezember 2014 € 1.474,78

Jänner 2015 €    750,78 (Gehalt) + € 508,95 (Krankengeld)

Februar 2015 €    982,80 (Krankengeld idHv € 35,10/Tag)

Daraus geht hervor, dass der Gatte der Bf aus unselbständiger Beschäftigung monatlich durchschnittlich netto 1.476,16 Euro verdient.

 

Die Bf verfügt daher mit ihrem im gemeinsamen Haushalt lebenden Gatten über regelmäßige feste Einkünfte von insgesamt 2.237,41 Euro.

 

Von diesem Einkommen sind die Mietbelastung und die Rückzahlung der Kreditraten zu leisten. Die Miete beträgt monatlich 517 Euro, davon ist der Wert der freien Station in Höhe von 278,72 Euro in Abzug zu bringen. Die Kreditraten belaufen sich auf monatlich 267 Euro. Unter Berücksichtigung des Werts der freien Station betragen die monatlichen Aufwendungen 505,28 Euro.

 

Die Differenz zwischen regelmäßigen festen Einkünften und monatlichen Belastungen beträgt 1.732,13 Euro. Der Richtwert für im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegatten gemäß § 11 Abs 5 NAG iVm § 293 ASVG beträgt
1.307,89 Euro. Da das verfügbare regelmäßige gemeinsame Einkommen der Bf und ihres Gatten den Richtwert des § 11 Abs 5 NAG iVm § 293 ASVG übersteigt, führt der Aufenthalt der Bf zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft iSd § 11 Abs 2 Z 4 NAG.

 

I.2.4. Die Bf erfüllt somit sämtliche Voraussetzungen des ersten Teils des NAG für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels.

 

IV.3. Dass die Bf das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat, ist aufgrund ihres gültigen Aufenthaltstitels gemäß § 41a Abs 9 NAG aF evident.

 

 

V. Im Ergebnis war daher der Beschwerde der Bf aufgrund der Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen gemäß § 45 Abs 1 NAG stattzugeben und der Bf der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. R e i t t e r

 

 

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