LVwG-300506/4/Kü/BZ

Linz, 09.02.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Thomas Kühberger über die Beschwerde des Herrn D.J., x, x, S., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 2. Oktober 2014, SV96-102-2014, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG),

 

zu Recht  e r k a n n t:

 

I.         Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

 

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG und § 66 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) hat der Beschwerdeführer weder einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich noch einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungs-strafverfahrens vor der belangten Behörde zu leisten.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1.       Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) hat mit dem Straferkenntnis vom 2. Oktober 2014, SV97-102-2014, über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) wegen der Verwaltungsübertretung nach § 7i Abs. 2 iVm § 7d Abs. 1 AVRAG eine Geldstrafe in der Höhe von 500 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 50 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde dem Bf die Bezahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in der Höhe von 50 Euro (10 % der verhängten Geldstrafe) vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

Sie haben als Verantwortlicher der Firma O., mit Sitz in P., x, verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass Sie als Arbeitgeber in einem anderen EWR-Mitgliedsstaat, den Arbeitnehmer

 

A.O., geb. x, s. Staatsbürger

 

am 3.6.2014 um 9.45 Uhr, an der Betriebsadresse der Firma P. W. ?A. G.?, in M., x, beschäftigt haben, ohne jene Unterlagen, die zur Überprüfung der Arbeitnehmer nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelte erforderlich sind (Lohnunterlagen), in deutscher Sprache für die Dauer der Beschäftigung des Arbeitnehmers am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Die Bereithaltung der Unterlagen auf der Baustelle in M., x, wäre zumutbar gewesen.“

 

Begründend wird ausgeführt, dass die Anzeige des Finanzamtes Linz widerspruchsfrei den im Spruch angeführten Sachverhalt darlege. Bei der Überprüfung am 3.6.2014 um 09.45 Uhr hätten keine Lohnunterlagen in deutscher Sprache vorgelegt werden können. Wie den Ausführungen des Finanzamtes Linz zu entnehmen sei, wäre es sehr wohl zumutbar gewesen, die Lohnunterlagen auf der Baustelle bereitzuhalten. Fest stehe daher, dass die erforderlichen Lohnunterlagen bei der am 03.06.2014 durchgeführten Kontrolle nicht am Arbeits(Einsatz)ort in M. vorgewiesen werden konnten. Die vorgeworfene Verwaltungsübertretung sei dem Bf daher in objektiver Hinsicht anzulasten. Abschließend legt die belangte Behörde ihre für die Strafbemessung herangezogenen Gründe dar.

 

2.         Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitig vom Bf eingebrachte Beschwerde vom 29. Oktober 2014, ergänzt am 2. November 2014, mit der die ersatzlose Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verfahrens angestrebt werden.

 

Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass Herr O.A. vom 05.05. bis 01.06.2014 in der Firma des Bf in S. gearbeitet hätte. Vom 02.06. bis 30.06.2014 sei dieser Arbeitnehmer bei der Firma P. A. G. bei der ZKO angemeldet worden und hätte dieser am 02.06.2014 seine Arbeit bei der Firma P. A. G. begonnen. Die Kontrolle sei am 03.06.2014 gewesen. Weil die Löhne erst am 15. des Folgemonats ausbezahlt werden würden, hätte der Bf keinen übersetzten Lohnzettel übermitteln können. Herr O.A. hätte jedoch einen Dienstzettel bei sich gehabt, aus dem ersichtlich gewesen wäre, wieviel Auslandszulage er für die Arbeit in Österreich bekommen würde. Der Lohn sei auch aus der ZKO-Meldung ersichtlich gewesen, welche O.A. bei sich gehabt hätte.

 

3.         Die belangte Behörde hat diese Beschwerde gemeinsam mit dem Verfahrensakt mit Schreiben vom 10. November 2014 dem Landesverwaltungs-gericht Oö. zur Entscheidungsfindung vorgelegt. Dieses hat gemäß § 2 VwGVG durch Einzelrichter zu entscheiden.

 

4.         Das Landesverwaltungsgericht Oö. hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 3 Z 3 VwGVG abgesehen werden, da im angefochtenen Bescheid eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat.

 

4.1.      Der Bf hat aufgrund der Aufforderung zur Rechtfertigung mit seiner Stellungnahme vom 28. August 2014 den Lohnzettel des O.A. für den Monat Juni 2014, die Meldung einer Entsendung nach Österreich an die ZKO, ein A1-Dokument sowie eine ins Deutsche übersetzte Anmeldebescheinigung für Renten- und Invaliditätsversicherung, Krankenversicherung, Elternschutz­versicherung und Arbeitslosenversicherung vorgelegt.

 

4.2.      Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem relevantem Sachverhalt aus:

 

Im Zuge einer Kontrolle durch Organe des Finanzamtes Linz am 3. Juni 2014 um 09.45 Uhr, bei der Firma „P. A. G.“ in M., x, wurde Herr O.A., geb. x, im Aufenthaltsraum und in weiterer Folge bei Gummi-Zuschnitt-Tätigkeiten für Industrieanlagen angetroffen. Dieser Arbeitnehmer ist s. Staatsbürger. In der Folge wurde festgestellt, dass für diesen Arbeiter keine Lohnunterlagen in deutscher Sprache vor Ort verfügbar waren.

Herr O.A. war beginnend vom 5. Mai 2014 bei der Firma O. d.o.o., M., S., beschäftigt. Vom 2. Juni bis 30. Juni 2014 wurde dieser Arbeitnehmer der Firma P. A. G. in M., x, zur Verfügung gestellt. Herr P. gab in seiner niederschriftlichen Befragung am 3. Juni 2014 an, dass er die ausgeführten Arbeiten kontrolliere, das Material und das Werkzeug von ihm seien sowie dass er nicht wisse, wieviel O.A. verdienen würde, da er seinen Lohn weiterhin von der Firma O. d.o.o. in S. erhalten würde. Lohnunterlagen hätte er von der Firma O. d.o.o. nicht erhalten.

Derartige Übertretungen sind vom Bf in der Vergangenheit noch nie begangen worden.

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und gilt als unbestritten.

 

5.         Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich:

 

5.1.      Gemäß § 7d AVRAG in der zum Tatzeitpunkt geltenden und auch unter Berücksichtigung der Novelle BGBl I Nr. 94/2014 anzuwendenden Fassung haben Arbeitgeber im Sinne der §§ 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 jene Unterlagen, die zur Überprüfung des dem Arbeitnehmer nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts erforderlich sind (Lohnunterlagen), in deutscher Sprache für die Dauer der Beschäftigung der Arbeitnehmer am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die Lohnunterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Ist die Bereithaltung der Unterlagen am Arbeits(Einsatz)ort nicht zumutbar, sind die Unterlagen jedenfalls im Inland bereitzuhalten und der Abgabenbehörde auf Verlangen binnen 24 Stunden nachweislich zu übermitteln.

 

Nach § 7i Abs. 2 leg.cit. begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5.000 Euro, im Wiederholungsfall von 1.000 Euro bis 10.000 Euro zu bestrafen, wer als Arbeitgeber im Sinne der §§ 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 oder als Beauftragter im Sinne des § 7b Abs. 1 Z 4 entgegen § 7d die Lohnunterlagen nicht bereithält oder als Überlasser im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung die Lohnunterlagen dem Beschäftigten nicht bereitstellt.

 

Gemäß § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1.   die als erwiesen angenommene Tat;

2.   die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3.   die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4.   den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5.   im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.

 

5.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass diese erstens nach Tatort und Tatzeit unverwechselbar feststeht sowie zweitens eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und damit auch die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985); im Spruch sind daher alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind.

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhalten nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Eine Umschreibung der Tat bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG sowie VwSlg 11069 A/1983).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – die auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten nach wie vor Anwendung findet – hat die Rechtsmittelinstanz nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die belangte Behörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl. VwGH 15.02.2013, 2012/09/0046 mwN sowie VwGH 28.02.1997, 95/02/0601). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs. 4 AVG bzw. § 50 VwGVG (vgl. VwGH 03.09.1996, 96/04/0080 mwN). Dabei ist Sache des Rechtsmittelverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs des angefochtenen Bescheids der Behörde bildet (vgl. ua. VwGH 23.10.1995, 94/04/0080).

 

5.3.      Verfahrensgegenständlich wurde dem Bf im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses vorgeworfen, er hätte „… [zu verantworten], … [den Arbeitnehmer] … beschäftigt [zu] haben, ohne jene Unterlagen, …, bereitzuhalten…“. Dem Bf wurde somit zur Last gelegt, als inländischer „Beschäftiger“ gegen die im Straferkenntnis näher bezeichnete Bestimmung des AVRAG verstoßen zu haben.

 

Normadressat des AVRAG können je nach angezeigtem Tatbestand fallweise der Beschäftiger und fallweise der Überlasser sowie bei manchen Tatbeständen auch Beschäftiger und Überlasser sein, wobei auch in jedem einzelnen Fall dahingehend zu differenzieren ist, ob es sich gegenständlich um eine grenzüberschreitende Beschäftigung oder um eine grenzüberschreitende Überlassung handelt.

 

Im vorliegenden Fall ist die Bereitstellung des s. Arbeitnehmers O.A. an die Firma „P. A. G.“ schon aufgrund der tatsächlichen Abläufe der Tätigkeiten als grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung zu qualifizieren. Der s. Arbeitnehmer war organisatorisch in den Betrieb der Firma P. A. G. integriert, er arbeitete mit deren Werkzeug und Material, erhielt Arbeitsanweisungen von Herrn W.P. und wurde von diesem auch hinsichtlich der Qualität seiner Arbeit laufend kontrolliert.

 

Als Beschäftiger ist somit die Firma „P. A. G.“ anzusehen und nicht die Firma des Bf. Die dem Bf zur Last gelegte Verpflichtung hätte somit die Firma „P. A. G.“ getroffen.

 

Der Bf ist vielmehr als Überlasser zu qualifizieren und wäre zu prüfen, ob er das Tatbild „… oder als Überlasser im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung die Lohnunterlagen dem Beschäftiger nicht bereitstellt…“ – wie auch in der Anzeige des Finanzamtes Linz ausgeführt – verwirklicht hat, da er der Firma „P. A. G.“ die Lohnunterlagen des überlassenen Arbeitnehmers nicht zur Verfügung gestellt hat. Eine nähere Prüfung der Verwirklichung dieses Tatbildes kann jedoch unterbleiben, da in Zusammenschau mit der zitierten Judikatur es dem Oö. Landesverwaltungs-gericht verwehrt ist, die Tat auszuwechseln und den Spruch des Straferkenntnisses abzuändern.

 

6.         Im Ergebnis war der Beschwerde daher stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben.

 

Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bf gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG und § 66 Abs. 1 VStG weder ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht noch für das verwaltungsbehördliche Verfahren vorzuschreiben.

 

 

II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

                            

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Mag. Thomas Kühberger