LVwG-700096/2/BP/BD

Linz, 16.06.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des G. R. L., K.weg 11, T., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshaupt-mannschaft Linz-Land vom 21. Mai 2015, GZ: Pol96-593-2014/Gr, wegen einer Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG iVm §§ 1 Abs. 1 und 10 Abs. 1 lit a des
Oö. Polizeistrafgesetzes 1979, LGBl. Nr. 36/1979,
wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.       Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4
B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.               

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 21. Mai 2015, GZ: Pol96-593-2014/Gr, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) gemäß § 1 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz 1979 eine Geldstrafe in der Höhe von 60 Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt.

 

Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf aus:

 

Sie haben am 1.7.2014 von 21:19 Uhr bis 21:24 Uhr in Linz, Harrachstraße 6, den öffentlichen Anstand verletzt, indem Sie während einer Amtshandlung Polizisten fortwährend und provokant duzten und dadurch ein Verhalten in der Öffentlichkeit gesetzt, dass einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet. Trotz mehrmaliger Belehrung über die ordnungsgemäße, richtige, den guten Sitten und den allgemeinen Umgangsformen entsprechende Anrede, duzten Sie die einschreitenden Polizeibeamten.

 

In ihrer Begründung führt die belangte Behörde ua. Folgendes aus:

 

1. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:

 

Sie haben am 1.7.2014 von 21:19 Uhr bis 21:24 Uhr in Linz, Harrachstraße 6, den öffentlichen Anstand verletzt, indem Sie während einer Amtshandlung Polizisten fortwährend und provokant duzten und dadurch ein Verhalten in der Öffentlichkeit gesetzt, dass einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

 

2. Zu diesem Ergebnis gelangte die Behörde auf Grund folgender Beweismittel:

 

Auf Grund der Anzeige der Landespolizeidirektion Oberösterreich (LPD Oö.), Fl Verkehrsinspektion, vom 4.7.2014 wurde Ihnen von der LPD Oö., Sich.- u verwaltpol. Angel, Referat 1 - Strafamt, die ggst. Übertretung mit Strafverfügung vom 5.7.2014 zur Last gelegt.

 

Gegen diesen Strafbescheid haben Sie binnen offener Frist Einspruch erhoben, weshalb das ordentliche Verfahren eingeleitet und der anzeigende Beamte, Rev.lnsp. L. nochmals eine Stellungnahme zum ggst, Vorfall abgegeben hat.

 

Dieses Schreiben wurde Ihnen mit der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 29.4.2015 zur Kenntnis gebracht.

 

Mit E-Mail vom 4.5.2015 gaben Sie eine abschließende Stellungnahme ab.

 

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 1 Abs. 1 Polizeistrafgesetz begeht, wer den öffentlichen Anstand verletzt, eine Verwaltungsübertretung.

 

Gemäß § 1 Abs. 2 Polizei Strafgesetz ist, im Sinne des Abs. 1, jedes Verhalten in der Öffentlichkeit als Anstandsverletzung anzusehen, dass einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

Die ggst. Übertretung wurde Ihnen auf Grund der dienstlichen Wahrnehmungen des anzeigenden Beamten zur Last gelegt.

Entgegen Ihren Angaben haben Sie durch Ihr Verhalten in der Öffentlichkeit (herumspringen wie Rumpelstilzchen, schreien, Entfernen von der Amtshandlung um sich ein Bier zu bestellen, beständiges und provokantes duzen - trotz mehrmaliger Belehrung) gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte verstoßen.

Es gibt für die hs. Behörde keinen Grund an diesen Angaben des unter Diensteid stehenden Beamten zu zweifeln.

 

Ihre Rechtfertigungsangaben hingegen können nur als Schutzbehauptung gewertet werden, zumal Sie als Beschuldigter nicht der Wahrheitspflicht unterliegen und sich daher in jede Richtung rechtfertigen können.

 

Zu Ihrem Vorbringen, Sie hätten bei der Verständigung vom 29.4.2015 nicht gewusst, um welchen Vorfall es sich handle, wird festgehalten, dass sowohl die Strafverfügung der LPD Oö. vom 5.7.2014, als auch die Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes angeführt wurde. Anhand dieser Angaben, kann sehr wohl davon ausgegangen werden, dass Sie den ggst. Vorfall zuordnen können. Eine gesonderte Mitteilung konnte daher aus hs. Sicht entfallen.

 

Durch Ihr oben näher beschriebenes Verhalten haben Sie den öffentlichen Anstand verletzt. Der objektive Tatbestand ist somit als erwiesen anzusehen,

 

(...)

 

Sie haben in dieser Hinsicht nichts Glaubhaftes vorbringen können, was Ihre Verantwortung für die Verwaltungsübertretung verhindern würde.

 

Auf Grund des vorliegenden Ermittlungsergebnisses erscheint es für die Behörde zweifelsfrei erwiesen, dass Sie im konkreten Fall die Ihnen angelastete Verwaltungsübertretung begangen haben und Ihnen die Tat - da keinerlei Entschuldigungsgründe ersichtlich sind - auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen ist.

 

4. Strafbemessung:

 

(...) Die ggstl. Strafdrohung dient der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Diesem Schutzzweck haben Sie jedenfalls zuwider gehandelt.

 

Strafmildernde oder straferschwerende Gründe konnten nicht gefunden werden.

 

Ihre Einkommensverhältnisse wurden entsprechend Ihren Angaben berücksichtigt.

 

Die verhängte Geldstrafe ist als dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat angemessen zu betrachten, zumal sich diese im unteren Bereich des Strafrahmens bewegt. Die Verhängung einer Geldstrafe war weiters vor allem aus spezialpräventiven Gründen notwendig, um Sie von weiteren Übertretungen des Oö. Polizeistrafgesetzes abzuhalten und Sie dazu zu bewegen, der Einhaltung der Gesetzesvorschriften in Hinkunft mehr Augenmerk zu schenken.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende rechtzeitig per E-Mail eingebrachte Beschwerde vom 28. Mai 2015:

Ausdrücklich mache ich gegen diesen Bescheid einen Einspruch da es einfach nicht stimmt !

Was die Beamten sagen ist eine Lüge und eine Verschwörung.... Ich soll Strafe zahlen für was, und der Beamte sagt mir ins Gesicht ….. du Idiot Putz de....

Ganz sicher nicht,! Meiner Meinung nach machen die Beamten was sie wollen, Lügen wie gedruckt geben NIE einen Fehler zu ! und es wird ihnen Glauben geschenkt...

Und der Bürger Lügt !!!

 

Frau G. ! egal was es kostet das lasse ich mir nicht gefallen ! ! bei dem Vorfall sind Leute herum gestanden.. die würden das so gar bezeugen !

Aber selbst wenn es so ist... so ist der Polizist auch noch immer im Recht!

Unserer Polizisten beschäftigen sich nur mit Angelegenheiten die den Bürger schaden ,. Bei uns wurden heuer bereits 3 Autos gestohlen und das interessiert sie einen Dreck denn das ist mit Arbeit verbunden

 

Die 2 Beamten sollen mir zu ihnen kommen und ich auch und sollen mir in die Augen schauen wenn sie schon so korrupt sind meiner Meinung nach ! !

Es tut mir leid das ich ihnen so viel Arbeit für nix mache ! Stellen sie die Sache ein und ich spende lieber 200 Euro

 

PS dem ganzen Vorfall alleine glaube ich sieht man hier das es eine Aktion aus Langeweile wahr !

 

3. Mit Schreiben vom 3. Juni 2015  legte die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen.

 

Die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung konnte entfallen, da nach dem festgestellten Sachverhalt feststand, dass das in Beschwerde gezogene Straferkenntnis aufzuheben war. Zudem liegt auch kein darauf gerichteter Parteienantrag vor.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von unter Punkt I. 1 und 2 dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt aus, wobei es im Ergebnis keine gesteigerte Rolle spielt, ob der Bf die Beamten als Kasperl oder die Amtshandlung per se als Kasperltheater bezeichnete.  

 

 

II.             

 

Eine Beweiswürdigung konnte im vorliegenden Fall mit Hinweis auf Punkt I.5. unterbleiben.

 

 

III.            

 

1. Gemäß § 1 Abs. 1 Oö. Polizeistrafgesetz 1979 begeht, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, eine Verwaltungsübertretung, wer den öffentlichen Anstand verletzt.

 

Gemäß § 1 Abs. 2 Oö. Polizeistrafgesetz 1979 ist als Anstandsverletzung im Sinne des Abs. 1 jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz 1979 sind Verwaltungsübertretungen gemäß §§ 1 und 3 von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser, mit Geldstrafe bis 360 Euro zu bestrafen.

 

2.1. Strafbar im Sinn des § 1 Abs. 1 PolStG ist sohin ein Verhalten, das den Anstand verletzt und nicht durch eine andere Verwaltungsstrafnorm oder durch einen gerichtlichen Straftatbestand sanktioniert wird.  Nach § 1 Abs. 2
Oö. PolStG ist unter Anstandsverletzung jenes Verhalten zu verstehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten bildet und zudem in der Öffentlichkeit gesetzt wird.

 

Für die Erfüllung des vollständigen objektiven Tatbestandes ist als weiteres Tatbestandsmerkmal die Folge der Verletzung des Anstandes (Erfolgsdelikt) erforderlich. Unter Erfolg im Sinne der Erfolgsdelikte ist der Eintritt einer von der Tathandlung zumindest gedanklich abtrennbaren Wirkung in der Außenwelt zu verstehen. Der Eintritt dieses Erfolges ist ein objektives Tatbestandsmerkmal der Verwaltungsübertretung. Der Erfolgseintritt muss eine kausale Folge des auch sonst tatbestandsmäßigen Verhaltens sein (Hansjörg Rangger, Oberösterreichisches Landespolizeirecht, ProLibris, 2009, S61, Rn. A9). 

 

Durch die Judikatur wurde ua. die provokante, verbale Zurechtweisung von Polizeibeamten in einer schulmeisterlichen Art ohne gerechtfertigten Grund als den Anstand grob verletzend qualifiziert.

 

2.2. Es ist nun unbestritten, dass die in Rede stehende Amtshandlung als in der Öffentlichkeit durchgeführt anzusehen ist, zumal die Äußerungen des Bf durchaus von mehreren Personen auch tatsächlich gehört werden konnten.

 

Fraglich ist zunächst aber, ob das Duzen von Beamten einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundprinzipien der guten Sitten zu qualifizieren. Dass prinzipiell ein Verstoß vorliegen mag, da im urbanen Bereich (im Gegensatz zu manchen ruralen bzw. alpinen Regionen) das Duzen von Polizeibeamten tendenziell einen herabwürdigenden Charakter aufweisen wird, ist wohl anzunehmen. Ob dieses Duzen im Lichte einer nicht zuletzt durch Anglizismen geförderten sprachkulturellen Veränderungsentwicklung als grober Verstoß zu erkennen ist, wäre fraglich, kann aber im vorliegenden Fall offen bleiben. 

 

Es ist festzuhalten, dass – wie oben ausgeführt – eine Anstandsverletzung im Sinne des § 1 Abs. 1 Oö. PolStG ein Erfolgsdelikt bildet. Es muss also sowohl aus dem Sachverhalt als auch aus dem Tatvorwurf der Eintritt eines Erfolges hervorgehen, der sich nicht in der Widergabe des bloßen Gesetzestextes erschöpft. In weiterer Folge muss auch diesem Umstand in der Beurteilung der subjektiven Tatseite Rechnung getragen werden, indem die bei bloßen Ungehorsamsdelikten gegebene Beweislastumkehr bei Erfolgsdelikten nicht anzuwenden ist (vgl. § 5 VStG).

 

Weder in der in der Strafverfügung noch im Ermittlungsverfahren und im angefochtenen Bescheid wurde der Eintritt eines Erfolges festgestellt bzw. ausgeführt. In diesem Sinn ging also auch die belangte Behörde nicht vom Eintritt eines Erfolges aus, weshalb nicht sämtliche Tatbestandselemente in objektiver Hinsicht vorliegen. Eine Erweiterung bzw. Ergänzung des Tatvorwurfes oder des diesem zugrundeliegenden Sachverhalts war dem Landesverwaltungs-gericht verwehrt.

 

2.3. Es ist somit im vorliegenden Fall schon die objektive Tatseite nicht gegeben. 

 

3. Nachdem aber als Konsequenz der obigen Feststellungen nicht vom Vorliegen der objektiven Tatseite ausgegangen werden kann, war der Beschwerde stattzugeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. 

 

4.1. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben wird.

 

4.2. In diesem Sinn war dem Bf kein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem LVwG aufzuerlegen.

 

 

IV.         Unzulässigkeit der ordentlichen Revision für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei:

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Bernhard Pree