LVwG-650401/6/Bi

Linz, 02.07.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn H W, vertreten durch Frau RAin Mag. D P, vom 18. Mai 2015 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Eferding vom 24. April 2015, VerkR21-40-2015/EF-Mg/Bb, wegen der Aufforderung sich amtsärztlich untersuchen zu lassen und eventuell erforderliche Befunde beizubringen

 

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der in Beschwerde gezogene Bescheid aufgehoben.  

 

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde der Beschwerdeführer (in Folge: Bf) gemäß §§ 3, 5 und 8 FSG iVm  § 17 Abs. 1 FSG-GV aufgefordert, sich bis spätestens 20. Mai 2015 von der Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft  Eferding hinsichtlich seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahr­zeugen der Klassen B, BE, C, C1E und F untersuchen zu lassen und die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens eventuell erforderlichen Befunde und Stellungnahmen und eventuell erforderliche fachärztliche Gutachten bis spätestens 20. Mai 2015 beizubringen. Er habe unverzüglich unter der Telefon­nummer 07272/...... einen Termin für die amtsärztliche Untersuchung zu vereinbaren.

Der Bescheid wurde dem Bf laut Rückschein am 27. April 2015 zugestellt.

 

2. Dagegen hat der Bf fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs. 1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerde­vorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erübrigte sich gemäß § 24 Abs. 2 Z1 VwGVG.

 

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, begründete Bedenken im Sinne des    § 24 Abs. 4 FSG lägen nicht vor, weil er seit Jahrzehnten über eine Lenkberechtigung verfüge und noch nie verwaltungsstrafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Der von der belangten Behörde angezogene Sachverhalt sei teilweise unvollständig. Er lebe von seiner Gattin seit Juli 2014 getrennt und diese sei nach Deutschland übersiedelt. Am Vormittag des 13. April 2015 sei es zu einem zufälligen Zusammentreffen zwischen ihm und seiner Noch-Ehegattin gekommen, das in einem Streit ausgeartet sei und letztlich zum Einschreiten der Polizei geführt habe. Aufgrund der Angaben der Noch-Ehegattin sei eine Festnahme erfolgt, da er im Verdacht gestanden sei, eine gefährliche Drohung und Nötigung begangen zu haben. Richtig sei, dass er auf die bestehende Platzangst hingewiesen habe, weshalb für die Fahrt zum PAZ ein Kombi geholt worden sei. Er habe einen Blutdruck von 200/115 mmHg gehabt und betont, er befände sich in ärztlicher Behandlung.

Daraus seien keine begründeten Bedenken im Sinne des § 24 Abs. 4 FSG abzuleiten. Der gemessene Blutdruck könne mit der aktuellen Situation, der unmittelbar zuvor erfolgten Inhaftierung und der von der Gattin in den Raum gestellten Behauptung erklärt werden. Im Gerichtsverfahren seien die erhobenen Vorwürfe teils entkräftet worden und er befinde sich längst wieder auf freiem Fuß. Neue Anhaltspunkte, worin die begründeten Bedenken bestehen sollten, fänden sich nicht, weshalb beantragt wird, den Bescheid, allenfalls nach mündlicher Verhandlung, ersatzlos aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde sowie Einholung von Befunden.

 

Laut der den Vorfall vom 13. April 2015 betreffenden Meldung von RI J R, PI Sonderdienste, hat der Bf im Zuge einer Sachverhaltsaufnahme und Amtshandlung beim Transport in das PAZ Linz Platzangst eingewendet, worauf eine Blutdruckmessung durch den Polizeiarzt durchgeführt wurde, die 200/115 mmHg ergab. Der Bf bestätigte, er sei in ärztlicher Behandlung. Allein daraus leiteten der Anzeiger und die belangte Behörde begründete Bedenken im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung des Bf zum Lenken von Kraftfahrzeugen ab.

 

Seitens des Landesverwaltungsgerichtes wurde der Bf aufgefordert, medizinische Unterlagen über seinen derzeitigen Blutdruck vorzulegen, worauf er geltend machte, er sei Anfang März 2015 im AKH Linz an der linken Schulter operiert worden und da sei der Blutdruck täglich gemessen worden – er hat dazu eine Abschrift des Krankenblattes des AKH Linz vorgelegt, wonach er am 4. März 2015 einen Blutdruck von 130/80 mmHg und am 11. März 2015 einen Blutdruck von 120/80 mmHg hatte. Laut Entlassungsbericht befand er sich von 19. Mai bis 16. Juni 2015 im H. Zentrum A. (M.weg 30, A.) zur Rehabilitation wegen „Z. n. Schulterarthroskopie links mit Tenodese der langen Bizepssehne, laterale Schlüsselbeinresektion, Debridement vom 19. März 2015“. Laut Verlaufsbericht wurden während des Aufenthalts regelmäßige Blutdruckkontrollen mit Werten zwischen 130/75 und 140/80 mmHg durchgeführt. Bei der Entlassung wurde beim 177 cm großen, 121 kg wiegenden Bf ein Blutdruck von 135/80 mmHg gemessen.

Dr. A F, Arzt für Allgemeinmedizin in Linz, hat am 19. Juni 2015 bestätigt, dass der Bf nicht bei ihm in Behandlung ist, weil er an keinem erhöhten Blutdruck leide.

 

Aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichtes ist die Situation, in der sich der Bf am 13. April 2015 befand, durchaus geeignet, einen an sich normalen Blutdruck steigen zu lassen. Speziell eine Festnahme durch die Polizei und Verbringung ins PAZ vermag nach dem offensichtlich ausgearteten Streit mit der in Scheidung lebenden Ehegattin durchaus einen ansonsten unüblich hohen Blutdruck hervorzurufen, ohne dass deswegen sofort Bedenken bestehen, dass der Bf zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich nicht geeignet sein könnte.

 

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 24 Abs. 4 FSG ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

Gemäß § 10 Abs. 3 FSG-GV ist nach den übrigen Ergebnissen der ärztlichen Untersuchung, den möglichen Komplikationen und der daraus gegebenenfalls für die Sicherheit im Straßenverkehr erwachsenden Gefahr zu beurteilen, ob einer Person, die unter Blutdruckanomalien leidet, eine Lenkberechtigung erteilt oder belassen werden kann.

 

Nach der Rechtsprechung des VwGH (verst. Senat 27.1.2015, 2012/11/0233) sind Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 24 Abs.4 FSG begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber einer Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen.

Ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs. 4 FSG ist nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Fall einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) von Seiten der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken bestehen (vgl E 24.5.2011, 2011/11/0026).

 

Beim Bf lag am 13. April 2015 eine absolute Ausnahmesituation vor, die durch das Zusammentreffen von verschiedenen für ihn völlig neuen Fakten (Einschreiten der Polizei anlässlich eines Ehestreits, Festnahme und Verbringung ins PAZ, Platzangst im Polizeifahrzeug) eine Erhöhung seines ansonsten normalen Blutdrucks bewirkte. Wie sich aus den vorgelegten Unterlagen ersehen lässt, hat der Bf ansonsten einen völlig unauffälligen Blutdruck. Ein einmaliges Vorkommnis wie im ggst Fall lässt noch nicht auf Blutdruckanomalien schließen und vermag daher noch keine begründeten Bedenken im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu erzeugen. Auch wenn die ärztliche Bestätigung Dris F nicht von einem Facharzt für Innere Medizin sondern vom Hausarzt des Bf stammt, deuten die übrigen Befunde nicht auf derartige Blutdruckanomalien hin und auch das angeführte Körpergewicht ist ebenso wie die Platzangst für die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht relevant (vgl VwGH 16.9.2008, 2008/11/0091).

 

Zur Anordnung, binnen einer Frist eventuell erforderlichen Befunde und Stellung­nahmen und eventuell erforderliche fachärztliche Gutachten beizubringen, ist auf die Rechtsprechung des VwGH zu verweisen, wonach wenn der Inhaber einer Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs.4 FSG 1997 aufgefordert wird, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen, diese Befunde im Aufforderungsbescheid im Einzelnen anzuführen sind (E 13.8.2004, 2004/11/0063). Es erweist sich als rechtswidrig, den Inhaber der Lenkberechtigung, wie gegenständlich, zu verpflichten, "allenfalls erforderliche" Befunde beizubringen, weil damit die Beantwortung der Frage der Erforderlichkeit solcher Befunde (die eine von der Behörde zu beurteilende Rechtsfrage darstellt) augenscheinlich an den Amtsarzt delegiert und damit der gerichtlichen Überprüfung entzogen wird (vgl VwGH 23.9.2014, Ra 2014/11/0023).

Nicht zuletzt im Hinblick auf die (gemäß § 24 Abs.4 letzter Satz FSG drohende) Konsequenz der Formalentziehung wäre es notwendig gewesen, die Aufforderung dahin zu konkretisieren, welche Befunde der Revisionswerber innerhalb eines ihm gesetzten Zeitraumes zu erbringen habe (vgl VwGH 13.9.2004, 2004/11/0063; 23.9.2014, Ra 2014/11/0023; ua).

 

Die von der belangten Behörde pauschal formulierte Aufforderung, Befunde zum Zweck der Beurteilung der gesundheitlichen Eignung beizubringen, und insbesondere die Anordnung im Spruch, über eine bestimmte Telefonnummer einen Termin für eine amtsärztliche Untersuchung zu vereinbaren, war daher rechtswidrig und damit spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

 

 

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger