LVwG-650417/2/Bi

Linz, 03.07.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde der Frau J P, vertreten durch H N RAe,  vom 17. Juni 2015 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 22. Mai 2015, VerkR21-69-2-2015pl, wegen der Aufforderung zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens einen Harnbefund beizubringen,

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der in Beschwerde gezogene Bescheid aufgehoben.

 

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde die Beschwerdeführerin (in Folge: Bf) gemäß §§ 24 Abs.4 und 8 Abs.2 FSG aufgefordert, innerhalb von drei Tagen nach Rechtskraft des Bescheides zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens folgenden Befund beizubringen: Harnuntersuchung in der Sanitätsabteilung der BH Vöcklabruck.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 28. Mai 2015.

 

2. Dagegen hat die Bf fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerde­vorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erübrigte sich gemäß § 24 Abs.2 VwGVG.

 

3. Die Bf macht im Wesentlichen geltend, laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müssten genügend Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber einer Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen, die von seiner Lenkberechtigung umfasst würden, nicht mehr besitzt, bzw die die Prüfung des Vorliegens solcher Gründe geboten erscheinen ließen. Diese Bedenken seien im Aufforderungs­bescheid nachvollziehbar darzulegen.

Die belangte Behörde verweise nur darauf, dass der Kreatininwert bei der Harnabgabe zu niedrig gewesen und deren Wiederholung notwendig sei, ohne ihre angeblich begründeten Bedenken nachvollziehbar darzustellen. Der Kreatininspiegel sei abhängig von der Muskelmasse, vom Lebensalter und von der Nierenfunktion. Sie sei sehr leicht, was wohl Ursache des niedrigen Kreatininspiegels sei. Sie konsumiere nicht regelmäßig sondern nur gelegentlich Cannabis, und der gelegentliche Konsum berühre laut VwGH die gesundheitliche Eignung nicht. Nicht richtig sei, dass sie anlässlich eines Telefonats am 17. April 2015 mitgeteilt habe, eine Harnabgabe sei nicht möglich, weil sie keinen Sinn habe, da sie ohnehin positiv sein würde.

Beantragt wird die Aufhebung des Bescheides nach mündlicher Verhandlung.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Cannabiskonsum der Bf wurde laut Abschlussbericht der PI Schwanenstadt vom 1. Dezember 2014 am 13. November 2014 anlässlich einer Kontrolle in der Wohnung der Bf bekannt. Die Bf selbst bestätigte, im Zeitraum von ca. November 2013 bis 13. November 2014 gelegentlich an Wochenenden in Vöcklabruck und Wels Joints, die sie von unbekannten Personen geschenkt bekommen habe, konsumiert zu haben.

 

Dem – in Rechtskraft erwachsenen – Bescheid der belangten Behörde vom 11. Februar 2015 mit der Aufforderung gemäß § 24 Abs.4 FSG, sich innerhalb von zwei Wochen amtsärztlich untersuchen zu lassen, entsprach sie erst nach Rechtskraft des Bescheides der belangten Behörde vom 7. April 2015, mit dem ihr gemäß § 24 Abs.4 FSG die Lenkberechtigung für die Klassen AM und B bis zur Befolgung der oben genannten Anordnung entzogen worden war. Die amtsärztliche Untersuchung erfolgte am 14. April 2015, eine Harnabgabe verweigerte die Bf allerdings mit dem Hinweis, sie müsse in die Arbeit.

 

Im Rahmen eines Telefonats am 17. April 2015 erklärte die Bf gegenüber der zuständigen Mitarbeiterin der belangten Behörde, Frau U P, sie habe einen Schnelltest auf THC gemacht, der noch positiv gewesen sei, daher habe eine Harnabgabe keinen Sinn. Die Erstellung eines Gutachtens gemäß § 8 FSG war nicht möglich.

 

Im Abschlussbericht der PI Schörfling/A. vom 22. April 2015 wurde die Bf beschuldigt, im Zeitraum 14. November 2014 bis 26. Jänner 2015 fortlaufend Cannabiskraut in Form von Joints konsumiert zu haben und nach ihrer letzten Suchtmittelanzeige am 13. November 2014 nicht aufgehört zu haben, weiter Cannabis zu konsumieren – diesbezüglich liegt ein von der Bf unterschriebenes Beschuldigtenvernehmungsprotokoll vor. Am 26. Jänner 2015 erfolgte in der Wohnung der Bf eine gerichtlich angeordnete Hausdurchsuchung, bei der geringe Mengen Cannabis und Speed gefunden wurden, die nach übereinstimmenden Aussagen dem Lebensgefährten der Bf, C S, zuzuordnen seien. Die Bf habe weiteren Cannabiskonsum gestanden, zuletzt „am letzten Freitag“, aber eine Harnprobe verweigert.

 

Die Bf legte der belangten Behörde einen Befundbericht des Labors Dr. Q & Kollegen, K., vom 8. Mai 2015 vor mit einem THC-Wert unter 25.0 ng/mL, dh unauffällig, wobei aber der Kreatininwert mit 0,11 g/L unterhalb des Referenz­bereichs (0,20 bis 3.00 g/L) lag und die Probenqualität vom Labor als „auffällig“ bezeichnet wurde: „Es wurde eine deutlich erniedrigte Kreatininkonzentration in der Probe ermittelt. Dieses kann auf eine gesteigerte Diurese – zB durch vermehrtes Trinken (Creatinin üblicherweise >0,15 g/L) – oder nachträgliche Wasserzugabe zum Urin hinweisen. Für die Drogenanalytik bedeutet dies eine höhere Wahrscheinlichkeit falsch negativer Befunde.“

 

Die Bf wurde von der Sanitätsabteilung der belangten Behörde zur Wiederholung der Harnabgabe eingeladen, erschien aber nicht zum Termin am 20. Mai 2015.

Auf dieser Grundlage erging der nunmehr in Beschwerde gezogene Bescheid.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 24 Abs. 4 FSG ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

Gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV ist Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.

 

Nach der Rechtsprechung des VwGH (verst. Senat 27.1.2015, 2012/11/0233) sind Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 24 Abs.4 FSG begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber einer Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Im Zusammenhang mit einem Suchtmittelkonsum des Inhabers einer Lenkberechtigung wäre ein Aufforderungsbescheid rechtens, wenn ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht bestünden, dem Betreffenden fehle infolge Suchtmittelabhängigkeit (oder wegen Fehlens der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung) die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (vgl E 24.5.2011, 2011/11/0026, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur).

Wie sich aus § 14 FSG-GV ergibt, berührt ein geringfügiger Suchtmittelgenuss die gesundheitliche Eignung (noch) nicht. Erst dann, wenn der Konsum zu einer Abhängigkeit zu führen geeignet ist oder wenn die Gefahr besteht, dass die betreffende Person nicht mehr in der Lage sein könnte, den Konsum so weit einzuschränken, dass ihre Fähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht (mehr) beeinträchtigt ist, liegt ein Grund vor, unter dem Aspekt eines festgestellten – wenn auch verbotenen – Suchtmittelkonsums die gesundheitliche Eignung begründeterweise in Zweifel zu ziehen (vgl auf hiezu das erwähnte E 2011/11/0026, mwN.)

Ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs. 4 FSG ist nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Fall einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) von Seiten der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken bestehen (vgl abermals E 2011/11/0026 und die dort zitierte Judikatur).

 

Aus den eigenen Aussagen der Bf ergibt sich ein Zeitraum für den Konsum von Cannabis von November 2013 bis November 2014 – allerdings hat sie dabei nur gelegentlich Joints konsumiert – und danach bis 23. Jänner 2015 – „letzter Freitag“ vor dem 26. Jänner 2015; die am 26. Jänner 2015 vorgefundenen Suchtmittel waren nicht ihr sondern ihrem Lebensgefährten zuzurechnen.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der von der Bf vor dem 14. April 2015 (amtsärztliche Untersuchung) durchgeführte Schnelltest auf THC positiv war, dh zuvor Cannabiskonsum erfolgt ist, ist daraus lediglich gelegentlicher Cannabiskonsum abzuleiten. Seither ist nichts mehr objektivierbar.

Der Laborbefund vom 8. Mai 2015 war negativ – egal unter welchen Gegebenheiten in Bezug auf Kreatinin er zustande kam.

 

In einem ähnlichen Fall (E 27.1.2015, 2012/11/0233) hat der VwGH ausgesprochen: „Schließlich sind dem Verwaltungsakt auch keine schlüssigen Aussagen von medizinischen Sachverständigen zu entnehmen, die den Verdacht einer Suchtmittelabhängigkeit des Beschwerdeführers begründen könnten, sodass lediglich die vom Beschwerdeführer vorgelegten (für ihn und nicht gegen ihn sprechenden) negativen Harntestergebnisse verbleiben. Bei diesem Ergebnis durfte die belangte Behörde nicht davon ausgehen, dass es eines "Gegenbeweises" des Beschwerdeführers bedürfe, weil es, wie dargestellt, Aufgabe der Behörde ist, begründete Bedenken iSd § 24 Abs.4 FSG nachvollziehbar darzulegen. Diese unzutreffende Rechtsansicht belastet den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.“

 

Anhaltspunkte für eine Suchtmittelabhängigkeit liegen – auch nach dem Befund der amtsärztlichen Untersuchung, bei der der klinische Gesamteindruck „normal“ war – in keiner Weise vor. Auf dieser Grundlage sind im Juli 2015 keine „begründeten“ Bedenken, die Bf könnte zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen AM und B aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr geeignet sein, abzuleiten. Aus diesen Überlegungen ist ein Aufforderungsbescheid nach § 24 Abs. 4 FSG nicht mehr zulässig, weshalb – ohne Durchführung einer Verhandlung – spruchgemäß zu entscheiden war.

 

 

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger