LVwG-750276/4/Sr

Linz, 17.07.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des T Y, geboren am
x, türkischer Staatsangehöriger, vertreten durch K B Rechtsanwälte GmbH, G, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, namens des Landeshauptmannes von Oberösterreich, vom 27. April 2015, GZ Pol18-44954-2015, wegen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ für zwölf Monate erteilt.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Bescheid vom 27. April 2015, GZ Pol18-44954-2015, wies der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck (im Folgenden: belangte Behörde) namens des Landeshauptmannes von Oberösterreich den Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gemäß § 47 Abs 2 NAG ab.

 

2. Gegen den in Rede stehenden Bescheid erhob der Bf im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

 

3. Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt.

 

Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

4.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt.

 

Gemäß § 24 Abs. 1 iVm Abs 4 VwGVG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung aufgrund der Tatsache, dass der für das Verfahren wesentliche Sachverhalt aufgrund der Aktenlage für das erkennende Gericht hinreichend geklärt vorliegt und eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ, unterbleiben. Das dem Entfall der Verhandlung Art 6 EMRK oder Art 47 der EU-Charta der Grundrechte entgegenstünde, vermag nicht erkannt zu werden.

 

4.2. Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt steht fest:

 

Der Bf ist türkischer Staatsbürger und wurde in C/K in der Türkei geboren. Am 5. November 2013 reiste der Bf ins österreichische Bundesgebiet ein, wo er unmittelbar nach seiner Einreise am 13.November 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

 

Der Bf ist mit der österreichischen Staatsbürgerin G R verheiratet. Die Eheschließung erfolgte am 15. Mai 2014 in Vöcklabruck (Eintragungsnummer 14/2014). Hinweise auf eine Aufenthaltsehe liegen nicht vor.

 

Am 13. Jänner 2015 stellte der Bf einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 NAG.

 

Der Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung wurde vom AMS Linz mit Bescheid vom 6. Oktober 2014 abgewiesen. Dem Antrag auf Ausstellung einer Bestätigung iSd § 3 Abs. 8 AuslBG wurde vom zuständigen AMS Vöcklabruck nachgekommen und am 19. Jänner 2015 die entsprechende Bestätigung ausgestellt.

 

Der Bf arbeitet derzeit als Pizzabäcker in der Pizzeria des K, V.

 

II.

 

Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig.

 

III.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

1. Gemäß § 47 Abs. 1 NAG idF BGBl I Nr 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl I Nr 70/2015, sind Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.

 

Nach Abs. 2 ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.

 

Gemäß Art 13 Assoziationsratsbeschluss (im Folgenden: ARB) 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen.

 

Art 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen EWG-Türkei besagt, dass die Vertragsparteien untereinander keine neuen Bestimmungen, die zur Einschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs führen können, einführen werden.

 

Gemäß Art 14 Abs 1 ARB 1/80 gilt dieser Abschnitt vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind.

 

Gemäß § 49 Abs. 1 FrG 1997 genießen Angehörige von Österreichern gemäß      § 47 Abs. 3, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im Folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt. Solche Fremde können Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen. Die Gültigkeitsdauer der ihnen die beiden ersten Male erteilten Niederlassungsbewilligung beträgt jeweils ein Jahr.

 

Gemäß Abs. 2 ist die Niederlassungsbewilligung solchen Drittstaatsangehörigen auf Antrag unbefristet zu erteilen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 8 Abs. 1) gegeben sind und die Fremden

1. seit mindestens zwei Jahren mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet sind und mit diesem im Bundesgebiet im gemeinsamen Haushalt leben;

2. minderjährige Kinder eines österreichischen Staatsbürgers sind und mit diesem im Bundesgebiet im gemeinsamen Haushalt leben.

 

§ 47 FrG 1997 regelt die Aufenthaltsberechtigung begünstigter Drittstaatsangehöriger.

 

Gemäß § 47 Abs. 1 FrG 1997 unterliegen Angehörige von EWR-Bürgern, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, der Sichtvermerkspflicht.

 

Gemäß Abs 2 genießen begünstigte Drittstaatsangehörige (Abs. 3) Niederlassungsfreiheit, sofern die EWR-Bürger zur Niederlassung berechtigt sind; ihnen ist eine Niederlassungsbewilligung auszustellen, wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Solche Fremde können Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen, wenn sie an sich zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt sind. Die Niederlassungsbewilligung ist mit fünf Jahren, in den Fällen der beabsichtigten Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch den EWR-Bürger (§ 46 Abs. 2 Z 3) jedoch mit sechs Monaten ab dem Zeitpunkt seiner Einreise zu befristen.

 

Gemäß Abs 3 Z 1 gilt der Ehegatten eines EWR-Bürgers als begünstigter Drittstaatsangehöriger.

2.1. Auf Grund der vorliegenden – besonderen - Fallkonstellation ist davon auszugehen, dass der Bf die Begünstigungen, die sich aus dem ARB 1/1980 ergeben, geltend machen kann.

 

Der mit einer Österreicherin verheiratete Bf, der türkischer Staatsbürger ist, verfügt über eine Bestätigung iSd § 3 Abs. 8 AuslBG des AMS Vöcklabruck vom 19. Jänner 2015 (nach § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG unterliegt der Bf nicht dem Geltungsbereich des AuslBG und benötigt keine Berechtigung für die Arbeitsaufnahme im Bundesgebiet), über eine Beschäftigungszusage und ist derzeit als Pizzabäcker in V beschäftigt.

 

2.2. Gemäß § 47 Abs. 2 FrG 1997 darf einem begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 47 Abs. 3 FrG 1997 ein Aufenthaltstitel nur dann nicht erteilt werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet.

 

Im Folgenden ist somit zu prüfen, ob der Aufenthalt des Bf die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde.

 

Soweit aus der Aktenlage und einer EKIS-Abfrage am 13. Juli 2015 zu ersehen ist, ist der Bf weder in verwaltungsstrafrechtlicher noch strafrechtlicher Hinsicht in Erscheinung getreten. Der im Verfahren vor der belangten Behörde hervorgekommene Verdacht des Vorliegens einer Aufenthaltsehe hat sich im Zuge der Überprüfung durch die Sicherheitsbehörden nicht bestätigt.

 

Zum Entscheidungszeitpunkt stellt der Aufenthalt des Bf in Österreich keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar.

 

3. Da sich der Bf auf Art 13 ARB 1/80 berufen kann und im vorliegenden Fall lediglich zu prüfen ist, ob von ihm eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gemäß § 47 Abs. 2 FrG 1997 ausgeht, was im Ergebnis zu verneinen ist, erfüllt der Bf sämtliche Erteilungsvoraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel.

 

IV.

 

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die gegenständliche Entscheidung vollinhaltlich der obzitierten einheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entspricht und die Rechtsfrage, ob konkret der Bf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellt, nicht verallgemeinerungsfähig ist.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Stierschneider