LVwG-300495/9/Re/BD

Linz, 23.01.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Werner Reichenberger über die Beschwerde des Herrn S.G., x, T. vertreten durch Rechtsanwalt Mag. T.R., x, x, vom 22. August 2014, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 7. Juli 2014, BZ-Pol-78006-2012, betreffend eine Übertretung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG),

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) eingestellt.

 

II.      Der Beschwerdeführer hat keinerlei Beiträge zu den Verfahrens-kosten der belangten Behörde (§ 66 Abs. 1 VStG) sowie des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich (§ 52 Abs. 9 VwGVG) zu tragen.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Der Bürgermeister der Stadt Wels hat mit dem Straferkenntnis vom 7. Juli 2014, BZ-Pol-78006-2012, über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) wegen der Verwaltungsübertretung nach § 7b Abs. 9 Z 2 iVm § 7b Abs. 5 AVRAG eine Geldstrafe in der Höhe von 500 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 5 Tagen verhängt. Gleichzeitig wurde dem Bf die Bezahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in der Höhe von 50 Euro (10 % der verhängten Geldstrafe) vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:

 

„Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als iSd § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz zur Vertretung nach außen Berufener der E. s.r.o. x, x, zu verantworten, dass bei der Kontrolle des Finanzamtes Grieskirchen Wels am 03.02.2012, auf der Baustelle H. M., xx, die erforderlichen Unterlagen der Arbeitnehmer B.P., geb. am x, M.M., geb. am x, K.F., geb. am x und P.L., geb. am x alle x Staatsbürger, nicht bereit gehalten wurden, obwohl vom Arbeitgeber Unterlagen über die Anmeldung der o.a. Arbeitnehmer zur Sozialversicherung (Dokument E 101 bzw. A1) sowie eine Abschrift der Meldung gemäß § 7b Abs. 3 und 4 AVRAG am Arbeitsort bereit zu halten sind.“

 

Begründend wird ausgeführt, der Sachverhalt sei von der Finanzpolizei des Finanzamtes Grieskirchen Wels mit Schreiben vom 20. April 2012 der Bezirksverwaltungsbehörde angezeigt worden. Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 10. Juli 2012 sei ein ordentliches Strafverfahren eingeleitet worden. In der Rechtfertigung vom 25. Juli 2012 werde angeführt, dass die Verletzung der Rechtsvorschriften durch Nichtkenntnis der Pflichten verursacht worden sei und das Unternehmen keine Arbeiten im Ausland bislang ausgeführt habe. Nach Rechtstellung des unrechtmäßigen Zustandes durch die Kontrolle sei in dieser beendet worden. Es habe nie die Absicht bestanden, Gesetze in Österreich zu verletzen oder sie zu umgehen. Es werde versichert, dass sich ein derartiger Verstoß nicht mehr wiederholen werde. Für die Behörde ergab sich der im Spruch dargestellte Sachverhalt aufgrund der Aktenlage und des Ergebnisses des durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitig vom Bf im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Beschwerde vom 22. August 2014. Demnach werde der Bf in subjektiv-öffentlichen Rechten auf Durchführung eines fehlerfreien Verwaltungsverfahrens, ordnungsgemäße Zustellung, Nichtbestrafung, Parteiengehör und fehlerfreie Ermessensentscheidung im Sinne des Gesetzes verletzt.

 

3. Der Bürgermeister der Stadt Wels hat diese Beschwerde gemeinsam mit dem Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Oö. zur Entscheidungsfindung vorgelegt. Dieses hat gemäß § 2 VwGVG durch Einzelrichter zu entscheiden.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oö. hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung der vom Bf beantragten öffentlichen mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2014.

 

II. Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Oö:

 

1. Zunächst wird zu dem gleichzeitig mit der Beschwerde vom Bf durch seine rechtsfreundliche Vertretung gestellten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung festgestellt, dass diesem Antrag keine Folge gegeben werden konnte bzw. sich ein ausdrücklicher Abspruch über diesen Antrag erübrigt, da der Beschwerde gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG ex lege aufschiebende Wirkung zukommt.

 

2. Gemäß § 7b Abs. 9 AVRAG in der zur Tatzeit gültigen Fassung BGBl. I Nr. 24/2011, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5.000 Euro, im Wiederholungsfall von 1.000 Euro bis 10.000 Euro zu bestrafen, wer als Arbeitgeber oder als in Abs. 1 Z 4 bezeichneter Beauftragter

1.   die Meldung nach Abs. 3 nicht rechtzeitig erstattet oder

2.   die erforderlichen Unterlagen entgegen Abs. 5 nicht bereithält.

 

3. Gemäß § 2 Abs. 1 und 2 VStG sind, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, nur im Inland begangene Verwaltungsübertretungen strafbar. Eine Übertretung ist im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder, wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist.

 

Gemäß § 27 Abs. 1 VStG ist örtlich die Behörde zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

Lehre und Rechtsprechung stimmen zur Frage des Ortes des Begehens dahingehend überein, als unter Berücksichtigung von § 27 Abs. 1 VStG und § 2 Abs. 2 VStG eine Verwaltungsübertretung regelmäßig als dort begangen anzusehen ist, wo der Täter gehandelt hat oder (bei Unterlassungsdelikten) hätte handeln sollen (s. VwGH 26. Februar 1987, 86/08/0231). Bei der Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörden nach VStG kommt es bei der Suche nach dem Tatort grundsätzlich auf den Sitz des Unternehmens an, für welches der zur Vertretung nach außen Befugte gemäß § 9 VStG gehandelt hat (VwGH 18.06.1990, Zl. 90/19/0107), oder hätte handeln sollen. Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung unter Bezugnahme auf § 2 Abs. 2 VStG dahingehend, dass der Tatort dort liegt, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungs-vorschriften hätten gesetzt werden müssen. Für die Frage der Tatortbestimmung spielt keine Rolle, ob ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ, ein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 VStG oder ein gewerberechtlicher Geschäftsführer zur Verantwortung gezogen wird. Entscheidend ist, wo der Täter gehandelt hat bzw. wo der Täter hätte handeln sollen. Wird somit ein zur Vertretung nach außen befugtes oder berufenes Organ zur Verantwortung gezogen, ist als Tatort der Sitz der Unternehmensleitung anzunehmen (siehe auch VwGH 04.09.2006, 2003/09/0096).

 

Im gegenständlichen Verfahren wird der Bf als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als iSd § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der E. s.r.o., x, T., zur Verantwortung gezogen und liegt dieser Standort des Unternehmens somit zweifelsfrei außerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbereiches der belangten Behörde. Der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entsprechend hätte somit der Bf vom Firmensitz in x die entsprechenden Dispositionen und Anordnungen zur Verhinderung der Verwaltungsübertretungen setzen müssen und ist daher durch Unterlassen der gesetzlich geforderten Vorsorgehandlung eine strafbare Tätigkeit in Österreich nicht gesetzt worden. Der oben zitierten Judikatur entsprechend ist der Unternehmenssitz als Tatort gemäß § 2 VStG anzusehen und ist dieser Tatort somit im Ausland gelegen.

 

Zur verfahrensgegenständlichen Tatzeit fehlte dem AVRAG zum verfahrensgegenständlichen Delikt eine ausdrückliche Spezialbestimmung betreffend den Tatort bei grenzüberschreitender Entsendung von Arbeitnehmern, weshalb im gegenständlichen Fall nach der anzuwendenden, oben zitierten Rechtslage im Grunde des § 2 VStG keine Strafbarkeit in Österreich vorliegt, weil die zur Last gelegte Übertretung zur Tatzeit nicht im Inland begangen wurde und der Ort des Arbeitseinsatzes demnach nicht den Tatort, sondern eine Sachver-haltsumschreibung darstellt.

Die zwischenzeitig erfolgte Novellierung des AVRAG in seiner Strafbestimmung des § 7b Abs. 9, und zwar durch BGBl. I Nr. 98/2012, kann im gegenständlichen Falle rückwirkend nicht zur Anwendung gelangen.

 

Die belangte Behörde war daher örtlich nicht zuständig, gegen den Bf nach

§ 7b Abs. 9 Z 2 iVm § 7b Abs. 5 AVRAG eine Verwaltungsstrafe zu verhängen.

Mangels Zuständigkeit war daher das bekämpfte Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, insgesamt somit aufgrund der dargestellten Sach- und Rechtslage wie im Spruch zu entscheiden.

 

4. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten ist in den zitierten Gesetzesstellen begründet.

 

 

III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs-gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Werner Reichenberger