LVwG-700098/10/BP/BD

Linz, 03.08.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag.
Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des G. .,  geboren am
x, StA von U., A. B. 8/7, S.-P., gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 13. Mai 2015, GZ: VStV/915300062882/2015, betreffend die Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch mündliche Verkündung

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 VwGVG iVm. § 71 Abs. 1 AVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.               

 

1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 13. Mai 2015, GZ: VStV/915300062882/2015, wurde der Antrag des Beschwerdeführers (in der Folge: Bf) vom 20. April 2015 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß

§ 71 Abs.1 Z1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG abgewiesen.

 

Die belangte Behörde führt dabei begründend aus:

 

Gemäß § 49 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz kann der Beschuldigte binnen zwei Wochen nach Zustellung der Strafverfügung schriftlich oder mündlich Einspruch erheben. Die gegenständliche Strafverfügung unter obiger Zahl wurde am 29.1.2015 beim Postamt L. hinterlegt. Die Strafverfügung wurde von Ihnen jedoch nicht behoben.

Hinterlegte Sendungen gelten gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt. Die Abholfrist begann am 29.1.2015. Somit galt die Strafverfügung mit diesem Datum als zugestellt. Die zweiwöchige Einspruchsfrist endete somit am 13.2.2015.

Es ist keinesfalls erforderlich, dass dem Empfänger in Fällen einer Zustellung durch Hinterlegung stets die volle Frist für die Erhebung eines allfälligen Rechtsmittels zur Verfügung steht. Dies zeigt das Rechtsinstitut der Zustellung durch Hinterlegung deutlich auf, wonach auch in Fällen, in denen dem Empfänger die Abholung einer hinterlegten Sendung nachweislich am Tag der Hinterlegung nicht möglich war, dennoch dieser Tag als Zustellung gilt. Dabei muss den Empfänger weder an der Vergeblichkeit der Zustellung als Voraussetzung für die Hinterlegung noch an der erst später möglichen Behebung ein Verschulden treffen (VwGH 26.11.1991, 91/14/0218, u.a.).

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende rechtzeitig bei der Landespolizeidirektion Oberösterreich eingebrachte Beschwerde vom 3. Juni 2015, in welchem die Anträge gestellt werden, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und feststellen, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig ist, in eventu feststellen, dass keine gültige Zustellung erfolgt ist, in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und zur neuerlichen Verhandlung an die Behörde erster Instanz zurückverweisen.

 

Begründend wird wie folgt ausgeführt:

I.

Zum Sachverhalt wird auf den Wiedereinsetzungsantrag vom 20.4.2015 verwiesen:

 

Mit Schreiben vom 19.3.2015 wurde dem AS/EW eine Mahnung der Landespolizeidirektion zugestellt, nach der aufgrund einer Strafverfügung vom 14.1.2015 zur Zahl VStV/915300063882/2015 eine Geldleistung von 500 Euro zu zahlen seien. Dieses Schreiben wurde dem AS/EW am 6. April 2015 zugestellt.

 

 

II.

Die Behörde geht in der Begründung des Bescheides nicht auf das Vorbringen des BF und die darin zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ein. Insofern besteht ein Begründungsmangel. Es wird daher nochmals auf die Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag vom 20.4.2015 verwiesen.

 

III.

Die Behörde führt im angefochtenen Bescheid aus, dass die gegenständliche Strafverfügung am 29.1.2015 beim Postamt L. hinterlegt wurde. Zuständiges Postamt für den BF ist allerdings das Postamt S.-P..

 

Beweis: Ausdruck Standortsuche auf www.post.at vom 3.6.2015

Der BF hat bis jetzt jedes zugestellte und hinterlegte Schriftstück beim Postamt S.-P. abgeholt.

 

Daraus ist ersichtlich, dass der BF tatsächlich keine Zustellbenachrichtigung in seinem Postfach erhalten hat oder die Strafverfügung tatsächlich nie zugestellt wurde.

 

Den Anträgen möge daher stattgegeben werden.

 

3. Mit Schreiben vom 12. Juni 2015 legte die Landespolizeidirektion Oberösterreich den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nahm Einsicht in den Akt der belangten Behörde. Zusätzlich wurde am 3. August 2015 eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durchgeführt.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem relevanten Sachverhalt aus:

 

Am 29. Jänner 2015 wurde betreffend die in Rede stehende Strafverfügung eine Hinterlegungsverständigung an der Wohnungstüre bzw. an der Fußmatte der Wohnung des Bf zurückgelassen. Er und seine Familie waren im Zeitraum Ende Jänner 2015 bis Mitte Februar 2015 nicht ortsabwesend. Es gab im Rahmen der Hinterlegung keinerlei besonderen Umstände. Erst nach Erhalt der Mahnung wurde dem Bf der Umstand der Zustellung durch Hinterlegung bekannt.

 

 

II.             

 

Im Rahmen der öffentlichen Verhandlung schilderte der als Zeuge geladene Zusteller den üblichen Zustell- bzw. Hinterlegungsvorgang an der in Rede stehenden Adresse völlig glaubwürdig. Ihm waren keine besonderen Umstände in diesem Zusammenhang bekannt. Er ist schon seit 24 Jahren als Zusteller tätig. Es gab also keinen Hinweis darauf, dass er keine Verständigung an der Abgabestelle hinterlassen hätte.

 

Der Bf hingegen schilderte grundsätzlich glaubwürdig, dass normaler Weise von ihm und seiner Frau die Post sehr genau kontrolliert werde. Er habe aber die in Rede stehende Verständigung nicht erhalten. Aus den Umständen ergibt sich nach allgemeiner Lebenserfahrung als äußerst wahrscheinlich und glaubhaft, dass die Hinterlegungsverständigung übersehen wurde.

 

 

III.            

 

1. Gemäß § 71 Abs. 1 AVG kann gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werden, wenn:

1.   die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2.   die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

 

§ 17 Abs. 1 Zustellgesetz (in der Folge: ZustG) normiert: Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

 

Gemäß § 17 Abs. 2 ZustG ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

 

Gemäß § 17 Abs. 3 ZustG ist das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

 

Gemäß § 17 Abs. 4 ZustG ist die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung auch dann gültig, wenn die im § 17 Abs. 2 ZustG genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

 

Gemäß § 49 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz kann der Beschuldigte binnen zwei Wochen nach Zustellung der Strafverfügung schriftlich oder mündlich Einspruch erheben.

 

2. Zunächst ist festzuhalten, dass die in Rede stehende Strafverfügung dem Bf nicht persönlich zugestellt werden konnte, weshalb eine Verständigung über die Hinterlegung (mit Beginn der Abholfrist am 29. Jänner 2015) an der Abgabestelle hinterlassen wurde. Darauf war als Abholpostamt S.-P. angeführt, nicht wie vorgebracht L.. Aufgrund der öffentlichen Verhandlung ergaben sich keine Hinweise darauf, dass die Verständigung nicht an der Abgabestelle hinterlassen worden wäre. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass die ortsanwesenden Bf und seine Frau die Verständigung bei der Kontrolle bzw. Öffnung der Post übersahen.

 

Laut § 17 ZustG ist somit die Zustellung der Sendung durch Hinterlegung mit Wirksamkeit 29. Jänner 2015 erfolgt, wodurch die zweiwöchige Rechtsmittelfrist im Sinn des § 49 VStG ausgelöst wurde. Die in Rede stehende Strafverfügung erwuchs sohin mit Ablauf des 12. Februar 2015 in Rechtskraft

 

3. Unbestritten ist, dass der Bf binnen der 14-tägigen Einspruchsfrist kein Rechtsmittel gegen die Strafverfügung erhob.

 

Bedingung für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wäre nach § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG, dass der Bf durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der Einhaltung der Frist gehindert worden wäre und ihn zudem kein oder nur ein minderer Grad des Verschuldens träfe.

 

Nun kann es aber – nach ständiger Rechtsprechung – nicht als unvorhergesehen oder als unabwendbar qualifiziert werden, bei der Durchsicht der Post eine Hinterlegungsverständigung nicht wahrzunehmen und dadurch mangels Kenntnis eine Rechtsmittelfrist verstreichen zu lassen. Es ist bei der Durchsicht der Post eine besondere Sorgfalt an den Tag zu legen, die gerade Derartiges vermeiden soll. Die Außerachtlassung dieser Sorgfalt muss als nicht minderes Verschulden angesehen werden, weshalb sich der Bf im vorliegenden Fall nicht zutreffend auf § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG berufen kann.

 

4. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden war.

 

 

IV.          Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Bernhard Pree