LVwG-300614/7/Bm/SA

Linz, 25.08.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Maga. Michaela Bismaier über die auf das Strafausmaß beschränkte Beschwerde des Herrn D. R., vertreten durch Rechtsanwalt Mag. P. B., x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 9.10.2014, Ge96-91-1-2013, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ASchG nach öffentlicher mündlicher Verhandlung und Verkündung der Entscheidung am 29.7.2015,

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insofern Folge gegeben, als die hinsichtlich der Fakten 1. bis 4. verhängten Geldstrafen auf jeweils 1.000 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen auf jeweils 36 Stunden herabgesetzt werden.

 

 

II.      Der Kostenbeitrag zum behördlichen Verwaltungsstrafverfahren wird mit jeweils 100 Euro (10% der nunmehr festgesetzten Geldstrafe) bestimmt. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

Zu I. und II.:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 9.10.2014, Ge96-91-1-2013, wurden über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) hinsichtlich der Fakten 1. bis 4. Geldstrafen von jeweils 2.000 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von 72 Stunden, wegen Verwaltungsübertretungen gemäß § 130 Abs. 5 Z 1 und § 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG sowie §§ 7 bis 10 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, verhängt.

 

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretungen zu verantworten:

 

1., 2., 3. und 4. (pro Arbeitnehmer eine Tat):

 

Als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener der F. Gesellschaft m.b.H. mit Sitz in x und in Ermangelung der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des ArblG haben Sie folgende Verwaltungsübertretungen dieser GmbH zu verantworten:

 

Das Arbeitsinspektorat Wels stellte anläßlich einer Baustellenüberprüfung am 25.07.2013 in x (Baustelle L. S.) durch eigene Wahrnehmung fest und dokumentierte photographisch, dass diese Firma dort als Arbeitgeberin die Arbeitnehmer

- M. K.

- A. K.

- T. I.

- A. A.

 

unter folgenden Bedingungen (die einen unter § 87 Abs. 2 BauV einzuordnenden Sachverhalt darstellen):

 

o   die Dachneigung betrug 2° (und fällt somit in die Klassifizierung 'bis zu 20°') und

o  die Absturzhöhe betrug ca. 10,0 m (und fällt somit in die Klassifizierung 'mehr als 3,0 m') –

bei Dacharbeiten (Aufbringung der Dachisolierung) einsetzte und nicht dafür sorgte, dass dort Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß den §§ 7 bis 10 der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) vorhanden waren.

 

[Die dort gespannten Ketten in unmittelbarer Nähe der Be- und Entladestelle, das Absperrband zur angrenzenden, ungesicherten Geschoßdecke und die angebrachten Holzlatten (die im Firstbereich lediglich in einer Höhe von ca. 50 cm angebracht waren) auf den eingebohrten Absperrspitzen (Steherabstand ca. 3,7 m) genügen den rechtlichen Vorgaben nicht.]“

 

2. Dagegen wurde vom Bf durch seine anwaltliche Vertretung innerhalb offener Frist Beschwerde eingebracht und nach Zitierung der gegenständlich wesentlichen  Bestimmungen der BauV ausgeführt, dass bei gegenständlichem Bauvorhaben im Bereich eines mehrere tausend Quadratmeter aufweisenden Flachdaches durch die F. GmbH fortschreitend Wärmedämmmaterial samt Oberflächenabdichtung aufzubringen gewesen sei, dies in einer Materialstärke von in etwa 40 cm, wobei die Arbeiten sukzessive und nur abschnittsweise durchgeführt worden seien. Entsprechend der maßgeblichen Bestimmung des § 8 BauV müsste die Oberkante von Brustwehren in voller Länge mindestens 1 m über der Standfläche liegen, wobei die Erstbehörde die Tatsache, dass diese Mindesthöhe nicht eingehalten worden sei, durch die vom Arbeitsinspektorat in Vorlage gebrachte „Fotostrecke“, welche zu niedrig angebrachte Holzplatten zeigen sollen, als gegeben erachte. Diese Schlussfolgerung sei unzutreffend, zumal aus den Lichtbildern keine zu niedrige Anbringung von Holzplanken belegt werde, insbesondere zeige Lichtbild 2, dass – unter Bedachtnahme darauf, dass auf der Aufnahme nicht waagrecht sondern die Höhenverhältnisse verzerrend von oben nach unten erstellt worden sei – sich die Oberkante der Holzplanke immer noch im Bereich über dem Ellbogen der dort aufgenommenen Person befinde. Aus den Lichtbildern lasse sich somit mit der für ein Strafverfahren gebotenen Sicherheit in keiner Weise belegen oder erkennen, dass die Oberkanten der Brustwehren nicht mindestens 1 m über der Standfläche angebracht gewesen seien und erscheine in diesem Umfang der erhobene Strafvorwurf als nicht gerechtfertigt. Weiters sei anzumerken, dass zum Zeitpunkt der Aufnahme der Lichtbilder im darauf erkennbaren Dachaußenbereich die Arbeiten bereits vollständig abgeschlossen und folglich unsere Dienstnehmer dort auch nicht mehr tätig gewesen seien, dessen ungeachtet aber die Brustwehren konkret nach wie vor 1 m über Standfläche angebracht gewesen seien.

 

Aus dem Lichtbild 3 würden sich zunächst nicht nur gespannte Absperrketten, sondern darüber hinaus weitere, gelöste und auf dem Boden liegende Ketten erkennen lassen, die offensichtlich der weiterführenden Absperrung dieses Bereiches dienten, welche Ketten aber zum Zeitpunkt nicht entsprechend eingehängt gewesen seien. Auch dieser Bereich sei bereits abschließend bearbeitet worden, sodass sich die Mitarbeiter in diesem nur dann aufgehalten haben, wenn über den Kran Material auf das Dach verbracht worden sei, wobei dann hiezu die bestehenden Absperrungen zu lösen und entsprechend § 30 BauV der diesen Bereich betretende Mitarbeiter sich mittels persönlicher Schutzausrüstung anzuseilen habe.

 

Es werde daher der Antrag gestellt, das Landesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid beheben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren betreffend des Vorwurfes  ungenügend hergestellter Absturzsicherungen im Sinne des § 8 BauV gemäß § 42 VStG einer Einstellung zuführen und hinsichtlich des Vorwurfes, dass der für Abgrenzungen vorgesehene Abstand von 2 m teilweise nicht eingehalten wurde, eine Milderung der ausgesprochenen Geldstrafe vornehmen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land als belangte Behörde hat die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht (LVwG) vorgelegt.

 

4. Das LVwG hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Durchführung einer mündlichen Verhandlung, an der der Bf und sein Rechtsvertreter sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates Wels teilgenommen haben und gehört wurden.

Als Zeuge wurde einvernommen Herr Ing. Mag. P. H., Arbeitsinspektorat Wels.

 

5. Hierüber hat das LVwG erwogen:

 

5.1. Gemäß § 150 Abs. 5 Z 1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 bis 8.324 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 bis 16.659 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in

1.   den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwider handelt.

 

Nach § 87 Abs. 2 BauV müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20 Grad und einer Absturzhöhe von mehr als 3 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 vorhanden sein.

 

Gemäß § 19 Abs.1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

5.2. Die Bestimmungen des ASchG bzw. der auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnungen haben den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer zum Ziel und sind daher entsprechende Verstöße mit einem besonderen Unrechtsgehalt der Tat behaftet, weil hierdurch genau jene Gefährdungen herbeigeführt werden, denen die genannten Bestimmungen entgegen wirken sollen.

 

Von der belangten Behörde wurden im angefochtenen Straferkenntnis über den Bf hinsichtlich vier Arbeitnehmer (vier Fakten) Geldstrafen von je 2.000 Euro bei einem Strafrahmen von 166 Euro bis 8.324 Euro verhängt. Als strafmildernd wurde die lange Verfahrensdauer gesehen, als erschwerend der Einsatz von mehreren (vier) Arbeitnehmern unter unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen. Bei der Strafbemessung wurde von den Angaben des Bf zu den persönlichen Verhältnissen, nämlich ein monatliches Nettoeinkommen von 3.000 Euro und Sorgepflichten, ausgegangen. Festzuhalten ist, dass sich die verhängten Geldstrafen grundsätzlich im unteren Bereich des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens, der bis zu 8.324 Euro reicht, bewegen.

Dennoch sieht sich das LVwG veranlasst, die Geldstrafen herabzusetzen, da im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens der im Straferkenntnis enthaltene Vorwurf der nicht genügenden Absicherung des Daches durch Holzlatten nicht mit einer für das Strafverfahren erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden konnte.

Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG liegen nicht vor, da schon die kumulativ erforderliche Voraussetzung der geringen Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes für die Verwaltungsübertretungen nicht gegeben ist.

 

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

 

6. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten ist in den zitierten Gesetzes­stellen begründet.

 

 


 

Zu III.: Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwal­tungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

H i n w e i s

 

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

H i n w e i s

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.

 

 

 


 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Mag. Michaela Bismaier