LVwG-780039/5/BP/SA

Linz, 25.08.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bernhard Pree über die Maßnahmenbeschwerde des R. F., geb. x, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. D. H., xstraße 23, W. vom 17. Juli 2015, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zurechenbare Polizeiorgane in Form erkennungsdienstlicher Behandlung am 19. Juni 2015, den

 

 

B E S C H L U S S

 

gefasst:

 

I.          Gemäß § 31 VwGVG wird die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen

 

II.         Der Kostenersatzantrag des Beschwerdeführers wird abgewiesen. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmannschaft Linz-Land) gemäß § 35 Abs 1 und 6 VwGVG iVm § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl II Nr 51/2013, die Kosten in Höhe von 426,20 Euro (Vorlageaufwand, und Schriftsatzaufwand) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

III.        Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.              

 

1. Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2015, eingelangt beim
Oö. Landesverwaltungsgericht am 20. Juli 2015, erhob der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) durch dessen rechtsfreundliche Vertreterin Maßnahmen-beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 19. Juni 2015 in Form erkennungsdienstlicher Behandlung durch der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zurechenbare Polizeiorgane.

 

In der Beschwerde wird ua. zunächst zum Sachverhalt wie folgt ausgeführt:

Der Beschwerdeführer war am 14.6.2015 gegen 0:30 Uhr in dem in T. ansässigen P. C. zu Gast, wo er - wie auch andere Gäste - im Laufe des Abends zweimal von einem anderen Gast angerempelt worden war. Da der Beschwerdeführer keinen Streit wollte, ignorierte er dieses Verhalten des anderen Gastes, jedoch wurde er, kurz bevor er das Lokal verlassen wollte und sich gerade noch an einem im Freien aufgestellten Stehtisch befand, vom besagten Gast offenbar als Opfer auserkoren, da dieser, als er aus dem Lokal trat, zielstrebig auf den Beschwerdeführer zuging und diesem - für ihn völlig unerwartet und unvorbereitet - einen Faustschlag gegen die rechte Gesichtshälfte versetzte, wodurch der Beschwerdeführer zu Boden ging und hiedurch auch seine neben ihm stehende Lebensgefährtin fast zu Sturz kam.

 

(...)

 

Für den 19.6.2015 war die Einvernahme des Beschwerdeführers zum gegenständlichen Vorfall vor der Polizeiinspektion Traun geplant. Diesen Termin nahm der Beschwerdeführer ohne rechtsfreundliche Vertretung wahr, da er davon ausging, dass dies nicht erforderlich sein werde und er als Opfer und Zeuge einvernommen werden wird.

 

Dem war jedoch nicht so, denn, wie ihm die zuständige Polizeibeamtin, Frau Insp. F., am 19.6.2015 berichtete, würde auch der Angreifer eine Verletzung behaupten, wobei es jedoch bereits Zeugeneinvernahmen gebe, die die Schilderung des Beschwerdeführers zum Tathergang bestätigen, jedoch müsse der Beschwerdeführer - nach den ihm erteilten Informationen - folglich der Angaben des Gegners routinemäßig auch als Beschuldigter einvernommen werden und obliege es - wie bei einem Verkehrsunfall - in weiterer Folge dann der Staatsanwaltschaft, zu beurteilen, gegen wen ein Verfahren abzuführen bzw. einzustellen sein werde, und war diese Erklärung für den Beschwerdeführer auch noch nachvollziehbar.

 

Nach der Einvernahme wurde über den Beschwerdeführer jedoch auch noch eine erkennungsdienstliche Behandlung angeordnet bzw. im Anschluss daran durchgeführt, wobei von ihm Lichtbilder angefertigt und ihm die Fingerabdrücke abgenommen wurden.

 

In diesem Zusammenhang wurde der Beschwerdeführer jedoch vorab von den/dem ihn einvernehmenden Polizeiorgan nicht darüber informiert, in welchen im § 65 SPG vorgesehenen Fällen, die dem Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt auch nicht bekannt waren, eine solche erkennungsdienstliche Behandlung überhaupt durchzuführen ist oder es hiefür eines rechtswirksamen Bescheid der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde bedarf, denn dem Beschwerdeführer wurde diesbezüglich nur mitgeteilt, dass dies nach der Einvernahme durchgeführt wird, eine erkennungsdienstliche Behandlung zur Beschuldigteneinvernahme dazu gehört und jetzt erfolgen wird, woraufhin der Beschwerdeführer in die hiefür vorgesehene Räumlichkeit geleitet wurde, wo er die erkennungsdienstliche Behandlung zwangsläufig über sich ergehen lassen musste.

 

Hätte man dem Beschwerdeführer vorab jene Fälle, hinsichtlich derselben eine er-kennungsdienstliche Behandlung überhaupt gesetzlich vorgesehen ist, zur Kenntnis gebracht bzw. hätte er eine Belehrung dahingehend erhalten, dass er diese verweigern kann und dann die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde einen (bekämpfbaren) Bescheid zu erlassen hat, womit über die Durchführung einer solchen erkennungsdienstlichen Behandlung entschieden werden wird und dem Beschwerdeführer diesbezüglich dann noch die Erhebung einer Beschwerde an den VwGH offen stehen würde, hätte der Beschwerdeführer keinesfalls eine erkennungsdienstliche Behandlung über sich ergehen lassen, hätte eine solche jedenfalls verweigert und lag auch keine Einwilligung des Beschwerdeführers in die Durchführung derselben vor, sodass auch kein Akt der Freiwilligkeit vorliegt.

 

Nachdem somit keine Gründe für die jedoch - aus Sicht des Beschwerdeführers rechtswidrig - erfolgte erkennungsdienstliche Behandlung des Beschwerdeführers gegeben waren und auch kein rechtswirksamer Bescheid der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde hiefür existierte, die erkennungsdienstliche Behandlung des Beschwerdeführers einfach seitens der zuständigen Beamten angeordnet wurde und dem Beschwerdeführer auch keine Rechtsbelehrung dahingehend, in welchen Fällen eine solche erfolgen dürfe, zu Teil wurde, ihm daher keine andere Möglichkeit blieb, als die zwangsweise angeordnete, erkennungsdienstliche Behandlung über sich ergehen zu lassen, liegt daher ein Fall der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt vor.

 

Der gegenständliche Akt behängt bei der Polizeiinspektion Traun zur GZ B6 10539/2015 und wird dessen Beischaffung zum Beweis der rechtswidrig und zum Nachteil des Beschwerdeführers durchgeführten erkennungsdienstlichen Behandlung beantragt, Der Abschlussbericht liegt bislang nach nicht vor.

 

(...)

 

ANTRÄGE:

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge

a) gem. § 28 Abs. 6 VwGVG den angefochtenen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, nämlich die erkennungsdienstliche Behandlung des Beschwerdeführers vom 10.6.2015 durch Polizeiorgane der Polizeiinspektion Traun, für rechtswidrig erklären und die Löschung bzw. Vernichtung der am 19.6.2015 vom Beschwerdeführer angefertigten Lichtbilder bzw. Fingerabdrücke anordnen,

 

b) gem. § 35 VwGVG erkennen, dass die belangte Behörde schuldig ist, die dem Beschwerdeführer durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren entstandenen Kosten im gesetzlichen Ausmaß zu Händen seiner ausgewiesenen Rechtsvertreterin binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Die o. a. Anträge begründet der Beschwerdeführer, wie folgt:

 

(...)

 

b) Weiters liegt eine Rechtswidrigkeit hinsichtlich der Ausübung der verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt vor, da § 65 Abs. 1 SPG die Sicherheitsbehörden zwar ermächtigt, Menschen, die im Verdacht stehen, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, unter weiteren Voraussetzungen erkennungsdienstlich zu behandeln, wobei diese Befugnis der sicherheitspolizeilichen Zielsetzung der Vorbeugung der Begehung weiterer gefährlicher Angriffe dient (vgl. Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, Kommentar, 4. Auflage, Seite 693 Anm. 2-4), jedoch ist nach der Rechtslage die Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung zusätzlich zu dem Verdacht einer mit Strafe bedrohten Handlung an weitere, hinzukommende Voraussetzungen, nämlich, dass der Verdächtige entweder im Rahmen einer „kriminellen Verbindung" tätig geworden sein könnte oder die erkennungsdienstliche Behandlung sonst auf Grund der Art oder der Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Verdächtigen zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich erscheint (vgl. das Erkenntnis des VfGH vom 20.9.2011,8 924/11), geknüpft.

 

(...)

 

2. Mit Schreiben vom 5. August 2015 wurde die belangte Behörde zur Aktenvorlage bis spätestens 25. August 2015 aufgefordert und ihr die Möglichkeit eingeräumt innerhalb derselben Frist eine Gegenschrift zu erstatten.

 

3. Mit Schreiben vom 12. August 2015 übermittelte die belangte Behörde den in Rede stehenden Verwaltungsakt und erstattete folgende Gegenschrift:

 

Aus dem Abschlussbericht der PI Traun ergibt sich, dass der Beschwerdeführer einer Straftat nach dem StGB verdächtig war, weil er am 14.06.2015 gegen 01:20 Uhr an der xstraße in T., vor dem Lokal „P. C." im Rahmen einer Auseinandersetzung, bei der er angegriffen und selbst verletzt worden sei, sein Gegenüber verletzt habe. Die Organe der PI Traun schritten zur Aufklärung des Sachverhaltes auf Grundlage der Strafprozessordnung ein und führten im Zuge dessen u.a. acht Zeugen-sowie zwei Beschuldigteneinvernahmen durch.

 

Auch die erkennungsdienstliche Behandlung des Beschwerdeführers erfolgte aufgrund der StPO und damit im Dienste der Strafrechtspflege. Dass (auch) ein Einschreiten im Rahmen des SPG erfolgt wäre, ist hingegen nicht ersichtlich. Da zur Kontrolle von Akten der Kriminalpolizei nach der dzt. Rechtslage die ordentlichen Gerichte berufen sind, erweist sich die vom Beschwerdeführer eingebrachte Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form rechtswidriger erkennungs-dienstlicher Behandlung aus Sicht der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als unzulässig.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land stellt daher die

 

Anträge,

 

- das Oö. Landesverwaltungsgericht möge gemäß § 28. Abs. 2 VwGVG die Beschwerde als unzulässig zurückweisen, sowie

- gemäß § 1 VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl II 2013/517 folgenden Kostenersatz zusprechen:

 

Vorlageaufwand € 57,40

Schriftsatzaufwand € 368,80

ggf. Verhandlungsaufwand € 461.00

  € 887,20

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen. Da sich daraus schon der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergab, im vorliegenden Fall lediglich Rechtsfragen zu klären waren und im Übrigen kein darauf gerichteter Parteienantrag besteht, konnte auf die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung verzichtet werden.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt I.1. dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt aus.

 

 

II.

 

Aufgrund der völlig klaren Beweislage erübrigt sich eine weiterführende Beweiswürdigung.

 

 

III.

 

1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit.

 

Nach Art. 132 Abs. 2 B-VG kann gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 VwGVG ist, sofern die Rechtssache nicht zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gehört, in Rechtsachen in den Angelegenheiten, in denen die Vollziehung Landessache ist, das Verwaltungsgericht im Land zuständig.

 

Nach Abs. 2 Z. 2 richtet sich im Übrigen die örtliche Zuständigkeit in Rechtssachen, die nicht zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gehören, in den Fällen des Art 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG nach dem Ort, an dem die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt begonnen wurde, wenn diese jedoch im Ausland ausgeübt wurde, danach, wo das ausübende Organ die Bundesgrenze überschritten hat.

 

Nach § 7 Abs. 4 Z. 3 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG sechs Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 2 B-VG mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, wenn er aber durch diese behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, mit dem Wegfall dieser Behinderung.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde zu enthalten:

1.    die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,

2.    die Bezeichnung der belangten Behörde,

3.    die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4.    das Begehren und

5.    die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

 

Nach Abs. 2 Z. 2 leg. cit. ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG jene Behörde, der die Ausübung unmittelbarer verwaltungs-behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zuzurechnen ist.

 

Gemäß Abs. 4 tritt bei Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG an die Stelle der Bezeichnung der belangten Behörde, soweit dies zumutbar ist, eine Angabe darüber, welches Organ die Maßnahme gesetzt hat.

 

Gemäß § 12 sind bis zur Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht die Schriftsätze bei der belangten Behörde einzubringen. Dies gilt nicht in Rechtssachen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG.

 

Nach § 22 Abs. 1 VwGVG haben Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG keine aufschiebende Wirkung. Das Verwaltungsgericht hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen mit dem Andauern der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Nach Abs. 6 hat das Verwaltungsgericht, wenn im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.

 

2.1. Der Bf wurde am 19. Juni 2015 im Anschluss an eine Beschuldigtenvernehmung wegen eines mutmaßlichen Delikts nach dem StGB (Körperverletzung) erkennungsdienstlich behandelt und ihm dabei Fingerabdrücke abgenommen.

 

Die Beschwerde wurde mit Schriftsatz vom 17. Juli 2015 erhoben und ist daher

rechtzeitig.

 

3.1. Gemäß § 1 Abs 2 Strafprozessordnung – StPO, BGBl Nr 631/1975 zuletzt geändert durch BGBl I Nr 71/2014, beginnt das Strafverfahren, sobald Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zur Aufklärung eines Anfangsverdachts (§ 1 Abs 3 StPO) nach den Bestimmungen des 2. Teils der StPO ermitteln; es ist solange als Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Täter oder die verdächtige Person zu führen, als nicht eine Person auf Grund bestimmter Tatsachen konkret verdächtig ist, eine strafbare Handlung begangen zu haben (§ 48 Abs 1 Z 2), danach wird es als Ermittlungsverfahren gegen diese Person als Beschuldigten geführt. Das Strafverfahren endet durch Einstellung oder Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft oder durch gerichtliche Entscheidung.

 

Gemäß § 1 Abs 3 StPO liegt ein Anfangsverdacht vor, wenn auf Grund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass eine Straftat begangen worden ist.

 

Gemäß § 18 Abs 1 StPO besteht die Kriminalpolizei in der Wahrnehmung von Aufgaben im Dienste der Strafrechtspflege (Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG).

 

Gemäß § 18 Abs 2 StPO obliegt den Sicherheitsbehörden die Kriminalpolizei, deren Organisation und örtliche Zuständigkeit sich nach den Vorschriften des Sicherheitspolizeigesetzes über die Organisation der Sicherheitsverwaltung richten.

 

Gemäß § 18 Abs 3 StPO versehen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (§ 5 Abs 2 SPG) den kriminalpolizeilichen Exekutivdienst, der in der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten nach den Bestimmungen dieses Gesetzes besteht.

 

Gemäß § 106 Abs 1 StPO steht jeder Person Einspruch an das Gericht zu, die behauptet, im Ermittlungsverfahren durch Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil

• ihr die Ausübung eines Rechtes nach diesem Gesetz verweigert oder

• eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde.

 

Gemäß § 106 Abs 3 StPO ist der Einspruch binnen sechs Wochen ab Kenntnis der behaupteten Verletzung in einem subjektiven Recht bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. In ihm ist anzuführen, auf welche Anordnung oder welchen Vorgang er sich bezieht, worin die Rechtsverletzung besteht und auf welche Weise ihm stattzugeben sei. Sofern er sich gegen eine Maßnahme der Kriminalpolizei richtet, hat die Staatsanwaltschaft der Kriminalpolizei Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

 

3.2. Nun ergibt sich aber aus dem Verfahrensakt eindeutig, dass die einschreitenden Polizeiorgane die erkennungsdienstliche Behandlung im Rahmen der Strafrechtspflege (Beschuldigtenvernehmung) durchführten. Dieser Umstand wurde im Übrigen auch vom Bf selbst so wahrgenommen.

 

Entsprechend der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (17 Os 13/13k v 27.6.2013) beginnt das Strafverfahren, „sobald Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zur Aufklärung des Verdachts einer Straftat gegen eine bekannte oder unbekannte Person ermitteln (...) Ermitteln bedeutet also: Tätigwerden aufgrund eines zur Kenntnis gebrachten Sachverhalts“.

 

Die Änderung des § 1 StPO, wonach das Strafverfahren beginnt, sobald Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zur Aufklärung eines Anfangsverdachts (...) ermitteln, trat am 1. Jänner 2015 in Kraft. Abs 3 dieser Bestimmung stellt klar, dass ein Anfangsverdacht vorliegt, wenn angenommen werden kann, dass eine Straftat begangen – also objektiv vollendet – worden ist.

Anders als die Abwehr allgemeiner Gefahren nach dem SPG mit deren inhärentem Präventivcharakter (vgl VwGH 24.2.2004, 2002/01/0280), stellt die StPO auf das Vorliegen (des Verdachts) einer bereits vollendeten Straftat und deren Bestrafung ab.

 

Insofern gelangt das Oö. Landesverwaltungsgericht zur Überzeugung, dass es sich im verfahrensgegenständlichen Prüfbereich um Handlungen, die Organe der Sicherheitsbehörden im Rahmen eines aufrechten Strafprozesses (§ 1 Abs 2 StPO) durchgeführt haben, handelt.

 

3.2. Personen, die behaupten, in einem derartigen Ermittlungsverfahren in subjektiven Rechten verletzt worden zu sein, steht gemäß § 106 StPO binnen einer Frist von sechs Wochen ab Kenntnis der behaupteten Rechtsverletzung Einspruch an das Gericht zu (vgl VwGH 15.3.2012, 2012/01/0004 im Umkehrschluss).

 

Eine Maßnahmenbeschwerde an das Landesverwaltungsgericht ist dagegen nicht zulässig, denn sowohl Handlungen der Kriminalpolizei ohne Anordnung der Staatsanwaltschaft oder richterlichen Beschluss, als auch Handlungen der Kriminalpolizei mit Anordnung der Staatsanwaltschaft oder richterlichen Beschluss sind im Wege des Einspruches mit Rechtsschutz versehen

(s grundlegend Goliasch, Einspruch wegen Rechtsverletzung nach § 106 StPO, JAP 2014/2015/7 mwN).

 

Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern dass mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 2015, G 233/2014, in § 106 Abs. 1 StPO die Wortfolge „Kriminalpolizei oder“ als verfassungswidrig erkannt und aufgehoben wurde, zumal das Höchstgericht in diesem Erkenntnis als Reparaturfrist den 31. Juli 2016 festlegt. Für bis zu diesem Zeitpunkt anhängigen Fällen ist § 106 StPO in der Fassung vor der Aufhebung anzuwenden und verfassungsrechtlich immunisiert. 

 

4.1. Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nach der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen und hierbei physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl. VwGH 29.6.2000, 96/01/0596 mwN und unter Hinweis auf die Lehre). Entscheidend ist dabei, dass es sich um einen Hoheitsakt einer Verwaltungsbehörde handelt, mit dem in die Rechte von individuellen natürlichen oder juristischen Personen eingegriffen wird, ohne dass ein Bescheid erlassen wird (vgl. Köhler in Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 45 f zu § 129a B-VG).

 

4.2. Im vorliegenden Fall behauptet der Bf durch die ungerechtfertigte erkennungsdienstliche Behandlung am 19. Juni 2015 in seinen Rechten verletzt worden zu sein.

 

Wie sich aber aus der Beschwerde ergibt, fügte sich der Bf der – wie ihm mitgeteilt wurde – routinemäßigen erkennungsdienstlichen Behandlung im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung nach der StPO. Dass hier physischer Zwang ausgeübt oder angedroht worden wäre, behauptet der Bf selbst nicht. Dass er – wie er anmerkt – bei entsprechender Aufklärung von Seiten der Beamten – die erkennungsdienstliche Behandlung abgelehnt haben würde, ist nicht dazu geeignet, diese als zum Zeitpunkt 19. Juni 2015 als Maßnahme der Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren, da zu diesem Zeitpunkt der Bf davon ausging, dass es sich um eine routinemäßige Maßnahme handeln würde und er sich deshalb den Anordnungen der Beamten fügte.

 

Es mangelt daher aber auch aus diesem Grund schon am Vorliegen einer Maßnahme verwaltungsbehördlicher  Befehls- und Zwangsgewalt.

 

5. Die vorliegende Maßnahmenbeschwerde war daher im Ergebnis unter Spruchpunkt I. als unzulässig zurückzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

6.1. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG) obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

 

Nach Abs. 2 ist der Beschwerdeführer die obsiegende Partei und die Behörde die unterlegene Partei, wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird.

 

Nach Abs. 6 ist die Behörde die obsiegende Partei und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei, wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird.

 

Gemäß Abs. 7 ist Aufwandersatz auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

 

Gemäß § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl II Nr 51/2013, wird die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art 130 Abs 2 Z 1

B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wie folgt festgesetzt:

(...)

3. Ersatz des Vorlageaufwandes der belangten Behörde als obsiegende Partei:   57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwandes der belangten Behörde als obsiegende Partei: 368,80 Euro

(...)

 

6.2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren war der Verfahrensaufwand der obsiegenden Behörde mit insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand, und Schriftsatzaufwand) festzusetzen und dem Bf der Kostenersatz zugunsten des Bundes aufzutragen, zumal die Beschwerde abgewiesen wurde.

Analog dem § 59 Abs. 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 35 VwGVG nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann.

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art.133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. des Verfassungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Bernhard Pree