LVwG-300080/3/WG

Linz, 13.01.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Wolfgang Weigl über die Beschwerde des x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 2. Dezember 2013, GZ Ge96-32-2013, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens   

 

zu Recht  e r k a n n t:

 

I. Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. 

 

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Das x wendet sich mit Berufung gegen die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding (im Folgenden: belangte Behörde) vom 2. Dezember 2013, GZ Ge96-32-2013, verfügte Einstellung eines gegen x wegen Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes iVm der Elektroschutzverordnung (ESV) eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens.

I. Auf Grund des vorgelegten Verwaltungsaktes und nach Wahrung des Parteiengehörs steht folgender Sachverhalt fest:

1.           x ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der x mit Sitz in x. x, ein Dachdeckerlehrling der x, war am 30. Juli 2013, 13:30 Uhr auf der Baustelle x, am Dach mit der Montage eines Schneefanges beschäftigt. Bei diesem Vorgang kam er mit dem Ende einer Stange in dem Bereich der 30-KV-Leitung und erlitt einen Stromschlag. x wurde bei diesem Arbeitsunfall verletzt (Strafantrag des AI vom 29. Juli 2013).

 

2.           Das Arbeitsinspektorat x brachte diesen Vorfall mit Eingabe vom 29. Juli 2013 bei der belangten Behörden zur Anzeige und beantragte gegen den Verantwortlichen der x eine Verwaltungsstrafe nach § 14 Abs. 1 Elektroschutzverordnung (ESV) in Verbindung mit § 130 Abs. 5 Z 19 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz in der Höhe von € 3000 zu verhängen.

 

3.           Die belangte Behörde leitete gegen x ein Verwaltungsstrafverfahren ein. Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens bildete der Vorwurf, x habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der x zu verantworten, dass nicht dafür gesorgt worden sei, dass in der Nähe von unter Spannung stehenden Teilen mit Nennspannungen über 50 V Wechselspannung oder 120 V Gleichspannung nur dann gearbeitet wird, wenn durch geeignete Maßnahmen nach den anerkannten Regeln der Technik sichergestellt ist, dass Arbeitnehmer die unter Spannung stehenden Teile nicht berühren können und nicht mit Körperteilen oder Gegenständen in gefährliche Bereiche eindringen können (Aufforderung zur Rechtfertigung vom 26. August 2013, Verwaltungsübertretung nach § 14 Abs 1 ESV).

 

4.           Gleichzeitig ermittelte die Staatsanwaltschaft Ried gegen x wegen fahrlässiger Körperverletzung und übermittelt ihm mit Schreiben vom  5. November 2013, GZ 30 BAZ 682/13t-1 eine „Mitteilung an den Beschuldigten vom möglichen Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages im Sinn des § 200 Abs. 4 StPO wegen: § 88 (1,4) 1. Fall StGB“. Bezugnehmend auf eine Anzeige des x vom 7. August 2013 und einen Bericht der Polizeiinspektion x führt die Staatsanwaltschaft darin aus: „Laut Inhalt dieses Berichtes haben Sie am 30. Juli 2013 in x, x fahrlässig am Körper verletzt, indem Sie, unter Außerachtlassung der gebotenen Aufmerksamkeit und Sorgfalt, es als Verantwortlicher der Firma x unterlassen haben, für die ordnungsgemäße Absicherung der Baustelle, insbesondere im Hinblick auf die vorbeiführende, im Einreichplan ersichtlich eingetragene 30-KV-Hochspannungsleitung, Sorge zu tragen, wodurch in der Folge x, bei Durchführung der Dachdeckerarbeiten in den Stromkreis gelangt ist, wobei er schwere Verletzungen erlitten hat, und dadurch das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4, 1. Fall StGB begangen. Es ist beabsichtigt, wegen dieses Tatvorwurfes bei Gericht Anklage gegen sie einzubringen. Das würde aber unterbleiben, wenn sie folgenden Geldbetrag bezahlen: € 1540“ x entrichtete den verlangten Geldbetrag, woraufhin die Staatsanwaltschaft gemäß § 200 Abs 5 StPO von der Verfolgung zurücktrat.

 

5.           Die belangte Behörde sah in weiterer Folge mit Bescheid vom 2. Dezember 2013, GZ Ge96-32- 2013, von der Fortführung des eingeleiteten Strafverfahrens ab und verfügte gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG die Einstellung des Strafverfahrens wegen des Arbeitsunfalles vom 30. Juli 2013. Die Behörde begründete dies mit dem Doppelbestrafungsverbot iSd  Art. 4 Abs. 1 7. Zusatzprotokoll der EMRK.

 

6.           Dagegen richtet sich die Berufung des x vom 12. Dezember 2013. Das Arbeitsinspektorat führt darin aus, dass bei Zahlung eines Geldbetrages und damit erwirktem Rücktritt von der Verfolgung das Doppelbestrafungsverbot nicht zum Tragen komme und daher kein Grund bestehe das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. Das AI stellte keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

 

7.           Die belangte Behörde legte den Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oö. zur Entscheidung vor. Mit 1. Jänner 2014 trat das Landesverwaltungsgericht Oö. an die Stelle des UVS.

 

8.           x beantragte mit Eingabe vom 3. Jänner 2014 die Abweisung der Berufung und legte dem Landesverwaltungsgericht die Verständigung der STA über den Rücktritt von der Verfolgung vor.

II. Beweiswürdigung

9.           Die zu Pkt 1 bis 8 getroffenen Feststellungen beschränken sich im auf eine Wiedergabe des Verfahrensablaufes und des Parteivorbringens. x hat den von der STA verlangten Geldbetrag unstrittig bezahlt. Die  STA  ist von der Verfolgung zurückgetreten. (s. Pkt 5.).

III. Rechtliche Beurteilung

10.        Die Berufung des AI richtet sich an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich. Mit 1. Jänner 2014 trat das Landesverwaltungsgericht Oö. an die Stelle des Unabhängigen Verwaltungssenates. Die Berufung gilt als Beschwerde iSd Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG, über die das Landesverwaltungsgericht zu entscheiden hat (vgl § 3 Verwaltungsgerichtsbarkeit-Übergangsgesetz).

 

11.        Da das AI letztlich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht, war gem § 44 Abs 3 Z 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) keine mündliche Verhandlung erforderlich.

 

12.        Eine gesetzliche Strafdrohung widerspricht dann dem Art. 4 des 7. ZPEMRK, wenn sie den wesentlichen Gesichtspunkt ("Aspect") eines Straftatbestandes, der bereits Teil eines von den Strafgerichten zu ahndenden Straftatbestandes ist, neuerlich einer Beurteilung und Bestrafung durch die Verwaltungsbehörden unterwirft (vgl. VwGH vom 14.11.1997, Gz. 97/02/0328, VwGH vom 13.12.2000, Gz. 2000/03/0270 uva). Die in § 200 StPO vorgesehene diversionelle Maßnahme (Zahlung eines Geldbetrages) kann nach dem Konzept des Art. 4 7. ZPEMRK die Wirkung einer rechtskräftigen Verurteilung wegen der strafbaren Handlung herstellen (vgl. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Thienel und Univ.-Ass. Dr. Herwig Hauenschild, Wien, Verfassungsrechtrechtliches "ne bis in idem" und seine Auswirkung auf das Verhältnis von Justiz- und Verwaltungsstrafverfahren (Teil II) in JBl 2004, 153).

 

13.        Die Staatsanwaltschaft zog erkennbar § 14 Abs 1 Elektroschutzverordnung als Sorgfaltsmaßstab für das Delikt iSd § 88 StGB (fahrlässige Körperverletzung) heran. Der von der STA herangezogene Tatvorwurf ist in einem wesentlichen Gesichtspunkt mit der im ggst. Verwaltungsstrafverfahren geahndeten Verwaltungsübertretung ident. Die belangte Behörde hat das Verwaltungsstrafverfahren zu Recht unter Hinweis auf das Doppelbestrafungsverbot eingestellt. Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

IV. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

14.        Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil zu den Bestimmungen des VwGVG noch keine Rechtsprechung des VwGH vorliegt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerde bzw. Revision ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. einer bevollmächtigte Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Wolfgang Weigl