LVwG-650442/3/MZ

Linz, 18.08.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des R M, geb x 1964, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 8.7.2015, Zl FE-128/2015, betreffend Befristung der Lenkberechtigung und die Anordnung von Auflagen,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Mit mündlich verkündetem und niederschriftlich festgehaltenem Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 8.7.2015, Zl FE-128/2015, wurde über den Beschwerdeführer (in Folge: Bf) wie folgt abgesprochen:

 

„Unter Zugrundelegung der umseitigen Niederschrift, sowie des amtsärztlichen Gutachtens wird mir gemäß § 24 (1) FSG iVm. §§ 7/8 FSG 1997 die Lenkberechtigung auf 1 Jahr, das ist bis 06.07.2016, befristet.

 

Weiters wird die Auflage (dazu wird der Code 104 in den Führerschein eingetragen) erteilt alle 3 Monate Facharztbefund Psychiatrie + Nachweis Psychotherapie beizubringen.“

 

Ihren Bescheid begründet die belangte Behörde damit, dass „[a]uf Grund des im Spruch angeführten schlüssigen ärztlichen Gutachtens“ die Entscheidung dergestalt zu treffen war.

 

II. Gegen den in Rede stehenden Bescheid erhob der Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

 

Die Beschwerde begründet der Bf im Wesentlichen damit, im Verkehrsbereich kein Delikt verwirklicht zu haben und beantragt, den angefochtenen Bescheid zu beheben.

 

III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsaktes, ohne eine Beschwerde-vorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt. Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gem § 24 Abs 2 VwGVG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, welche im Übrigen auch von keiner der Parteien beantragt wurde, abgesehen werden.

 

c) Folgender Sachverhalt steht – über die Ausführungen in Punkt I. hinaus – fest:

 

Der Bf wurde mit Urteil des LG Wels vom 8.4.2015, 012 HV 31/2015b, wegen gefährlicher Drohung gem § 107 Abs 1 und 2 StGB und Körperverletzung gem § 83 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, wobei acht Monate der Strafe auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden. Auflagen – wie etwa die Absolvierung einer Psychotherapie – wurden dem Bf vom Strafgericht nicht auferlegt.

 

Aufgrund der dieser Verurteilung zugrundeliegenden Tat wurde der Bf mit Mandatsbescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 11.3.2015 aufgefordert sich amtsärztlich untersuchen zu lassen. Zur Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens wurde dem Bf aufgetragen, eine verkehrspsychologische sowie eine psychiatrische Untersuchung vornehmen zu lassen. Diesem Auftrag kam der Bf nach.

 

Die mit 28.4.2015 datierte verkehrspsychologische Stellungnahme gelangt zum Ergebnis, dass „bei Würdigung der getätigten Aussagen im Explorationsgespräch sowie des gewonnenen Eindrucks die Wahrscheinlichkeit für Aggressionsdelikte im Straßenverkehr nich[t] erhöht“ ist und zusammenfassend eine ausreichende Bereitschaft zur Verkehrsanpassung zu bestätigen sei. Der Bf sei daher zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B „geeignet“.

 

Der mit 22.6.2015 datierten Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie ist ua zu entnehmen: „ … Nach einer längeren und eskalierenden familiären Spannungssituation, über das aufsässige und selbstgefährdende Verhalten des pubertierenden Sohnes, kam es zu einem tätlichen Angriff durch einen Freund des Sohnes vor einem Lokal. Der Patient setzte sich mit gezogenem Messer zur Wehr, er musste dafür in Haft. (Schilderung des Patienten) Aufgrund der schwierigen familiären Situation bestand eine große psychische Belastung für den Patienten, er wurde außerdem im Februar 2015 arbeitslos, seit seiner Haft ist er in Behandlung mit Trittico 100 mg und in Psychotherapie.

Zum Zeitpunkt der Untersuchung ist keine psychische Auffälligkeit erkennbar, wie auch keine Beeinträchtigung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit. Aufgrund der Ereignisse und der nach wie vor schwierigen psychosozialen Situation des Patienten empfehle ich den Führerschein bedingt, unter der Bedingung regelmäßiger mindestens vierteljährlicher nachgewiesener fachärztlicher Kontrollen bis zur vollständigen Remission und Entspannung der psychosozialen Situation, sowie des Nachweises einer Psychotherapie bis zur regulären Beendigung, zu erteilen.“

 

Das auf Grundlage der genannten Stellungnahmen erstellte amtsärztliche Gutachten vom 6.7.2015, wonach der Bf für die Dauer eines Jahres befristet geeignet zum Lenken von KFZ der Klasse B ist und vierteljährlich einen Befund eines Facharztes für Psychiatrie und einen Nachweis über eine Psychotherapie beizubringen hat, enthält folgende Begründung:

„Bei Hrn. M kam es nach einer längeren und eskalierenden familiären Spannungssituation zu Drohung und Körperverletzung, für die er auch rechtmäßig verurteilt wurde.

Laut Befund des Facharztes für Psychiatrie besteht zum Untersuchungszeitpunkt keine psychische Auffälligkeit und auch keine Beeinträchtigung der KFZ-spezifischen Leistungsfähigkeit. In der VPU wird die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung als ausreichend beurteilt und die KFZ-Eignung attestiert. Laut Befund des Facharztes für Psychiatrie liegt allerdings nach wie vor eine schwierige psychosoziale Situation des Patienten vor und es wird empfohlen den FS befristet zu erteilen unter der Bedingung [sic] regelmäßiger, mindestens vierteljährlicher, nachgewiesener fachärztliche[r] Kontrollen bis zur vollständigen Remis[s]ion und Entspannung der psychosozialen Situation, sowie des Nachweises einer Psychotherapie bis zur regulären Beendigung.“

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a.1) Die einschlägigen Rechtsvorschriften des Führerscheingesetzes – FSG, BGBl I 1997/120 idF BGBl I 2015/74, lauten auszugsweise:

 

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),

...

 

Gesundheitliche Eignung

§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, daß er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. …

(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. …

 

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. ..."

 

a.2) Die Bestimmungen der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung – FSG-VG, BGBl II 1997/322 idF BGBl II 2011/280, lauten auszugsweise:

 

„Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum

Lenken von Kraftfahrzeugen

 

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

2. …

4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt.

 

Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs. 1 oder 2 FSG vorzulegen. …

 

Psychische Krankheiten und Behinderungen

§ 13. (1) Als ausreichend frei von psychischen Krankheiten im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 1 gelten Personen, bei denen keine Erscheinungsformen von solchen Krankheiten vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen. Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung der Verdacht einer psychischen Erkrankung ergibt, der die psychische Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, ist eine psychiatrische fachärztliche Stellungnahme beizubringen, die die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit mitbeurteilt.

(2) Personen, bei denen

1. …

4. eine schwere persönlichkeitsbedingte Störung des Urteilsvermögens, des Verhaltens und der Anpassung besteht, darf eine Lenkberechtigung nur dann erteilt oder belassen werden, wenn das ärztliche Gutachten auf Grund einer psychiatrischen fachärztlichen Stellungnahme, in der die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit mitbeurteilt wird, die Eignung bestätigt.“

 

b) Die von der belangten Behörde vorgenommene Befristung sowie die Vorschreibung der Vorlage von Facharztbefunden und die Absolvierung einer Psychotherapie sind vor dem Hintergrund des §§ 24 Abs 1, 8 FSG iVm § 13 Abs 1 und Abs 2 Z 4 FSG-GV nur zulässig, wenn sie durch ein schlüssiges amtsärztliches Gutachten indiziert sind.

 

Im vorliegenden Fall vermag schon die dem amtsärztlichen Gutachten zugrundeliegende fachärztliche Stellungnahme nicht nachvollzogen werden. Der Psychiater stellt in seiner mit 22.6.2015 datierten Stellungnahme fest, dass der Bf nach einer längeren und eskalierenden familiären Spannungssituation einen tätlichen Angriff vorgenommen hat und dass aufgrund der schwierigen familiären Situation eine große psychische Belastung für den Bf bestand. In Folge gelangt der Facharzt allerdings zum Schluss, dass im Zeitpunkt der Untersuchung keine psychische Auffälligkeit und auch keine Beeinträchtigung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit ist erkennbar. Es ist nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher konkreten Überlegungen der Facharzt in Folge zum Ergebnis gelangt, dass wegen der „nach wie vor schwierigen psychosozialen Situation“ regelmäßige mindestens vierteljährliche nachgewiesene fachärztliche Kontrollen sowie der Nachweis einer Psychotherapie notwendig sind, um die derzeit bereits von ihm festgestellte uneingeschränkte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit des Bf zu erhalten.

 

Der Amtsarzt hat in der Begründung seines Gutachtens die Stellungnahme des Facharztes unreflektiert übernommen und gibt lediglich den Verfahrensgang sowie insb die Empfehlungen des Facharztes wieder, ohne einen Bezug zwischen der Tat des Bf, seiner derzeitigen Situation und seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von KFZ herzustellen. Oder anders gewendet: Inwiefern es trotz der uneingeschränkt positiven VPU und der an sich positiven fachärztlichen Stellungnahme, notwendig ist, den (wie oben dargelegt nicht nachvollziehbaren) fachärztlichen Empfehlungen (Befristung, Facharztbefunde, Nachweis Psychotherapie) zu folgen, wird nicht dargelegt und vermag auch vom erkennenden Mitglied des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich nicht erkannt zu werden. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch das Strafgericht es nicht als notwendig erachtete, dem Bf die Absolvierung einer Psychotherapie aufzuerlegen.

 

Vor diesem Hintergrund kann das amtsärztliche Gutachten, auf welches die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid stützt, nicht als schlüssig angesehen werden und ist der angefochtene Bescheid zu beheben.

 

c) Auf die Frage, ob der Spruch des angefochtenen Bescheides, in welchem auf den Bf keinerlei Bezug genommen wird und wo auch die Lenkberechtigung des Bf nicht weiter konkretisiert wird, überhaupt ausreichend bestimmt ist, braucht vor diesem Hintergrund nicht weiter eingegangen zu werden.

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die Frage, ob die im konkreten Fall vorliegende Stellungnahm des Facharztes für Psychiatrie und darauf aufbauend das amtsärztliche Gutachten schlüssig die Beschränkung der Lenkberechtigung des Bf darzulegen vermag, nicht der Verallgemeinerung zugänglich ist und ihr damit keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Markus Zeinhofer