LVwG-410202/2/Gf/Rt LVwG-410215/2/Gf/Rt LVwG-410216/2/Gf/Rt

Linz, 31.01.2014

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Alfred Gróf aus Anlass der Beschwerde der Finanzpolizei (Team 45) gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 8. November 2013, Zl. Pol96-55-2012 (mitbeteiligte Parteien: F, B und K), wegen der Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Glücksspielgesetz

 

 

b e s c h l o s s e n:

 

 

I.          Gemäß § 18 VwGVG i.V.m. § 12 Abs. 5 AVOG wird die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen.

 

 

II.         Gegen diesen Beschluss ist eine Revision der mitbeteiligten Partei an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig; für die Rechtsmittelwerberin und die revisionslegitimierten Formalparteien ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

 

B e g r ü n d u n g

 

I.

 

 

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 8. November 2013, Zl. Pol96-55-2012, wurde das über Anzeige des Finanzamtes Gmunden-Vöcklabruck gegen die mitbeteiligten Parteien eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren wegen einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z. 1 des Glücksspielgesetzes, BGBl.Nr. 620/1989 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 76/2011 (im Folgenden: GSpG), eingestellt.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass nach den Ermittlungsergebnissen die Möglichkeit bestanden habe, an den beschlagnahmten Geräten einen Einsatz von mehr als 10 Euro pro Spiel zu leisten, sodass damit der Tatbestand des § 168 StGB erfüllt worden sei; daher sei die Anzeige an die zuständige Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden. Davon ausgehend komme eine Weiterführung des Verwaltungsstrafverfahrens nach § 52 Abs. 1 GSpG wegen der in § 52 Abs. 2 GSpG enthaltenen Subsidiaritätsklausel nicht mehr in Betracht.

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, von der Finanzpolizei (Team 45) per e-mail bei der belangten Behörde eingebrachte Beschwerde.

 

 

II.

 

Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erwogen:

 

1. Mit § 12 des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes, BGBl.Nr. I 9/2010 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 14/2013 (im Folgenden: AVOG), werden die Organwalter der „Finanzpolizei“ (vgl. die Überschrift zu dieser Bestimmung) als „Organe der Abgabenbehörden“ eingerichtet und im Weiteren mit bestimmten Exekutivbefugnissen (wie z.B. Identitätsfeststellung, Auskunftsersuchen und Kontroll- und Durchsuchungsrechte) ausgestattet. Dieser Konzeption zufolge sind die Organwalter der Finanzpolizei sohin nicht selbst als Behörde, sondern lediglich als deren Hilfsorgane anzusehen.

 

Vor diesem Hintergrund ist daher § 12 Abs. 5 zweiter Satz AVOG, der festlegt, dass „jenem Finanzamt, das die Kontroll- und Beweissicherungsmaßnahmen durchgeführt hat, die Parteistellung in den Verwaltungsstrafverfahren“ zukommt, „wobei sich dieses Finanzamt auch durch Organe anderer Abgabenbehörden vertreten lassen kann“, dahin zu verstehen, dass damit einerseits klargestellt wird, dass nur dem Finanzamt (als Behörde) selbst, nicht aber auch dessen Hilfsorganen – also den Organwaltern der Finanzpolizei – die Stellung einer Verfahrenspartei zukommt; dies bedingt wiederum andererseits, dass es im Falle einer in § 12 Abs. 5 zweiter Satz AVOG angesprochenen Vertretung einer entsprechenden vorangegangenen Ermächtigung durch den Vertretenen bedarf, damit die Vertretungshandlung auch im Außenverhältnis ihre Wirksamkeit entfalten kann.

 

2. Dafür, dass ein derartiger Ermächtigungsakt vorliegen würde, findet sich jedoch im gegenständlichen Beschwerdeschriftsatz kein Hinweis.

 

Vielmehr lässt die von der Finanzpolizei eingebrachte e-mail vom 29. November 2013 sowohl ihrem Inhalt nach als auch auf Grund ihrer optischen Erscheinung zweifelsfrei nur den Schluss zu, dass dieses von der „Finanzpolizei – Team 45“ – und sohin von einem Hilfsorgan – eigenständig abgefasst wurde, ohne dass die Vertretung des Finanzamtes Gmunden-Vöcklabruck von Letzterem veranlasst worden wäre. Da die gegenständliche Beschwerde sohin von der Finanzpolizei ausschließlich aus eigenem Antrieb und nicht, wie dies gemäß § 12 Abs. 5 zweiter Satz AVOG erforderlich wäre, auf Grund einer konkret-fallbezogenen Einzelermächtigung seitens der vertretenen Behörde eingebracht wurde, war diese Eingabe auch einer Mängelbehebung von vornherein nicht zugänglich (vgl. in diesem Sinne auch zuletzt VwGH v. 23. Oktober 2013, Zl. 2012/03/0083, m.w.N.).

 

3. Der ausschließlich der Finanzpolizei zuzurechnende Schriftsatz erweist sich vielmehr mangels Parteistellung als unzulässig, weshalb die Beschwerde schon aus diesem Grund gemäß § 18 VwGVG i.V.m. § 12 Abs. 5 AVOG zurückzuweisen war; dies ganz abgesehen davon, dass die Beschwerde in keiner Weise die Anforderungen des § 45 VwGVG erfüllt, wenn und soweit in dieser selbst darauf hingewiesen wurde, dass „die Begründung und ausführliche Stellungnahme bzw. Sachverhaltsdarstellung nachgereicht“ wird, eine solche jedoch bis dato tatsächlich nicht erfolgt ist.

 

4. Darüber hinaus ist aus Anlass der vorliegenden Eingabe auch noch auf Folgendes hinzuweisen:

 

4.1. Mit seinem richtungsweisenden und in der Folge vielfach bestätigten Urteil vom 10. Februar 2009, 14939/03 (Fall „Zolotukhin“), hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) – zusammengefasst – ausgesprochen (vgl. insbesondere die RN 82 bis 84, 97, 107, 110 und 120 bis 122 dieser Entscheidung), dass eine parallele Verfolgung von Straftaten, die sich jeweils auf identische oder substantiell auf dieselben Fakten beziehen, nur solange zulässig ist, als diesbezüglich noch keine rechtskräftige Entscheidung vorliegt; sobald hingegen eine Erledigung in Rechtskraft erwachsen ist, bedeutet bereits jede weitere Verfolgung, erst recht aber jede zusätzliche Bestrafung dieser Tat einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 des 7.ZPMRK (vgl. jüngst EGMR vom 14. Jänner 2014, 32042/11).

 

4.2. Der Oö. Verwaltungssenat verkennt nicht, dass der Verfassungsgerichtshof (im Folgenden: VfGH) diesem EGMR-Urteil vom 10. Februar 2009 zunächst nur eingeschränkt gefolgt ist.

 

4.2.1. So hat der VfGH insbesondere in seinem Erkenntnis vom 2. Juli 2009, B 559/08 (= VfSlg 18833/2009), darauf hingewiesen, dass die „Zolotukhin“-Entscheidung des EGMR keine Veranlassung bilde, um vom bisherigen Ansatz, wonach es bei der Frage des Vorliegens "derselben strafbaren Handlung" i.S.d. Art. 4 Abs. 1 des 7.ZPMRK nicht auf das tatsächliche Verhalten, sondern vielmehr auf die Straftatbestände – nämlich darauf, ob sich diese in ihren wesentlichen Elementen unterscheiden – ankommt, abzugehen: Denn nur diese "same essential elements"-Doktrin werde auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen des österreichischen Staatsorganisationsrechts, insbesondere dem Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung und damit dem Grundprinzip der Gewaltenteilung gerecht; wenn durch ein dem Bestimmtheitsgebot entsprechendes Gesetz, wie z.B. durch Vorschriften über das Kumulationsprinzip (§§ 22 und 30 VStG), und durch eine hierzu ergangene Rechtsprechung – nämlich den „same essential elements“-Ansatz – klargestellt sei, dass und inwieweit eine Verfolgung wegen unterschiedlicher strafbarer Handlungen bezogen auf denselben Sachverhalt stattfinden darf, sei eben zu prüfen, ob sich die in Betracht kommenden Straftatbestände in ihren wesentlichen Elementen unterscheiden. Hingegen stehe einer weitergehenden dynamischen Interpretation des Art. 4 des 7. ZPMRK – wie bereits im Erkenntnis VfSlg 11500/1987 dargelegt – entgegen, dass der Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung eine verfahrensrechtliche Lösung ausschließe, nach der ein einmal begonnenes Verwaltungsstrafverfahren in höherer Instanz als gerichtliches Strafverfahren oder umgekehrt ein gerichtliches Strafverfahren, das nicht zu einer Verurteilung führt, als Verwaltungsstrafverfahren fortgeführt wird, wobei hinzukomme, dass das österreichische Bundesverfassungsrecht bei eintätigem Zusammentreffen einer Verwaltungsübertretung und einer gerichtlich strafbaren Handlung eine verfassungskonforme Koordination von Verwaltungsstrafverfahren und gerichtlichem Strafverfahren in einem einzigen Verfahren nicht erlaube.

 

Diese nationales Verfassungsrecht über das Völkerrecht stellende Auffassung erscheint vor dem Hintergrund, dass einerseits das Völkerrecht für den VfGH keinen Prüfungsmaßstab bildet und andererseits dadurch Extremfälle – wie z.B. jener, dass beim Vorliegen eines Verkehrsunfalls mit Körperverletzung und Fahrerflucht keine Verurteilung mehr wegen der rechtspolitisch vergleichsweise schwerer wiegenden und daher gerichtlich strafbaren Körperverletzung erfolgen könnte, sobald eine verwaltungsbehördliche Bestrafung wegen § 4 StVO in Rechtskraft erwachsen ist – verhindert werden sollten, konsequent; objektiv besehen ist allerdings zu bedenken, dass zum einen die aus völkerrechtlichen Verträgen (hier: insbesondere die aus Art. 50 EGRC, der als mit Art. 4 Abs. 1 des 7.ZPMRK inhaltlich deckungsgleich anzusehen ist) resultierenden Verpflichtungen einen höherrangigen Verbindlichkeitsgrad als nationales Verfassungsrecht aufweisen und zum anderen gemäß den Art. 19 ff EMRK eben unbestrittenermaßen dem EGMR die Kompetenz zur letztverbindlichen Auslegung dieser Konvention zuerkannt ist.

 

4.2.2. Dennoch hat der VfGH in der Folge – wie z.B. im Erkenntnis vom 16. Dezember 2010, B 343/10 – seine Haltung bekräftigt, indem er dezidiert darauf hingewiesen hat, dass eine Verfolgung wegen ein und desselben tatsächlichen Verhaltens nach zwei verschiedenen Straftatbeständen grundsätzlich zulässig sei, sofern sich diese Tatbestände in ihren wesentlichen Elementen unterscheiden; dadurch werde seine frühere Rechtsprechung fortgeführt, wonach es darauf ankomme, ob der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodass kein weiteres Strafbedürfnis mehr gegeben ist.

 

4.2.3. In seiner jüngsten Entscheidung vom 13. Juni 2013, B 422/2013, scheint der VfGH allerdings teilweise doch auf die neue Linie des EGMR eingeschwenkt zu sein, wenn er dort ausgeführt hat, dass eine Regelung, wonach durch eine Tat unterschiedliche Delikte verwirklicht werden (Idealkonkurrenz), nicht zwingend dem Doppelbestrafungsverbot des Art. 4 Abs. 1 des 7.ZPMRK widerspreche. Die Verfolgung wegen ein und desselben tatsächlichen Verhaltens nach zwei verschiedenen Straftatbeständen sei allerdings nur insofern zulässig, als sich jene in ihren wesentlichen Elementen unterscheiden. Hingegen liege eine verfassungsrechtlich unzulässige Doppel- oder Mehrfachbestrafung vor, wenn eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war, also der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft. Ein weitergehendes Strafbedürfnis entfalle daher, wenn und weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfasse: Strafverfolgungen bzw. Verurteilungen wegen mehrerer Delikte, deren Straftatbestände einander wegen wechselseitiger Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn dadurch ein und dieselbe strafbare Handlung strafrechtlich mehrfach geahndet wird; eine gesetzliche Strafdrohung widerspreche somit dem Art. 4 Abs. 1 des 7.ZPMRK, wenn sie den wesentlichen Gesichtspunkt ("aspect") eines Straftatbestandes, der bereits Teil eines von den Strafgerichten zu ahndenden Straftatbestandes ist, neuerlich einer Beurteilung und Bestrafung durch die Verwaltungsbehörden unterwirft, sich also die Entscheidung des Strafgerichts einerseits und der Verwaltungsbehörde andererseits auf das "gleiche Verhalten" gründen. Davon ausgehend sei eine – gegebenenfalls auch die Gesetzesmaterialien, wonach explizit eine kumulative Bestrafung intendiert war, konterkarierende – verfassungskonforme Interpretation (dort: der Subsidiaritätsklausel des § 52 Abs. 2 GSpG) dahin geboten, dass im Ergebnis eine solche Mehrfachbestrafung hintangehalten wird, wobei in diesem Zusammenhang die Zerlegung einer Tat, also eines Lebenssachverhalts bzw. desselben Verhaltens einer Person (z.B. des in § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG und in § 168 StGB umschriebenen Täterkreises), in mehrere strafbare Handlungen ungeachtet dessen, dass diese strafbaren Handlungen dieselben wesentlichen Elemente ("same essential elements") aufweisen und die eine strafbare Handlung den Unrechtsgehalt der anderen in jeder Beziehung mitumfasst, unzulässig ist.  

 

4.2.4. Als Zwischenergebnis lässt sich daher festhalten, dass der EGMR im Zuge der Auslegung der Garantie des Art. 4 Abs. 1 des 7.ZPMRK gleichsam den prozessualen Aspekt dieser Bestimmung in den Vordergrund stellt; auf den Punkt gebracht ist danach die mehrfache Bestrafung wegen einer einheitlichen Tathandlung zulässig, solange diese in ein und demselben Verfahren erfolgt.

 

Dem gegenüber betont der VfGH den materiellen Aspekt: Die mehrfache Bestrafung einer eintätigen Handlung in unterschiedlichen Verfahren ist zulässig, soweit sich die jeweiligen Strafdrohungen inhaltlich nicht derart überlagern, dass durch die Bestrafung wegen des einen Deliktes der Unrechts- und Schuldgehalt des Täterverhaltens bereits vollständig erschöpft ist.

 

4.2.5. Davon ausgehend ist im nächsten Schritt zu konstatieren, dass diese vom VfGH im Erkenntnis vom 13. Juni 2013, B 422/2013, zur Subsidiaritätsklausel des § 52 Abs. 2 GSpG aus den dargestellten Gründen geforderte verfassungskonforme Interpretation auf Grund der inhaltlichen Identität der Problemlage analog auch für auf das in den §§ 22 und 30 VStG allgemein geregelte Kumulationsprinzip maßgeblich ist.

 

4.2.5.1. Dies bedeutet zunächst, dass § 22 VStG zum einen a priori restriktiv dahin auszulegen ist, dass eine Mehrfachbestrafung nunmehr auch aus national-verfassungsrechtlicher Sicht von vornherein nur insoweit zulässig ist, als sich die konkret in Betracht kommenden, durch eintätiges Handeln verwirklichten Straftatbestände in ihren wesentlichen Elementen unterscheiden; die in § 22 Abs. 1 VStG normierte Subsidiaritätsklausel verkörpert systematisch besehen eine einfachgesetzliche Ausführungsbestimmung des Art. 4 des 7.ZPMRK, und zwar mit der inhaltlichen Vorgabe, dass das grundsätzlich maßgebliche Kumulationsprinzip bei sich auf „essentially the same aspects“ beziehenden Deliktstatbeständen nicht zum Tragen kommt.

 

Zum anderen muss nunmehr auch auf der Sachverhaltsebene berücksichtigt werden, dass in diesem Zusammenhang die Zergliederung einer Tat, also eines einheitlichen Lebenssachverhalts bzw. desselben Verhaltens einer Person in mehrere strafbare Handlungen ungeachtet dessen, dass die subsumierten Deliktstatbestände jeweils dieselben wesentlichen Elemente ("essential elements") aufweisen und die eine strafbare Handlung bereits den Unrechtsgehalt der anderen in jeder Beziehung mitumfasst, unzulässig ist.

 

4.2.5.2. Weiters ist zu beachten, dass einerseits auf der – objektiv besehen primär maßgeblichen – völkerrechtlichen Ebene, nämlich nach der Rechtsansicht des EGMR, der Aspekt der Einheitlichkeit des Lebenssachverhalts gegenüber jenem der Gleichartigkeit der wesentlichen Tatbestandselemente den Vorrang genießt; und andererseits kommt für den Bereich der Bestrafung von mehreren ausschließlich verwaltungsbehördlich zu ahndenden Delikten jenes den „essential-elements“-Ansatz des VfGH zentral stützende Argument des Trennungsgrundsatzes zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung schon von vornherein nicht zum Tragen; von daher besehen ist in rein verwaltungsbehördlichen (bzw. in gleichsam bloß „verwaltungsinternen“) Kumulationsfällen, also im Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 VStG, eine vollinhaltliche Übernahme der Rechtsansicht des EGMR nicht durch entgegenstehendes nationales Verfassungsorganisationsrecht gehindert.

 

4.2.5.3. Schließlich ist zu konstatieren, dass in der Praxis in aller Regel ohnehin keine allzu große Divergenz aus den systematisch unterschiedlichen Rechtsauffassungen des EGMR und des VfGH resultiert, weil angesichts der jüngsten VfGH-Entscheidung vom 13. Juni 2013, B 422/2013, dann, wenn man dieser das „Zolotukhin“-Urteil des EGMR vom 10. Februar 2009, 14939/03, gegenüberstellt, beide Ansätze letztlich jeweils darauf hinauslaufen, im konkreten Fall entscheiden zu müssen, ob ein einheitlicher Lebenssachverhalt vorliegt bzw. anders gewendet: inwieweit dessen Zergliederung unter dem Aspekt mehrerer Deliktstatbestände zulässig ist (in concreto wurden nämlich sowohl die Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten gegenüber zwei Beamten in einer Polizeistation als auch das Spielen an einem Glücksspielautomaten über eine bestimmte Zeitspanne hinweg jeweils als ein einheitlicher Lebenssachverhalt beurteilt).  

 

4.2.6. All dies berücksichtigend ist daher § 22 Abs. 2 VStG in „rein verwal-tungsinternen“ Kumulationsfällen nunmehr völkerrechts- und verfassungskonform dahin auszulegen, dass mehrfache behördliche Verfolgungen und/oder Bestrafungen wegen ein und desselben tatsächlichen Verhaltens solange nicht gegen Art. 4 Abs. 1 des 7.ZPMRK verstoßen, als noch keine rechtskräftige Erledigung vorliegt, diese in ein und demselben Verfahren erledigt werden und soweit sie einen einheitlichen, nicht mehr weiter zergliederbaren Sachverhalt betreffen und sich die in Betracht kommenden Deliktstatbestände nicht essentiell überlagern, nämlich derart, dass durch die Heranziehung eines bestimmten Deliktstypus der Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens bereits vollständig erschöpft ist, sodass kein weiteres Strafbedürfnis mehr gegeben ist; letzterer Aspekt wird in der Praxis umso eher zutreffen, als den in Betracht kommenden De-liktstatbeständen jeweils dasselbe Schutzgut zu Grunde liegt.

 

4.3. Da im vorliegenden Fall gegen den Beschwerdeführer bereits wegen ein und desselben, nämlich der Anzeige der Finanzpolizei zu Grunde liegenden Sachverhalts (Kontrolle am 11. November 2011) ein Strafverfahren gemäß § 168 StGB durchgeführt wurde, war eine zusätzliche Strafverfolgung des Beschwerdeführers wegen einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG schon von vornherein unzulässig bzw. verstieß diese gegen das Doppelverfolgungsverbot des Art. 4 Abs. 1 7.ZPMRK.

 

Daher wäre der angefochtene Bescheid selbst dann, wenn sich die vorliegende Beschwerde als zulässig erwiesen hätte, im Ergebnis – wenngleich mit anderer Begründung – zu bestätigen gewesen.

 

 

III.

 

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist für die mitbeteiligte Partei gemäß § 25a Abs. 4 Z. 2 VwGG i.V.m. Art. 133 Abs. 4 letzter Satz B-VG nicht zulässig.

 

Für die Rechtsmittelwerberin und die revisionsberechtigten Formalparteien ist eine ordentliche Revision deshalb unzulässig, weil im Zuge des vorliegenden Verfahrens keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

 

Wie oben (vgl. II.2.) angeführt, weicht nämlich die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

 

Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 Z. 2 VwGG eine Revision wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z. 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht nur der belangten Behörde bzw. der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr.  G r ó f