LVwG-300724/4/Kl/Rd

Linz, 03.09.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Ilse Klempt über die Beschwerde des Arbeitsinspektorates x, W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 30. April 2015, Ge96-83-2013, mit welchem gegenüber Herrn Mag. J H, G, eine Ermahnung wegen Verwaltungs­übertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz iVm der Bauarbeiter­schutz­verordnung ausgesprochen wurde,   

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und werden über den Beschuldigten Mag. J H gemäß § 130 Abs. 5 Einleitungssatz Arbeitnehmer­Innen­schutzgesetz idgF hinsichtlich der Fakten 1 und 2 Geldstrafen von jeweils 400 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 20 Stunden verhängt.

 

 

II.       Für den Beschuldigten fällt weder zum behördlichen Verwaltungsstrafver­fahren noch zum Beschwerdeverfahren ein Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs. 1 VStG bzw. § 52 Abs. 1 VwGVG an.

 

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 30. April 2015, Ge96-83-2013, wurde über den Beschwerdeführer wegen Verwaltungs­übertretungen bezüglich Faktum 1 und 2 gemäß § 87 Abs. 3 BauV iVm § 118 Abs. 3 und § 130 Abs. 5 Z1 ASchG eine Ermahnung ausgesprochen, weil er als Insolvenzverwalter in dem mit Beschluss des LG Wels vom 26.3.2013, ZL. 20 S 45/13p, über das Vermögen des Herrn P E eingeleiteten Insolvenzverfahren und somit als der iSd § 25 Abs. 1 Insolvenzordnung die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers Ausübende zu verantworten hat, dass die im Dachdecker- und Spenglerbetrieb in W, Gewerbepark W, beschäftigten Arbeitnehmer

1. D P und

2. J P

am 30. September 2013 auf der Baustelle L in B, K-straße 22, auf dem ca. 30° geneigten Dach bei einer Absturzhöhe von 6,0 m ohne geeignete Schutzeinrichtungen mit Spenglerarbeiten beschäftigt wurden, obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern, wie insbesondere Dachfanggerüste (§ 88).

 

Begründet wurde die Entscheidung dahingehend, dass aufgrund der speziellen Situation des Beschwerdeführers, nämlich die Tätigkeit als Masseverwalter, sowie den vom Beschuldigten gemachten Angaben die belangte Behörde zur Auffassung gelangt sei, dass das Verschulden als geringfügig eingestuft werden könne. Nachdem auch keine tatsächliche Schädigung der durch das ASchG bzw. der BauV geschützten Interessen eingetreten sei, sei die Intensität der Beeinträchtigung dieser geschützten Interessen ebenfalls als gering anzusehen. Bei einer Gegenüberstellung der im Verfahren zu Tage getretenen Sachverhalts- und Tatbestandselemente sei im Ergebnis festzustellen gewesen, dass die Verhängung einer Geldstrafe nicht erforderlich sei, um den Unrechtsgehalt der Tat vor Augen zu führen. Der Ausspruch einer Ermahnung sei aber jedenfalls erforderlich, um künftighin von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.   

 

2. Dagegen wurde vom Arbeitsinspektorat x fristgerecht Beschwerde eingebracht und die Aufhebung der Ermahnung und die Verhängung einer angemessenen Strafe beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass bei einer Absturzhöhe von ca. 6 m und bei einer Dachneigung von 30° keinesfalls von einer Geringfügigkeit gesprochen werden könne und die Folgen der Übertretung keinesfalls unbedeutend seien. Die Erteilung einer Ermahnung sei nicht zulässig. Derartige Arbeiten auf hohen absturzgefährdeten Arbeitsstellen enden oft mit tödlichem Ausgang. Es war also eine große Gefahr für das Leben und die Gesundheit gegeben. Eine Geldstrafe sei unbedingt erforderlich, um den Beschuldigten von weiteren Handlungen gleicher Art abzuhalten. Zufolge § 5 Abs. 1 VStG ist bei Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften anzu­nehmen, dass der/die Verantwortliche zumindest fahrlässig gehandelt hat. Von einem geringfügigen Verschulden könne nicht ausgegangen werden.     

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen als belangte Behörde hat die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht vorgelegt. Dem Beschuldigten wurde am 10. Juni 2015 die Beschwerde in Wahrung des Rechts auf Parteiengehör zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Der Beschuldigte äußerte sich hiezu nicht. 

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

Gemäß § 44 Abs. 3 Z2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht von einer Verhandlung absehen, wenn sich die Beschwerde nur gegen die Höhe der Strafe richtet und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat.

 

5. Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erwogen:

 

5.1. Zumal das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich gemäß § 9 VwGVG an die vom Arbeitsinspektorat x angegebenen Beschwerdepunkte gebunden ist und gegenständlich ausschließlich die Strafbemessung in Beschwerde gezogen wurde, war auf den Tatvorwurf dem Grunde nach nicht einzugehen.

 

5.2.1. Gemäß § 25 Abs. 1 Insolvenzordnung übt der Insolvenzverwalter die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers aus, wenn der Schuldner der Arbeitgeber ist. 

 

Gemäß § 130 Abs. 5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 Euro bis 8.324 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 Euro bis 16.659 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestim­mungen zuwiderhandelt. Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutz­verordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

5.2.2. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG idF BGBl. I Nr. 33/2013, in Geltung ab 1. Juli 2013, sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

5.2.3. Die Bestimmungen des ASchG bzw. der auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnungen haben den Schutz des Lebens und die Gesundheit der Arbeitnehmer zum Ziel und sind daher entsprechende Verstöße mit einem besonderen Unrechtsgehalt der Tat behaftet, weil hiedurch genau jene Gefährdungen herbeigeführt werden, denen die genannten Bestimmungen entgegenwirken sollen. Das Rechtsgut war im gegenständlichen Fall durch die Absturzhöhe von ca. 6 m und einer Dachneigung von 30° intensiv beeinträchtigt.

 

5.2.4. Von der belangten Behörde wurde im angefochtenen Bescheid über den Beschuldigten eine Ermahnung ausgesprochen, zumal aus ihrer Sicht keine tatsächliche Schädigung der geschützten Interessen eingetreten sei und sowohl das Verschulden als auch die Intensität der Beeinträchtigung der ge­schützten Interessen als gering anzusehen seien.

 

Der Ansicht der belangten Behörde kann sich das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht anschließen. So kann bei einem Aufenthalt von zwei Arbeitnehmern auf einem Dach mit einer Absturzhöhe von ca. 6 m und einer Dachneigung von 30° bei weitem nicht von einer geringen Intensität der Beeinträchtigung der geschützten Interessen und auch nicht von einer geringen Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes gesprochen werden.

Wie vom Arbeitsinspektorat zutreffend darauf hingewiesen wurde, ziehen Abstürze aus solcher Höhe meist eine gravierende Verletzung des Arbeitnehmers mit sich, wenn nicht sogar mit tödlichem Ausgang.

 

Die Tatsache, dass der Beschuldigte lediglich Masseverwalter in einem Verfahren betreffend Bestrafung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz ist, reicht zu seiner Entlastung nicht aus, zumal er in dieser Eigenschaft wie ein handels­rechtlicher Geschäftsführer haftet. Dem Beschuldigten ist zwar zuzugestehen, dass er als Masseverwalter im Rahmen der Fortführung eines Unternehmens nicht in der Lage ist, ständig in einem von einer Konkursmasse betriebenen Dachdecker- und Spenglerbetrieb anwesend zu sein und die dortigen Vorgänge unmittelbar zu beobachten, doch ist es für den Fall, dass Aufgaben, die in den eigenen Verantwortungsbereich fallen, an dritte Personen delegiert werden, geboten, entsprechende deutliche Weisungen zu erteilen, die sicherstellen, dass die gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden, und zusätzliche Maßnahmen zu treffen, die geeignet erscheinen, die Einhaltung dieser Anordnungen – auch in seiner Abwesenheit – im Rahmen eines Kontrollsystems zu gewährleisten (vgl. VwGH vom 25.2.2010, 2008/09/0224).

 

Der Beschuldigte verantwortete sich im Verwaltungsstrafverfahren dahingehend, dass er dem Unternehmer bei der ersten Betriebsbesprechung Anweisungen gegeben und anschließend stichprobenartige Kontrollen durchführt habe.

Stichprobenartige Überprüfungen und die Erteilung von Weisungen reichen aber für das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems nicht aus (vgl. VwGH vom 23.5.2006, 2005/02/0248, 14.7.2006, 2006/02/0134 uva). Wie der Beschuldigte im Konkreten das Kontrollsystem in dem von ihm zu verwaltenden Unternehmen aufgebaut hat, wurde jedoch zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens näher dargelegt. Da zwischen der Bestellung zum Masseverwalter (26.3.2013) und der Tatbegehung (30.9.2013) nahezu 6 Monate vergangen sind, bestand auch genügend Zeit, um sich dem Aufbau eines funktionierenden Kontrollsystems zu widmen. Derjenige, der sich bei der Erfüllung einer ihm obliegenden gesetz­lichen Verpflichtung der Hilfe eines Dritten bedient, bleibt verwaltungsstraf­rechtlich verantwortlich (vgl. VwGH vom 29.11.2000, 98/09/0031). Ob es sich gegenständlich bei der Betrauung des Unternehmers für die Einhaltung der arbeitnehmerschutzrechtlichen Agenden um eine geeignete Person handelt, kann daher dahingestellt bleiben.

 

Zusammenfassend ist sohin zu bemerken, dass das Verhalten des Beschuldigten keinesfalls als geeignet angesehen werden kann, welches die Annahme eines geringen Verschuldens rechtfertigen würde. Es liegen somit im Übrigen keine der kumulativ erforderlichen Voraus­setzungen für die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z4 VStG vor, die den Ausspruch einer Ermahnung begründbar machen.

 

5.2.5. Von der Anwendung des § 20 VStG konnte nicht Gebrauch gemacht werden, zumal die Voraussetzungen für ein beträchtliches Überwiegen der Milderungs­gründe nicht festgestellt werden konnte. Überdies kam dem Beschuldigten auch die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit aufgrund zahlreicher Übertretungen nach dem Parkgebührengesetz nicht mehr zugute.   

 

Die nunmehr vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich festgesetzten Geld­strafen berücksichtigen die besondere Konstellation des Beschuldigten als Masseverwalter und erscheinen dementsprechend tat- und schuldangemessen und auch geeignet, den Beschuldigten künftighin zur besonderen Vorsorge und Einhaltung der arbeitnehmer­schutz­rechtlichen Bestimmungen zu bewegen. In Anbetracht dessen, dass sich die verhängten Geldstrafen im unteren Bereich des Strafrahmens (166 Euro bis 8.324 Euro) bewegen und es sich beim Beschuldigten um einen Rechtsanwalt mit entsprechendem Einkommen handelt, wird davon ausgegangen, dass er in der Lage sein wird, die verhängten Geldstrafen zu begleichen. Sorgepflichten des Beschuldigten kamen im Verfahren nicht zutage und wurden solche auch nicht geltend gemacht.

 

 

II. Im gegenständlichen Verfahren waren keine Verfahrenskosten vorzuschreiben, zumal weder § 64 Abs. 1 VStG iZm Verfahrenskosten für das verwaltungsbe­hördliche Strafverfahren noch § 52 Abs. 1 VwGVG iZm Kosten zum Beschwerde­verfahren Rechtsgrundlage für eine entsprechende Vorschreibung an den Beschuldigten darzustellen vermögen (vgl. VwGH vom 30.6.2015, Ra 2014/17/0034).

 

 

III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsge­richtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsge­richtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

H i n w e i s

 

Dem Beschuldigten wird von der genannten Behörde ein Zahlschein zugesandt.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Ilse Klempt