LVwG-250065/7/Sch/Spe – 250066/4

Linz, 27.08.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Schön über die Beschwerde der Frau I K, BEd. und des Herrn G K, x, vom 31. Juli 2015 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 21. Juli 2015, GZ: Bi11-16-2015, wegen Versagung des sprengelfremden Schulbesuches des schulpflichtigen D K in der Neuen Mittelschule T im Innkreis,  

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit Bescheid vom 21. Juli 2015, GZ: Bi11-16-2015, hat die Bezirkshauptmann­schaft Schärding  den Antrag x,   auf Aufnahme des Schülers D K, geboren am 7.5.2005, in die sprengelfremde Mittelschule T im Innkreis gemäß § 47 Abs.5 Z2 Oö.   Pflichtschulorganisationsgesetz 1992 (Oö. POG 1992), LGBl. Nr. 35/1992 idgF., abgewiesen und dem Schüler den sprengelfremden Schulbesuch versagt.

 

Die Entscheidung durch die Behörde war gemäß § 47 Abs. 1 Oö. POG 1992 geboten, da es zu keiner Einigung zwischen den beteiligten Gemeinden Riedau und Taiskirchen im Innkreis gekommen war.

 

Die Marktgemeinde Taiskirchen im Innkreis als gesetzliche Schulerhalterin der um Aufnahme ersuchten Schule erhob keine Einwände, seitens der sprengelzuständigen Markt­gemeinde Riedau wurde der Antrag allerdings abgelehnt.

 

2. Gegen den abweisenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding hat die Beschwerdeführerin – gemeinsam mit ihrem Gatten G K – rechtzeitig direkt beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich Beschwerde erhoben. Diese ist samt den beigelegten Unterlagen an die belangte Behörde zur Erlassung einer allfälligen Berufungsvorentscheidung iSd § 14 VwGVG weitergeleitet worden.

 

Von dieser Möglichkeit hat die belangte Behörde nicht Gebrauch gemacht, sondern die Beschwerde samt Unterlagen und bezughabendem Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vorglegt.

Dieses hat gemäß § 2 VwGVG durch den zuständigen Einzelrichter zu entscheiden.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung war gemäß § 24 Abs.4 VwGVG nicht erforderlich.

 

3. Gemäß § 47 Abs.5 Z2 Oö. POG 1992 kann die Bewilligung auf sprengelfremden Schulbesuch versagt werden, wenn die mit dem sprengelfremden Schulbesuch für den Schulpflichtigen verbundenen Vorteile die bei der Schulsprengelfestsetzung zu berücksichtigenden Interessen nicht überwiegen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Bestimmung des § 47 Abs.5 Z2 Oö. POG 1992 um eine Ermessensentscheidung. Die Ermessensübung ist allerdings nur bei Nichtüberwiegen der Vorteile für den Schulpflichtigen eingeräumt. Ergibt hingegen diese Interessensabwägung, dass die Vorteile für den Schüler die bei der Sprengelfestsetzung zu berücksichtigenden Interessen überwiegen, darf die Bewilligung nicht versagt werden (VwGH 26.4.1993, 92/10/0362).

 

4. Im Hinblick auf die Begründung des Ansuchens ist festzuhalten, dass diese in der Eingabe an die Marktgemeinde Taiskirchen im Innkreis vom 3. Februar 2015 noch nahezu ausschließlich auf das pädagogische Konzept der NMS T ausgerichtet war, welches den Eltern besonders zusage. Mit Eingabe vom 1. Juli 2015 an die belangte Behörde wird darauf hingewiesen, dass für die Entwicklung des Schülers ein stabiles soziales Umfeld von enormer Wichtigkeit sei. Aufgrund seiner Krankheitsgeschichte (mehrstündige Herzoperation) sei es den Eltern ein großes Anliegen, dass er weiterhin seine Freunde um sich habe, die mit ihm vertraut seien und ihn gegebenenfalls auch in Schutz nehmen würden. Diese Freunde wohnen im Schulsprengel T. Dazu komme, dass regelmäßige moderate Bewegung in den Pausen für seine Gesundheit (er habe immer noch Herzrhythmusstörungen) und seine Konzentrationsfähigkeit große Bedeutung hätte.

 

Die Beschwerdeführerin hat ihrem Rechtsmittel dann mehrere Unterlagen im Hinblick auf die gesundheitliche bzw. psychologische Situation beim Schulpflichtigen beigelegt.

 

In der klinisch-psychologischen Stellungnahme des klinischen Gesundheitspsychologen Mag. Dr. R O vom 30. Juli 2015 heißt es:

„D K ist aufgrund seines angeborenen Vitiums (Transposition der großen Aterien, TGA) und der daraus resultierenden Operation am offenen Herzen am 09.05.2005 seit seiner Geburt am Kinderherzzentrum Linz in Behandlung. Neben der medizinischen Begleitung findet dabei auch psychologische Unterstützung statt.

Aufgrund der lebensbedrohlichen Erkrankung entstehen auf sekundärer Ebene seitens des Betroffenen mitunter vermehrt Ängste und sensible Empfindungen. Um die Lebensqualität hoch halten zu können, bedarf es dann oftmals klarer Strukturen und Zuverlässigkeit in den Beziehungen (Familie, Freunde, Schule).

D ist ein sehr angepasster Junge, fleißig, höflich, interessiert, immer mit reziprokem Blickkontakt. Aufgrund seiner hohen Empfindsamkeit, die einerseits ohnehin seiner Persönlichkeit entspricht, aber durch die Erkrankung zusätzlich verstärkt wurde, braucht er viel Nähe, um ausreichend Sicherheit zu erlangen. Die liebevollen familiären Beziehungen kommen ihm da freilich entgegen. Sobald aber Gefahr von Mobbing von Gleichaltrigen droht (Hänseln, Ausgrenzen, …) stößt die psychische Belastbarkeit bei D auf seine Grenzen, somatische Beschwerden, Schlafstörungen, Leistungsabfall und geringere Lebensqualität sind die Folge.

Auch wenn es für D grundsätzlich wichtig ist, sich im Leben sozialen Herausforderungen zu stellen, seine Position klar deklarieren zu können, ist es ratsam, schulische Umstände nicht schwieriger zu gestalten als unbedingt notwendig.

 

Da D in letzter Zeit eine gute Entwicklung in seinem sozialen schulischen Umfeld gelungen ist, empfehle ich, dass er die sprengelfremde NMS T besuchen darf, um mit den Schülern weiterhin in Kontakt sein zu können, durch die er vermehrte Sicherheit erfahren hat und es ihm daher leichter möglich ist, in seiner Persönlichkeitsentwicklung mehr Stabilität zu erfahren.“

 

Diese Stellungnahme ist im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur möglichen psychischen Belastung eines Schulpflichtigen durch einen anstehenden Schulwechsel zu betrachten. In seinem Erkenntnis vom 26.4.1993, 92/10/0362, misst der Verwaltungsgerichtshof dieser Frage entscheidungsrelevante Bedeutung bei.

 

In Anbetracht dessen ist der hier vorliegende Sachverhalt als insofern besonders gelagert anzusehen, dass er einen rechtlich relevanten Vorteil für den Schulpflichtigen zu begründen vermag, der eine Bewilligung des sprengelfremden Schulbesuches vertretbar macht. Dieser Sachverhalt ist jedenfalls nicht gleichgelagert mit den in entsprechenden Verwaltungs- bzw. Beschwerdeverfahren immer wieder von Eltern vorgebrachten Gründen, die oftmals bloße persönliche Einschätzungen bzw. Befindlichkeiten darstellen.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat sich mit der Frage, welcher Stellenwert dem Angebot der Neuen Mittelschule T im Innkreis als sogenannte Bewegte Schule im Rahmen der Interessensabwägung iSd § 47 Abs.5 Z2 Oö. POG 1992 zukommt, bereits auseinander gesetzt (vgl. etwa die hg Erkenntnisse GZ. LVwG-250055 und LVwG-250056). Diese Aussagen stehen insofern im Einklang zur nunmehr gegenständlichen Entscheidung, als der in jenen Verfahren angestrebte sprengelfremde Schulbesuch ausschließlich in diesem Angebot der Schule begründet war, welches einen sprengelfremden Schulbesuch nicht genehmigungsfähig macht.

 

Vorliegend steht allerdings die gesundheitliche bzw. psychologische Situation des Schulpflichtigen im Vordergrund. Würde man auch in einem solchen Fall die – in Erkenntnissen des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich wiederholt dargelegten – Interessen im Zusammenhang mit der Schulsprengelfestsetzung als bewilligungshindernd annehmen, entzöge man der an sich von Gesetzes wegen eröffneten Möglichkeit eines sprengelfremden Schulbesuchs de facto eine der Grundlagen, für die sie der Gesetzgeber wohl eingeräumt hat.

 

In Anbetracht dieser Erwägungen war der Beschwerde Folge zu geben und der angefochtene Bescheid zu beheben.

 

Mit der gegenständlichen Beschwerdeentscheidung erübrigt sich ein expliziter Abspruch über den Antrag vom 25. Juli 2015 auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde, die dieser gemäß § 13 Abs.1 VwGVG zudem ohnehin ex lege zukommt.

 

Die weiteren Veranlassungen wären gemäß § 28 Abs.5 VwGVG von der belangten Behörde zu treffen.

 

 

 

Zu II.:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

S c h ö n