LVwG-650465/4/Bi

Linz, 29.09.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn Ing. J. P.,K, F, vertreten durch Herrn RA Mag. M. R., H, F, vom 19. August 2015 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 22. Juli 2015,
VerkR21-192-2015-GG, wegen der Aufforderung sich amtsärztlich untersuchen zu lassen,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 28 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen und der in Beschwerde gezogene Bescheid bestätigt.  

 

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde der Beschwerdeführer (in Folge: Bf) gemäß §§ 8 und 24 Abs.4 FSG iVm § 11 Abs.1 und 2 FSG-GV aufgefordert, sich innerhalb von drei Monaten ab Bescheidzustellung – das war laut Rückschein am 24. Juli 2015 – von der Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Freistadt hinsichtlich seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen, für die die Führerscheinklassen AM, A1, A2, A, B und F vorgeschrieben seien, ärztlich untersuchen zu lassen.

 

2. Dagegen hat der Bf fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerde­vorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Am 29. September 2015 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Rechtsvertreters des Bf Mag. K. P. durchgeführt. Weder der Bf noch ein Vertreter der belangten Behörde sind erschienen.

 

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, die Rechtsauffassung der belangten  Behörde, die allein den bloßen Umstand, dass er zuckerkrank sei, als ausreichend erachte, um bescheidmäßig eine amtsärztliche Untersuchung anzuordnen, da allein die Zuckerkrankheit Bedenken am Vorliegen der Voraussetzung der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausreichend begründen würde, sei unrichtig. Es bestehe keine allgemeine Notorietät dahingehend, dass bei jeder Art von Zuckerkrankheit mit einer die Eignung ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden müsse und gehe auch § 11 FSG-GV nicht davon aus. Die belangte Behörde habe bereits vorhandene Beweismittel nicht gewürdigt und dahingehend keine Feststellungen in den Bescheid aufgenommen. Er habe sich im Straßenverkehr nichts zu Schulden kommen lassen, das behördliche Vorgehen sei nur auf die haltlose anonyme „Vernaderung“ zurückzuführen. Der ärztlichen Stellungnahme seines behandelnden Arztes sei zu entnehmen, dass er im Hinblick auf seine Zuckerkrankheit umfangreich geschult sei, vereinzelt auftretende Hypergly­kämien selbst regulieren könne und keine Bedenken bezüglich Therapie durch ihn selbst vorlägen. Die unsubstantiierten Behauptungen aus der anonymen Anzeige hinsichtlich Demenz werde durch die Stellungnahme seines Hausarztes völlig entkräftet, sodass keine Erhebungen zu seiner Eignung gemäß § 8 FSG vorzunehmen seien. Die belangte Behörde gehe aber davon aus, dass § 11 Abs.1 FSG-GV eine unumstößliche Pflicht zur Anordnung eines amtsärztlichen SV-Gutachtens zu entnehmen sei. Diese Rechtsansicht sei im Licht der Judikatur des VwGH unrichtig und die Anordnung hinsichtlich Zuckerkrankheit rechtswidrig. Begründete Bedenken an seiner gesundheitlichen Eignung im Sinne des § 24 Abs.4 FSG lägen nicht vor und seien auf der Grundlage der vorgelegten Stellungnahme seines behandelnden Arztes nicht gegeben. Es gebe keinen objektivierten Anlassfall noch sonst einen konkreten Hinweis, der an der Stellungnahme seines Arztes berechtigte Zweifel aufkommen ließen. Die Anordnung stelle vielmehr einen Erkundungsbeweis der Behörde dar, für die es keine objektive Verdachtslage und keine gesetzliche Grundlage gebe, ein „Schuss ins Blaue“ sei sachlich nicht gerechtfertigt. Beantragt wird die Aufhebung des Bescheides und Verfahrenseinstellung, hilfsweise eine mündliche Verhandlung. Die Behörde habe die aufschiebende Wirkung nicht ausgeschlossen und stehe dieser kein zwingendes öffentliches Interesse entgegen, aus medizinischer Sicht bestehe keine unmittelbare Gefahr aufgrund seiner Zuckerkrankheit, allerdings wäre bei Nichtgewährung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsweges gegen den Bescheid umgangen, wodurch ihm ein erheblicher Nachteil drohen würde, weshalb die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt werde.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der der Rechtsvertreter des Bf gehört und die Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides berücksichtigt wurden.

 

Aus dem Verfahrensakt ist eine anonyme nicht datierte Anzeige an die belangte Behörde ersichtlich, wonach der Bf an Diabetes und Demenz leide und sowohl als Fußgänger als auch als Lenker eines Kraftahrzeuges auffällig sei.

Der Bf hat eine Stellungnahme seines Hausarztes Dr. D. G., L, vom 29. Juni 2015 vorlegt, aus der hervorgeht, dass er unter insulinabhängigem Diabetes leidet und seit 2013 in Behandlung ist. Er habe eine Schenkelhalsfraktur erlitten und postoperativ habe sich die Blutzuckersituation verschlechtert, jedoch sei im Zuge von Krankenhausaufenthalten ein Insulinschema erarbeitet und mit ihm geübt worden, sodass der Bf selbst die Therapie übernommen habe und akzeptable Blutzuckerwerte erziele. Vereinzelt aufgetretene Hyperglykämien reguliere er selbst und die regelmäßigen Aufzeichnungen (Diabetes-Tagebücher) würden kontrolliert, sodass der Therapieerfolg zufriedenstellend sei. Er wisse um seine Erkrankung und die Therapie, sodass vonseiten des Hausarztes keine Bedenken bezüglich der Therapie durch den Bf selbst bestünden. Im Übrigen zeige sich kein Hinweis auf eine gravierende dementielle Symptomatik, der Bf sei zeitlich, örtlich und situativ orientiert und eine solche Diagnose sei auch in keinem Arztbrief vermerkt.

 

Diese Stellungnahme wurde im Rahmen der Verhandlung erörtert und geltend gemacht, dass der Bf seit 15 Jahren Insulin spritzt und sich damit auskennt.

 

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 24 Abs.4 FSG ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 24 Abss.4 FSG sind nach der Judikatur des VwGH (vgl E 27.1.2015, 2012/11/0233) begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber einer Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs.4 FSG ist nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Fall einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) von Seiten der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken bestehen (vgl E 24.5.2011, 2011/11/0026).

 

Die anonyme Anzeige ist aus grundsätzlichen Überlegungen nicht geeignet, gesundheitliche Bedenken im Sinne des § 24 Abs.4 FSG zu begründen.

Allerdings hat der Hausarzt des Bf eine mit Insulin behandelte Diabetes bestätigt, wobei der Rechtsvertreter einen Zeitraum von bereits 15 Jahren erwähnt hat.

Der 1930 geborene Bf selbst ist zur Verhandlung nicht erschienen, sodass es nicht möglich war, sich ein persönliches Bild von ihm zu machen. Sonstige Unterlagen wurden nicht vorgelegt.

 

Begründete Bedenken bestehen nach h. Auffassung insofern, als insulinpflichtige Diabetes, noch dazu nach so langer Zeit, nachteilige Auswirkungen auf die Augen hat, auch wenn die Blutzuckerwerte pauschal als akzeptabel bezeichnet wurden.

Eine Demenz hat der Hausarzt verneint und auf eine bestehende zeitliche, örtliche und situative Orientierung des Bf hingewiesen sowie darauf, dass bislang in Arztbriefen oder sonstigen Krankenhaus-Unterlagen keine Hinweise auf eine solche Diagnose aufgetaucht seien. Da der Bf nicht persönlich zur Verhandlung erschienen ist, konnten zu seiner Person keine Eindrücke gewonnen werden.

 

Die vom Bf geltend gemachte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist nicht zur erst seit 1.10.2011 geltenden Neufassung des § 11 Abs.1 FSG-GV (BGBl. II Nr. 280/2011) ergangen und betraf nicht eine Aufforderung gemäß § 24 Abs.4 FSG sondern ausschließlich die tatsächliche Einschränkung der Lenkberechtigung durch Befristung und Auflagen, die beim Bf derzeit kein Thema ist. Ob beim Bf tatsächlich eine Krankheit vorliegt, die eine Befristung mit Nachuntersuchung und Kontrolluntersuchungen rechtfertigt, muss im Rahmen einer amtsärztlichen Untersuchung erst geklärt werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu bemerken ist auch, dass im in Beschwerde gezogenen Bescheid die Frist für die amtsärztliche Untersuchung mit drei Monaten ab Bescheidzustellung festgelegt wurde, wobei die aufschiebende Wirkung nicht ausgeschlossen wurde. Gemäß § 13 Abs.1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art.130 Abs.1 Z1 B-VG aufschiebende Wirkung. Damit sind die drei Monate ab Rechtskraft des Bescheides zu berechnen. Eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, erübrigte sich daher.

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger