LVwG-600970/11/ZO/AP

Linz, 06.10.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Gottfried Zöbl über die Beschwerde des W H E, geb. 1963, vertreten durch Mag. R L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 22.06.2015 GZ. VerkR96-9529-2013, wegen Übertretungen nach der StVO nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17.09.2015

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Hinsichtlich den Punkten 1.), 3.) und 5.) wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich behoben und das Verwaltungsstrafverfahren in den Punkten 1.) und 5.) gemäß § 38 VwGVG iVm. § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG sowie in Punkt 3.) gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.

 

II.       Hinsichtlich Punkt 2.) wird die Beschwerde im Schuldspruch mit der Maßgabe abgewiesen, dass im Tatvorwurf die Worte „und gefährdet“ entfallen.

Hinsichtlich der Strafhöhe wird die Beschwerde abgewiesen und das Straferkenntnis diesbezüglich bestätigt.

 

III.     Hinsichtlich Punkt 4.) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

IV.      Der Kostenbeitrag für das behördliche Verfahren wird in den Punkten 1.), 3.) und 5.) aufgehoben, für das verwaltungsgerichtliche Verfahren sind in diesen Punkten gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keine Kosten zu bezahlen.

 

 

 

 

 

Der Kostenbeitrag für das behördliche Verfahren in den Punkten 2.) und 4.) reduziert sich auf 20,00 Euro, für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ist für diese Punkte gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG ein Kostenbeitrag in Höhe von 32,00 Euro (20% der bestätigten Geldstrafe) zu bezahlen.

 

V.        Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4   B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

zu I., II. und III.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat dem Beschwerdeführer im angefochtenen Straferkenntnis vom 22.06.2015, VerkR96-9529-2013, folgendes vorgeworfen:

1.)      Sie haben die auf der Fahrbahn angebrachte Sperrlinie überfahren.

Tatort: Gemeinde Bad Ischl, Landesstraße Freiland, Nr. 145 bei km 60.400

4820 Bad Ischl B145 Str.Km 60,4 von Ebensee nach Bad Goisern

Tatzeit:01.06.2013, 20.06 Uhr

Fahrzeug: PKW VW-Golf VR6, Kennzeichen x

 

2.)      Sie haben ein Fahrzeug überholt, wodurch andere Straßenbenützer behindert und gefährdet wurden.

Tatort: Gemeinde Bad Ischl, Landesstraße Freiland, Nr. 145 bei km 60.400

4820 Bad Ischl B145 Str.Km 60,4 von Ebensee nach Bad Goisern

Tatzeit:01.06.2013, 20.06 Uhr

Fahrzeug: PKW VW-Golf VR6, Kennzeichen x

 

3.)      Sie haben ein Fahrzeug überholt, obwohl nicht einwandfrei erkennbar war, ob das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr eingeordnet werden kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

Tatort: Gemeinde Bad Ischl, Landesstraße Freiland, Nr. 145 bei km 60.400

4820 Bad Ischl B145 Str.Km 60,4 von Ebensee nach Bad Goisern

Tatzeit:01.06.2013, 20.06 Uhr

Fahrzeug: PKW VW-Golf VR6, Kennzeichen x

 

4.)      Sie haben auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen „ÜBERHOLEN VERBOTEN“ gekennzeichnet ist, ein mehrspuriges Kraftfahrezug überholt.

Tatort: Gemeinde Bad Ischl, Landesstraße Freiland, Nr. 145 bei km 60.400

4820 Bad Ischl B145 Str.Km 60,4 von Ebensee nach Bad Goisern

Tatzeit:01.06.2013, 20.06 Uhr

Fahrzeug: PKW VW-Golf VR6, Kennzeichen x

 

5.)      Sie haben als Lenker eines Fahrzeuges beim Überholen nicht einen der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechenden seitlichen Abstand vom überholten Fahrzeug eingehalten.

Tatort: Gemeinde Bad Ischl, Landesstraße Freiland, Nr. 145 bei km 60.400

4820 Bad Ischl B145 Str.Km 60,4 von Ebensee nach Bad Goisern

Tatzeit:01.06.2013, 20.06 Uhr

Fahrzeug: PKW VW-Golf VR6, Kennzeichen x

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1.) § 9 Abs. 1 StVO 1960

2.) § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960

3.) § 16 Abs. 1 lit. c StVO 1960

4.) § 16 Abs. 2 lit. a StVO 1960

5.) § 15 Abs. 4 StVO 1960

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Freiheitsstrafe von Gemäß

Ersatzfreiheitsstrafen von

1.)  40,- Euro 25 Stunden - § 99 Abs. 3 lit. a StVO

2.)  80,- Euro 50 Stunden § 99 Abs. 3 lit. a StVO

3.)  80,- Euro 50 Stunden § 99 Abs. 3 lit. a StVO

4.)  80,- Euro 50 Stunden § 99 Abs. 3 lit. a StVO

5.)  40,- Euro 25 Stunden § 99 Abs. 3 lit. a StVO

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetz (VStG) zu zahlen:

50,- Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

370,- Euro.“

 

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte der Beschwerdeführer aus:

 

„Sehr geehrte Damen und Herren,

sehr geehrter Herr R,

 

zum Verwaltungsstrafverfahren der BH Gmunden gegen W E zur dortigen Zahl VerkR96-9529-2013 erhebe ich im Namen des Beschuldigten gegen das Straferkenntnis vom 22.06.2015 die nachstehende

 

BESCHWERDE

 

an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie infolge Verfahrensfehler und stelle die

 

ANTRÄGE,

den angefochtenen Bescheid zu beheben und das Verfahren einzustellen, oder

eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

 

BEGRÜNDUNG:

Mit dem bekämpften Bescheid bestraft die belangte Behörde den Beschuldigten wegen eines vermeintlich vorschriftswidrigen Überholvorganges. Es seien dadurch mehrere Übertretungen der Straßenverkehrsordnung begangen worden.

 

Das stimmt nicht.

 

Richtig ist, dass der Beschuldigte eine ihm persönlich seit seiner Jugend bekannte Dame ordentlich überholt hat. Die überholte Dame mag den Beschuldigten nicht und hat sich über den Überholvorgang geärgert. Sie selbst hat daher Anzeige bei der Polizeiinspektion Bad Goisern erstattet. Zur Bekräftigung nannte sie ihren Gatten als Zeugen.

 

Die belangte Behörde hat ein in seiner Qualität schwer bedenkliches Verfahren abgeführt und stützt den angefochtenen Bescheid ausschließlich auf die Annahme, Zeugen seien glaubwürdiger als der Beschuldigte. Sie verkennt dabei, dass Zeugen es mit ihrer Wahrheitspflicht nicht so genau nehmen oder sich irren könnten. Es werden aber falsche Angaben nicht automatisch richtig, bloß weil sie jemand unter Wahrheitspflicht macht. Die belangte Behörde hätte die Angaben aller Beteiligten und die Beweisangebot bzw. –anträge neutral und richtig würdigen müssen.

 

Der Beschuldigte hat mehrfach auf Unschlüssigkeiten und Diskrepanzen in den Zeugenaussagen sowie auf Aktenwidrigkeit hingewiesen und grobe Mängel des Verfahrens aufgezeigt. Die belangte Behörde hat wesentliche Teile seines Vorbringens und all seine Beweisangebote ignoriert und ist stattdessen einseitig zu seinem Nachteil vorgegangen. Sie hält auch unschlüssige Zeugenaussagen für richtig und missachtet dadurch die Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung der Wahrheit. Bei korrekter Beweiswürdigung wäre die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis gekommen und hätte das Verfahren eingestellt.

 

Nach der Aktenlage hat die Anzeigerin zunächst telefonisch bei der Polizeiinspektion Bad Goisern interveniert. In der von den Polizisten vier Tage später verfassten Anzeige wird behauptet, es habe auf der B145 bei Straßenkilometer 60,400 ein Überholvorgang stattgefunden. Der Beschuldigte gab an, dieser Überholvorgang sei bereits vor diesem Straßenkilometer und der dortigen Sperrlinie abgeschlossen gewesen. In ihrer Aussage vom 15.01.2015 bestätigte die Anzeigerin dies. Sie sagte, der Beschuldigte habe auf Höhe des Hofer-Marktes überholt. Dieser Markt befindet sich ungefähr beim Straßenkilometer 59,8 und also rund 600 Meter vor dem dem Beschuldigten angelasteten Tatort.

 

Die belangte Behörde unterstellt in der Begründung des angefochtenen Bescheides, es sei dem Beschuldigten ein Überholvorgang auf Höhe des Hofer-Marktes nicht nachvollziehbar. Derartiges hat der Beschuldigte aber nie behauptet, ganz im Gegenteil. Der Hofer-Markt befindet sich deutlich vor dem ihm angelasteten Tatort und vor diesem „Tatort“ war der Überholvorgang beendet. Offenbar ist sich die belangte Behörde – entgegen ihrer eigenen Behauptung, den Tatort zu kennen – selbst nicht sicher, wo (und ob) die angelasteten Übertretungen stattgefunden haben. „Tatort“ muss die genaue Stelle sein, wo der Überholvorgang stattgefunden hat. Nach Ansicht der belangten Behörde liegt diese bei Straßenkilometer 60,400 aber nach Ansicht der Anzeigerin – und des Beschuldigten! – deutlich davor und somit ganz woanders.

 

Es liegt ein Verstoß gegen das Konkretisierungsgebot vor.

 

Da die belangte Behörde die bisherigen Angaben des Beschuldigten unvollständig und unrichtig zitiert hat, werden sie zum weiteren Beschwerdevorbringen erhoben.

 

Für die mündliche Verhandlung wird die Einvernahme der Anzeigerin, deren Gatten, der die Anzeige aufgenommen und verfasst habende Polizist und die Zuziehung eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen beantragt. Letzteres ist nötig, um Klarheit über den Tatort und die Straßenkilometrierung zu erlangen.“

 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat den Verwaltungsakt mit Schreiben vom 27.07.2015 dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ohne Beschwerdevorentscheidung vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich, welches durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter entscheidet.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17.09.2015. An dieser Verhandlung haben der Beschwerdeführer selbst sowie dessen Vertreter und ein Vertreter der belangten Behörde teilgenommen. Die Zeugen GI. F sowie Herr und Frau O wurden zum Sachverhalt befragt.

 

Der Beschwerdeführer gibt an, dass er damals von Ebensee kommend in Richtung Bad Goisern gefahren sei. Bereits vor der Auffahrt Bad Ischl Nord sei er auf den PKW von Frau O aufgelaufen und habe in weiterer Folge versucht das Fahrzeug zu überholen. Frau O habe jedoch ihr Fahrzeug beschleunigt und dabei nach links verlenkt, weshalb dieser Überholvorgang abgebrochen wurde. Beim längeren geraden Straßenstück in etwa auf Höhe des H-Marktes habe er dann den PKW der Frau O überholt, wobei er den Überholvorgang noch im Bereich des geraden Straßenstückes vor der dann anschließenden Linkskurve habe abschließen können.

 

Der Zeuge GI F gibt zum Sachverhalt befragt an, dass damals Frau O auf den Posten gekommen sei und Anzeige erstattet habe. Er glaube auch, dass ihr Mann mit war. Er habe die Angaben aufgenommen, diese wie von der Anzeigerin angegeben niedergeschrieben und die Anzeige erstattet. Auf Grund der Schilderung der Anzeigerin über die Örtlichkeit habe er sich diese am Luftbild angesehen und den Straßenkilometer mit ca. 60,400 festgelegt.

 

Die Zeugin O gibt an, dass der Beschwerdeführer sie damals auf der B145 im Bereich des Autohauses D überholt habe. Die Örtlichkeit wurde von der Zeugin auf einem Luftbild festgehalten und bestätigt, dass der Überholvorgang in etwa in diesem Bereich begonnen habe. Der Beschwerdeführer habe nur sie überholt und sich dann zwischen ihr und den davor fahrenden Autos wieder eingeordnet. Bei diesem Wiedereinordnen habe sich der Beschwerdeführer bereits kurz vor der Verkehrsinsel befunden und hat die dort befindliche Sperrfläche überfahren. Sie habe daher ihr Fahrzeug abbremsen müssen. Ihrer Meinung nach habe sich der Beschwerdeführer nur deshalb so knapp hineingezwängt, weil er sonst nicht mehr vor der Verkehrsinsel auf den rechten Fahrstreifen gekommen wäre.

 

Der Zeuge O gibt zum Sachverhalt befragt folgendes an:

Er könne sich nur noch sehr grob erinnern. Ein alter Golf habe sie kurz vor der Verkehrsinsel bei der Bushaltestelle überholt. Wo genau der Überholvorgang begonnen hat, könne er nicht mehr angeben, er wisse aber noch, dass sich der Überholer kurz vor der Verkehrsinsel wieder vor uns eingereiht, das heißt sich auf den rechten Fahrstreifen „hereingeschnitten“, habe. Dabei habe er die dort befindliche Sperrfläche überfahren. Der Golf habe sich zwischen den vor ihnen fahrenden PKW und ihnen hereingezwängt, das Wiedereinordnen sei seiner Meinung nach deshalb so knapp erfolgt, weil es so knapp vor der Verkehrsinsel stattgefunden habe. Der Platz zwischen dem vor ihnen fahrenden PKW und ihrem Fahrzeug wäre grundsätzlich groß genug zum Wiedereinordnen gewesen.

 

 

4.1. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Beschwerdeführer lenkte am 01.06.2013 um 20.06 Uhr den PKW VW Golf mit dem Kennzeichen x in Bad Ischl auf der B145 von Ebensee kommend in Fahrtrichtung Bad Goisern. Dabei fuhr er hinter dem PKW von Frau O. Auf Höhe des Autohauses D begann der Beschwerdeführer Frau O zu überholen und reihte sich knapp vor der Verkehrsinsel wieder ein. Dabei überfuhr er die dort befindliche Sperrfläche und Frau O musste ihr Fahrzeug abbremsen.

Die Verkehrsinsel liegt lt. Orthofoto ca. bei km 60.450 und somit innerhalb des auf der gegenständlichen Straßenstrecke verordneten „ÜBERHOLEN VERBOTEN“, welches bereits kurz vor Km 60,400 beginnt.

 

4.2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensakt und den Ergebnissen der öffentlichen mündlichen Verhandlungen. Der als Zeuge einvernommene Polizeibeamte GI F sowie die beiden Zeugen Herr und Frau O haben bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung durchaus einen glaubwürdigen Eindruck gemacht und stimmen deren Angaben überein. Die Angaben stimmen auch mit den örtlichen Verhältnissen und der in der Anzeige aufgestellten Behauptung überein, dass der Überholvorgang kurz vor der Verkehrsinsel und der Bushaltestelle stattgefunden hat. Die diesbezügliche Angabe in der Aussage vor der BH Gmunden (Überholvorgang auf Höhe H-Markt) ist hingegen offenbar auf eine ungenaue Befragung zurück zu führen. Vor Ort konnten die Zeugen den tatsächlichen Überholort klar und nachvollziehbar erklären. Der Beschwerdeführer hat offenbar aufgrund dieser ungenauen Angabe versucht, den Überholort zu seinen Gunsten auf eine andere Straßenstelle zu verlegen. Er hat in der Verhandlung den Zeugen diesbezüglich nicht weiter widersprochen.

Aufgrund dieser Angaben ist es als erwiesen anzusehen, dass der Überholvorgang – wie im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen - bei Straßenkilometer 60.400 stattgefunden hat.

 

Aufgrund der Aussagen der Zeugen O ist es auch glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer sich wegen der Verkehrsinsel knapp vor ihr wieder auf dem rechten Fahrstreifen eingeordnet hat und sie deshalb ihr Fahrzeug abbremsen musste. Die örtlichen Verhältnisse legen einen derartigen Ablauf der Ereignisse durchaus nahe und dieser Umstand erklärt auch, dass die Zeugin den Vorfall nicht auf sich beruhen lassen sondern sich zur Anzeigeerstattung entschlossen hat. Aus dem Wiedereinordnen knapp vor der Verkehrsinsel ergibt sich auch zwingend, dass sich die beiden Fahrzeuge am Beginn des beschilderten Überholverbotes noch nebeneinander befunden haben.

 

5. Darüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht folgendes erwogen:

 

zu 1.), 3.) und 5.):

 

Gemäß § 9 Abs. 1 StVO dürfen Sperrlinien (§ 55 Abs. 2) nicht überfahren, Sperrflächen (§ 55 Abs. 4) nicht befahren werden. Befinden sich eine Sperrlinie und eine Leitlinie nebeneinander, so hat der Lenker eines Fahrzeuges die Sperrlinie dann zu beachten, wenn sie dem von ihm benützten Fahrstreifen näher liegt.

 

Gemäß § 16 Abs. 1 lit. c StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen: wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

 

Gemäß § 15 Abs. 4 StVO ist beim Überholen ein der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechender seitlicher Abstand vom Fahrzeug, das überholt wird, einzuhalten.

 

§ 45 Abs. 1 VStG lautet:

Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1.

die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2.

der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

(...)

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ist zweifelsfrei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer keine Sperrlinie, sondern eine Sperrfläche überfahren hat.

Hinsichtlich des vorgeworfenen zu geringen Seitenabstandes konnte weder auf Grund des vorliegenden Aktes noch bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer diese Übertretungen begangen hat.

Darüber hinaus ist nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit feststellbar, ob der Beschwerdeführer bereits am Beginn des Überholvorganges (auf diesen Zeitpunkt kommt es bei § 16 Abs. 1 lit. c StVO an) einwandfrei erkennen hat können, ob er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen könne, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern. Diesbezügliche konkrete Feststellungen befinden sich nicht im Akt und konnten auch bei der Verhandlung nicht mehr erhoben werden.

 

Das Verwaltungsstrafverfahren war daher betreffend die Punkte 1.) und 5.) gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1. VStG sowie betreffend Punkt 3.) gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einzustellen.

 

zu 2.) und 4.)

 

§ 2 Abs. 1 Z. 29 StVO definiert „Überholen“ wie folgt:

Das Vorbeibewegen eines Fahrzeuges an einem auf derselben Fahrbahn in der gleichen Richtung fahrenden Fahrzeug; nicht als Überholen gelten das Vorbeibewegen an einem auf einem Verzögerungs- oder Beschleunigungsstreifen fahrenden Fahrzeug oder an einem auf einem Radfahrstreifen fahrenden Radfahrer sowie das Nebeneinanderfahren von Fahrzeugreihen, auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, auf Fahrbahnen mit mehr als einem Fahrstreifen für die betreffende Fahrtrichtung und das Nebeneinanderfahren, auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, im Sinne des § 7 Abs. 3a.

 

Gemäß § 16 Abs. 1 lit. a StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen: wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.

 

Gemäß § 16 Abs. 2 lit. a StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen:

mehrspurige Kraftfahrzeuge auf Straßenstrecken, die durch das Vorschriftszeichen „Überholen verboten“ gekennzeichnet sind; es darf jedoch überholt werden, wenn rechts zu überholen ist“.

 

Das Schutzziel des § 16 Abs. 1 lit. a StVO gründet dem klaren Wortlaut nach vor allem in der Vermeidung der Gefährdung und Behinderung entgegenkommender Fahrzeuge und schließt gleichzeitig auch den abstrakten Gefährdungsaspekt von „anderen Straßenbenützern“ mit ein.

 

Nach dem Überholen darf sich der Lenker des überholenden Fahrzeuges nicht so knapp vor dem überholten Fahrzeug einordnen, dass dieses in seiner Fortbewegung behindert wird oder seine Insassen gar gefährdet werden. Der Überholende hat vielmehr darauf zu achten, dass nach dem Überholvorgang zwischen ihm und dem eingeholten Fahrzeug ein Abstand verbleibt, der den Bestimmungen des § 18 Abs. 1 entspricht (etwa der Reaktionsweg).

 

Der Beschwerdeführer hat sich unmittelbar vor der Verkehrsinsel wiedereingeordnet und die überholte Fahrzeuglenkerin musste ihr Fahrzeug wegen des knappen Abstandes abbremsen. Auf Grund dieses Umstandes wurde die überholte Fahrzeuglenkerin vom Überholvorgang des Beschwerdeführers behindert. Eine Gefährdung konnte jedoch nicht erkannt werden.

 

Aus der Judikatur ergibt sich, dass der Fahrstreifenwechsel begrifflich für das Überholen nicht ausschlaggebend ist. Der Überholvorgang umfasst nur die Wegstrecke, die zwischen dem Beginn des Überholens iSd § 2 Abs 1 Z 29 bis zur Beendigung desselben liegt, auf der sich also das Fahrzeug des Überholenden an dem Fahrzeug des Überholten vorbeibewegt (vgl. VwGH 18.3.1987, 85/03/042).

Hingegen sind die Phasen vor und nach diesem Vorgang – also das Wiedereinordnen - nicht dem Begriff „Überholen“ zuzurechnen. Demnach liegt kein vorschriftswidriges Überholen vor, wenn das Überholen als Vorbeibewegen vor dem gekennzeichneten Überholverbot abgeschlossen war und lediglich das Wiedereinordnen auf den rechten Fahrstreifen im Überholverbotsbereich stattfindet.

 

Aus dem knappen Wiedereinordnen vor der Verkehrsinsel ergibt sich zwingend, dass der Überholvorgang am Beginn des Überholverbotes noch nicht abgeschlossen war. Wäre der Überholvorgang im Bereich des Überholverbotes bereits abgeschlossen gewesen und hätte seinerseits bloß noch ein Wiedereinordnen erfolgen müssen, so hätte sich der Beschwerdeführer wohl nicht erst unmittelbar vor der Verkehrsinsel wiedereingeordnet, sondern schon früher und wär dies jedenfalls ohne Behinderung der überholten Fahrzeuglenkerin und allenfalls auch ohne Überfahren der Sperrfläche möglich gewesen.

 

Der Beschwerdeführer hat daher das objektive Tatbild der dem angefochtenen Straferkenntnis unter Punkt 2.) und 4.) zugrunde liegenden Verwaltungsübertretungen verwirklicht, wobei hinsichtlich Punkt 2.) eine Einschränkung dahingehend erfolgt, als dem Beschwerdeführer lediglich vorgeworfen werden kann, er hat durch den Überholvorgang andere Straßenbenützer behindert.

 

Umstände, welche das Verschulden des Beschwerdeführers an dieser Übertretung hätten ausschließen können, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Es ist daher gemäß § 5 Abs. 1 VStG iVm § 38 VwGVG von fahrlässigem Verhalten auszugehen und gilt somit auch die subjektive Tatseite als verwirklicht.

 

5.2. Gemäß § 19 Abs.1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.

 

Der Beschwerdeführer weist eine verwaltungsbehördliche Vormerkung auf, weshalb ihm der Strafmilderungsgrund der absoluten Unbescholtenheit nicht zu Gute kommt. Diese Vormerkung bildet aber auch keinen Erschwerungsgrund. Strafmildernd ist jedoch die lange Verfahrensdauer zu berücksichtigen. Weitere Strafmilderungs- oder Straferschwerungsgründe liegen nicht vor.

 

Der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Übertretungen ist durchaus erheblich. Gefährliche Überholmanöver führen immer wieder zu Verkehrsunfällen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheinen die verhängten Strafen, welche den gesetzlichen Strafrahmen nur zu je ca. 11 % ausschöpfen, durchaus angemessen und entsprechen auch den erhobenen finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers (mtl. Einkommen von ca. 1.500 Euro bei keinen Sorgepflichten und keinem Vermögen). Die Strafen erscheinen in dieser Höhe erforderlich, um den Beschwerdeführer in Zukunft von ähnlichen Verwaltungsübertretungen abzuhalten. Sowohl aus general- als auch aus spezialpräventiven Überlegungen kommt trotz der langen Verfahrensdauer eine Herabsetzung der Strafen nicht in Betracht.

 

zu IV.:

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten ergibt sich aus § 64 VStG und § 52 VwGVG.

 

zu V.:

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Geschwindigkeitsüberschreitungen ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Für den Beschwerdeführer ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG keine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine  Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

H i n w e i s

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Gottfried Zöbl