LVwG-600916/2/Wim/AP

Linz, 20.10.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Leopold Wimmer über die Beschwerde des Herrn M R, geb. 1978, vertreten durch Dr. W M, gegen den Bescheid der Bezirkshaupt­mannschaft Urfahr-Umgebung vom 05.05.2015 GZ. VerkR96-1025-2015,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung (im Folgenden: belangte Behörde) hat dem Beschwerdeführer mit Strafverfügung vom 30.03.2015, GZ VerkR96-1025-2015, die Begehung von Verwaltungsübertretungen nach § 45 Abs. 4 2. Satz KFG, § 102 Abs. 1 KFG iVm. § 101 Abs. 1 lit. a KFG und § 102 Abs. 1 KFG iVm. § 101 Abs. 1 lit. e KFG vorgeworfen und über ihn gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt 460,00 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von insgesamt 92 Stunden, verhängt. Diese Strafverfügung wurde am 01.04.2015 nachweislich zugestellt.

 

Mit Schreiben vom 20.04.2015, bei der belangten Behörde eingelangt am 21.04.2015, brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie Einspruch gegen die Strafverfügung ein. Im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zusammengefasst vorgebracht, dass der bevollmächtigte Vertreter Dr. W M, emeritierter Rechtsanwalt, den Einspruch zu Hause vorbereitet habe. Anschließend habe er diesen im Auto auf den Beifahrersitz gelegt und da auch seine Gattin zu einem Behandlungstermin mitfuhr, dürfte diese den einzuschreibenden Brief auf die Rückbank gelegt haben, wo der Brief verrutschte und unter dem Sitz landete. Erst am Samstag, den 18.04.2015 bemerkte sein Vertreter das Kuvert unter dem Sitz. In seiner 30jährigen Berufspraxis sei ihm ein solches Missgeschick nicht passiert und war es durch dieses unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis nicht möglich den Einspruch fristgerecht abzusenden.

 

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 05.05.2015, VerkR96-1025-2015, wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von der belangten Behörde mit der Begründung abgewiesen, dass die Versäumung der Frist auf eine auffallende Sorglosigkeit zurückzuführen sei.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte der Beschwerdeführer zusammenfassend aus, dass seinem Rechtsvertreter, welcher kein praktizierender Rechtsanwalt mehr sei, keine Fahrlässigkeit zuerkannt werden kann. Es liege keine Sorglosigkeit sondern vielmehr ein Missgeschick vor, wenn die Post von der Gattin auf die Rücksitzbank gelegt werde und dort vermutlich bei einer Bremsung unter den Vordersitz rutschte. Der belangten Behörde wird unrichtige Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung bzw. Tatsachenfeststellung vorgeworfen.

 

3. Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Aktes mit Vorlageschreiben vom 10.06.2015, VerkR96-1025-2015, ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm Art. 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

4.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Aus diesem ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze. Eine öffentliche mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt, von dieser wird daher abgesehen (§ 44 Abs. 3 Z. 1 VwGVG).

 

4.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungsrelevantem Sachverhalt aus:

 

Die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 30.03.2015, VerkR96-1025-2015, wurde am 01.04.2015 nachweislich zugestellt. Die Einspruchsfrist endete daher mit Ablauf des 15.04.2015.

 

Dr. W M, emeritierter Rechtsanwalt, ist der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers im Strafverfahren VerkR96-1025-2015. Der vom Rechtsvertreter zur Absendung vorbereitete Einspruch gegen die Strafverfügung vom 30.03.2015 wurde von ihm auf dem Beifahrersitz seines Autos abgelegt. In der Folge wurde die gegenständliche Post durch seine mitfahrende Gattin auf die Rückbank des Autos verfrachtet und rutschte diese – vermutlich auf Grund einer Bremsung – unter den Vordersitz. Der Einspruch wurde erst ein paar Tage später, nämlich am 18.04.2015, und somit nach Ablauf der Frist für die Einbringung des Einspruches, auf dem Fußboden im Auto unter einigen Schriftstücken aufgefunden.

 

4.3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensakt und wurde im Rahmen der gemachten Feststellungen auch nicht bestritten.

 

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

5.1. Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

 

Um die Wiedereinsetzung im gegenständlichen Fall zu rechtfertigen, muss das Ereignis für den Wiedereinsetzungswerber entweder unvorhergesehen oder unabwendbar gewesen sein und ihn an der Versäumung der Frist kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffen.

 

Ein Verschulden, welches den Bevollmächtigten der Partei trifft, ist so zu behandeln, als wäre es der Partei selbst unterlaufen, gleichgütig ob der Wiedereinsetzungswerber von einem Rechtsanwalt oder sonst einer Vertrauensperson vertreten wird (vgl VwGH 26. 1. 1995, 94/06/0090).

 

Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht von dieser Partei nicht erwartet werden konnte (VwSlg 9024 A/1976 verst. Sen; vgl auch 3. 4. 2001, 2000/08/0214).

 

Zur Frage, ob das Verrutschen des zur Absendung vorbereiteten Einspruches als unvorhergesehenes Ereignis anzusehen ist, ist auf die Ausführungen des Beschwerdeführers hinzuweisen: Die Schriftstücke wurden ungesichert im Auto abgelegt. Man muss damit rechnen, dass ungesicherte Briefe hinunterfallen können. Das Verrutschen des Schriftstücks unter den Vordersitz kann daher nicht als unvorhergesehenes Ereignis ansehen werden.

 

Ein unabwendbares Ereignis liegt vor, wenn sein Eintritt vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden kann, wobei es darauf ankommt, dass der Eintritt eines Ereignisses objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht abgewendet werden kann, auch wenn er dessen Eintritt voraussah (vgl. VwGH 25.1.1995, 94/13/0236).

 

Dies kann im gegenständlichen Fall ebenfalls nicht erkannt werden, da der Rechtsvertreter weitere Vorkehrungen hätte treffen können wie zB die im Auto befindlichen Schriftstücke spätestens am drauffolgenden Tag auf unerledigte Aufgaben hin durchzusehen.

 

Unter einem minderen Grad des Versehens ist nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB zu verstehen, die dann vorliegt, wenn dem Wiedereinsetzungswerber ein Fehler unterlaufen ist, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, dh er darf die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH 20. 1. 2000, 98/06/0108; 27. 6. 2008, 2008/11/0099). Bei der Beurteilung, ob auffallende Sorglosigkeit vorliegt, ist daher insbesondere an (berufliche) rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige, bisher noch nie an behördlichen (gerichtlichen) Verfahren beteiligte Personen (vgl VwGH 11. 6. 2003, 2003/10/0114; 26. 6. 2008, 2008/05/0122).

 

Da es auf die persönlichen Fähigkeiten ankommt, fällt die Rechtskundigkeit des Vertreters des Beschwerdeführers (emeritierter Rechtsanwalt mit 30jähriger Berufserfahrung) und damit seine Erfahrung im Umgang mit Behörden besonders ins Gewicht. Mangelndes Verschulden oder minderer Grad des Versehens kann im vorliegenden Fall aufgrund der obigen Ausführungen nicht angenommen werden, da dem Rechtsvertreter besondere, erhöhte Sorgfaltspflichten auferlegt sind, welche auch den Schriftverkehr mit Behörden betreffen und aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes nicht in vollem Umfang erfüllt wurden.

 

Da somit dem Beschwerdeführer durch die ihm zuzurechnende Handlung seines Rechtsvertreters kein bloß minderer Grad des Versehens an der Versäumung der Frist zur Erhebung eines Einspruches gegen die behördliche Strafverfügung trifft, war die Beschwerde abzuweisen.

 

 

zu II.:

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Leopold Wimmer