LVwG-190002/5/VG

Linz, 19.10.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Verena Gubesch über die Beschwerde der K & P Gesellschaft m.b.H., vertreten durch Dr. M M, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz als Bezirksverwaltungsbehörde vom 17. November 2014, GZ: 0016840/2014 ABA Nord 501/N146009, betreffend Verhängung einer Zwangsstrafe gemäß § 5 VVG in einer Bauangelegenheit,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.            Entscheidungswesentlicher Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Mit Bescheid vom 2. März 2009 erteilte der Magistrat der Landeshauptstadt Linz als Baubehörde der K & P Gesellschaft m.b.H. (in der Folge: Beschwerdeführerin) die Baubewilligung für den Neubau eines Geschäftshauses mit vier oberirdischen Geschossen samt ausgebautem Dachraum in dem an der Hauptstraße gelegenen Bereich und zwei oberirdischen Geschossen im Hofbereich sowie mit einer vier unterirdischen Geschosse umfassenden Tiefgarage für 219 PKW u.a. unter Vorschreibung folgender Auflagen:

„32) Verkehrswege, Fluchtwege, Ausgänge, Notausgänge oder –abstiege sind dauernd in ihrer vollen Breite frei und unversperrt zu halten. Weiters sind sie mittels Hinweiszeichen gemäß ÖNORM Z 1000, Teil 2 i.d.g.F. deutlich und in dauerhafter Ausführung zu kennzeichnen.

[…]

34) Im Verlauf von Fluchtwegen (Stiegen, Gänge, Ausgänge) dürfen keine Lagerungen vorgenommen werden.“

 

Mit dem genannten Bescheid wurde die Bauetappe II des Umbaus des x Einkaufszentrums bewilligt. Die Bauetappe II betrifft räumlich lediglich einen neu errichteten Gebäudeteil, der sich vom unmittelbar an der xstraße gelegenen Eingang des Einkaufszentrums aus bis zum bereits davor bestehenden Gebäudeteil des Einkaufszentrums (den Altbestand) erstreckt und dort an diesen anschließt. In den dieser Baubewilligung zugrundeliegenden Einreichplänen sind die Geschäftsflächen sowie die nicht einer Geschäftsfläche zugewiesenen, allgemeinen Bereiche des Einkaufszentrums farblich voneinander getrennt eingezeichnet, wobei letztere im Plan orange schraffiert dargestellt und in der Legende als „MALL / FLUCHTWEG“ bezeichnet werden. Von hier nicht weiter relevanten Ausnahmen abgesehen ist der gesamte für Besucher des Einkaufszentrums vorgesehene Innenbereich, der nicht einer bestimmten Geschäftsfläche zugewiesen ist, ohne weitere Differenzierung so deklariert.

 

Mit dem hier nicht weiter relevanten Bescheid der Baubehörde vom 30. April 2010 wurden Abweichungen vom bewilligten Bauvorhaben genehmigt. Die genannten Auflagen sind davon nicht berührt.

 

2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz als Bezirksverwaltungsbehörde vom 31. Oktober 2014 wurde über die Beschwerdeführerin aufgrund der Nichteinhaltung der unter Punkt 1. genannten Bescheidauflagen eine Zwangsstrafe in Höhe von Euro 726,-- verhängt und gleichzeitig für den Fall der erneuten Nichteinhaltung eine (weitere) Zwangsstrafe in Höhe von Euro 726,-- angedroht (siehe dazu das zur hg. Zl. LVwG-190001 protokollierte Beschwerdeverfahren).

 

3. Mit Schreiben vom 14. November 2014 wurden die Ergebnisse einer baubehördlichen Überprüfung am Tag zuvor vom Amtssachverständigen wie folgt festgehalten:

 

„Bei einem Ortsaugenschein am 13.11.2014 wurde festgestellt, dass die Verkehrswege wiederum durch Verkaufsstände verstellt sind. Weiters sind im Bereich des Weinlokales und des Restaurant x, Tische und Stühle auf den Verkehrswegen aufgestellt.“

 

Im Akt liegen diesem Schreiben mehrere, die schriftlich festgehaltenen Umstände dokumentierende, Lichtbilder bei.

 

4. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz als Bezirksverwaltungsbehörde (im Folgenden: belangte Behörde) vom 17. November 2014 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 5 VVG die zuvor angedrohte Zwangsstrafe in Höhe von Euro 726,-- wegen Nichterfüllung der genannten Auflagen des Baubewilligungsbescheids auferlegt. Begründend wurde im Wesentlichen der Inhalt des oben zitierten Schreibens des Amtssachverständigen wiedergegeben, wobei das Datum des Ortsaugenscheins (offenkundig irrtümlich) mit dem 14. November 2014 angegeben wurde.

 

5. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz ihres rechtsfreundlichen Vertreters vom 4. Dezember 2014 die nunmehr gegenständliche Beschwerde. Im Wesentlichen wird darin vorgebracht, dass der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Vorfalls vom 14. November 2014 kein Parteiengehör eingeräumt worden sei. Die belangte Behörde habe auch nicht ermittelt, ob die Beschwerdeführerin überhaupt für die vorgeworfenen Umstände verantwortlich sei. Weiters werde die materielle Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids eingewandt: Es sei nicht nachgewiesen, dass die Verkehrswege und Fluchtwege nicht in ihrer vollen Breite frei gewesen bzw. dass im Verlauf von Fluchtwegen Lagerungen vorgenommen worden seien, weil die Verkehrs- und Fluchtwege nicht mit der gesamten Breite der Mall ident seien. Vielmehr bestünden diese auflagengemäß in bestimmten gesetzlichen und bescheidmäßig vorgeschriebenen Bereichen, die schmäler seien als die Mall selbst. Die Gleichsetzung der Mall mit dem Fluchtweg sei jedenfalls unzutreffend.

 

 

II.          Beweiswürdigung:

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie in den im Verwaltungsstrafverfahren zu den Zln. LVwG-100040 und LVwG‑100041 beigeschafften bezughabenden Bauakt des Magistrats der Landeshauptstadt Linz, GZ: 0120120/2007, insbesondere in die beigeschafften (von der Beschwerdeführerin im Baubewilligungsverfahren eingereichten) Pläne. Der unter Punkt I. dargestellte entscheidungswesentliche Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten bzw. beigeschafften Akten. Die beantragte öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

 

III.        Maßgebliche Rechtslage:

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

 

Die hier maßgebliche Bestimmung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991 (VVG) BGBl. Nr. 53/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 33/2013, lautet auszugsweise:

„b) Zwangsstrafen

§ 5. (1) Die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen läßt, wird dadurch vollstreckt, daß der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.

(2) Die Vollstreckung hat mit der Androhung des für den Fall des Zuwiderhandelns oder der Säumnis zur Anwendung kommenden Nachteiles zu beginnen. Das angedrohte Zwangsmittel ist beim ersten Zuwiderhandeln oder nach fruchtlosem Ablauf der für die Vornahme der Handlung gesetzten Frist sofort zu vollziehen. Gleichzeitig ist für den Fall der Wiederholung oder des weiteren Verzuges ein stets schärferes Zwangsmittel anzudrohen. Ein angedrohtes Zwangsmittel ist nicht mehr zu vollziehen, sobald der Verpflichtung entsprochen ist.

(3) Die Zwangsmittel dürfen in jedem einzelnen Fall an Geld den Betrag von 726 Euro, an Haft die Dauer von vier Wochen nicht übersteigen.

(4) Die Vollstreckung durch Geldstrafen als Zwangsmittel ist auch gegen juristische Personen mit Ausnahme der Körperschaften des öffentlichen Rechts und eingetragene Personengesellschaften zulässig.

[...]

 

IV.         Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat über die zulässige und rechtzeitige Beschwerde erwogen:

 

Im vorliegenden Fall ist relevant, dass der für die Verhängung der Zwangsstrafe herangezogene Baubewilligungsbescheid vom 2. März 2009 nur die Bauetappe II (den Neubau), sohin nur einen Teil des gesamten x Einkaufszentrums betrifft. Die Geltung der genannten Auflagen kann sich räumlich schon aufgrund des Projektgenehmigungscharakters des Baubewilligungsverfahrens (vgl. etwa VwGH 4. September 2001, 2000/05/0074; 10. Dezember 2013, 2012/05/0147) nur auf den mit diesem Bescheid bewilligten Neubau erstrecken (vgl. dazu auch die hg. Erkenntnisse jeweils vom 26. August 2015 zu den Zln. LVwG-100040 und LVwG-100041; siehe auch die hg. Entscheidung zu Zl. LVwG-190001). Ein Zuwiderhandeln gegen die genannten Bescheidauflagen kann folglich nur bei Verengungen der Fluchtwege bzw. Lagerungen im Verlauf von Fluchtwegen bestehen, soweit diese innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der erteilten Baubewilligung vorgenommen wurden.

 

Im vorliegenden Fall ist die belangte Behörde entsprechend der baubehördlichen Erhebungen vom 13. November 2014 laut Bescheidbegründung davon ausgegangen, dass „die Verkehrswege [...] durch Verkaufsstände verstellt“ und „im Bereich des Weinlokales und des Restaurant x, Tische und Stühle auf den Verkehrswegen aufgestellt“ waren. Diese Ausführungen lassen aber eine eindeutige Zuordnung des angelasteten Zuwiderhandelns zum von der Baubewilligung vom 2. März 2009 umfassten Bereich des in Rede stehenden Einkaufszentrums – und damit zum Umfang des Titelbescheides – nicht zu. Zwar ist dieser aufgrund der generellen Beschreibung „Verkehrswege“ mitumfasst, da sich auch im Neubau Verkehrswege befinden. Jedoch ist ebenso denkbar, dass damit Verkehrswege des Altbestands bezeichnet werden. Jedenfalls befindet sich das genannte Restaurant „x“ im Bereich des Altbestands und auch auf den unter Punkt I.3. genannten Lichtbildern ist lediglich der Altbestand zu erkennen.

 

Damit erweist sich aber die hier gegenständliche Zwangsstrafe (Vollstreckungsverfügung) im Ergebnis als rechtswidrig. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

V.        Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe dazu die in dieser Entscheidung zitierte höchstgerichtliche Judikatur). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.


 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,-- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Verena Gubesch