LVwG-300532/12/PY/PP

Linz, 29.10.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr.in  Andrea Panny über die Beschwerde der Frau A.S., vertreten durch H. Rechtsanwälte GmbH, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 30. Oktober 2014, GZ: Ge96-100-2014/HW, wegen Verwaltungsübertretung nach dem Arbeits­kräfteüberlassungsgesetz (AÜG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 2. Oktober 2015

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstraf­verfahren gemäß § 45 Abs. 1 VStG iVm § 38 VwGVG eingestellt.

 

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 30. Oktober 2014, GZ: Ge96-100-2014/HW, wurde über die Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf) wegen Verwaltungsübertretung nach § 22 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall iVm § 17 Abs. 7 sowie iVm Abs. 2 und 3 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG), BGBl. Nr. 196/1988 idF BGBl. I Nr. 98/2012 eine Geldstrafe iHv 3.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag iHv 300 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

„Sie haben als zur Vertretung nach außen berufene handelsrechtliche Geschäfts­führerin und somit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche gem. § 9 Abs. 1 VStG der S. A. GmbH, x, Sitz in W., Geschäftsanschrift: x, x, folgende Verwaltungsübertretung zu verant­worten:

 

Am 02.07.2014 um 13:45 Uhr wurde von Organen der Finanzpolizei Linz eine Kontrolle betreffend der Firma S. A. GmbH mit Sitz in W., x und der Fa. A. T. K.f.t. mit Sitz in H-x, x, an der Baustellenadresse B. T. in E., x, auf Einhaltung der Bestimmungen des AuslBG, AVRAG und AUG durchgeführt.

 

Dabei wurden folgende Übertretungen des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes festgestellt:

 

Die S. A. GmbH hat am 02.07.2014 in Ihrer Eigenschaft als Beschäftigerin von aus U. überlassenen Arbeitskräften nicht dafür gesorgt, dass für jede nicht in Österreich sozialversicherungspflichtige überlassene Arbeitskraft folgende Unterlagen am Einsatzort in E., x, bereitgehalten wurden:

‒ Anmeldung der Arbeitskraft zur Sozialversicherung (Sozialversicherungs­dokument A 1 nach der Verordnung EG Nr. 883/04 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit)

‒ Abschrift der „ZKO 4" Meldung gemäß § 17 Abs.2 und 3 AUG.

 

Für folgende Arbeitskräfte wurden keine Unterlagen bereitgehalten:

‒ A.H., geb. x, ausgeübte Tätigkeit: Bauhilfsarbeiter, Entlohnung:10 Euro brutto pro Stunde; beschäftigt seit x

‒ K.L., geb. x, ausgeübte Tätigkeit: Bauhilfsarbeiter, Entlohnung:10 Euro brutto pro Stunde; beschäftigt seit x

‒ P.M., geb. x, ausgeübte Tätigkeit: Bauhilfsarbeiter, Entlohnung: 10 Euro brutto pro Stunde; beschäftigt seit x

‒ A.T.R., geb. x, ausgeübte Tätigkeit: Bauhilfsarbeiter, Entlohnung: 10 Euro brutto pro Stunde; beschäftigt seit x

P.R., geb. x, ausgeübte Tätigkeit: Bauhilfsarbeiter, Entlohnung: 10 Euro brutto pro Stunde; beschäftigt seit x

‒ P.L.S., geb. x, ausgeübte Tätigkeit: Bauhilfsarbeiter, Entlohnung: 10 Euro brutto pro Stunde; beschäftigt seit x

‒ A.T., geb. x, ausgeübte Tätigkeit: Bauhilfsarbeiter, Entlohnung: 10 Euro brutto pro Stunde; beschäftigt seit x

‒ G.Z., geb. 07.04.1961, ausgeübte Tätigkeit: Bauhilfsarbeiter, Entlohnung: 10 Euro brutto pro Stunde; beschäftigt seit x

 

Nach § 17 Abs. 3 AÜG hat die Meldung gemäß Abs. 2 folgende Angaben zu enthalten:

1.   Namen und Anschrift des Überlassers,

2.   Namen und Anschrift des Beschäftigers,

3.   Namen, Geburtsdaten, Sozialversicherungsnummern und Staatsangehörigkeit der überlassenen Arbeitskräfte,

4.   Beginn und voraussichtliche Dauer der Beschäftigung beim Beschäftiger,

5.   Höhe des jeder einzelnen Arbeitskraft gebührenden Entgelts,

6.   Orte der Beschäftigung,

7.   Art der Tätigkeit und Verwendung der einzelnen Arbeitskräfte.

 

Auf Grund der Bestimmungen des § 22 Abs. 4 AÜG ist der Einsatzort in E., x, Tatort der gegenständlichen Verwaltungsüber­tretung.“

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen zusammengefasst aus, dass im Zuge von Erhebungen festgestellt wurde, dass die im Spruch angeführten acht u. Arbeitnehmer der A. T. Kft von der S. A. GmbH beim Bauvorhaben T. in E., x, mit Bauhilfsarbeiten beschäftigt wurden. Die erforderlichen Unterlagen, Sozialver­sicherungsdokumente A1 und ZKO-4 Meldungen, wurden am 2. Juli 2014 nicht bereitgehalten. Die von der S. A. GmbH an die A. T. Kft beauftragten Montage- und Spachtelungsarbeiten stellen zweifelsohne unterge­ordnete, einfache manipulative Tätigkeiten dar, die in Anlehnung an die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kein eigenständiges Werk darstellen können. Die Bauhilfsarbeiten erfolgten auch nicht aus eigener Initiative oder zu eigenem Nutzen des u. Unternehmens, sondern waren gekennzeichnet durch den fremdbestimmten Charakter des von der Bf geführten Unternehmens, war es doch deren Baustelle, auf der die Arbeiten durchgeführt und zu deren Vorteil die Ausländer im Ergebnis tätig wurden. Unter Hinweis auf die Aussagen des bei der Kontrolle befragten Vorarbeiters der S. A. GmbH liegt die berechtigte Annahme vor, dass die acht u. Arbeitnehmer auf der konkreten Baustelle in den Gesamtarbeitsbetrieb der S. A. GmbH eingegliedert waren, sodass diese bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise des Sachverhalts ihre Tätigkeit als überlassene Arbeitskräfte im Sinn des § 3 Abs. 4 AÜG verrichtet haben und daher eine Beschäftigung durch das von der Bf vertretene Unternehmen gegeben ist. Eine „interne Ressourcenverteilung“ im Unternehmen vermag die Bf auch nicht von ihrem Verschulden zu befreien, weshalb sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite als erfüllt anzusehen sind.

 

Abschließend legt die Behörde ihre für die Strafbemessung herangezogenen Gründe dar.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig von der Bf im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Beschwerde vom 1. Dezember 2014. Zusammengefasst wird darin vorgebracht, dass die S. A. GmbH mit Werkvertrag vom 16. Juni 2014 die A. T. Kft mit der Erbringung von im Vorfeld konkret und abschließend definierten Trockenbauarbeiten beim Bauvorhaben „T. E.“ beauftragt hat. Bei der Firma A. T. Kft handelt es sich um eine im Jahr 2008 gegründete u. „GmbH“, welche völlig unabhängig von der S. A. GmbH am Markt tätig ist. Die A. T. Kft arbeitet mit eigenem Werkzeug, eigenen Arbeitnehmern und eigenem Material. Die von ihr zum Einsatz gebrachten Arbeitskräfte haben sämtliche für eine rechtlich zulässige Arbeitsleistung in Österreich erforderlichen Unterlagen. Eine „Vermischung“ der Arbeitnehmer der S. A. GmbH mit den Arbeitnehmern der A. T. Kft erfolgte nicht. Die A. T. Kft hat eigenständig und selbstverantwortlich die ihr im Vorfeld übertragenen Arbeiten, nämlich 1. OG Bestand, 2. OG Achse A-L/1-9, 1. OG Achse A-D/7-20 (alles außer Stiegenhaus), 1. OG Achse A-L/1-9, EG Achse A-L/1-7 ausgeführt. Dem entgegen waren die Arbeitnehmer der S. A. GmbH ausschließlich im 3. OG und im Untergeschoß tätig. Es erfolgte daher auch keine Eingliederung der Dienstnehmer der A. T. Kft in die Organisationsstruktur der S. A. GmbH. Bei Bauwerkverträgen ist es jedoch üblich, dass eine Kontrolle des Baufortschritts des Werkunternehmers vorgenommen wird, um eine rechtzeitige Fertigstellung des Gewerkes sicherzustellen und Unregelmäßigkeiten bei der Endabrechnung zu vermeiden. Ebenso erfolgten schlussendlich die Abnahme des Gewerkes und die Kontrolle, ob die Leistung auch tatsächlich mangelfrei erbracht wurde. Eine über die im Werkvertragsrecht üblichen Kontrollen hinausgehende Einflussnahme auf die Arbeitstätigkeit der Dienstnehmer der A. T. Kft erfolgte nicht, die Art und Weise, wie das Gewerk herzustellen ist, wurde im Vorfeld bei Vertrags­abschluss vereinbart, die konkrete Form und Zeit der Leistungserbringung wurde von der A. T. Kft mit der Maßgabe, dass der Fertigstellungstermin entsprechend dem Bauablauf konkretisiert wurde, gewählt. Die Behörde hat sich mit dem tatsächlichen Sachverhalt ungenügend auseinandergesetzt, sondern ungeprüft die Annahmen der Finanzpolizei übernommen. Die Bf wehrt sich auch gegen Pauschalierungen, wonach Trockeninnenausbau kein eigenständiges Werk darstellt. Bei diesen Arbeiten sind – abgesehen von genauester plangemäßer Ausführung – auch technische herausfordernde Brandschutz- und schall­technische Anforderungen zu erfüllen und erweist sich der Vorwurf der Finanzpolizei und der darauf fußende angefochtene Bescheid der belangten Behörde als inhaltlich nicht korrekt. Sollte – wider Erwarten – von der Anwendbarkeit des AÜG ausgegangen werden, wird mangelndes Verschulden bzw. Rechtsirrtum geltend gemacht, da aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich ist, dass sich die Einschreiterin redlichst bemüht hat, dem Gesetz Genüge zu tun und ihr systemwidrige verwaltungsstrafrechtliche Uminter­pretationen von anerkannten zivilrechtlichen Rechtsinstituten nicht vorwerfbar sind.

 

3. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2014 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Landes­verwaltungsgericht vor, das gemäß § 2 VwGVG zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin berufen ist.

 

4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akten­einsicht und Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 2. Oktober 2015, die aufgrund des sachlichen Zusammenhangs gemeinsam mit der im Verfahren zu LVwG-300531 betreffend den weiteren handelsrechtlichen Geschäftsführer der Firma S. A. GmbH anbe­raumten mündlichen Verhandlung durchgeführt wurde. An dieser nahm der Bf Herr Ing. A.O. sowie der Rechtsvertreter der Bf teil, die belangte Behörde entschuldigte sich für die mündliche Verhandlung. Als Zeugen wurden Herr N.P., Herr C.P. und Herr J.S. einver­nommen.

 

4.1. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Die Bf ist handelsrechtliche Geschäftsführerin der Firma S. A. GmbH mit Sitz in W., x (in der Folge: Firma S.). Das Unternehmen führt Trockenbauarbeiten hauptsächlich im gewerblichen Bereich sowie im Industriebau durch und beschäftigt rund 40 Mitarbeiter.

 

Beim gegenständlichen Bauvorhaben übernahm die Firma S. von der Firma V. einen Auftrag zur Durchführung der Trockenbauarbeiten beim Bauvor­haben „T. E.“ in E., x. Der zunächst übertragene Auftragswert belief sich auf rund 450.000 Euro. Die Abwicklung des Bauvorhabens wurde einerseits durch das von der Bf vertretene Unternehmen selbst durchgeführt, teilweise wurden abgegrenzte Teilbereiche der über­nommenen Werkleistung an Subunternehmer weitergegeben, unter anderem die u. Firma A. T. Kft mit Sitz in H-x, die die Firma S. bereits bei anderen Bauvorhaben als Subunternehmer eingesetzt hat (in der Folge: Firma A.). Die Firma A. verrichtete in den zuvor vereinbarten Bauteilen die gesamten Trocken­bauleistungen und bestimmte die Anzahl der einzusetzenden Arbeiter. Die Abrechnung zwischen der Firma A. und der Firma S. erfolgte – wie auch zwischen der Firma S. und deren Auftraggeber – nach Quadratmeter. Das zu verwendende Material wurde von der Firma S. beigestellt, sämtliches für die Tätigkeit im Trockenbau erforderliche Werkzeug wie Leiter, Schrauben, Spachtel, Messer, Bohrmaschinen, Schussapparat für die Profile, Scheinwerfer etc. stammte von der Firma A. Die Firma S. führte keine Arbeitszeit­aufzeichnungen über das von der Firma A. eingesetzte Personal und führte auch keine Arbeitszeitkontrollen durch. Eine Zusammenarbeit der Arbeitnehmer der Firma S. mit jenen der Firma A. fand nicht statt.

 

Die von der Firma S. beim gegenständlichen Bauvorhaben tätigen Arbeit­nehmer wurden vom Vorarbeiter der Firma S., Herrn N.P., bei der Arbeitsausführung angewiesen und kontrolliert. Es konnte nicht festgestellt werden, dass Herr P. oder der für das Bauvorhaben zuständige Bauleiter der Firma S., Herr C.P., eine Beaufsichtigung und Leitung der Arbeitnehmer der Firma A., die über die vom Werkvertragsgeber durchzuführende Überprüfung der ordnungsgemäßen Erfüllung durch den Werkvertragsnehmer hinausging, vorlag.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt sowie dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2015. In dieser schilderten der Bf Ing. O. sowie der Zeuge C.P., der als Bauleiter der Firma S. beim gegenständlichen Bauvorhaben eingesetzt war, übereinstimmend die Abwicklung des mit der Firma A. vereinbarten Vertrages. Aus ihren Aussagen geht auch hervor, zu welchem Zweck und in welcher Form Kontrollen seitens der Firma S. hinsichtlich der Verrichtung der Arbeiten durch die Firma A. durchgeführt wurden. Diese Aussagen stimmen auch mit den Angaben des Zeugen N.P. überein. Dieser schilderte in der mündlichen Verhandlung, dass er als Polier gegenüber den Mitarbeitern der Firma S. konkrete Arbeits­anweisungen und Kontrollen durchführen musste, was beim Personal der Firma A. jedoch nicht in dieser Form der Fall war. Das in der mündlichen Verhandlung einvernommene Kontrollorgan der Finanzpolizei wiederum bestätigte, dass eine „Vermischung“ der Arbeiter der Firma S. sowie jener der Firma A. bei der Kontrolle nicht festgestellt werden konnte und auch Herr P. den Kontrollbeamten gegenüber angab, dass sowohl Trockenbauer der Firma A., als auch solche der Firma S. beim Bauvorhaben tätig sind.

 

5. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 3 Abs. 1 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) ist Überlassung die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte.

 

Gemäß § 3 Abs. 2 AÜG ist Überlasser, wer Arbeitskräfte zur Arbeitsleistung an Dritte vertraglich verpflichtet.

 

Gemäß § 3 Abs. 3 AÜG ist Beschäftiger, wer Arbeitskräfte eines Überlassers zur Arbeitsleistung für betriebseigene Aufgaben einsetzt.

 

Gemäß § 3 Abs. 4 AÜG sind Arbeitskräfte Arbeitnehmer und arbeitnehmer­ähnliche Personen. Arbeitnehmerähnlich sind Personen, die ohne in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, im Auftrag und für Rechnung bestimmter Personen Arbeit leisten und wirtschaftlich unselbständig sind.

 

Gemäß § 4 Abs. 1 AÜG ist für die Beurteilung, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.

 

Gemäß § 4 Abs. 2 AÜG liegt Arbeitskräfteüberlassung insbesondere auch vor, wenn die Arbeitskräfte ihre Arbeitsleistung im Betrieb des Werkbestellers in Erfüllung von Werkverträgen erbringen, aber

1.     kein von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnisses des Werkbestellers abweichendes, unterscheidbares und dem Werkunter­nehmer zuzurechnendes Werk herstellen oder an dessen Herstellung mitwirken oder

2.     die Arbeit nicht vorwiegend mit Material und Werkzeug des Werkunter­nehmers leisten oder

3.     organisatorisch in den Betrieb des Werkbestellers eingegliedert sind und dessen Dienst- und Fachaufsicht unterstehen oder

der Werkunternehmer nicht für den Erfolg der Werkleistung haftet.

 

Gemäß § 17 Abs. 2 AÜG hat der Überlasser bei bewilligungsfreier Überlassung von Arbeitskräften vom Ausland nach Österreich die grenzüberschreitende Überlassung spätestens eine Woche vor der Arbeitsaufnahme in Österreich der zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung (nach dem AuslBG und dem AVRAG) des Bundesministeriums für Finanzen zu melden. In Katastrophenfällen, bei unaufschiebbaren Arbeiten und bei kurzfristig zu erledigenden Aufträgen ist die Meldung unverzüglich vor Arbeitsaufnahme zu erstatten.

 

Gemäß § 17 Abs. 7 AÜG hat der Beschäftiger für jede nicht in Österreich sozialversicherungspflichtige überlassene Arbeitskraft Unterlagen über die Anmeldung der Arbeitskraft zur Sozialversicherung (Sozialversicherungs­dokument A 1 nach der Verordnung (EG) Nr. 883/04 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. Nr. L 166 vom 30.4.2004 S. 1, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 465/202, ABl. Nr. L 149 vom 8.6.2012 S. 4) sowie eine Abschrift der Meldung gemäß den Abs. 2 und 3 am Arbeits(Einsatz)Ort bereitzuhalten.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 Z 2 AÜG begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geld­strafen von 500 Euro bis zu 5.000 Euro, im Wiederholungsfall von 1.000 Euro bis zu 10.000 Euro zu bestrafen, wer die Meldungen gemäß § 17 Abs. 2 nicht recht­zeitig erstattet oder die erforderlichen Unterlagen entgegen § 17 Abs. 7 nicht bereithält.

 

5.2. Der gegenständliche Strafbescheid fußt auf der Feststellung, dass die bei der Kontrolle angetroffenen Arbeitnehmer der Firma A. nicht vom ausländischen Arbeitgeber zur Erfüllung einer von diesem gegenüber der Firma S. übernommenen Werkvertragsverpflichtung beschäftigt wurden, sondern vielmehr eine Arbeitskräfteüberlassung der Firma A. an die Firma S. vorliegt. Zwar erscheint diese Annahme im Hinblick auf die in der Anzeige wieder­gegebenen Angaben des bei der Kontrolle befragten Vorarbeiters der Firma S. nachvollziehbar, eine gemäß § 4 Abs. 1 AÜG durchzuführende Beurteilung nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt und nicht der äußeren Erscheinungs­form des Sachverhaltes, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, bestätigt diese Vermutung nach Durchführung des Beweisverfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht jedoch nicht.

 

Zunächst ist festzuhalten, dass es sich aufgrund der glaubwürdigen Schilderungen über die übertragenen Aufgabenbereiche nicht lediglich um Hilfsarbeiten handelte, die von den Arbeitern der Firma A. erbracht wurden, sondern die gesamten Trockenbauleistungen in einem vor­definierten und abgegrenzten Bauteil von der Firma A. durchzuführen waren. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Abgrenzung zwischen Werkverträgen, deren Erfüllung im Sinn des § 4 Abs. 2 AÜG im Wege der Arbeitskräfteüberlassung stattfindet und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, eine Gesamtbetrachtung der Unterscheidungsmerkmale notwendig (vgl. VwGH vom 19.5.2014, Ro2014/09/0026, vom 17.11.1994, Zl. 94/09/0223). Der Europäische Gerichtshof hat im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens mit Urteil vom 18. Juni 2015, C-586/13 unter Bezugnahme auf das Urteil Vicoplus u.a. (C-307/09 bis C-309/09, EU:C:2011:64) zur Frage, ob Entsendung von Arbeitnehmern oder Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, ausgesprochen, dass eine Überlassung von Arbeitskräften im Sinne von Art.1 Abs.3 Buchst.c der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 1997, L 18, S.1) vorliegt, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens muss es sich bei der Überlassung von Arbeitskräften um eine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung handeln, bei der der entsandte Arbeitnehmer im Dienst des die Dienstleistung erbringenden Unternehmens bleibt, ohne dass ein Arbeitsvertrag mit dem verwendenden Unternehmen geschlossen wird. Zweitens muss das wesentliche Merkmal dieser Überlassung darin bestehen, dass der Wechsel des Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedstaat der eigentliche Gegenstand der Dienstleistung des erbringenden Unternehmens ist. Drittens muss der Arbeitnehmer im Rahmen einer solchen Überlassung seine Aufgaben unter der Aufsicht und Leitung des verwendenden Unternehmens wahrnehmen.

 

Im gegenständlichen Verfahren trat hervor, dass die Firma A. verpflichtet war, die vertraglich vereinbarte Leistung ordnungsgemäß auszuführen, weshalb das Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung grundsätzlich weniger wahrscheinlich ist. Auch der Umstand, dass die Zahl der eingesetzten Arbeitnehmer durch die Firma A. bestimmt wurde, spricht für die Erfüllung einer vereinbarten Leistung und gegen eine Arbeitskräfteüberlassung. Zu unterscheiden ist zudem zwischen der Beaufsichtigung und Leitung der Arbeitnehmer selbst, wie sie zweifellos der Polier der Firma S. gegenüber dem Personal der Firma S. ausübte, und der von der Firma S. durchgeführten Überprüfung der ordnungsgemäßen Erfüllung eines Dienstleistungsvertrages. Bei der Erbringung von Dienstleistungen ist es nämlich üblich, dass der Kunde überprüft, ob die Dienstleistung vertragsgemäß erbracht wird. Zudem kann der Kunde bei der Erbringung einer Dienstleistung den Arbeitnehmern des Dienstleistungserbringers bestimmte allgemeine Anweisungen erteilen, ohne dass damit in Bezug auf diese Arbeitnehmer die Ausübung einer Leitungs- und Aufsichtsbefugnis verbunden ist, sofern der Dienstleistungserbringer seinen Arbeitnehmern die genauen und individuellen Weisungen erteilt, die er für die Ausführung der entsprechenden Dienstleistung für erforderlich hält. Die Weitergabe von Termin- und Koordinierungsvorgaben des Auftraggebers sowie eine Überprüfung des Leistungsfortschritts und der ordnungsgemäßen Erfüllung der bestellten Werkleistung stellen jedenfalls keine Arbeitsan­weisungen dar, wie sie der Polier der Firma S. gegenüber dem eigenen Personal der Firma S. ausübte. Dass der Polier oder der Bauleiter der Firma S. individuelle Maßnahmen gegen die Arbeiter der Firma A. erlassen konnte, war nicht festzustellen. Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes ist keines der in § 4 Abs.  2 Z 1 – 4 AÜG genannten Tatbestandsmerkmale zur Gänze erfüllt. Das Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung der Firma A. an die Firma S. konnte daher nicht festgestellt werden. Im Ergebnis gelangt daher das Oö. Landesver­waltungsgericht zur Überzeugung, dass es sich bei dem vom Bf vorgelegten Werkvertrag zwischen der Firma S. und der Firma A. nicht um die Umgehung einer Zurverfügungstellung von Arbeitskräften an die Firma S. handelt, sondern tatsächlich eine Werkvertragsleistung vereinbart war, die von der Firma A. gegenüber der Firma S. erbracht wurde. Da somit die Firma S. nicht als Beschäftiger der bei der Kontrolle angetroffenen Arbeitnehmer der Firma A. zu beurteilen ist, kann der Bf die Nichtbereithaltung der im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführten Unterlagen bei der Kontrolle nicht zur Last gelegt werden.

 

5.3. Gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG, der gemäß § 38 VwGVG auch im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Anwendung findet, hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungs­übertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

II. Der Kostenausspruch ist in der angeführten gesetzlichen Bestimmung begründet.

 

 

III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art.  133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechts­frage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr.in. Andrea Panny