LVwG-650503/2/Bi

Linz, 29.10.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn K W, vertreten durch die Sachwalterin Frau C W, vom 7. Oktober 2015 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 21. September 2015, VerkR21-457-2015/LL, wegen der Aufforderung sich amtsärztlich untersuchen zu lassen,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der in Beschwerde gezogene Bescheid aufgehoben.  

 

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde der Beschwerdeführer (in Folge: Bf) gemäß §§ 8 und 24 Abs.4 FSG aufgefordert, sich innerhalb von einem Monaten ab Rechtskraft des Bescheides hinsichtlich seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von führerscheinpflichtigen Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 amtsärztlich untersuchen zu lassen.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte laut Rückschein am 28. September 2015.  

2. Dagegen hat der Bf fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerde­vorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Die Durchführung einer (nicht beantragten) öffentlichen mündlichen Verhandlung erübrigte sich gemäß § 24 VwGVG.

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, er fahre seit seinem 19. Lebensjahr mit dem Moped (bis auf einen Auffahrunfall) beinahe unfallfrei und besitze die dafür notwendige Lenkberechtigung; er habe nur3 oder 4mal wegen Zu-Schnell-Fahrens Strafe zahlen müssen. Wenn im Bescheid angeführt werde, dass die für die Lenkberechtigung eines Mopeds notwendigen Voraussetzungen aufgrund der Sachwalterschaft bzw der dazugehörigen Begründung (angeborene Intelligenz­minderung von leicht- bis mittelgradigem Ausmaß und nur teilweise orientiert und vor allem im kognitiven Bereich eingeschränkt) angezweifelt würden: Aus dem Bescheid ergebe sich nicht, inwieweit der Vorfall der sexuellen Belästigung als Begründung herangezogen werde. Eine solche Unfallfreiheit wäre ohne ausreichende Orientierung und kognitiver Fähigkeiten für den Straßenverkehr wohl nicht möglich gewesen.

Er fahre täglich einen Teil seiner Arbeitsstrecke mit dem Moped, sonst könnte er seine Arbeitsstelle nicht erreichen, und benütze dieses oft in der Freizeit. Er sei im Straßenverkehr sehr erfahren und halte sich im üblichen Rahmen an die Vorschriften. Woher sich der Zweifel an seinen Fähigkeiten zum Lenken von Kraftahrzeugen ergebe, sei nicht nachzuvollziehen.

Eine Leugnung dieser Fakten würde gegen die  für Österreich verbindliche UN-Behindertenkonvention stehen, weil es eine Reduktion auf ausschließlich seine Behinderung ohne Hinzunahme anderer Fakten geschehen würde. Er sei auch ausreichend orientiert, um seiner Arbeit in einer metallbearbeitenden Werkstatt nachzugehen. Beantragt wird die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde bis zum Entscheid und Einstellung bzw Rücknahme des Bescheides, weil die tatsächlichen Fakten für eine ausreichende Verkehrstauglichkeit sprächen.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde.

Daraus geht hervor, dass der am 18.10.1966 geborene Bf zur Anzeige gebracht wurde, weil er am 7. August 2015 zwischen 20.00 und 21.00 Uhr in Kematen/Kr., Kremsradweg zwischen Rohr im Kremstal und Kematen an der Krems zwei jugendliche Mädchen und eine 54jährige Frau sexuell belästigt und öffentliche geschlechtliche Handlungen vorgenommen habe. Er sei entlang des dortigen Radweges diesen im nackten Zustand nachgelaufen und habe sie durch sein auffälliges Verhalten belästigt, indem er sich ua teilweise im angrenzenden Maisfeld versteckt und die Genannten beobachtet habe. Wegen derartiger Vorfälle sei er bereits 2011 und 2012 angezeigt worden.

Der Bf wurde mit Beschluss des BG Traun vom 28. Dezember 2010 zu 1 P 219/10h-18 unter Sachwalterschaft zur Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern und Verwaltung des Vermögens bzw der Ersparnisse gestellt.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 24 Abs.4 FSG ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

Ein Aufforderungsbescheid nach § 24 Abs. 4 FSG ist jedenfalls nur dann zulässig, wenn begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hierbei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Im vorliegenden Zusammenhang wäre der Aufforderungsbescheid dann rechtens, wenn ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht bestanden hätten, dem Beschwerdeführer ermangle es wegen Fehlens der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung an der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (vgl E 30.9.2002, 2002/11/0120, und 13.8.2003, 2002/11/0103).

Gemäß der Judikatur des VwGH (vgl E 26.2.2015, 2013/11/0172) kann von  einer mangelnden Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nur bei einem Verhalten gesprochen werden, bei dem es zu relativ schwerwiegenden Verstößen gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften gekommen ist oder das bereits innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu mehreren Vorentziehungen geführt hat (vgl E 30.9.2002, 2002/11/0120). Allenfalls ungehöriges Verhalten des Besitzers einer Lenkberechtigung rechtfertigt für sich allein noch nicht den Verdacht, ihm fehle die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung (siehe dazu E 21.4.1998, 96/11/0170; 13.8.2003, 2002/11/0103).

 

Auch wenn das Verhalten des Bf moralisch verwerflich bzw gegen Anstand und Ordnung zu qualifizieren war, weist es keinen ausreichenden Bezug zu kraftfahrrechtlichem oder straßenverkehrsrechtlichem Fehlverhalten auf, welches einen Mangel der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung indiziert. Auf der Grundlage der Anzeige finden sich keine Hinweise auf einen Mangel der gesundheitlichen Eignung des Bf zum Lenken von Motorfahrrädern; der Vorfall stand nicht im Zusammenhang mit dem Lenken eines Mopeds. Gesundheitlich begründete Überlegungen zur Bestellung eines Sachwalters zur Vertretung vor Gerichten und Behörden und Vermögensverwaltung sind nicht automatisch auch auf die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu beziehen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Eine gesonderte Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, erübrigte sich damit; im Übrigen wäre die im Bescheid angeführte Frist ohnehin erst ab dessen Rechtskraft, dh Zustellung des Erkenntnisses an die Sachwalterin, zu berechnen gewesen. 

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger